BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17059 21. Wahlperiode 10.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Jennyfer Dutschke (FDP) vom 02.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Todesfall eines Psychiatrie-Patienten im UKE – Wie ist der aktuelle Stand? Am 26.04.2019 ist ein 34-jähriger Psychiatrie-Patient an Herzversagen im UKE verstorben. Zuvor wurde er vom Sicherheitspersonal der Klinik fixiert. Unklar ist, ob dies mit Gewalteinwirkung geschah. Dazu soll es mehrere Zeugenaussagen geben. Dies sei auch Gegenstand der aktuellen Ermittlungen , wegen eines Verdachts auf Körperverletzung mit Todesfolge. Das UKE hat in einer ersten Stellungnahme von einem „medizinischen Zwischenfall“ gesprochen. Der 34-Jährige sei zunächst freiwillig in die Behandlung gegangen . Während der Behandlung hätte der Patient durch den „zwischenzeitlich gerufenen Sicherheitsdienst fixiert werden müssen, als er aus unerklärlichen Umständen medizinische Hilfe benötigte.“ Zunächst seien mehrere Pflegerinnen mit Medikamenten und einem Glas Wasser zu ihm gegangen. Als der Patient die Einnahme der Tabletten verweigerte, seien drei Sicherheitsleute dazu gekommen. Fraglich ist, auf welcher rechtlichen Grundlage die Fixierung erfolgte, ob diese verhältnismäßig war und ob ein richterlicher Beschluss hätte eingeholt werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. Juli 2018 (2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16) klargestellt , dass die – nicht nur kurzfristige – 5-Punkt- oder 7-Punkt Fixierung als Freiheitsentziehung im Sinne des Artikel 104 Absatz 2 GG zu qualifizieren ist. Damit kann über die Zulässigkeit und Fortdauer eine Freiheitsentziehung gemäß Artikel 104 Absatz 2 S. 1 GG nur ein Richter entscheiden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg ist ein Ermittlungsverfahren anhängig, dessen Ziel eine vollständige Klärung des Vorfalls am Ostersonntag und der gegebenenfalls strafrechtlichen Relevanz des Verhaltens einzelner Beschäftigter des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) beziehungsweise eines seiner Tochterunternehmen ist. Der Senat muss von einer Beantwortung einzelner Fragen absehen, soweit sie Gegenstände der staatsanwaltlichen Ermittlungstätigkeit betreffen. Gleiches gilt, soweit die Beantwortung einzelner Fragen mit Informationen über den Gesundheitszustand des verstorbenen Patienten verbunden wäre. Diese unterliegen der über den Tod des Patienten hinaus fortgeltenden ärztlichen Schweigepflicht, deren Einhaltung durch § 203 StGB auch strafrechtlich geschützt ist. Im Übrigen siehe Drs. 21/17007. Dies vorangestellt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften des UKE wie folgt: 1. Was ist genau geschehen, als der 34-Jährige das UKE aufsuchte? a. Seit wann und warum war der 34-Jährige Patient in welchem Zustand im UKE? Drucksache 21/17059 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b. Wie viele Pfleger/-innen haben zu welchem Zeitpunkt dann welche Maßnahmen ergriffen? c. Gab es Hinweise, dass der Patient zu irgendeinem Zeitpunkt zur Gewalttätigkeit neigte? d. Ab welchem Zeitpunkt ist das Sicherheitspersonal aus welchen Gründen verständigt worden? e. Wann ist eine Fixierung von wie vielen Personen aus welchen Gründen umgesetzt worden? Wer ist dafür verantwortlich beziehungsweise wurde das Ermessen des Personals rechtmäßig ausgeübt ? f. Gab es Gefahr im Verzug und ist eine Bestätigung durch ärztliches Personal eingeholt worden? Wenn nein, warum nicht? g. Wie lange dauerte die Fixierung an und ab wann hätte das ärztliche Personal per Antrag eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen müssen? Welche Gliedmaßen wurden fixiert? h. War beabsichtigt den 34-Jährigen auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Fixierung hinzuweisen? Falls dies nicht der Fall sein sollte, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 2. Was ist der übliche Ablauf von Fixierungen im UKE? a. Welches Ermessen haben Pflegepersonal und Sicherheitspersonen aus Sicht des Senats und nach den geltenden Regelungen, wenn der Patient nicht gewalttätig ist? Nach welchen Kriterien wird entschieden ? Gemäß HmbPsychKG darf eine untergebrachte Person nur dann zeitweise fixiert werden , wenn und solange die gegenwärtige Gefahr besteht, dass sie gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst tötet oder verletzt, und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann (vergleiche § 18 Absatz 1 S. 1 HmbPsychKG). Die Vornahme einer Fixierung gemäß § 18 Absatz 1 HmbPsychKG als „ultima ratio“ ist somit stets auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu prüfen und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, insoweit besteht kein „freies“ Ermessen. Das Vorgehen bei der Durchführung von notwendigen Fixierungen im Rahmen von Unterbringungen nach HmbPsychKG ist im UKE durch Verfahrensanweisungen geregelt . Darüber hinaus können festhaltende (das heißt die körperliche Bewegungsfreiheit einschränkende) Maßnahmen zum Beispiel auch aufgrund der §§ 32, 34 StGB oder anderer allgemeiner Rechtsfertigungsgründe gerechtfertigt sein. Bei den in Rede stehenden Maßnahmen des medizinischen Personals des UKE und des Sicherheitsdienstes der KLE GmbH am 21.04.2019, die Gegenstand des oben angegebenen Ermittlungsverfahrens sind, handelt es sich nicht um eine „Fixierung“ im Sinne von § 18 Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG), sondern im allgemeinen Wortsinn um ein „Festhalten“ unter Einsatz von Körperkraft. Im Übrigen siehe Drs. 21/17007. b. Ab wann ist eine Fixierung Freiheitsberaubung und bedarf der Überprüfung gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018? Jede Fixierung ist ein massiver Eingriff in die Freiheitsrechte der betroffenen Person. Unter Fixierung versteht man das Anbinden der untergebrachten Person an einen feststehenden Gegenstand, vorzugsweise ein Bett, was zu einem totalen Verlust der Bewegungsfreiheit führt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17059 3 Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, Rz. 68) bedürfen 5-Punkt und 7-Punkt-Fixierungen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Unterbringungen einer gerichtlichen Überprüfung, soweit diese Fixierungen nicht nur kurzfristig erfolgen. Gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bei einer 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung juristisch regelmäßig der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt, soweit diese Fixierung nicht absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet. Fixierungen können jedoch bei Vorliegen definierter rechtlicher Voraussetzungen (insbesondere der Unterbringungsgesetze oder den Regelungen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB et cetera)) gerechtfertigt sein. Hamburg hat mit Wirkung zum 05.01.2019 als eines der ersten Bundesländer die rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit Fixierungen umgesetzt (hier insbesondere Änderung des § 18 Absatz 3 und 4 HmbPsychKG)). 3. Wie ist das bisherige Ergebnis der Obduktion? a. Sind Spuren der Gewalteinwirkung am Körper des 34-Jährigen festgestellt worden? b. Wenn ja, kann ausgeschlossen werden, dass das Herzversagen durch äußere Ursachen beziehungsweise Einwirkungen oder infolge der Aufregung der Situation entstand? Siehe Vorbemerkung. 4. Wann wurde der Senat über den Hergang im UKE informiert und hat welche Maßnahme durch welche Behörde ergriffen? Wann wird die Bürgerschaft vom Senat gegebenenfalls in welchem Ausschuss über den Fall informiert? Der die Rechts- und Organaufsicht über das UKE ausübenden Behörde für Wissenschaft , Forschung und Gleichstellung (BWFG) ist am 24.04.2019 durch das UKE berichtet worden, im Übrigen siehe Drs. 21/17007. Darüber hinaus hat sich der Senat damit noch nicht befasst. 5. Gab es in den Jahren 2011 bis Mai 2019 ähnlich gelagerte Fälle im UKE oder in anderen Einrichtungen der Freien und Hansestadt Hamburg? Bitte nach Jahr, Psychiatrien, Grund der Fixierung benennen. Ähnliche Vorkommnisse in der Psychiatrie, bei denen Sicherheitsdienste involviert waren, sind in der zuständigen Behörde nicht bekannt. a. Wie viele Fälle von 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung von Patienten wurden seit dem Jahr 2018 in Hamburger Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrien durchgeführt? Bitte nach Psychiatrien und Jahren differenzieren. Die Auswertung der Daten zu Zwangsmaßnahmen in den nach § 12a HmbPsychKG beliehenen Krankenhäusern und im UKE ist für das Jahr 2018 noch nicht abgeschlossen . Eine Einzelauswertung aller Patientenakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. b. Wurden die Betroffenen nach Beendigung einer Fixierung auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit seit 2018 hingewiesen? Falls dies nicht der Fall sein sollte, warum ist dies nicht in wie vielen Fällen geschehen? Falls auf die gerichtliche Überprüfung hingewiesen wurde, auf welchem Weg und wie wurde dies dokumentiert? Die Betroffenen werden regelhaft auf die ihnen hier zustehenden Rechte hingewiesen, die Dokumentation erfolgt in der Patientenakte.