BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17101 21. Wahlperiode 14.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 07.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Was gilt in Hamburg bei der inklusiven Bildung für Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf: Elternwahlrecht oder Zuweisung an Schwerpunktschulen? Hamburg ist mit der Fortschreitung der Inklusion im Bildungsbereich seit jeher fortschrittlich. Mit der Änderung des Schulgesetzes im Jahr 2009 und der Drs. 20/3641 „Inklusive Bildung an Hamburgs Schulen“ gilt seit 2010 für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Wahlfreiheit des Schulstandortes als Folge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Daher ist es verwunderlich, dass in der jetzigen Anmelderunde Vorwürfe laut werden, das Elternwahlrecht würde eingeschränkt oder gar diskriminiert beziehungsweise Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf würden häufiger an ihrer Wunsch-Schule abgewiesen als Kinder ohne Förderbedarf. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Durch die Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) im Jahr 2009 wurde zunächst für die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf das uneingeschränkte Recht zum Besuch einer allgemeinen Schule gesichert. Eine Konkretisierung zur Umsetzung dieses Rechtsanspruchs erfolgte im Rahmen der Beschlussfassung der Bürgerschaft zu Drs. 20/3641 „Inklusive Bildung an Hamburgs Schulen“. In dieser Drucksache ist das Wahlrecht festgehalten. Sorgeberechtigte von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf können zwischen einer inklusiven schulischen Förderung an einer allgemeinen Schule oder einer Förderung an einer geeigneten Sonderschule (je nach sonderpädagogischem Förderbedarf an einem Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum beziehungsweise einer speziellen Sonderschule) entscheiden. Die Wahlfreiheit besteht hinsichtlich der Entscheidung zum schulischen Förderort, jedoch nicht bezogen auf konkrete Schulstandorte. Die Sorgeberechtigten von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind intensiv in den Prozess der sonderpädagogischen Diagnostik eingebunden. In diesem Zusammenhang finden Beratungsgespräche statt, in deren Verlauf auch die Möglichkeiten der schulischen Förderung in inklusiven Lerngruppen oder alternativ in Regionalen Bildungszentren beziehungsweise speziellen Sonderschulen eingehend erläutert werden. Besonders hingewiesen wird auch auf die Schwerpunktschulen, die auf die spezifische Förderung in den Bereichen Hören, Sehen, Autismus, geistige Entwicklung sowie körperliche und motorische Entwicklung ausgerichtet sind. Dafür wurden und werden sie baulich, sächlich sowie personell in besonderer Weise ausgestattet (siehe Drs. 20/10803 und Drs. 20/10965). Weiterhin besteht die Möglichkeit einer Beratung im Rahmen des Anmeldeverfahrens an Grundschulen beziehungsweise weiterführenden Schulen. Drucksache 21/17101 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Übergang von der Grundschule an eine weiterführende Schule wird für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf im Rahmen der regelhaft durchzuführenden Förderplangespräche thematisiert und mit den Sorgeberechtigten beraten. Darüber hinaus stehen auf Anfrage offene Beratungsangebote der Regionalen Bildungs - und Beratungszentren zur Verfügung. Die Vergabe der Schulplätze für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt für alle Schülerinnen und Schüler aufgrund rechtlicher Vorgaben, die sich aus dem HmbSG ergeben. Handlungsleitend ist die Erfüllung des Elternwunsches im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten unter Beachtung vielfältiger rechtlicher Maßgaben auch über die Kriterien des § 42 Absatz 7 HmbSG hinaus. Dies sind beispielsweise § 14 Absatz 1 Satz 2 HmbSG (Übergang aus angegliederter Grundschule ), § 87 Absatz 1 HmbSG (Sollgrenzen von Klassengrößen) und § 12 HmbSG in Verbindung mit § 15 der Verordnung über die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf vom 31. Oktober 2012 sowie der Richtlinie zur Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Hamburger Schulen vom 20. November 2017. Die Schulplätze für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden vorab vergeben, um optimale Bedingungen einer den spezifischen Bedarfen entsprechenden, adäquaten sonderpädagogischen Förderung sicherzustellen. Aus der Abwägung dieser pädagogisch-fachlichen Erfordernisse ergibt sich ein besonderer Steuerungsbedarf von der für Bildung zuständigen Behörde bei der Schulplatzvergabe . Der Vorwurf einer Benachteiligung oder Diskriminierung ist hieraus nicht zu begründen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Mit der Änderung des Schulgesetzes im Jahr 2009 und Drs. 20/3641 gilt seit 2010 die freie Schulwahl für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf . Wie wird diese in Hamburg gewährleistet? Siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden prozentual nicht an ihrer Wunsch-Schule (Erstwunsch) angenommen? Wie hoch ist die Prozentquote bei Kindern ohne sozialpädagogischen Förderbedarf im Vergleich? Zur Erstwunscherfüllung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache und emotionale-soziale Entwicklung siehe Drs. 21/17051. Zur Erstwunscherfüllung von Schülerinnen und Schülern mit speziellem sonderpädagogischem Förderbedarf siehe Drs. 21/16947. Zur Erstwunscherfüllung aller Schülerinnen und Schüler und folglich auch der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf siehe Drs. 21/16862. 3. Nach welchen Kriterien erfolgt die Schulzuweisung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Gibt es diesbezüglich Unterschiede zu Kindern ohne besonderen Förderbedarf? Wenn ja, inwiefern und warum? Siehe Drs. 21/17051 und Drs. 21/16868. 4. Welche Beratungsangebote gibt es für Erziehungsberechtigte von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit Blick auf die wichtigen Übergänge von der Kita (4,5-jährigen Vorstellung) zur Vorschule, Vorschule – Grundschule, Grundschule zur weiterführenden Schule? Bitte die einzelnen Übergänge separat beschreiben. Siehe Vorbemerkung. 5. Wie werden die Beratungsangebote vor der Abgabe der der Schulwahl (1., 2. und 3. Wunsch) in Anspruch genommen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17101 3 Beratungsangebote werden laut den einzelfallbezogen angefertigten Gutachten und Förderplanungen in der Regel intensiv genutzt. Statistische Daten zur Inanspruchnahme dieser Beratungsangebote werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht erfasst. 6. Wird die getroffene Entscheidung bezüglich der Schulzuweisung von der zuständigen Behörde mit den Erziehungsberechtigten besprochen beziehungsweise werden pädagogische oder strukturelle Gründe genannt und erläutert? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Wenn nein, warum nicht? Die Entscheidung zur Schulplatzvergabe wird den Sorgeberechtigten im Rahmen eines Bescheides schriftlich mitgeteilt. Eine gesonderte Beratung ist im Rahmen des Verfahrens nicht vorgesehen. 7. Seit wann gibt es Schwerpunktschulen und welches Konzept liegt diesen zugrunde? Wo ist dieses niedergeschrieben beziehungsweise transparent einsehbar? Welche rechtlichen Grundlagen für Schwerpunktschulen gibt es? Siehe Vorbemerkung. 8. Wie viele Schwerpunktschulen gab es zu Beginn der schulischen Wahlfreiheit 2010 und mit welcher Ausrichtung? Wie viele Schwerpunktschulen gibt es aktuell mit jeweils welcher Ausrichtung hinsichtlich des Förderschwerpunktes ? Bitte alle Schwerpunktschulen und die jeweilige Ausrichtung beziehungsweise Förderschwerpunkte aufführen. 9. Sind die unter Nummer 8. genannten Schwerpunktschulen offen für alle Förderschwerpunkte? Wenn nein, welche nicht und mit welcher Begründung? Zu Beginn der Umsetzung der Drs. 20/3641 „Inklusion an Hamburgs Schulen“ gab es 56 Schwerpunktschulen. Zwischenzeitlich hat sich die Anzahl der Schwerpunktschulen auf insgesamt 61 gesteigert. Eine Auflistung der Schwerpunktschulen ist der Anlage zu entnehmen. Grundsätzlich sind Schwerpunktschulen für alle Förderschwerpunkte offen. Ausnahmen sind zwei Stadtteilschulen, die sich als Schwerpunktschulen besonderer Prägung profiliert haben: - Stadtteilschule Hamburg-Mitte, Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation und - Heinrich-Hertz-Schule, Förderschwerpunkt Sehen. 10. Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention ist unter anderem eine diskriminierungsfreie Teilhabe am schulischen Alltag für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wie erfolgt infolge der Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention der Ausbau der Inklusion auf Schulen, die keine Schwerpunktschulen sind? In die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Schulwesen der Freien und Hansestadt Hamburg sind regelhaft alle öffentlichen Schulen eingebunden. Alle Schulen bieten inzwischen Angebote für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung an. Im Übrigen siehe Drs. 20/3641 und Drs. 21/11428. 11. Wie hoch ist in Hamburg die Quote der Kinder mit sozialpädagogischem Förderbedarf, die eine Schwerpunktschule besuchen im Vergleich zu denen, die eine Regelschule besuchen? Im Schuljahr 2018/2019 besuchen 7 659 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf gemäß § 12 HmbSG eine staatliche allgemeine Schule. Diese Schülerinnen und Schüler verteilen sich zu 45 Prozent (3 435 Schülerinnen und Drucksache 21/17101 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Schüler) auf Schwerpunktschulen und zu 55 Prozent (4 224 Schülerinnen und Schüler ) auf Nicht-Schwerpunktschulen. 12. Im Zusammenhang der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wird für Kinder zum Teil der Einsatz von Schulbegleitern erforderlich. a) Wie hat sich die Zahl der bewilligten Schulbegleitungen seit 2010 entwickelt? b) Welche Träger stellen die Schulbegleitungen? c) Wie werden die Schulbegleiter initial geschult beziehungsweise fortgebildet ? Siehe Drs. 20/8998, Drs. 21/5911, Drs. 21/9950, 21/12544 und Drs. 21/17083. 13. Wie bewertet der Senat den Vorwurf der Diskriminierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Siehe Vorbemerkung. Schwerpunktschulen in Hamburg Bezirk Schulform Schulname Aueschule Finkenwerder Grundschule Mümmelmannsberg Schule an der Burgweide Schule auf der Veddel* Schule Stengelestraße Schule auf der Veddel* Stadtteilschule Finkenwerder Stadtteilschule Hamburg-Mitte Stadtteilschule Mümmelmannsberg Fridtjof-Nansen-Schule Loki-Schmidt-Schule Louise Schroeder Schule Schule Barlsheide Schule Iserbarg Schule Langbargheide Schule Mendelssohnstraße Geschwister-Scholl-Stadtteilschule Stadtteilschule Bahrenfeld Stadtteilschule Blankenese Stadtteilschule Lurup Schule Kielortallee Schule Moorflagen Schule Rellinger Straße Schule Rönnkamp Ida Ehre Schule Julius-Leber-Schule Stadtteilschule Niendorf Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg* Grundschule Am Heidberg Grundschule St. Nikolai Schule Alsterdorfer Straße Schule Neubergerweg Stadtteilschule Eppendorf* Stadtteilschule Winterhude* Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg* Heinrich-Hertz-Schule Stadtteilschule Am Heidberg Stadtteilschule Eppendorf* Stadtteilschule Winterhude* Erich Kästner Schule* Schule Ahrensburger Weg Schule Brockdorffstraße Schule Hinsbleek Schule Kamminer Straße Schule Öjendorfer Damm Schule Surenland Erich Kästner Schule* Otto-Hahn-Schule Stadtteilschule Bergstedt Stadtteilschule Poppenbüttel Stadtteilschule Walddörfer Clara-Grunwald-Schule Schule Max-Eichholz-Ring Schule Nettelnburg Gretel-Bergmann-Schule Stadtteilschule Bergedorf Stadtteilschule Lohbrügge Ganztagsgrundschule Am Johannisland Grundschule An der Haake Schule Grumbrechtstraße Stadtteilschule Stadtteilschule Fischbek-Falkenberg* * Stadtteilschule mit angegliederter Grundschule Quelle: Daten der für Bildung zuständigen Behörde Harburg Bergedorf Wandsbek Hamburg-Nord Stadtteilschule Hamburg-Mitte Grundschule Grundschule Stadtteilschule Grundschule Grundschule Stadtteilschule Altona Eimsbüttel Grundschule Stadtteilschule Grundschule Stadtteilschule Grundschule Stadtteilschule Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17101 5 Anlage 17101ska_Text 17101ska_Anlage