BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17181 21. Wahlperiode 21.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Feineis und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 13.05.19 und Antwort des Senats Betr.: HVV-Neuling kracht in Wohnhaus „Für Hamburg am Start - mit 280 PS. Jetzt einsteigen und Busfahrer/-in werden !“ Mit diesem Slogan wirbt die HOCHBAHN. Weiter heißt es: „Mal ehrlich jetzt: Es gibt keinen einzigen guten Grund, warum Sie Busfahrer/-in bei der HOCHBAHN werden sollten, sondern gleich 6 verdammt gute“. So sei man in nur drei Monaten startklar für den Hamburger Großstadtdschungel. Man verdiene ab dem ersten Tag volles Gehalt, nämlich 2 337 Euro/Monat und nach drei Monaten 2 452 Euro plus Zuschläge. Sämtliche Ausbildungskosten würden dabei von der HOCHBAHN übernommen. Auch verspricht der Hamburger Arbeitgeber, dass seine 2 000 Buskollegen die besten Navis seien mit ihrem „dicken „Dienstwagen“ (…)“. Auch mit „30 Tagen Urlaub und fette(n) Sozialleistungen“ werden künftige Busfahrer angeworben. Am frühen Morgen des 9. Mai ist in Barmbek-Nord ein HOCHBAHN-Bus in ein Wohnhaus gekracht. Der Fahrer (53) habe die örtliche Orientierung verloren und schließlich, nachdem er den Bus verlassen hatte, ohne die Feststellbremse zu betätigen, auch noch das Gaspedal mit der Bremse verwechselt. Er krachte daraufhin in ein Wohnhaus.1 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) wie folgt: 1. Was meint die HOCHBAHN konkret, wenn sie verspricht, der künftige Busfahrer sei „in nur drei Monaten startklar für den Hamburger Großstadtdschungel “?2 Welche Lerninhalte werden in dieser Zeit konkret vermittelt? Die Führerscheinausbildung dauert circa drei Monate. Darüber hinaus absolvieren die Auszubildenden eine Streckenkunde, die in der Regel einen Monat andauert. Es wird der Führerschein „Klasse D“ erworben und die Prüfung nach dem Berufskraftfahrer- Qualifikationsgesetz durchgeführt. Ferner erfolgt die Durchführung einer Streckenkunde durch Lehrfahrerinnen und Lehrfahrer auf den dem jeweiligen Betriebshof zugeordneten Linien. 1 https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article217129767/HVV-Bus- Linienbus-Lorichsstrasse-Hauswand-Unfall-Barmbek-Leerfahrt-Verletzte-Busfahrer- Hochbahn-Hamburg.html, https://www.spiegel.de/panorama/hamburg-bus-faehrt-gegenwohnhaus -a-1266603.html. 2 https://www.hochbahn.de/hochbahn/hamburg/de/Home/busfahrer_hochbahn. Drucksache 21/17181 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. „Die zweijährige Fahrpraxis ist für Busfahreranwärterinnen und -anwärter bei der HOCHBAHN keine zwingende Voraussetzung für die Erlangung des Führerscheines der Klasse D“, erklärt die HOCHBAHN in ihrer Antwort auf eine Anfrage der AfD im April 2018 (Drs. 21/12543). Aktuell fordert sie diese auf ihrer Homepage.3 Wie erklärt die HOCHBAHN diese Diskrepanz? Ziel der HOCHBAHN ist es, Bewerberinnen und Bewerber zu akquirieren, die bereits eine zweijährige Fahrpraxis nachweisen können. Die zweijährige Fahrpraxis stellt jedoch kein zwingendes Kriterium dar, sodass in Einzelfällen davon abgewichen werden kann. 3. Wie stellt sich die Entwicklung der Verdienstmöglichkeiten bei der HOCHBAHN seit Beginn 2014 dar? Bitte aufschlüsseln nach Verdienst während und nach der Ausbildung. Der Verdienst einer Berufseinsteigerin beziehungsweise eines Berufseinsteigers nach Haustarifvertrag Entgeltgruppe 4 Stufe 1 (Busfahrer) beträgt laut Tarifvertrag derzeit 2 452 Euro. Anfang des Jahres 2014 betrug der Verdienst 2 189 Euro. Hinzu kommen variable und einsatzbezogene Entgeltbestandteile. Der Verdienst während der Ausbildung richtet sich nach der Entgeltgruppe 3 und beträgt heute monatlich 2 337 Euro (im Jahr 2014: 2 086 Euro). 4. „30 Tage Urlaub und fette Sozialleistungen“, heißt es weiter. Welche Sozialleistungen in welcher Höhe sind hier konkret gemeint? Die Jahressonderzahlung beträgt einmalig 900 Euro. Das Urlaubsgeld beläuft sich ebenfalls auf 900 Euro. Die HOCHBAHN bietet ferner Vergünstigungen, die bei einem Unternehmen dieser Größenordnung üblich sind. Dies reicht von der kostenfreien Beförderung auf vielen HOCHBAHN-eigenen Betriebsmitteln bis zur Unterstützung bei der Kinderbetreuung im Krankheitsfall. Eine genaue Berechnung ist nicht möglich, da die jeweilige Inanspruchnahme der Vergünstigungen individuell ist. 5. Die Kosten für die Ausbildung „gehen auf uns“, heißt es weiter. Welche Kosten fallen für eine Ausbildung konkret an und wie stellt sich diese Kostenentwicklung seit Beginn 2014 dar? Die Ausbildungskosten belaufen sich gegenwärtig auf etwa 22 800 Euro pro Auszubildende beziehungsweise Auszubildenden und umfassen die Führerscheinerwerbs- und Personalkosten. Im Jahr 2014 beliefen sich die Kosten auf etwa 21 800 Euro. 6. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind als Vollzeitarbeitskräfte zunächst befristet für zwei Jahre eingestellt. Gilt dies auch für diejenigen Busfahrer, die ihre Ausbildung unter oben genannten Konditionen absolvieren ? Alle neu eingestellten Busfahrerinnen und Busfahrer werden mittlerweile zunächst für ein Jahr befristet eingestellt. 7. „Wir bereiten Sie bestens vor und schon nach kurzer Zeit haben Sie von unseren 111 Buslinien und 1.327 Haltestellen voll den (Fahr-)Plan.“ Was ist mit diesem Versprechen konkret gemeint? Siehe Antworten zu 1. und 2. 8. 2 000 Buskollegen selbst seien die besten Navis, versichert die HOCH- BAHN. Wie konnte es geschehen, dass ein Fahrer kürzlich derart orientierungslos war, dass er aussteigen musste, um in Erfahrung zu bringen, wo er sich befindet? Der Mitarbeiter hat sich verfahren. 8.1. Wie häufig hat sich ein vergleichbares Problem in den vergangenen fünf Jahren ergeben und wie wurde es gelöst? 3 Ebenda. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17181 3 Die Daten werden statistisch nicht erfasst. 8.2. Wird solch ein Fall während der Ausbildung durchgesprochen und eine Handlungsvorgabe vereinbart? Wenn ja, wie lautet diese? Ja, sowohl in der Busfahrschule als auch in der innerbetrieblichen Ausbildung wird ein solcher Fall besprochen. In derartigen Fällen ist die Leitstelle zu informieren und auf Anweisung zu handeln. 9. Wie erklärt sich die HOCHBAHN, dass der Fahrer die Feststellbremse nicht angezogen hat und schließlich das Gaspedal mit der Bremse verwechselte ? Menschliches Versagen. 10. Wie lange ist besagter Fahrer im Besitz seines Busführerscheins? Wie viele Fahrstunden hat er bereits seit Ende seiner Ausbildung absolviert und wo wurde er ausgebildet? Der Mitarbeiter hat seine Ausbildung ordnungsgemäß absolviert. Darüber hinausgehende Informationen sind personenbezogen und werden aus Gründen des Persönlichkeits - und Datenschutzes nicht genannt. 11. Seit wann befuhr der Unfallfahrer die eigentliche Strecke? Der Mitarbeiter wurde mit der Strecke im Rahmen der oben genannten Streckenkunde befasst. 12. Ist der Unfallfahrer bereits zuvor aufgefallen mit ähnlichen Orientierungsund Fahrproblemen? Wenn ja, inwiefern? Aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes kann diese Frage nicht beantwortet werden. 13. Voraussetzung für die Ausbildung zum Busfahrer bei der HOCHBAHN sei der Besitz des EU-Führerscheins (Klasse B) seit mindestens zwei Jahren. Verfügte besagter Fahrer über diese Voraussetzung? Wenn ja, wie wurde dies überprüft? Wenn nein, warum durfte er dennoch die Ausbildung absolvieren? Und in welchen Fällen wird/wurde von dieser Regelung abgewichen? Die Voraussetzung lag vor. Die Überprüfung erfolgte durch Prüfung des Führerscheins . Abweichungen können einzelfallbezogen erfolgen; eine statistische Erfassung der Daten erfolgt nicht. 14. Auf welche Summe lässt sich der Schaden des oben beschriebenen Unfalls beziffern? Es liegen noch keine Schadensspezifikationen vor. 15. Seit dem 1. Februar 2018 unterstützen im Rahmen eines Pilotprojektes zunächst zehn ehemalige Flüchtlinge den Busbetrieb. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, Iran und Kamerun und sind jetzt offiziell Busfahrer bei der HOCHBAHN. Wie viele ehemalige Flüchtlinge haben bis heute ihren Busführerschein bei der HOCHBAHN absolviert und wie viele sind bei der HOCHBAHN angestellt? Im Rahmen des genannten Projektes sind alle elf Absolventinnen und Absolventen bei der HOCHBAHN beschäftigt. Im Rahmen des Pilotprojektes gibt es bereits zwei nachfolgende Ausbildungsjahrgänge. Diese Daten werden statistisch nicht erfasst. 16. Gehört der oben genannte Unfallfahrer zu den Absolventen, die ihren Busführerschein im Rahmen des genannten Pilotprojektes absolviert haben? Drucksache 21/17181 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Nein. 17. Voraussetzung für den Busführerschein ist der Pkw-Führerschein. Alle Flüchtlinge, die nicht über eine entsprechende Fahrerlaubnis verfügten, konnten diesen nachholen. Wie viele potenzielle Busfahrer nahmen/ nehmen dies seither in Anspruch? Wird diese Möglichkeit auch Anwärtern ohne Migrationshintergrund angeboten? Elf der 16 Auszubildenden des Projekts haben das Angebot in Anspruch genommen. Im darauf folgenden Ausbildungsgang waren es zehn von 16 Auszubildenden. Gegenwärtig gibt es einen weiteren Ausbildungsgang von 15 Teilnehmerinnen beziehungsweise Teilnehmern, von denen neun das Angebot wahrnehmen. Diese Möglichkeit wird nur Teilnehmerinnen und Teilnehmern des genannten Projektes angeboten. 18. Die Hälfte der Pkw-Führerscheinkosten (insgesamt durchschnittlich 3 000 Euro) sei dabei grundsätzlich durch die neuen Mitarbeiter zu finanzieren, erklärt die HOCHBAHN in einer AfD-Anfrage (Drs. 21/12543). 18.1. Ist es richtig, dass diese Kosten folglich mit öffentlichen Geldern beglichen wurden? Die Kosten wurden aus Mitteln der Hochbahn beglichen. 18.2. Gibt es eine Vereinbarung, dass diese Kosten im Falle einer Festanstellung zurückgezahlt werden müssen? Wenn nein, warum nicht? Ja. 19. Wie kommt die HOCHBAHN zu der Annahme, ein Pkw-Führerschein würde 6 000 Euro kosten? 20. Wie viele „Flüchtlinge“ haben die Ausbildung angefangen, wie viele von ihnen die Ausbildung beendet? Wenn es Abbrecher gab, bitte die Gründe benennen. Im Rahmen des genannten Ausbildungsgangs haben elf von 16 Auszubildenden die Ausbildung abgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 21/12543. 20.1. Auf welche Gesamthöhe belaufen sich die Kosten für die Ausbildung derjenigen, die diese nicht beendet haben? Die Kosten sind davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt die Ausbildung abgebrochen wird. Die HOCHBAHN erhebt keine Daten zu Kosten abgebrochener Ausbildungen. 20.2. Wie viele dieser Absolventen sind aktuell Busfahrer bei der HOCHBAHN? 21. Wie viele Menschen, die nicht als Flüchtlinge kamen, absolvierten den Busführerschein in den vergangenen fünf Jahren? Wie viele von ihnen haben die Ausbildung abgebrochen? Siehe Antwort zu 15. 21.1. Auf welche Gesamthöhe belaufen sich die Kosten für die Ausbildung derjenigen, die diese nicht beendet haben? Siehe Antwort zu 20.1. 21.2. Wie viele dieser Absolventen sind aktuell Busfahrer bei der HOCHBAHN? Die Anzahl der Busfahrerinnen und Busfahrer, welche seit 1. Januar 2014 bei der HOCHBAHN eingestellt wurden und noch bei der HOCHBAHN beschäftigt sind, beträgt 890. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17181 5 22. Die HSG (Hanseatische Siedlungs-Gesellschaft mbH) ist eine 100- prozentige Tochter der Hamburger Hochbahn AG und verfügt über mehr als 2 000 Wohnungen in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs. Die HOCHBAHN wirbt damit, dass sie diese für ihre Mitarbeiter bereitstellt. Wurden/werden die neuen Mitarbeiter hier untergebracht? Wenn ja, in welchen Fällen und warum? Die wohnliche Versorgung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der HOCH- BAHN erfolgt im Zuge des Vergabeprozesses gemäß Betriebsvereinbarung.