BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1706 21. Wahlperiode 02.10.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 24.09.15 und Antwort des Senats Betr.: Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Salafismus in Hamburg ausreichend? Im Jahr 2014 hat der Senat sein „Konzept zur Vorbeugung und Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus und anti-muslimischer Diskriminierung“ vorgestellt (Drs. 20/13460). Mit diesem Konzept sollte insbesondere auch Gefahren aus dem Bereich des Salafismus vorgebeugt werden. In letzter Zeit sind jedoch vermehrt Aktionen von Salafisten zu verzeichnen, unter anderem Aktionen zur Verteilung des Korans und zum Ansprechen und Anwerben von Flüchtlingen und anderen Ausländern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Im Rahmen dieses Konzepts sollte ein neues Kompetenznetzwerk etabliert werden. Ist dieses bereits geschaffen worden? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Siehe Drs. 21/1674. 2. Innerhalb des Kompetenznetzwerks sollte eine „AG Schwerpunkt Prävention “ Ansätze der Präventionsarbeit entwickeln. Ist dies bereits geschehen? Welche konkreten Ansätze wurden entwickelt? Welche weiteren Maßnahmen wurden speziell mit Blick auf die Arbeit in Schulen vorgeschlagen? Werden diese Maßnahmen bereits umgesetzt? Wenn nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/1674. Zu den schulischen Maßnahmen wird Folgendes ergänzt: Die schulischen Maßnahmen zur Prävention und Aufklärung werden im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) vom zuständigen Beratungsteam „Menschenrechts - und Demokratiefeindlichkeit“ angeboten und fortlaufend der aktuellen Entwicklung angepasst. Dabei wird in der Prävention ein multiperspektivischer Ansatz verfolgt, der die Themen Islamismus/Salafismus als menschenrechts- und demokratiefeindlich einordnet und sich auf die Bereiche Politik, Religion, Demokratiepädagogik , Sozial- und Rechtserziehung sowie interkulturelle Erziehung stützt. Zu diesen Maßnahmen zählen zielgruppenspezifische Aufklärungs- und Fortbildungsveranstaltungen und Beratungen für Lehrkräfte, Schulleitungen und ganze Kollegien. Die Maßnahmen für Schulen werden seit dem Schuljahr 2013/2014 laufend angeboten . Aufgrund der gestiegenen Nachfrage wurde das Angebot im Schuljahr 2014/2015 ausgebaut und zusätzlich wurden folgende zentrale und schulinterne Veranstaltungen und Formate konzipiert: - „Islamistische Aktivitäten: Fallberatung vor Ort“ Drucksache 21/1706 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 - „Umgang mit rechtsradikalen und islamistischen Äußerungen in der Schule“ - „Religion(en) an der Schule – Umgang mit religiösen Fragen und Islamismus“ - „Umgang mit Islamismus in der Schule“ - „Pädagogische Jahreskonferenz: Umgang mit Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit “ - „Fachtag Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit“ Im laufenden Schuljahr 2015/2016 werden die Fortbildungsveranstaltungen nicht mehr nur auf die Fragen einzelner Fachlehrkräfte, sondern auch verstärkt systemisch ausgerichtet , mit Blick auf eine Verankerung in der Schulentwicklung, damit die Fachkräfte in der Schule Sicherheit im Umgang mit islamistischen Äußerungen und Vorfällen gewinnen, der Umgang mit dem Thema in der gesamten Schule verankert und so ein abgestimmtes Vorgehen zur Prävention und Intervention im Kollegium erreicht wird. Hierbei wird die Expertise der im Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung vertretenen Expertinnen und Experten berücksichtigt, die sich in verschiedenen Unterarbeitsgruppen etwa mit der Unterscheidung zwischen Religion und Radikalisierung und mit der Weiterentwicklung vorhandener Qualifizierungsangebote beschäftigen . Die Einzelfallberatung von Lehrkräften wird im Beratungsteam auf regelmäßigen Sitzungen abgestimmt, wo nötig wird an die relevanten Partner des Beratungsnetzwerks verwiesen, wie zum Beispiel legato, die Beratungsstelle Gewaltprävention der für Bildung zuständigen Behörde oder Sicherheitsbehörden. Im Übrigen siehe Drs. 20/13020, Drs. 20/13214, Drs. 20/13241, Drs. 20/13716, Drs. 21/58 und Drs. 21/437. 3. In der „AG Schwerpunkt Prävention“ sollte ein Projekt zur Deradikalisierung von Jugendlichen (Ausstiegsberatung) vorbereitet werden. Wird diese Ausstiegsberatung bereits angeboten? Wenn ja, wie viele haben daran bisher teilgenommen? Wenn nein, wieso findet die Ausstiegsberatung noch nicht statt? Die seit dem 01.07.2015 bestehende Beratungsstelle „legato. Systemische Ausstiegsberatung . Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ (Träger: Vereinigung Pestalozzi gGmbH in Zusammenarbeit mit Ambulante Maßnahmen Altona e.V.) bearbeitet derzeit insgesamt 60 Fälle. Ein Ausstieg der radikalisierten jungen Menschen erfolgt bislang überwiegend über die Beratung ihrer Angehörigen. Derzeit werden jedoch fünf junge Menschen direkt beraten und begleitet. Ausstiegshilfeprozesse sind individuell unterschiedlich. Dabei sind je nach Grad der Radikalisierung Angehörige oder andere Bezugspersonen zunächst fast immer primärer Beratungsnehmer. Angehörige und Bezugspersonen sind entscheidend, um Abgrenzungs- und Isolationsprozesse zu stoppen, die im Zusammenhang mit der Radikalisierung die größte Gefahr sind. Im Übrigen siehe Drs. 21/1674. 4. Wurde im Rahmen des Kompetenznetzwerks ein Deradikalisierungsangebot im Strafvollzug für sinnvoll erachtet? Wenn ja, aus welchen Gründen und wird dieses bereits umgesetzt? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? Ja. Der Umgang mit religiös begründetem Extremismus stellt auch für den Justizvollzug eine besondere Herausforderung dar. Gefangene, die bereits vor der Inhaftierung durch religiös motivierten Extremismus in Erscheinung getreten sind und Gefangene, die sich erst in der Haft radikalisieren könnten, können das Beratungsangebot von legato in Anspruch nehmen. Im Übrigen siehe Drs. 21/1674. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1706 3 5. Ist das Beratungsteam zur Beratung betroffener Angehöriger von radikalisierten Personen bereits voll einsatzfähig? Wie häufig wurde das Beratungsteam bereits tätig? Wenn nein, wieso konnte das Beratungsteam noch nicht tätig werden? Siehe Drs. 21/1674 sowie Antwort zu 3. 6. Wurden bereits in Hamburg existierende Beratungstelefone und Auskunftsnummern für religiösen Extremismus und speziell Salafismus sensibilisiert und können betroffene Angehörige an qualifizierte Beratungsstellen überweisen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Ja. Ehrenamtliche des Elterntelefons des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband Hamburg e.V. und des Kinder- und Jugendtelefons der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V. wurden im August 2015 im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung zu dem Thema informiert und für eventuelle Anfragen sensibilisiert . Da die Anrufe bei bundesweiten Telefonnummern aus dem ganzen Bundesgebiet kommen können, wurde ihnen im September 2015 eine Liste mit qualifizierten Beratungsstellen aus verschiedenen Ländern zur Verfügung gestellt. 7. Haben die Bezirksämter, insbesondere Hamburg-Mitte und Harburg, Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ zur Etablierung von sogenannten Lokalen Partnerschaften für Demokratie erhalten ? Werden diese lokalen Partnerschaften bereits umgesetzt? Wenn nein, wurden alternative Handlungsansätze entwickelt und wie sehen diese aus? Ja. Im Bezirk Hamburg-Mitte gibt es zwei „Partnerschaften für Demokratie“ (St. Georg, Billstedt/Mümmelmannsberg), in den Bezirken Harburg und Wandsbek jeweils eine. 8. Wie viele Projekte hat die Freie und Hansestadt Hamburg zur Bekämpfung religiösen Extremismus unterstützt? Wie hoch lag die finanzielle Unterstützung pro Projekt und insgesamt? Wie viele Personen wurden mit diesen Projekten erreicht? Ist ein Ausbau der finanziell unterstützten Projekte geplant? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Siehe Anlage. Angaben über die Anzahl der mit den Projekten erreichten Personen werden erst vorliegen, wenn die Sachberichte der Träger (Frist 31. März 2016) entsprechend ausgewertet sind. 9. Sind Projekte, die sich speziell mit der Radikalisierung von Flüchtlingen auseinandersetzen, geplant? Wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant? Wenn nein, wieso wird dies nicht für nötig erachtet? 10. Sind über die im Konzept 2014 aufgeführten Maßnahmen weitere Maßnahmen geplant? Wenn ja, um welche Maßnahmen genau handelt es sich? Wenn nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/1674. Drucksache 21/1706 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Projektträger Bewilligte Zuwendung /Förderung (€) Angewiesene Beträge (€) 2015 Projekt Ausbau geplant? Wen ja, inwiefern?, Wenn nein, warum nicht? Komplementärmittel zur Durchführung des Bundesprogramms "Demokratie leben!" Islamisches Wissenschafts - und Bildungsinstitut e.V. 32.499,98 (bis 31.12.2015) 11.015,69 "Al Wasat - Die Mitte": Vernetzung aller Akteure im Sozialraum, die einen Beitrag zur Prävention von religiös begründetem Extremismus und Muslimfeindschaft leisten können sowie Sensibilisierung und Handlungskompetenz für den Umgang mit diesen Themen brauchen. Erarbeitung eines Handlungs- und Schulungskonzeptes für bedarfsgerechte theologische und religionspädagogische Beratungen und Fortbildungen. Die Beteiligten sind zugleich die Zielgruppen : Eltern, Imame, Lehrer, christliche Seelsorger, sozialpädagogische Fachkräfte, Sozialraummanagement und Integrierte Sozialplanung, das Projekt „Lokale Partnerschaft für Demokratie“ sowie der Harburger Integrationsbeirat. Darauf aufbauend werden Multiplikatoren ausgebildet, die zukünftig eine breite Basis für die Präventionsarbeit bilden. Geplant ist eine Gesamtförderzeit bis 31.12.2019. Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V. 9.963,00 (bis 31.12.2015) 0,00 "Think Social NOW 2.0 - Verantwortung übernehmen im Internet": Entwicklung eines Modells, wie radikalisierungsfördernden Internetangeboten wirksam begegnet werden kann. Zielgruppen: Jugendliche und junge Erwachsene , Jugendgruppenleiter, Eltern, Imame, Schlüsselpersonen (Lehrer, Sozialpädagogen ) und Institutionen. Geplant ist eine Gesamtförderzeit bis 31.12.2019. Förderung ausschließlich aus Landesmitteln Vereinigung Pestalozzi gemeinnützige GmbH 526.801,56 (bis 30.06.2017) 87.745,27 legato. systemische Ausstiegsberatung .Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung: 1. Beratung für Angehörige von radikalisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen 2. Ausstiegsbegleitung für Betroffene 3. Selbsthilfegruppen für Eltern und Betroffene 4. Fachberatung und Fortbildung für Fachkräfte und Multiplikatoren Das Projekt befindet sich noch im Aufbau und soll zunächst bis Juni 2017 gefördert werden. Über eine mögliche Weiterführung oder sogar einen Ausbau wird Ende 2016 entschieden . Forum - Young Migrant Talents e.V. (Forum-YMT) 30.000,00 (bis 28.02.2016) 21.580,00 "DirektDialog.Gegen Wut und Vorurteil": Durchführung von moderierten Dialoggruppen . Zielgruppen: junge und erwachsene Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Hintergründe. Sensibilisierung für verschiedene Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit , kritische Auseinandersetzung mit religiös begründeten extremistischen Ideologien . Derzeit ist aufgrund anderer Prioritätensetzung kein Ausbau geplant. crearTaT e.V. 30.000,00 (bis 31.12.2015) 19.380,00 "Djihad für die Liebe": Tanztheater und Filmworkshops zum Thema Islam, Muslimfeindlichkeit und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit . Zielgruppe: Jugendliche unterschiedlicher sozialer und kultureller Hintergründe Derzeit ist aufgrund anderer Prioritätensetzung kein Ausbau geplant. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1706 5 Projektträger Bewilligte Zuwendung /Förderung (€) Angewiesene Beträge (€) 2015 Projekt Ausbau geplant? Wen ja, inwiefern?, Wenn nein, warum nicht? Förderung ausschließlich aus Landesmitteln SCHURA - Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. 30.000,00 (bis 30.06.2016) 7.000,00 Koordinierungsstelle Prävention und Lotsenberatung für die SCHURA: Vernetzung der Mitgliedsgemeinden mit dem Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung . Beratung der Verbandsmitglieder in kulturellen , weltanschaulichen oder theologischen Fragen sowie in Fragen von Muslimfeindlichkeit . In Verdachtsfällen auf eine Radikalisierung oder Diskriminierung Verweis auf die Beratungsstellen der Stadt. Das Projekt befindet sich noch im Aufbau und soll zunächst bis Juni 2016 gefördert werden. Über eine mögliche Weiterführung wird im zweiten Quartal 2016 entschieden . Alevitische Gemeinde Hamburg e.V. 21.821,56 (bis 30.06.2016) 6.162,12 Koordinierungsstelle Prävention und Lotsenberatung für die Alevitischen Gemeinden : Vernetzung der Mitgliedsgemeinden mit dem Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung. Beratung der Verbandsmitglieder in kulturellen , weltanschaulichen oder theologischen Fragen sowie in Fragen von Muslimfeindlichkeit . In Verdachtsfällen auf eine Radikalisierung oder Diskriminierung Verweis auf die Beratungsstellen der Stadt. Alle vier in Hamburg aktiven alevitischen Vereine, die Mitglieder im Dachverband Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. sind, betreiben gemeinsam die Präventionsstelle bei der Alevitischen Gemeinde Hamburg e.V. Das Projekt befindet sich noch im Aufbau und soll zunächst bis Juni 2016 gefördert werden. Über eine mögliche Weiterführung wird im zweiten Quartal 2016 entschieden . Veddel aktiv e.V. 20.000,00 (bis 31.12.2016) 9.790,00 Kiezläufer-Projekt Veddel: Im Rahmen niedrigschwelliger aufsuchender Arbeit versuchen die geschulten ehrenamtlichen Kiezläufer als Vertrauenspersonen / Peers im Stadtteil bei Ausgrenzung, Streit und Konflikten konstruktivzu vermitteln. In einem multiethnischen und -religiösen Stadftteil kann so ein konstruktiver Umgang mit z.B. kulturell und religiös bedingten Unterschieden eingeübt werden. Geplant ist eine Förderzeit bis 31.12.2016 AJS-Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz e.V. 20.542,51 (bis 31.12.2016) 2.300,00 Personalressource zur Recherche und Auswertung von Präventions-Aktivitäten und -Ansätzen im Bundesgebiet und Bereitstellung dieser Auswertung für Multiplikatoren Ausbauplanung im Sinne von Ausweitung oder Verlängerung kann erst nach Bewertung der Ergebnisse und der Gesamtsituation in Erwägung gezogen werden. Mercator Program Center for International Affairs GmbH Geschäftsbereich Junge Islam Konferenz 60.000,00 (bis 31.12.2015) 0,00 JUNGE ISLAM KONFERENZ HAMBURG 2015: Jugendkonferenz und Aufbau von Multiplikatoren-Netzwerk zum Abbau von Islamfeindlichkeit Geplant ist eine Förderzeit bis 31.12.2017