BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17024 21. Wahlperiode 07.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 29.04.19 und Antwort des Senats Betr.: Kann in Hamburg die Förderung der Belange der Pflegenden auch ohne Pflegekammer sichergestellt werden? Pflegekammern vertreten die Interessen von Pflegekräften in den Formen der Selbstverwaltung. Sie gestalten die Berufsordnungen sowie die Organisation der Fortbildung im Pflegewesen, bieten Beratungsleistungen an und stehen für die Aufrechterhaltung von Qualitätsstandards in der Pflege ein. Nicht zuletzt verleihen Pflegekammern der beruflichen Pflege eine hörbare Stimme im Kontakt zu anderen gesundheits- und pflegepolitischen Akteuren. Durch die Hamburger Berufsordnung für Beschäftigte in der Pflege ist diese berufsständische Funktion in der Hansestadt bereits umgesetzt. Wie steht es aber um die Realisierung der übrigen oben genannten Kammeraufgaben? Können diese in der Hansestadt von Berufsverbänden beziehungsweise durch eine Gewerkschaft ebenso gut übernommen werden? In Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion aus dem Januar 20191 weist der Senat in diesem Zusammenhang auf die beratende Mitwirkung des Hamburger Pflegerates2 und der Gewerkschaft ver.di im Landespflegeausschuss hin. Ebenfalls angeführt wird die Berücksichtigung pflegerischen Fachwissens in der Sektorenübergreifenden Landeskonferenz zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, da in der Konferenz Vertreter der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V. sowie der Hamburgischen Pflegeberufe Mitglied sind. Dem Landespflegeausschuss kommt gemäß § 8a SGB XI die Aufgabe zu, zur Umsetzung der Pflegeversicherung Empfehlungen abzugeben. Die Landeskonferenz wiederum gibt Empfehlungen zur sektorenübergreifenden gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung ab und behandelt insbesondere Fragestellungen zu aktuellen und zukünftigen Bedarfen einer flächendeckenden regionalen Versorgung. Fraglich ist angesichts solch eng definierter Wirkungsbereiche, ob das Fehlen von Kammerfunktionen durch diese beiden Gremien wirklich kompensiert werden kann. Andererseits tritt etwa der Hamburger Pflegerat nicht nur im Rahmen des Landespflegeausschusses für die Belange der pflegenden Berufe ein. Dennoch fordert der Deutsche Pflegerat DPR – wie auch der Hamburger Pflegerat – eine Pflegekammer als Selbstverwaltungsorgan und vertritt die Auffassung, dass die Vertretung berufsspezifischer Interessen in gemischt 1 Drs. 21/15907: Braucht Hamburg eine Pflegekammer? 2 Der Hamburger Pflegerat ist ein Zusammenschluss der Berufsverbände beruflich Pflegender . Drucksache 21/17024 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 besetzten Gremien deshalb nicht sachdienlich sei, weil von Verbänden,3 welche die Interessen der beruflich Pflegenden dezidiert nicht vertreten, ein zu großer Einfluss ausgeübt wird.4 Die Zergliederung und Fraktionierung von Zuständigkeiten – so der DPR – verhindere die wirksame Interessenvertretung der pflegenden Berufsgruppen. In Beantwortung der oben genannten Anfrage der AfD-Fraktion5 teilt der Senat weiterhin mit, dass die zuständige Behörde die Entwicklungen zur Einrichtung von Pflegekammern in anderen Bundesländern beobachte und dass sich die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden AOLG auf Antrag Hamburgs mit ersten Erfahrungen zu den Pflegekammern anderer Länder befassen wird. Dass eine im Jahre 2013 durchgeführte repräsentative Umfrage unter ausgebildeten Pflegekräften im Ergebnis eine eher ablehnende Haltung gegenüber der Einrichtung einer Pflegekammer in Hamburg offenbarte, ist bekannt. Angesichts der Tatsache, dass diese Umfrage inzwischen circa sechs Jahre zurückliegt, wird der Senat bei der Beantwortung der folgenden Fragen gebeten , mögliche Akzeptanzprobleme außer Acht zu lassen, weil deren Fortbestehen nach über einem halben Jahrzehnt inzwischen spekulativ sein dürfte. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Werden nach Ansicht des Senats die kammerspezifischen Funktionen durch die Mitwirkung des Pflegerates und der Gewerkschaft ver.di im Landespflegeausschuss beziehungsweise durch die Mitwirkung der Hamburgischen Pflegegesellschaft und der Hamburgischen Pflegeberufe in der Landeskonferenz in ausreichendem Maße wahrgenommen? Falls nicht, wo erkennt der Senat Defizite? Aufgabe einer Pflegekammer ist es, die beruflichen Belange der Pflegenden zu fördern und unter Beachtung der Interessen der Bevölkerung zu überwachen. Durch die Mitwirkung des Pflegerates und der Gewerkschaft ver.di im Landespflegeausschuss beziehungsweise durch die Mitwirkung der Hamburgischen Pflegegesellschaft und Vertretern der Hamburgischen Pflegeberufe in der Landeskonferenz besteht die Möglichkeit einer Vertretung der Belange der Pflegenden insbesondere bei Fragen der Versorgungsplanung entsprechend dem Auftrag der Gremien nach § 8a SGB XI beziehungsweise 90 a SGB V. Nicht alle möglichen Funktionen einer Kammer können auf diesem Wege wahrgenommen werden. 2. Werden nach Einschätzung des Senats die Belange der pflegenden Berufe durch ver.di und den Pflegerat – unabhängig von deren Mitwirkung im Landespflegeausschuss – auch ohne Kammer ausreichend gut vertreten? Der Senat sieht davon ab zu bewerten, wie gut Gewerkschaften und Berufsverbände die Belange ihrer Mitglieder vertreten. 3. Wie beurteilt der Senat die Einschätzung des Deutschen Pflegerates, die Durchsetzung der Interessen der Pflegenden in gemischt besetzten Gremien wäre erschwert, weil hier auch Verbände mitwirkten, welche die Interessen der Pflegenden eben gerade nicht vertreten wollten? Damit hat sich der Senat nicht befasst. 3 So war beispielsweise in der 6 Amtsperiode vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2018 Herr Frank Wagner stellvertretender Vorsitzender des Landespflegeausschusses Hamburg. Herr Wagner ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V.,bpa-Landesgruppe Hamburg und somit ein Verbandsvertreter der Arbeitgeberseite. 4 Deutscher Pflegerat, Stellungnahme zum bpa-Modell, September 2014. 5 Drs. 21/15907: Braucht Hamburg eine Pflegekammer? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17024 3 4. Zu welchen Ergebnissen haben die Beobachtungen der zuständigen Behörde im Hinblick auf die Erfahrungen geführt, die in anderen Bundesländern bei der Einrichtungen von Pflegekammern gemacht wurden? Es wird um eine detaillierte Antwort und um eine Einschätzung gebeten, ob die Beobachtungsergebnisse die Einrichtung einer Pflegekammer in Hamburg eher nahelegen oder eher als unzweckmäßig erscheinen lassen . 5. Hat sich die AOLG inzwischen mit ersten Erfahrungen zu Pflegekammern in einigen Bundesländern befasst und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) hat sich auf ihrer Sitzung im Februar 2019 mit den Erfahrungen zu den Pflegekammern anderer Länder befasst. Die AOLG hat auf der Grundlage erster, vorläufiger Erfahrungsberichte der Länder Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen noch keine weitergehende Beschlussfassung vorgenommen, da der Zeitraum seit der Gründung der dortigen Kammern noch keine sicheren Einschätzungen ermöglicht. Die Erfahrungsberichte zeigen aber, dass die Gründungsphase einer Pflegekammer teilweise mit erheblichen Konflikten zwischen Befürwortern und Gegnern einhergeht. Aus Sicht der zuständigen Behörde setzt die mögliche Gründung einer Pflegekammer deshalb voraus, dass eine ausreichende Akzeptanz bei den Pflegekräften vorhanden ist oder geschaffen werden kann. Die zuständige Behörde wird dementsprechend die Entwicklung weiterhin beobachten .