BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17277 21. Wahlperiode 28.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Dr. Carola Ensslen (DIE LINKE) vom 21.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Wohnraumvermittlung von anerkannt vordringlich Wohnungssuchenden Der Zugang zu Wohnraum von besonders benachteiligten Gruppen hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der WA-gebundene Wohnungsbestand in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, ohne dass er durch Neubautätigkeit abgemildert worden wäre. Mit dem Gesamtkonzept zur besseren Versorgung von anerkannt vordringlich Wohnungssuchenden (Drs. 21/2905) hat der Senat Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von anerkannt vordringlich Wohnungssuchenden zu Wohnraum zu verbessern. Erfreulicherweise steigen die Vermittlungen in Wohnraum seit 2013 (Stand: 1 267) kontinuierlich an, sodass im Jahr 2018 2 153 Haushalte durch die Fachstellen für Wohnungsnotfälle von der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (örU) in Wohnraum vermittelt werden konnten. Gleichwohl können diese Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der unversorgten Haushalte jährlich steigt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle sind für die Wohnraumvermittlung von obdachlosen Menschen und Menschen aus öffentlich-rechtlicher Unterbringung einschließlich Zuwanderern mit Bleiberecht und Bewohnerinnen und Bewohner anderer Unterbringungsprojekte für Obdachlose zuständig, denen entsprechend der Fachanweisung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen über die Versorgung von vordringlich Wohnungsuchenden, Teil II, eine Dringlichkeitsbestätigung erteilt worden ist. Eine Dringlichkeitsbestätigung ist ein dem Dringlichkeitsschein gleichgestellter Wohnberechtigungsschein. Alle öffentlich-rechtlich untergebrachten Haushalte sind im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten und Selbsthilfemöglichkeiten gehalten, sich selbstständig und intensiv um die Anmietung von Wohnraum zu bemühen. Bei der Zielgruppe, die die Fachstellen für Wohnungsnotfälle in Wohnraum vermittelt, steht grundsätzlich die Dringlichkeit im Vordergrund. Diese kann sich aus besonderen Bedarfen oder der Dauer der Wohnungslosigkeit ergeben, aber auch aus fachlichen Vorgaben folgen, zum Beispiel wenn als Folge der Bürgerverträge Plätze in öffentlich-rechtlicher Unterkunft reduziert werden und Bewohnerinnen und Bewohner in Wohnraum zu vermitteln sind. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle melden die in Wohnraum zu vermittelnden Haushalte in der Regel in Listenform den Wohnungsunternehmen mit einem Kooperationsvertrag . Ergänzend führen kooperierende Wohnungsunternehmen Markttage durch, zu denen die Fachstellen die wohnungslosen Haushalte begleiten. Markttage sind ein wirksames Instrument zur Anbahnung von Wohnungsvermittlungen. Die Auswahl der Haushalte für eine freistehende Wohnung bleibt Vermieterrecht. Drucksache 21/17277 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hat sich die Versorgungssituation der anerkannt vordringlich Wohnungsuchenden seit 2014 entwickelt, das heißt wie viele Personen mit Dringlichkeitsschein konnten die Fachstellen für Wohnungsnotfälle in den Jahren 2013 bis 2018 jeweils insgesamt in Wohnraum vermitteln? a. Wie viele der unter 1. genannten Personen waren obdachlose Personen oder Personen, die kurzzeitig eine Notübernachtungsstätte in Anspruch genommen haben? b. Wie viele der unter 1. genannten Personen waren wohnungslose Personen in besonderen Wohn- beziehungsweise Unterbringungsprojekten ? c. Wie viele der unter 1. genannten Personen waren Personen, die von den bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle (Fachstellen) bewilligte und aus öffentlichen Mitteln finanzierte Übernachtungsmöglichkeiten in Anspruch genommen haben? d. Wie viele der unter 1. genannten Personen waren bleibeberechtigte Zuwanderer/-innen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung- und wie viele waren wohnungslose Personen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung ? e. Wie viele der unter 1. genannten Personen lebten in Haushalten, deren Wohnraum nicht durch die Fachstellen für Wohnungsnotfälle gesichert werden konnte? Bitte jeweils Anzahl und Anteil am Gesamt aller Wohnraumvermittlung für die Jahre 2013 bis 2018 angeben. Wenn möglich bitte alle Angaben in einer Tabelle ausweisen. Siehe Vorbemerkung. Im Dokumentationssystem der Fachstellen für Wohnungsnotfälle (BFW) werden Haushalte erfasst und auswertbar gemacht. Rückschlüsse auf Personenzahlen sind wegen unterschiedlicher Haushaltsgrößen nicht möglich. Versorgte Haushalte durch die BFW 2013 bis 2018 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Wohnraumvermittlung (WRV) insgesamt* 1 267 1 207 1 468 1 627 2 146 2 153 Versorgte Haushalte mit Dringlichkeitsbestätigung Gesamt 1 170 1 143 1 375 1 493 1 977 1 990 davon Obdachlose 265 217 215 177 167 137 Anteil an Wohnraumvermittlung (WRV) gesamt* 20,9% 18,0% 14,7% 10,9% 7,8% 6,4% davon Wohnungslose aus öff. rechtl. Unterbringung einschl. Bewohnerinnen und Bewohner anderer Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose und Wohnungslose aus sonstiger Unterbringung 615 685 640 712 662 Anteil an WRV gesamt 52,7% 51,0% 46,7% 39,3% 33,2% 30,8% davon Zuwanderer mit Bleiberecht aus öff. rechtl. Unterbringung 237 311 475 676 1 098 1 191 Anteil an WRV gesamt 18,7% 25,8% 32,4% 41,6% 51,2% 55,3% Quelle: Datawarehouse, BfW * Die Differenz zwischen „Versorgte Haushalte mit Dringlichkeitsbestätigung“ und „Wohnraumvermittlung gesamt“ ergibt sich daraus, dass im Einzelfall auch Haushalte ohne Einstufung und somit ohne Dringlichkeitsbestätigung, die öffentlich-rechtlich untergebracht sind, von den Fachstellen für Wohnungsnotfälle versorgt werden. Die Anteile beziehen sich auf die Gesamtsumme der durch die Fachstellen für Wohnungsnotfälle vermittelten Haushalte. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle stellen im Einzelfall Kostenübernahmeerklärungen für eine vorübergehende ersatzweise Pensions- oder Hotelunterbringung bis zum Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17277 3 Freiwerden eines geeigneten Platzes in einer Wohnunterkunft oder bis zur Vermittlung in Wohnraum aus. Diese Personengruppe wird durch das Dokumentationssystem der BFW nicht gesondert ausgewertet und findet sich in der Summe der Wohnungslosen aus öffentlich-rechtlicher Unterbringung einschließlich Bewohnerinnen und Bewohner anderer Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose und Wohnungslose aus sonstiger Unterbringung in der sechsten Zeile der Tabelle. Zu den unter 1. a. genannten Personen, die kurzzeitig eine Notübernachtungsstätte in Anspruch genommen haben sowie die, die in Haushalten lebten, deren Wohnraum nicht durch die BFW gesichert werden konnten, werden keine gesonderten statistischen Daten erhoben. Eine erforderliche händische Auswertung des vorhandenen Aktenbestandes von über tausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Von den Wohnungsabteilungen der Bezirksämter mit Wohnraum versorgte Haushalte mit Dringlichkeitsschein: Jahr versorgte Haushalte 2013 1 711 2014 1 765 2015 1 739 2016 1 675 2017 1 606 2018 1 748 2. Wird dafür Sorge getragen, dass Wohnungsvermittlungen nach bestimmten Kriterien, wie besonderer Bedarf, Dringlichkeit, Dauer der Wohnungslosigkeit beziehungsweise Selbsthilfemöglichkeiten, erfolgen? Falls ja, nach welchen Kriterien? Falls nein, warum nicht? Und wäre es nicht sinnvoll, solche Kriterien beziehungsweise Quoten für die Wohnraumvermittlung zu entwickeln? Im Rahmen des Benennungsverfahrens für Haushalte mit Dringlichkeitsschein durch die bezirklichen Wohnungsabteilungen (Dreiervorschlag) besteht eine ausreichende Möglichkeit, die Wohnraumvermittlung nach Dringlichkeit zu steuern. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Gibt es für die unterschiedlichen Ziel- beziehungsweise Bedarfsgruppen mit Dringlichkeitsschein beziehungsweise Dringlichkeitsbestätigung Quoten bei der Vermittlung in Wohnraum? Falls nein, wäre es nach Erachten des Senats nicht sinnvoll, solche zu entwickeln? Die Festlegung von Quoten für die verschiedenen Fall-/Zielgruppen der Inhaber von Dringlichkeitsscheinen und Dringlichkeitsbestätigungen halten die zuständigen Fachbehörden nicht für sinnvoll, da alle anerkannten vordringlich wohnungssuchenden Haushalte unabhängig von ihrer Fall-/Zielgruppenzugehörigkeit grundsätzlich gleichbehandelt werden. Für Zielgruppen mit besonderen Zugangsschwierigkeiten zum Wohnungsmarkt, die einen Dringlichkeitsschein besitzen, besteht mit dem Förderprogramm „Ankauf von Belegungsbindungen für Haushalte mit besonderen Marktzugangsschwierigkeiten “ ein besonderer finanzieller und zielgerichteter Anreiz, diese Haushalte mit Wohnraum zu versorgen. Im Übrigen hat der Senat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Versorgungssituation der anerkannt vordringlich Wohnungssuchenden insgesamt nachhaltig zu verbessern, siehe Drs. 21/16620. Darüber hinaus behindern Quoten ein flexibles Reagieren im Einzelfall. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.