BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17166 21. Wahlperiode 17.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 10.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Hilfe zur Pflege – Ist in Hamburg das Armutsrisiko bei Eintritt einer Pflegebedürftigkeit gewachsen? Personen, die pflegebedürftig sind und keinen bedarfsdeckenden Versorgungsanspruch aus der Pflegeversicherung haben, können die sogenannte Hilfe zur Pflege gemäß § 61 SGB XII1 als bedarfsorientierte Sozialleistung in Anspruch nehmen. Da seit dem 1. April 2007 eine weitgehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung2 und somit auch die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Pflegeversicherung besteht, wird die Hilfe zur Pflege in den allermeisten Fällen als ergänzende Leistung gewährt, wenn die budgetierten Leistungen der Pflegeversicherung zur Finanzierung der Pflegeerfordernisse 3 nicht ausreichen. Im Rahmen der Hilfe zur Pflege werden sowohl Kosten der häuslichen – also ambulanten – Pflege als auch Kosten übernommen, die durch den Aufenthalt in einer Einrichtung der Tagespflege, der Kurzzeitpflege oder der vollstationären Pflege entstehen. Aufgrund der gedeckelten Sachleistungsansprüche (Budgetierung) aus der gesetzlichen Pflegeversicherung steigen die finanziellen Belastungen für pflegebedürftige Menschen in Form von sogenannten Eigenanteilen (an den Pflegekosten) seit Jahren4 in allen genannten Pflegesektoren an. Deshalb ist das Risiko, zum Pflegefall zu werden, für eine ständig wachsende Zahl von Menschen zugleich zu einem Armutsrisiko geworden5, denn die Sozialleistung der Hilfe zur Pflege kann erst beansprucht werden, wenn das eigene Vermögen bis auf ein Restminimum bereits zur Bezahlung der monatlich in Rechnung gestellten Eigenanteile aufgezehrt wurde. Dieser Trend wird sich – solange die Anspruchsdeckelung aufrechterhalten wird – nicht nur fortsetzen, sondern sogar noch verstärken, denn die mit der 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe – § 61 Leistungsberechtigte. Personen , die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. 2 § 5 Absatz 13 SGB V in Verbindung mit § 186 Absatz 11 SGB V. 3 Die Pflegeaufwendungen variieren unter anderem je nach Pflegegrad. 4 Wallstreet Online, 14.03.2019 5 Ebenda. Drucksache 21/17166 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Umsetzung dringend notwendiger Verbesserungen in der Pflege verbundenen zusätzlichen Kosten wären in Form erhöhter Eigenanteile ausschließlich von den Pflegebedürftigen zu tragen. Man denke nur an überfällige Anpassungen in der Entlohnung von Pflegekräften, um das Berufsbild der Pflege attraktiver zu machen oder auch an erhöhte Personalschlüssel, um die Qualität der Pflege und die Sicherheit der Patienten zu verbessern. In besonderer Weise sind Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen betroffen. Denn im Unterschied zum ambulanten Pflegesektor, in welchem die gesetzliche Krankenversicherung alle Leistungen der medizinischen Behandlungspflege trägt6, übernimmt für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen die Pflegekasse die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege im Umfang der gezahlten Pauschalbeträge. Da die Pflegekassen jedoch nur diese Pauschalbeträge zahlen, trägt der Heimbewohner einen großen Teil der medizinisch verordneten behandlungspflegerischen Leistungen selbst. Aufgrund der Morbiditätsentwicklung einer massenhaft alternden Gesellschaft geht der Präsident des Deutschen Pflegerates7 davon aus, dass es in Pflegeheimen zukünftig einen ständig wachsenden Bedarf an medizinisch veranlasster Versorgung (sogenannte Behandlungspflege) geben wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie haben sich die Fallzahlen für Pflegebedürftigkeit (ab Pflegegrad 2) in Hamburg im Zeitraum 01.01.2014 bis 30.04.2019 entwickelt? Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. Die Angaben zur Pflegebedürftigkeit werden alle zwei Jahre jeweils zum Stichtag 15.12. in der Pflegestatistik des Bundes erhoben. Pflegegrade wurden mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz zum 1. Januar 2017 eingeführt und lösen die vorherige Pflegestufeneinteilung ab. Die Pflegestatistik weist pflegebedürftige Personen im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) aus: Jahr Pflegebedürftige Personen 15.12.2013 49 566 15.12.2015 52 659 15.12.2017 Insgesamt 63 145 Pflegegrad 1 1 204 Pflegegrad 2 28 947 Pflegegrad 3 18 699 Pflegegrad 4 10 162 Pflegegrad 5 4 011 noch nicht eingeordnet 122 2. Wie haben sich die Fallzahlen für die Inanspruchnahme der Hilfe zur Pflege in Hamburg im gleichen Zeitraum entwickelt? Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. Zudem wäre eine Differenzierung nach ambulanter und stationärer (nur vollstationär) Pflege wünschenswert . 2014 2015 2016 2017 2018 2019 vollstationär 5 754 5 646 5 611 5 408 5 314 5 269 ambulant 6 850 6 914 7 017 6 457 6 038 6 004 Quelle: DataWarehouse Sozialhilfe; für 2019 bezieht sich der aktuell auswertbare Datenbestand auf den Monat Januar. 6 § 37 SGB V. 7 Franz Wagner in: aerzteblatt.de, 18.01.2019. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17166 3 Die Fallzahl für die vollstationäre Pflege beinhaltet keine Fälle mit Leistungen für Einrichtungen außerhalb Hamburgs. 3. Wie haben sich die Gesamtausgaben für die Hilfe zur Pflege in Hamburg im Zeitraum 01.01.2014 bis 30.04.2019 entwickelt? Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. 2014 2015 2016 2017 2018 198 783 Tsd.€ 202 519 Tsd.€ 210 976 Tsd.€ 190 140 Tsd.€ 190 887 Tsd.€ 4. In wie vielen Fällen wurden im gleichen Zeitraum Anträge auf Hilfen zur Pflege abgelehnt, weil die Anspruchsvoraussetzungen nach § 61 SGB XII (noch) nicht vorlagen? Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. Über wegen fehlender Anspruchsvoraussetzungen abgelehnte Anträge auf Hilfe zur Pflege wird keine Statistik geführt. Um die Frage zu beantworten, müssten deshalb mehrere Tausend Akten in den Bezirksämtern geprüft und ausgewertet werden. Der damit verbundene Aufwand ist im Rahmen der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie stellen sich die Fallzahlen für die Inanspruchnahme der Hilfe zur Pflege für die einzelnen Hamburger Bezirke dar – und zwar bezogen auf den Zeitraum 01.01.2017 bis 30.04.2019? Bezirk 2017 2018 Jan. 2019 Hamburg-Mitte 2 419 2 345 2 321 Altona 1 761 1 707 1 703 Eimsbüttel 1 199 1 136 1 133 Hamburg-Nord 2 116 2 040 2 061 Wandsbek 3 267 3 091 3 101 Bergedorf 673 586 541 Harburg 973 921 892 Quelle: DataWarehouse Sozialhilfe mit Stand 15.05.2019 Die Fallzahlen beinhalten auch Tages- und Kurzzeitpflege, sie enthalten keine Fälle mit Leistungen für Einrichtungen außerhalb Hamburgs. 6. Wie verteilten sich bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit im Jahre 2018 die Ersteinstufungen auf die einzelnen Pflegegrade 2-5? Die Pflegegradeinstufung bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit wird nicht gesondert statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 7. Gibt es prognostische Einschätzungen seitens des Senats, wie sich auf der Grundlage der demographischen Entwicklung bei gleichbleibender pflegeversicherungsrechtlicher Deckelung von Sachleistungsansprüchen die Ausgaben für die Hilfe zur Pflege in den kommenden Jahren entwickeln werden? Siehe Drs. 21/14000, dort werden unter Wesentliche Gesetzliche Leistungen des Aufgabenbereichs 257 Gesundheit Einschätzungen bis 2022 dargestellt.