BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17115 21. Wahlperiode 14.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 07.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Elektronischer Rechtsverkehr – Wie ist der aktuelle Stand? Seit dem 1. Januar 2018 soll der elektronische Rechtsverkehr in der Hamburger Justiz vollständig eröffnet sein. Für Anwälte, Notare und Behörden sind elektronische Einreichungen einheitlich über das OSCI-basierte „Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach“ möglich.1 In bestimmten Fällen soll aber die digitale Aktenbearbeitung noch nicht beziehungsweise nicht ausreichend genutzt werden. Vereinzelt werden Schriftstücke noch in Papierform von den zuständigen Stellen versandt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Digitalisierungsprozess in der Justiz ist durch das „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ vom 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786) sowie durch das „Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“ vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208) bundeseinheitlich geregelt. Die daraus resultierenden rechtlichen Rahmenbedingungen sehen für die Justiz und die Verfahrensbeteiligten drei wesentliche Zeitziele vor: • 01.01.2018: Zulassung der Einreichung von elektronischen Schriftsätzen seitens der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie Empfangsbereitschaft seitens derjenigen Verfahrensbeteiligten, bei denen es sich um Personen nach § 174 Absatz 1 ZPO handelt (sogenannte passive Nutzungspflicht), • 01.01.2022: Verpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare sowie der Behörden zur Einreichung in elektronischer Form (sogenannte aktive Nutzungspflicht), • 01.01.2026: Einführung einer elektronischen Akte in der Justiz. Der elektronische Rechtsverkehr wurde in der Hamburger Justiz entsprechend der gesetzlichen Verpflichtungen schrittweise bis zum 01.01.2018 zugelassen. Für die Hamburger Behörden wird durch die Hamburger Senatskanzlei eine Prüfstelle zur Bereitstellung „besonderer elektronischer Behördenpostfächer“ (beBpo) zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr angeboten. Ein erster Meilenstein des oben genannten Digitalisierungsprozesses im Verantwortungsbereich des Hamburger Senates wurde damit erreicht. Seit September 2018 steht den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auch das von der Bundesrechtanwaltskammer bereitgestellte „besondere elektronische Anwaltspostfach“ (beA) zur Verfügung. Seit März 2019 steht den Notarinnen und Notaren das seitens der Bundesnotarkammer angebotene „besondere elektronische Notarpostfach“ (beN) zur Verfügung. Die oben genannten 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/14311 vom 18.09.2018. Drucksache 21/17115 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Kommunikationspartner sind nunmehr grundsätzlich in der Lage, elektronische Dokumente zu empfangen. Das gesetzlich definierte Zeitfenster zwischen der passiven und der aktiven Nutzungspflicht ermöglicht den Verfahrensbeteiligten eine schrittweise Umstellung ihrer Geschäftsprozesse auf ein (vollständig) elektronisches Verfahren. Die Vorbereitungsmaßnahmen seitens der Justiz und der Behörden für den elektronischen Postausgang und die elektronische Aktenführung in der Justiz sind bereits weitestgehend abgeschlossen . Die Umstellung auf den elektronischen Postausgang läuft bereits, die Einführung einer elektronischen Akte ist schrittweise ab 2020 vorgesehen. Das Angebot, Schriftsätze bei der Justiz oder den Hamburger Verwaltungsbehörden fakultativ in elektronischer Form einzureichen, wird durch die Verfahrensbeteiligten jedoch in den meisten Fällen heute noch nicht wahrgenommen. Daher sind bundesweit und auch in Hamburg bislang weiterhin nur relativ geringe Zahlen elektronischer Einreichungen zu verzeichnen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie funktioniert der elektronische Rechtsverkehr über das OSCI-basierte Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach? a. In wie vielen Fällen haben Rechtsanwälte und Notare seit der Zulassung und Öffnung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Hamburger Justiz Schriftstücke von einem Hamburger Gericht, der Staatsanwaltschaft in Papierform erhalten beziehungsweise darüber Beschwerden eingereicht? (Bitte nach Amtsgerichten, Landgericht, Oberlandesgericht, Verwaltungsgericht , Oberverwaltungsgericht, Sozialgericht, Landessozialgericht , Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und Staatsanwaltschaft gegliedert darstellen. Bitte auch prozentualen Anteil der Versendung von Schriftstücken per Post je Gericht, Staatsanwaltschaft darstellen .) Die Art der Zustellung seitens der Justiz ist nicht von der Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz, sondern von der Art der Übermittlung des Einreichers und der elektronischen Erreichbarkeit der justiziellen Kommunikationspartner abhängig. Eine elektronische Einreichung ist in den meisten Verfahrensgebieten noch bis 01.01.2022 freiwillig. Schriftsätze, welche die Justiz in Papierform erreichen, werden vornehmlich auch noch in Papierform weitergeleitet. Sofern ein Empfänger nicht elektronisch erreicht werden kann, wird durch die Justiz gegebenenfalls ein Ausdruck angefertigt. Durch die Verzögerungen bei der Bereitstellung bei beA und beN war dies bis vor Kurzem noch flächendeckend notwendig. Eine Pflicht zur elektronischen Zustellung seitens der Justiz besteht nicht; ein weitestgehend elektronischer Postausgang durch die Justiz wird jedoch schnellstmöglich angestrebt. Die angefragten Fälle werden statistisch nicht erfasst und können in dem für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum auch nicht erhoben werden , weil dies eine händische Auswertung von mehreren Tausend Akten erforderlich machen würde. Es sind keine Beschwerden über die Art der Zustellung bekannt. b. Gibt es Probleme zwischen den Hamburger Gerichten, der Staatsanwaltschaft und der Anwaltschaft oder den Notaren bei der Versendung und beim Empfangen von Dokumenten, die digital versendet wurden? Wenn ja, wie oft, wo konkret und aus welchen Gründen beziehungsweise wo liegen die häufigsten Fehlerquellen? Wenn ja, was wurde vonseiten des Senats unternommen, um diese Probleme zu beheben? Vonseiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wird derzeit bundesweit nur ein geringer Anteil der gerichtlichen Zustellungen mittels elektronischem Empfangsbekenntnis (eEB) durch Rücksendung des entsprechenden maschinenlesbaren Strukturdatensatzes beantwortet. Die Rechtsanwaltskammern und die Landesjustizverwal- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17115 3 tungen reagieren darauf, indem sie gemeinsam informieren und um Akzeptanz werben . Sofern eine elektronische Zustellung wegen ausbleibender Rücksendung des eEB nicht möglich ist, muss die Justiz zumeist in Papierform zustellen. c. Wie viele Fortbildungen, Schulungen wurden für die Mitarbeiter in den Geschäftsstellen der Hamburger Justiz seit der Zulassung und Öffnung des elektronischen Rechtsverkehrs durchgeführt? Wie viele Mitarbeiter haben an den Schulungen jeweils teilgenommen? (Bitte nach Amtsgerichten, Landgericht, Oberlandesgericht, Verwaltungsgericht , Oberverwaltungsgericht, Sozialgericht, Landessozialgericht , Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und Staatsanwaltschaft gegliedert darstellen.) Die bereits in Drs. 21/14311 genannten Maßnahmen betreffen alle Beschäftigten. Darüber hinaus werden auch kontinuierlich neue Beschäftigte oder Beschäftigte, deren Tätigkeitsbereich sich verändert, individuell je Aufgabenbereich neu geschult, eingewiesen oder informiert. Eine Einzelerfassung darüber erfolgt nicht; die erforderlichen Daten können in dem für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht erhoben werden, weil dies eine umfangreiche händische Auswertung erforderlich machen würde. d. Wie viele Personen an welchem Gericht beziehungsweise in der Staatsanwaltschaft sind für die Funktionsfähigkeit des Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfaches verantwortlich beziehungsweise untersuchen Fehlerquellen? Für den ordnungsgemäßen Betrieb der länderübergreifenden Infrastrukturen für den elektronischen Rechtsverkehr ist bundesweit das Projektbüro der AG IT-Standards der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz verantwortlich. Der Betrieb des OSCI-Intermediärs von Hamburg und Schleswig-Holstein erfolgt bei Dataport . Über dediziertes Personal allein für die oben genannten Aufgaben verfügt die Hamburger Justiz derzeit nicht. Die Komponenten zum Abruf elektronischer Nachrichten werden durch entsprechend qualifiziertes Personal der jeweiligen IT-Stellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften mitbetreut: Ordentliche Gerichtsbarkeit: acht Personen, Staatsanwaltschaften: fünf Personen, Arbeitsgerichtsbarkeit: drei Personen, Verwaltungsgericht: drei Personen, Oberverwaltungsgericht: drei Personen, Sozialgerichtsbarkeit: zwei Personen, Finanzgerichtsbarkeit: zwei Personen. 2. Wie funktioniert der elektronische Rechtsverkehr mit den Hamburger Behörden? a. Wie viele und welche Hamburger Behörden nutzen den elektronischen Rechtsverkehr und das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach ? b. In wie vielen Fällen wurde das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach von Hamburger Behörden seit der Öffnung nicht genutzt? (Bitte nach Senatskanzlei, Justizbehörde, Behörde für Schule und Berufsbildung, Behörde für Wirtschaft Verkehr und Innovation, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Finanzbehörde, Behörde für Kultur und Medien, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Innenbehörde, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz , Behörde für Umwelt und Energie darstellen.) Drucksache 21/17115 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Alle Fachbehörden und Senatsämter sowie die Bezirksverwaltung und die Finanzämter haben für den elektronischen Rechtsverkehr Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfächer eingerichtet. Die Postfächer werden regelmäßig abgerufen. Ein elektronischer Versand erfolgt weitestgehend noch nicht; eine Nutzungspflicht hierfür besteht erst ab 01.01.2022 (siehe Vorbemerkung). Statistiken zur Erfassung der Empfangs- beziehungsweise Versandart zu einzelnen Schriftstücken werden nicht geführt; die erforderlichen Daten können in dem für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht erhoben werden, weil dies eine händische Auswertung von mehreren Tausend Akten erforderlich machen würde. c. In wie vielen Fällen haben Hamburger Behörden Schriftstücke nicht elektronisch, sondern in Papierform von der Verwaltungsgerichtsbarkeit erhalten, obwohl die Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs seit 2018 erfolgte? (Bitte nach Gerichten darstellen.) Die angefragten Fälle werden statistisch nicht erfasst; die erforderlichen Daten können in dem für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht erhoben werden, weil dies eine händische Auswertung von mehreren Tausend Akten erforderlich machen würde. Es ist ferner zu beachten, dass die Behörden in einigen Verfahren anwaltlich vertreten sind und daher die elektronische Kommunikation in diesen Fällen über die vertretungsberechtigten Anwälte erfolgt. d. Gibt es Probleme zwischen den Hamburger Behörden und der Anwaltschaft bei der Versendung und beim Empfangen von Dokumenten , die digital versendet wurden? Wenn ja, wie oft, wo konkret und aus welchen Gründen? Wenn ja, was wurde vonseiten des Senats unternommen, um diese Probleme zu beheben? (Bitte nach Senatskanzlei, Justizbehörde, Behörde für Schule und Berufsbildung, Behörde für Wirtschaft Verkehr und Innovation, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Finanzbehörde, Behörde für Kultur und Medien, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Innenbehörde, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz , Behörde für Umwelt und Energie darstellen.) Nein. e. Wie viele Fortbildungen, Schulungen wurden für die Mitarbeiter in den Hamburger Behörden seit der Zulassung und Öffnung des elektronischen Rechtsverkehrs bei den Hamburger Behörden durchgeführt? Wie viele Mitarbeiter haben an den Schulungen jeweils teilgenommen? (Bitte nach Senatskanzlei, Justizbehörde, Behörde für Schule und Berufsbildung, Behörde für Wirtschaft Verkehr und Innovation, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Finanzbehörde, Behörde für Kultur und Medien, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Innenbehörde, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz , Behörde für Umwelt und Energie darstellen.) Der elektronische Rechtsverkehr in den Behörden betrifft nur einen geringen Anteil der Beschäftigten. In der Justizbehörde wurden vier Personen, in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sowie in der Behörde für Umwelt und Energie jeweils drei Personen in die Verwendung des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs eingewiesen. In den anderen Fällen ist keine Einzelerfassung erfolgt; die erforderlichen Daten können in dem für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17115 5 stehenden Zeitraum nicht erhoben werden, weil dies eine umfangreiche händische Auswertung erforderlich machen würde. f. Wie viele Personen an welcher Hamburger Behörde sind für die Funktionsfähigkeit des Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfaches verantwortlich beziehungsweise untersuchen Fehlerquellen ? Der Betrieb des OSCI-Intermediärs von Hamburg und Schleswig-Holstein sowie weiterer IT-Infrastrukturen für den Abruf der EGVP-Postfächer der Hamburger Behörden erfolgt bei Dataport. Durch Dataport erfolgt ferner eine technische Unterstützung der Behörden bei der Installation von Software und Zertifikaten sowie bei Fehlerfällen. Im Bereich der Steuerverwaltung werden die Postfächer der Finanzämter für alle Länder zentral vom Verfahren Elster administriert. In den Behörden ist mindestens jeweils eine technische Ansprechpartnerin beziehungsweise ein technischer Ansprechpartner vorhanden. 3. Hat der Senat Kenntnis darüber, dass es Sicherheitslücken beim Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach gibt? a. Wenn ja, seit wann ist dem Senat dies bekannt und von welcher zuständigen Stelle wurde darüber informiert? b. Wenn ja, hat der Senat mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten oder anderen Stellen insbesondere der Bundesanwaltskammer Kontakt aufgenommen? Das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) basiert auf dem OSCI- Standard. Die OSCI-Anpassungen, die regelmäßig auch sicherheitsrelevante Änderungen umfassen, sind auf der Internetseite der Koordinierungsstelle für IT-Standards des IT-Planungsrats (https://www.xoev.de/downloads-2316#Standards) dokumentiert. In den EGVP-Komponenten der Freien und Hansestadt Hamburg kommen nur aktuelle , nach Stand der Technik fehlerfreie OSCI-Bibliotheken zum Einsatz. Die aktuell diskutierte fehlende Verpflichtung zur Identifikation von Postfachinhaberinnen und -inhabern zum Anlegen elektronischer Postfächer für den elektronischen Rechtsverkehr nach § 4 Absatz 1 Nummer 2 ERVV stellt für die Justiz keine Sicherheitslücke dar, da die einreichende Person über die qualifizierte elektronische Signatur am jeweils übermittelten elektronischen Dokument stets eindeutig identifiziert werden kann. 4. Plant der Senat nun Gespräche mit der Rechtsanwaltskammer beziehungsweise mit anderen zuständigen Stellen, um zeitnah eine Lösung für die Rechtsanwälte und die elektronische Abwicklung des Schriftverkehrs zu finden? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Für die elektronische Abwicklung des Schriftverkehrs mit den Rechtsanwältinnen und Rechtanwälten stellt die Bundesrechtsanwaltskammer bereits das beA zur Verfügung. Die zuständige Behörde steht gleichwohl kontinuierlich sowohl auf Bundesebene mit der Bundesrechtsanwaltskammer als auch innerhalb Hamburgs mit der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer in Verbindung, um sich über den Stand und die Weiterentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs auszutauschen.