BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17017 21. Wahlperiode 03.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 26.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Aus der Zeit gefallen – Wird W.I.R zur Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge überhaupt noch benötigt? Im September 2015 nahm work and integration for refugees (W.I.R) den Betrieb auf. Ziel war es, sich so schnell einen Überblick über die Kompetenzen und die Vorbildung der Flüchtlinge zu verschaffen. W.I.R sollte in die Unterkünfte gehen und die Flüchtlinge diesbezüglich in einem Vorscreening registrieren, um sie dann später in der Niederlassung am Millerntorplatz entsprechend der jeweiligen Fähigkeiten zu beraten. Die Umsetzung des ursprünglichen Plans stockte allerdings. Inzwischen werden Flüchtlinge in die Betreuung von W.I.R aufgenommen, „die schulische und berufliche Erfahrungen beziehungsweise Abschlüsse oder ein Studium mitbringen sowie Sprachkenntnisse einer romanischen Sprache mitbringen“ (Drs. 21/10523). Die Prüfung der Voraussetzungen erfolgt seitens der Agentur für Arbeit im Ankunftszentrum. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat hat bereits mehrfach über das Programm work and integration for refugees – W.I.R berichtet (siehe Drs. 21/8825, 21/10523, 21/16652, 21/16887), das in seiner jetzigen Programmatik zunächst bis zum 30. Juni 2020 Bestand hat. W.I.R richtet sich an alle erwerbsfähigen Geflüchteten mit formalen und nicht formalen Kompetenzen (siehe hierzu auch https://www.hamburg.de/wir/). Seit 2017 erfolgt die Kompetenzerfassung aller Geflüchteten regelhaft über das Ankunftszentrum. Für alle vor dem 1. Januar 2017 eingereisten Geflüchteten erfolgt eine nachholende Erfassung über die Agentur für Arbeit in der Norderstraße. Im Jahresdurchschnitt 2019 werden in W.I.R bei den kommunalen Dienstleistern etwa 1 700 Kundinnen und Kunden in der monatlichen Betreuung erwartet. Aufgrund von Stellenvakanzen bei einigen kommunalen Trägern lag dieser Wert Anfang 2019 bei 1 249 Kundinnen und Kunden und ist durch die erfolgreiche Besetzung der offenen Stellen zu Ende März 2019 wieder auf 1 593 Kundinnen und Kunden angewachsen (siehe auch Drs. 21/16887). Die Betreuung in W.I.R orientiert sich an den individuellen Bedarfen der Geflüchteten und zielt auf die Integration in Arbeit und/oder Ausbildung ab. Dieser Betreuungsprozess ist für den in W.I.R betreuten Kundenkreis bis zu 18 Monate möglich, einschließlich Nachbetreuung nach Integration in Ausbildung oder Arbeit. Die Auswertung der individuellen Betreuungsdauer, aus der sich eine durchschnittliche Betreuungsdauer errechnen ließe, erfordert die Zusammenführung von Informationen aus den jeweiligen Kundenmanagementsystemen von Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur für Arbeit) und Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) sowie die händische Auswertung von mehreren Tausend Handakten. Eine solche Auswertung ist in der für die Drucksache 21/17017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Seit 2013 ist ein zunächst langsamer, dann beständig schnellerer Anstieg der Flüchtlingszahlen festzustellen. Von 2013 bis 2015 verzehnfachte sich die Anzahl der in Hamburg ankommenden Flüchtlinge, die Anzahl der unterzubringenden Flüchtlinge versechsfachte sich. Seit 2016 ist die Anzahl ankommender und unterzubringender Personen wieder gesunken, jedoch keineswegs zu vernachlässigen. Auch 2018 mussten monatlich durchschnittlich rd. 250 Personen untergebracht werden. Das entspricht (ohne Fluktuation) rund zehn neuen Unterkünften im Jahr. Anzahl der in Hamburg ankommenden, verbleibenden und unterzubringenden Flüchtlinge von 2015 bis 2019 2015 2016 2017 2018 bis März 2019 Ankunft in Hamburg 40 868 16 167 9 006 8 927 2 334 Verbleib in Hamburg 22 315 9 448 5 685 4 780 1 343 Unterzubringen in Hamburg 21 018 7 625 3 321 2 947 686 (Quelle: Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge) Aufgrund der nach wie vor hohen Zugangszahlen und der gleichbleibend hohen Zahl von Geflüchteten, um deren Arbeitsmarktintegration sich W.I.R auch in 2019 kümmern wird, ist für 2019 keine Umsteuerung geplant. Im Hinblick auf die Zukunft von W.I.R nach dem 30. Juni 2020 findet derzeit eine Verständigung zwischen den Partnern Agentur für Arbeit, Jobcenter und Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration statt. Insgesamt entwickelt sich die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Hamburg positiv und ist der ursprünglich für ganz Deutschland prognostizierten Entwicklung etwa zwei Jahre voraus: Mittlerweile sind über 12 500 Geflüchtete aus den sogenannten acht Hauptasylherkunftsländern (Syrien, Iran, Irak, Afghanistan, Eritrea, Somalia, Nigeria und Pakistan) in Hamburg sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Davon ist knapp die Hälfte als Fachkraft tätig. Weitere 3 200 Geflüchtete sind, gemäß der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Migrationsmonitor, mit Stand September 2018 geringfügig beschäftigt (Minijob). Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den genannten Ländern stieg im Vergleich zum September 2015 (5 294) um mehr als 136 Prozent (September 2018: 12 519). Mit dem W.I.R-Programm gibt es in Hamburg eine verlässliche und verschränkte Begleitstruktur der Arbeitsverwaltung mit kommunalen Dienstleistern, die die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt eng mit dem Spracherwerb verzahnt. Von Anfang an werden die Geflüchteten engmaschig begleitet, um nach Möglichkeit nachhaltig in qualifizierte Beschäftigung vermittelt zu werden, um Arbeits- oder Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Dabei erweist sich die in Hamburg angebotene Sprachförderung , auch für Geflüchtete, die keinen Anspruch auf eine Teilnahme an den bundesfinanzierten Sprachkursen haben, als wesentliche Unterstützung. Aktuell gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Integration Geflüchteter in Arbeit und Ausbildung weniger nachhaltig ist als bei anderen Gruppen am Arbeitsmarkt. Kundinnen und Kunden von W.I.R werden in der Förderstatistik der Agentur für Arbeit nicht gesondert erfasst oder ausgewiesen. Auswertungen, wie viele von W.I.R betreute Personen in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen oder in Arbeit und Ausbildung vermittelt wurden, sind daher nicht möglich. Die Zu- und Abgänge an arbeitsuchenden und arbeitslosen Personen sowie Teilnehmende in ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Kontext von Fluchtmigration können der öffentlich zugänglichen Auswertung „Migrationsmonitor – Personen im Kontext von Fluchtmigration“ entnommen werden: https://statistik.arbeitsagentur.de/nn_1405502/Statischer-Content/ Rubriken/Arbeitsmarkt-im-Ueberblick/Personen-im-Kontext-von-Fluchtmigration.html. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17017 3 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Agentur für Arbeit und von Jobcenter wie folgt: 1. Der Senat hat in Drs. 21/15811 angegeben, dass W.I.R im Dezember 2018 1 609 Kunden betreut hat. Im Januar 2019 waren es nur noch 1 249 Kunden (Drs. 21/16284). a) Wie ist der starke Rückgang von 360 Kunden zu erklären? b) Wie wird sich aus Sicht des Senats die Zahl der W.I.R-Kunden im Laufe des Jahres entwickeln? 2. Plant der Senat aufgrund der Zugangsentwicklung im Laufe des Jahres 2019 bereits eine Neuaufstellung von W.I.R bezüglich der Personalausstattung oder der Zielgruppe, für die W.I.R zuständig ist? Wenn ja, welche Maßnahmen sollen zu wann ergriffen werden und was ist bereits in Planung? Wenn nein, warum sieht der Senat hier keinen Handlungsbedarf? 3. Die Laufzeit des Vorhabens W.I.R ist befristet. a) Wann läuft W.I.R nach aktuellem Stand aus? b) Welche Überlegungen gibt es bereits für die Zeit danach bezüglich Fortbestand von W.I.R, künftige Betreuung der Zielgruppe, Verbleib der rund 66 Mitarbeiter und Erhalt der Standorte in Harburg und Bergedorf? 4. Die Betreuung „soll mindestens drei Monate betragen“ (Drs. 21/15837). Wie lange wurden im Jahr 2018 die Kunden im Durchschnitt bei W.I.R betreut? 5. In welche zehn arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vermittelte W.I.R im Jahr 2018 am häufigsten? 6. „Die Vermittlung in Ausbildung und Beschäftigung ist ein gemeinsames Ergebnis aller am Beratungsprozess Beteiligten von W.I.R“, heißt es in Drs. 21/7590. Wie viele Personen wurden im Jahr 2018 von W.I.R in Ausbildung und wie viele in Beschäftigung vermittelt? Bitte zusätzlich nach Branchen aufschlüsseln. Siehe Vorbemerkung. 7. Kosten in welcher Höhe hat W.I.R im vergangenen Jahr 2018 insgesamt verursacht und welche Stelle hat sie in jeweils welcher Höhe getragen? Bitte zusätzlich nach Kostenarten aufschlüsseln. Für Personal von Jobcenter des Trägers Bundesagentur für Arbeit fielen in 2018 Ausgaben in Höhe von 726 911,38 Euro an. Für das Personal des Trägers Freie und Hansestadt Hamburg fielen im 1. Quartal 2018 Kosten in Höhe von 36 368,71 Euro an. Die weiteren Quartale können noch nicht abschließend beziffert werden. Eine Übersicht über die Sachkosten vom Jobcenter für das Jahr 2018 ist der Anlage zu entnehmen. Bei der Agentur sind die Kosten für W.I.R Teil des Verwaltungsbudgets und werden nicht gesondert ausgewiesen. Durchschnittlich waren 2018 fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tätigkeitsebene IV im Projekt W.I.R beschäftigt. Die durchschnittlichen Personalkosten pro Mitarbeiter/in in der Gehaltsstufe IV liegen bei 47 055,84 Euro. Das System der Agentur kann keine Personalkosten gefiltert nach Teams ausweisen. Darüber hinaus sind in 2018 für die Agentur Kosten in Höhe von insgesamt: 80 097,11 Euro angefallen, davon Mietkosten in Höhe von 78 333,61 Euro und sonstige Sachkosten in Höhe von 1 763,50 Euro. In der Produktgruppe Arbeitsmarktpolitik des Einzelplans 4 sind für das Jahr 2018 nach Abschluss der 13. Periode Kosten in Höhe von 2 811 425 Euro entstanden: Drucksache 21/17017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Kosten W.I.R. Ist-2018 (abgeschlossene Periode 13) Erlöse aus lfd. Verwaltungstätigkeit 19.023 €- Kosten aus Transferleistungen 1.673.085 € Kosten aus lfd. Verwaltungstätigkeit 1.056.744 € 94.221 € Kosten aus Abschreibungen 6.398 € 2.811.425 € W.I.R. Summe Sonstige Kosten 8. Kosten in welcher Höhe wird W.I.R im Jahr 2019 voraussichtlich verursachen und welche Stelle wird sie in jeweils welcher Höhe tragen? Die Sachkosten vom Jobcenter werden sich für 2019 in einem 2018 vergleichbaren Rahmen bewegen, bei den Personalkosten werden die Kosten sich um die jeweils geltende Tarifsteigerung erhöhen. Die Sachkosten der Agentur werden für 2019 voraussichtlich insgesamt: 82 755,88 Euro betragen (davon Mietkosten in Höhe von 80 255,88 Euro und Sachkosten von rund 2 500 Euro). Bei den Personalkosten werden die Kosten sich um die jeweils geltende Tarifsteigerung erhöhen. In der Produktgruppe Arbeitsmarktpolitik werden für das Jahr 2019 Kosten in Höhe von 2 503 289 Euro erwartet. Kosten W.I.R. Prognose 2019 (Stand 31.03.2019) Erlöse aus lfd. Verwaltungstätigkeit - € Kosten aus Transferleistungen 1.439.749 € Kosten aus lfd. Verwaltungstätigkeit 1.044.144 € 13.000 € Kosten aus Abschreibungen 6.396 € 2.503.289 € W.I.R. Summe Sonstige Kosten K o s te n a b re c h n u n g f ü r d a s P ro je k t W .I .R - w o rk a n d i n te g ra ti o n f o r re fu g e e s L ie g e n s c h a ft : M ill e rn to rp la tz 1 , 2 0 3 5 9 H a m b u rg L ie g e n s c h a ft : H a rb u rg e r R in g 3 5 , 2 1 0 7 3 H a m b u rg L ie g e n s c h a ft : L u d w ig -R o s e n b e rg -R in g 4 1 , 2 1 0 3 1 H a m b u rg J C t a h 0 ,0 0 € 0 ,0 0 € 4 9 6 ,8 7 € 3 3 2 ,9 9 € 1 0 5 .8 1 1 ,7 8 € 8 .6 8 9 ,1 5 € 7 .0 7 6 ,2 4 € 3 0 .3 9 5 ,0 9 € 7 .2 5 8 ,6 5 € S u m m e S a c h k o s te n : 1 6 0 .0 6 0 ,7 7 € D ie n s tl e is tu n g G e b ä u d e m a n a g e m e n t N e b e n k o s te n W a c h d ie n s t R e in ig u n g G e s a m t 2 0 1 8 D o lm e ts c h e rt e le fo n ie D ie n s tl e is tu n g I n v e n ta rm a n a g e m e n t K u ri e rf a h rt e n V e rb ra u c h s m a te ri a l M ie te Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17017 5 Anlage 17017ska_Text 17017ska_Anlage