BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17177 21. Wahlperiode 21.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 13.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Ordnungswidrigkeitsverfahren und Gewinnabschöpfungen bei verspäteten Flügen – Was ist der Status quo? Mit einer Pressemitteilung des Senats vom 2. März 2018 kündigte die Behörde für Umwelt und Energie an, dass die Fluglärmschutzbeauftragte bei vermehrt verspäteten Flügen auf das Mittel der Gewinnabschöpfungen zurückgreifen würde. Von einer Fluggesellschaft wurden für verspätete Flüge in 2017 allein 468 000 Euro gefordert. Zusätzlich ist die nachträgliche Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen für Flüge zwischen 23 – 24 Uhr seit dem 1. Juli 2018 inzwischen genehmigungs- und kostenpflichtig. Seit der Einführung und Anwendung dieser Instrumente ist inzwischen einige Zeit vergangen. Bei den verspäteten Flügen nach 23 Uhr ist am Flughafen Hamburg ein deutlich rückläufiger Trend erkennbar. In den vergangenen drei Monaten (Februar bis April 2019) ging die Zahl der Flüge zwischen 23 und 24 Uhr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 42,4 Prozent zurück. Auch wurden Flugpläne seitens der Fluggesellschaften angepasst, sodass inzwischen deutlich weniger Flüge in der Randzeit zwischen 22.30 und 23.00 Uhr geplant wurden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Ziel der eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren einschließlich der Einziehung des Wertes des Tatertrages war und ist eine Lenkungswirkung, die tatsächlich erreicht wurde. So haben die Luftfahrtgesellschaften erfolgreich Maßnahmen zur Verringerung von Verspätungen ergriffen, wie zum Beispiel weniger geplante Flüge in der letzten halben Stunde vor 23 Uhr und die Optimierung der Tagesrotationen. Für Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr ist zwischen der sogenannten Verspätungsregelung und Einzelausnahmegenehmigungen von den Nachtflugbeschränkungen zu unterscheiden. Bei der Verspätungsregelung gilt die Ausnahmegenehmigung gemäß Ziffer 1.3.2 des Luftfahrthandbuches von den Nachtflugbeschränkungen für planmäßige Linien- und regelmäßige Pauschalreiseflüge als erteilt, deren planmäßige Ankunft- beziehungsweise Abflugzeit vor 23 Uhr liegt und deren Verspätungen nachweisbar unvermeidbar sind. Ob die Verspätung nachweisbar unvermeidbar ist, wird im Nachhinein von der Fluglärmschutzbeauftragten geprüft. Von Mitternacht bis 6 Uhr morgens dürfen gem. Ziffer 1.4 des Luftfahrthandbuches planmäßige Linien- und regelmäßige Pauschalreiseflüge nur nach erteilter Einzelausnahmegenehmigung von den Nachtflugbeschränkungen der Fluglärmschutzbeauftragten starten und landen. Alle anderen Flüge, für die weder die Verspätungsregelung noch Ziffer 1.6 des Luftverkehrshandbuches (für Rettungsflüge, Polizeieinsätze et cetera) gilt, wie zum Beispiel Überführungsflüge und Privatflieger, müssen bereits für Starts beziehungsweise Drucksache 21/17177 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Landungen ab 23 Uhr im Vorhinein eine Einzelausnahmegenehmigung von den Nachtflugbeschränkungen beantragen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie vielen Flügen zwischen 23 – 24 Uhr wurde seit 2017 (bitte sowohl jahres- als auch monatsweise darstellen) keine Ausnahmegenehmigung auf einen verspäteten Start oder Landung erteilt beziehungsweise bei wie vielen Flügen hat die BUE keine Voraussetzungen gesehen, um gestellte Anträge nach Ziffer 1.4 des Luftfahrthandbuchs zu genehmigen ? Abgelehnte Anträge auf Ausnahmegenehmigungen von den Nachtflugbeschränkungen nach Ziffer 1.4 des Luftfahrthandbuches zwischen 23-24 Uhr: 2017 zwei Anträge im Januar, ein Antrag im Februar 2018 ein Antrag im September 2019 bisher kein Antrag Im Übrigen siehe Vorbemerkung 2. Wie viele verspätete Flüge zwischen 23 – 24 Uhr wurden insgesamt seit 2017 geprüft? a. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der durch die BUE genehmigten und der nicht genehmigten Flüge zwischen 23 – 24 Uhr? Bitte jeweils für 2017, 2018 und derzeitigen Stand 2019 angeben. Eine vollständige Überprüfung der Verspätungsgründe erfolgt seit dem 1. Juli 2018. Vorher wurden vor allem auffällige Flüge überprüft – dazu liegt keine statistische Auswertung vor. Daher bezieht sich die Beantwortung dieser Frage nur auf den Zeitraum seit dem 1. Juli 2018. Von den 597 Verspätungsflügen von Juli bis Dezember 2018 wurden bisher 278 Flüge geprüft. In 2019 wurden bisher keine Verspätungsflüge geprüft. In 2018 wurden 276 Flüge als unvermeidbar eingestuft, das entspricht 99 Prozent der geprüften Flüge. Als nicht nachweisbar unvermeidbar wurden bisher zwei Flüge (1 Prozent) eingestuft. b. Auf welche Höhe belaufen sich die Mittel, die durch die nachträgliche Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen für Flüge zwischen 23 – 24 Uhr inzwischen eingenommen wurden? Wofür wurden diese Mittel verwendet? Bisher wurden 127 500 Euro eingenommen, davon wurden gegen Bescheide in Höhe von 9 500 Euro Widerspruch eingelegt. Die Mittel fließen in den Gesamthaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg, in die Produktgruppe 293 „Immissionsschutz und Abfallwirtschaft“ im Einzelplan 6.2. BUE. Sie können unter den Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung für Mehrkosten verwendet werden. 3. Wie viele Verfahren auf Ordnungswidrigkeiten wurden jeweils wann und gegen wen seit 2017 eröffnet und bei welchen gab es konkrete Bescheide zur Abschöpfung der erlangten wirtschaftlichen Taterträge (Gewinnabschöpfung )? a. Auf welche Höhe beliefen sich die zurückgeforderten Taterträge der Fluggesellschaften (Gewinnabschöpfung) jeweils? Bitte für jedes der eingeleiteten Verfahren einzeln angeben. In 2017 wurden 55 Verfahren eingeleitet, bei 24 Verfahren davon war die Einziehung des Wertes des Tatertrages Bestandteil. Die Höhe der einzuziehenden wirtschaftlichen Taterträge für die eingeleiteten Verfahren betragen: 21 597,50 Euro; 22 401,50 Euro; 22 111,90 Euro; 22 535,50 Euro; 22 111,90 Euro; 22 267,50 Euro; 22 401,50 Euro; 22 111,90 Euro; 22 267,50 Euro; 22 535,50 Euro; 21 999,50 Euro; 21 999,50 Euro; 22 282,10 Euro; 22 267,50 Euro; 22 401,50 Euro; 22 401,50 Euro; 21 999,50 Euro; 22 282,10 Euro; 22 535,50 Euro; 22 282,10 Euro; 22 535,50 Euro; 22 282,10 Euro; 8 133,13 Euro sowie 1 254,68 Euro. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17177 3 In 2018 wurden zwölf Verfahren eingeleitet, bei drei Verfahren davon ist die Einziehung des Wertes des Tatertrages Bestandteil. Die Höhe der einzuziehenden wirtschaftlichen Taterträge für die eingeleiteten Verfahren betragen 21 738,34 Euro; 7 538,38 Euro sowie 378,50 Euro. In 2019 wurde bislang ein Verfahren eingeleitet, bei dem die Festsetzung von Bußgeld und dem Wert des Tatertrages noch nicht erfolgt ist. Die Namen der Betroffenen und Nebenbeteiligten können aus Datenschutzgründen sowie wegen der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht aufgeführt werden. Solange die Ordnungswidrigkeitsverfahren im Einspruchsverfahren sind, müssen die Werte der einzuziehenden Taterträge nicht entrichtet werden. b. In wie vielen eingeleiteten Verfahren ist es inzwischen zu Rückzahlungen seitens der Fluggesellschaften gekommen? c. Auf welche Höhe belaufen sich die jeweiligen Rückzahlungen? Bitte sowohl die Rückzahlungen für jedes einzeln eingeleitete Verfahren sowie gesamt angeben. d. Sind die eingenommenen Mittel vollständig in den Gesamthaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg geflossen? Wenn ja, in welcher Höhe gesamt? e. Für welche Zwecke wurden diese Mittel im Gesamthaushalt bisher verwendet? Plant der Senat, diese Mittel im Sinne weiterer Lärmschutzmaßnahmen und im Interesse der von Fluglärm betroffenen Anwohner in Schallschutzmaßnahmen zu investieren? Wenn ja, für welche Projekte konkret? Wenn nein, warum nicht? Aus einem Verfahren kam es zu Zahlungen in Höhe von 378,50 Euro. Auch diese Mittel fließen in den Gesamthaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg, in die Produktgruppe 293 „Immissionsschutz und Abfallwirtschaft“ im Einzelplan 6.2. BUE und können unter den Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung für Mehrkosten verwendet werden. 4. Auf welchen Annahmen wurden die Gewinnabschöpfungen jeweils berechnet, welche Grundlagen lagen der Berechnung konkret zugrunde? Beispielhaft werden die Berechnung eines ordnungswidrigen Starts beziehungsweise einer Landung innerhalb der Verspätungsregelung (Ziffer 1.3.2 des Luftfahrthandbuches ) dargelegt: Ordnungswidriger Start eines Flugzeuges in Hamburg nach 23 Uhr: Wenn die Verspätung bis zum tatsächlich erfolgten Start in der Nacht weniger als drei Stunden betrug, fallen bei einem Start am nächsten Morgen anders als am Vorabend Entschädigungen nach EU-Fluggastrechteverordnung an (unter der Voraussetzung, dass der verfahrensgegenständliche Flug in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt). Zudem wären Betreuungsleistungen wie Hotelübernachtungen fällig. In die Berechnung fließt auch ein, dass die Flughafenentgelte für den nächtlichen Start höher waren als sie am nächsten Morgen gewesen wären. Ordnungswidrige Landung eines Flugzeuges in Hamburg nach 23 Uhr: Es wird angenommen, dass der Flug nach Hannover umgeleitet und die Passagiere mit dem Bus nach Hamburg transportiert worden wären. Daher würden die Landeentgelte in Hamburg für die tatsächlich erfolgte Landung nach 23 Uhr denen der angenommenen Landung in Hannover plus den Kosten für den Bustransfer von Hannover nach Hamburg gegenübergestellt. Dazu kommen Entschädigungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung, falls der Flug durch die Landung in Hannover mehr als drei Stunden verspätet gewesen wäre und dies im Falle der tat- Drucksache 21/17177 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 sächlich erfolgten Landung in Hamburg nicht gewesen ist (und unter der Voraussetzung , dass der verfahrensgegenständliche Flug in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt). Sowohl für Starts als auch für Landungen gilt: Falls die Luftfahrtgesellschaft keine Angaben zur Zahl der Passagiere macht, wird die durchschnittliche Auslastung eines entsprechenden oder ähnlichen Flugzeugtypen am Flughafen Hamburg zugrunde gelegt. 5. Laut Drs. 21/12722 hatte eine Fluggesellschaft am 3. April 2018 bereits rechtlichen Einspruch gegen die wenige Tage zuvor zugestellte Einziehungsermächtigung eingelegt. Was ist der aktuelle rechtliche Stand dieses Verfahrens? Ist es inzwischen zu einer Zahlung seitens der Fluggesellschaft gekommen? Das Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine Zahlung ist noch nicht eingegangen. 6. Inwiefern gibt es eine Abstimmung zwischen BWVI und BUE in Bezug auf eingeleitete Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Fluggesellschaften/ Piloten sowie damit verbundene Aufforderungen zur Rückzahlung erwirtschafteter Erträge seitens der Fluggesellschaften? Wann haben welche Abstimmungen stattgefunden? Siehe Dr. 21/12722. Zuletzt wurde dieses Thema bei der regelmäßig stattfindenden Routine am 14.März 2019 erörtert. a. Wann wurde die Fluglärmschutzkommission letztmalig über den aktuellen Stand bei den Ordnungswidrigkeitsverfahren und Gewinnabschöpfungen informiert? In der 231. Fluglärmschutzkommission am 31.August 2018 hat die Fluglärmschutzbeauftragte letztmalig über den damaligen Stand informiert. b. Inwiefern plant die Fluglärmschutzbeauftragte, in ihrem jährlichen Bericht über ihre Tätigkeit und die Entwicklung der Fluglärmsituation in Hamburg eine Statistik zu den genehmigten beziehungsweise nicht genehmigten Flügen zwischen 23 – 24 Uhr zu veröffentlichen sowie eine Statistik zu der Entwicklung der Ordnungswidrigkeitsverfahren jeweils mit und ohne Gewinnabschöpfungen anzufügen? Der jährliche Bericht der Fluglärmschutzbeauftragten befindet sich noch in der Abstimmung. Dem Bericht kann durch Aussagen über bestimmte Inhalte nicht vorgegriffen werden. 7. Wie beurteilt der Senat insbesondere vor dem Hintergrund erster Zwischenergebnisse die Steuerungswirkung der Gewinnabschöpfungen? Siehe Vorbemerkung. 8. Gibt es inzwischen Vergleichsfälle von Gewinnabschöpfungen an anderen Flughäfen? Wenn ja, um welche konkreten Fälle handelt es sich und hat sich die BUE bundesweit dazu einen Überblick verschafft? Der zuständigen Behörde sind keine weiteren Flughäfen in Deutschland bekannt, an denen es Vergleichsfälle von Gewinnabschöpfungen gibt.