BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17328 21. Wahlperiode 31.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 23.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Prostituiertenschutzgesetz – Aktueller Stand? Seit Juli 2017 ist das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Die Rechtsnormen sollen Sexarbeiter/-innen unter anderem vor etwaiger Zwangsprostitution schützen. Von den Betroffenen selbst und von deren Interessenverbänden wurde das Gesetz aus verschiedenen Gründen stark kritisiert. Viele betrachten es als nicht zielführend und sehen darin ganz im Gegenteil eine weitere Erschwerung und Stigmatisierung eines bereits von Tabuisierungen geprägten Arbeitsfeldes. Eine bundesweite Evaluation ist erst für das Jahr 2022 geplant. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist es um die Mehrsprachigkeit der Beratung, der Anmeldung und des Informationsmaterials bestellt? Bitte nach Bereich und Sprachen aufschlüsseln. 2. Ist es richtig, dass für das Beratungsgespräch optional eine Videodolmetschung zur Verfügung steht? Falls ja: a. Für welche Sprachen ist das Angebot verfügbar? b. Wie schnell ist eine Dolmetschung verfügbar? c. Wie werden Betroffene über dieses Angebot informiert? d. Wie häufig wurde das Angebot bisher genutzt? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Im Fachamt „Beratungen, Erlaubnisse und Anmeldungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz “ (FA-BEA*Pro) und bei der gesundheitlichen Beratung für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Hamburg nach dem Prostituiertenschutzgesetz (GESAH 14) können Informations- und Beratungsgespräche aktuell in folgenden Sprachen durch das Video-Dolmetschen von SAVD-Wien angeboten werden: Albanisch, Amharisch, Arabisch, Arabisch-Marokko, Armenisch, Aserbaidschanisch, Bengalisch, Berberisch, Bosnisch, Bulgarisch, Chinesisch, Dari, Englisch, Farsi, Filipino (Tagalog), Französisch, Fula, Georgisch, Griechisch, Hausa, Hebräisch, Hindi, Igbo, Italienisch, Kinyarwanda, Kirundi, Koreanisch, Kroatisch, Kurdisch-Kurmanci, Kurdisch – Sorani, Lettisch, Litauisch, Malinke, Mandinka, Mazedonisch, Mongolisch, Nepalesisch, Oromo, Paschtu, Polnisch, Portugiesisch, Punjabi, Rumänisch, Russisch , Serbisch, Slowakisch, Slowenisch, Somali, Soninke, Spanisch, Suaheli, Susu, Tamilisch, Thailändisch, Tigre, Tirgrinya, Tschechisch, Tschetschenisch, Türkisch, Twi, Ukrainisch, Ungarisch, Urdu, Vietnamesisch, Wolof und Zarma. Außerdem ist Dolmetschen in Gebärdensprache möglich. Drucksache 21/17328 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Informations- und Beratungsgespräche werden nach telefonischer Terminvereinbarung , in der die kostenlose Dolmetschung angeboten wird, organisiert und koordiniert . Darüber hinaus sind Informationen zum Dolmetschungsangebot auch unter https://www.hamburg.de/prostitution/prostituierte/8992960/prostituierte/ und https://www.hamburg.de/prostitution/9017602/gesundheitliche-beratung/ veröffentlicht. Als sogenannte Ad-Hoc-Sprachen über den Dolmetscherdienst oder durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen Arabisch-Hocharabisch, Albanisch, Bosnisch/Kroatisch/ Serbisch (BKS), Bulgarisch, Dari, Farsi, Kurdisch-Kumanci, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Tschechisch, Türkisch, Ungarisch innerhalb von zwei Minuten zur Verfügung. Alle weiteren Sprachen werden nach Terminvereinbarung zur Verfügung gestellt. Auch dies ist in der Regel innerhalb von ein – zwei Tagen möglich. Das Angebot der Videodolmetschung wurde wie folgt genutzt: Jahr Fachamt Beratungen, Erlaubnisse und Anmeldungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz (FA-BEA* Pro) gesundheitliche Beratung für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Hamburg nach dem Prostituiertenschutzgesetz (GESAH 14*) 2017 (ab 01.11.2017) 25 2018 192 7 01.01.2019 bis 23.05.2019 144 43 Gesamt 361 50 * GESAH 14 hat die Videodolmetschung zum Oktober 2018 eingeführt. Als Infomaterial steht zum einen ein Flyer des Fachamtes FA-BEA* Pro in Form eines Faltblattes zur Verfügung, der derzeit in folgenden Sprachen unter https://www.hamburg.de/prostitution/prostituierte/12066040/faltblaetter/ abrufbar ist: Deutsch, Bulgarisch, Englisch, Französisch, Portugiesisch und Spanisch. Geplant sind darüber hinaus weitere Übersetzungen in folgende Sprachen: Russisch, Polnisch, Rumänisch, Thai, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch. Informationsmaterial für die gesundheitliche Beratung, zum Beispiel zu den Themen Alkohol und Drogen, Schwangerschaft und Schwangerschaftsverhütung sowie sexuell übertragbare Krankheiten, liegen in den Sprachen Spanisch, Bulgarisch, Rumänisch, Russisch, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Türkisch u.a. vor. Informationen über die Gesundheitliche Beratung sind auf der Homepage https://www.hamburg.de/ prostitution/9017602/gesundheitliche-beratung/ in den Sprachen Deutsch, Rumänisch und Thailändisch verfügbar. Zum anderen gibt es mehrsprachige Informationen zur Besteuerung sexueller Dienstleistungen der Finanzbehörde Hamburg, die in folgenden Sprachen zur Verfügung gestellt werden: Deutsch, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Albanisch, Thailändisch , Türkisch, Ungarisch, Vietnamesisch. Darüber hinaus stellen die Fachberatungsstellen mehrsprachige Infomaterialien zur Verfügung, zum Beispiel die Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel KOOFRA e.V. in 35 Sprachen. 3. Wie viele Ablehnungen gab es bezüglich der Ausstellung einer Anmeldebeziehungsweise Gewerbebescheinigung a. Sexarbeiter/-innen betreffend? b. Betriebe betreffend? c. Was waren die jeweiligen Gründe? Es wurde keiner Sexarbeiterin/keinem Sexarbeiter eine Anmeldebescheinigung versagt (Stichtag 24.05.2019). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17328 3 Es wurden neun Prostitutionsgewerben die beantragte Erlaubnis aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit gemäß § 14 Absatz 1 Nummer 2 ProstSchG versagt, siehe Drs. 21/16324. 4. Welche konkreten Maßnahmen führen Polizei/Sachbearbeiter/-innen des FA-BEA*Pro zur Durchsetzung und Überwachung des ProstSchG a. aufseiten der Sexarbeiter/-innen durch? b. aufseiten der Betriebe durch? Siehe hierzu Drs. 21/16324 und Drs. 21/11140. 5. Wie viele Verstöße gegen a. die Kondompflicht, b. § 120 OwiG, c. § 184f StGB wurden seit 2012 registriert? Bitte nach Jahren, Beschuldigten, Art der Erledigung aufschlüsseln. Es wurden durch FA-BEA*Pro keine Verstöße gegen die Kondompflicht registriert. Verstöße gegen § 120 OwiG werden im Landeskriminalamt, Kriminalkommissariat Region Mitte I (LKA 11) bearbeitet. Die in den erfragten Jahren beim LKA 11 auswertbar erfassten Verstöße sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019* Anzahl 913 1 626 918 1 602 1 163 362 528 221 * Stand 30. April 2019 Für eine abschließende Beantwortung der Fragestellung wäre eine manuelle Durchsicht aller einschlägigen Hand- und Ermittlungsakten beim LKA 11 erforderlich. Die Auswertung von fast 4 800 Vorgängen der Jahre 2014 bis 2019 ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ; älter Vorgänge liegen auf Grund der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen nicht mehr vor. Die Polizei erfasst Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), diese ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. In der PKS wird der § 184f Strafgesetzbuch unter dem PKS-Schlüssel 140010 erfasst; zu den erfragten Daten siehe folgende Tabelle: Jahr erfasste Aufklärung Tatverdächtige Fälle Fälle in Prozent insgesamt 2012 422 422 100,0% 135 2013 701 701 100,0% 204 2014 567 567 100,0% 236 2015 470 470 100,0% 142 2016 392 392 100,0% 107 2017 83 82 98,8% 39 2018 95 95 100,0% 35 Bei der Berechnung der Tatverdächtigen (TV) wird in der PKS eine echte Tatverdächtigenzählung vorgenommen. Dabei wird ein TV nur einmal gezählt, auch wenn er mehrfach registriert wurde. Dieses Prinzip wird sowohl für die Anzahl der TV insgesamt als auch für die Anzahl der TV für jedes Delikt angewendet. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystems MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg sind zum Stichtag 24. Mai 2019 hinsichtlich unter anderem wegen einer Straftat gemäß § 184f StGB erfasster Verfahren (vorbehaltlich der vollständigen und richtigen Erfassung) folgende Ergebnisse aufgeführt: Drucksache 21/17328 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Jahrgang Verfahren Beschuldigte § 170 Abs. 2 StPO Anklage/ Strafbefehls - antrag §§ 153, 153a StPO, 45 JGG § 154 StPO § 154f StPO Sonstige (insbesondere Verfahrensver - bindungen ) 2012 123 131 30 52 15 16 2 16 2013 609 615 60 78 57 64 1 355 2014 522 525 40 41 51 51 2 340 2015 142 143 15 6 13 15 8 86 2016 176 176 10 17 9 24 13 102 2017 87 87 4 2 2 5 17 57 2018 88 88 3 3 5 8 13 56 2019 57 58 2 0 2 2 7 32 Für den Zeitraum 01.01.2012 – 26.01.2015 wurden Daten zu § 184e StGB alte Fassung abgefragt. Aufgrund der Löschungsfristen können Datensätze für den Zeitraum 2012/2013 bereits gelöscht sein. 6. Auf Bundesebene ist eine Evaluation des ProstSchG für 2022 geplant. Plant Hamburg auf Landesebene eine eigenständige Evaluation? Wenn ja, wann? 7. Wie bewerten a. der Senat, b. die Polizei, c. der Runde Tisch für Prostitution nach aktuellem Kenntnisstand die Effekte des Gesetzes? Wird das Gesetz als zielführend wahrgenommen? Das ProstSchG selbst sieht nach § 38 ProstSchG eine Evaluation ab 2022 vor. Eine eigenständige Evaluation auf Landesebene ist nicht geplant. Zur Bewertung der Effekte des Gesetzes kann noch keine Aussage getroffen werden. Siehe Drs. 21/16324 und 21/12044. 8. Wie viele tätliche Übergriffe auf Sexarbeiter/-innen wurden seit 2010 registriert? Bitte nach Jahren, Straftatbestand und Geschlecht der/des Betroffenen beziehungsweise der Täterin/des Täters aufschlüsseln. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden weder in der PKS noch im Vorgangsverwaltungs - und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg erfasst. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Polizei, sowie aller staatsanwaltlicher Verfahren, in welchen in MESTA als Tatvorwurf § 223 oder § 224 StGB verzeichnet ist, notwendig. Die Auswertung von mehreren Hunderttausend Akten der Polizei und mehr als 20 000 Verfahren der Staatsanwaltschaft ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.