BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17358 21. Wahlperiode 04.05.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 27.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Beobachtung der Muradiye-Moschee durch den Verfassungsschutz In Drs. 21/17186 hat der Senat sämtliche Beobachtungsobjekte des Landesamtes für Verfassungsschutzes aus dem Phänomenbereich Islamismus genannt; darunter befinden sich auch solche, die zwar seit 2015 observiert, in den jeweiligen Verfassungsschutzberichten jedoch nicht explizit genannt werden. Eines dieser Beobachtungsobjekte ist die Muradiye-Moschee, die von DITIB-Nord in Wilhelmsburg betrieben wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die zeitgleich eingegangenen Anfragen aus den Drs. 21/17354, 21/17355, 21/17356, 21/17357, 21/17358, 21/17359, 21/17360, 21/17361 und 21/17362 fallen alle in die Zuständigkeit desselben Referates im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg . Da neben der Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfragen auch fachliche Aufgaben (Bekämpfung des islamistischen Terrorismus, Beobachtung islamistischer Bestrebungen) zu erledigen sind, die nicht gänzlich eingestellt werden können, war die vollständige Beantwortung aller Anfragen in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. So hätten verschiedenste Datenbanken durchsucht und sowohl Register wie auch Papierakten in mehreren Hundert Aktenordnern durchgesehen werden müssen. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Beobachtungsobjekten des Landesamtes für Verfassungsschutzes aus dem Phänomenbereich Islamismus ist kein statistisch auswertbares aufenthalts- beziehungsweise staatsangehörigkeitsrechtliches Erhebungsmerkmal . Eine händische Auswertung von über 300 000 Ausländerakten beziehungsweise der Akten von jährlich circa 5 500 bis 6 000 Einbürgerungen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Zudem erfolgt bei den Einwohnermeldeämtern keine statistische Erfassung der Zugehörigkeit zu bestimmten Beobachtungsobjekten des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg aus dem Phänomenbereich Islamismus, sodass eine Beantwortung nicht möglich ist. Im Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaften Hamburg wird der Umstand, ob ein Beschuldigter einem der Beobachtungsobjekte des LfV Hamburg aus dem Phänomenbereich Islamismus zuzurechnen ist, nicht erfasst. Zur Beantwortung der Fragen im Hinblick auf eine Zugehörigkeit der bei der Staatsanwaltschaft erfassten Beschuldigten zu dem benannten Beobachtungsobjekt müssten daher alle Ermittlungsverfahren händisch ausgewertet werden, was in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Der Umstand, ob ein Beschuldigter einem der Beobachtungsobjekte des LfV aus dem Phänomenbereich Islamismus zuzurechnen ist, wird durch die Staatsschutzsenate nicht erfasst. Da abgeschlossene Verfahren und Rechtsmittelverfahren an die zuständige Behörde rück- oder weiterübersandt werden, ist eine händische Durchsicht nicht Drucksache 21/17358 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 möglich. Soweit es sich nicht ohnehin um Verfahren der Generalbundesanwaltschaft handelt, wird auch im Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaften Hamburg der Umstand, ob ein Beschuldigter einem der Beobachtungsobjekte des LfV aus dem Phänomenbereich Islamismus zuzurechnen ist, nicht erfasst. Für eine Beantwortung betreffend die Fälle der Staatsanwaltschaften Hamburg müssten alle entsprechenden Ermittlungsverfahren der Zentralstelle Staatsschutz sowie der Staatsschutzabteilung, deren Anzahl sich im vierstelligen Bereich bewegt, händisch ausgewertet werden, was in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann wurde die Muradiye-Moschee in Hamburg erstmals vom Verfassungsschutz beobachtet? 2017. 2. Welche Aktivitäten haben dabei im Einzelnen zu einer Beobachtung geführt? 3. Wie groß schätzt der Senat die Anhängerschaft der Muradiye-Moschee gegenwärtig ein? Der Trägerverein der Muradiye-Moschee („Türkisch-Islamische Gemeinde zu Hamburg -Wilhelmsburg e.V.“) wurde als sogenannter Prüffall eingestuft, da erste Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorlagen, unter anderem Verbindungen zu anderen islamistischen und extremistischen Gruppen und Organisationen. Die Bearbeitung wurde nach zwei Jahren eingestellt, da sich der Verdacht nicht weiter erhärten ließ. 4. Inwiefern hat sich deren Personenpotenzial seit der erstmaligen Beobachtung durch das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz verändert? Ist es gewachsen oder geschrumpft? Während der kurzen Prüfdauer war keine Veränderung festzustellen. 5. Über welche Staatsangehörigkeiten verfügen die dem Senat bekannten Anhänger1 der Muradiye-Moschee gegenwärtig? Wie alt sind sie und welchem Geschlecht gehören sie an? Die erbetenen Angaben bitte in Tabellenform machen. 6. Wie viele der deutschen Anhänger der Muradiye-Moschee verfügen ausschließlich über die deutsche Staatsbürgerschaft? 7. Wie viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft durch eine Einbürgerung erhalten? Bitte auch angeben, welche Staatsangehörigkeit zuvor geführt beziehungsweise wann diese abgegeben wurde. 8. Wie viele von ihnen verfügen über die doppelte Staatsbürgerschaft? Bitte auch angeben, welche Staatsangehörigkeit neben der deutschen geführt wird. 9. Über welchen aufenthaltsrechtlichen Status verfügen die Ausländer unter den Anhängern der Muradiye-Moschee? 10. Gegen wie viele von ihnen ist bereits eine rechtskräftige Ausweisung verhängt worden? 11. Wie viele dieser Leute sind trotzdem noch immer in Deutschland? Bitte den jeweiligen Grund für eine nicht erfolgte Ausweisung angeben. 12. Wann sind die ausländischen Anhänger der Muradiye-Moschee erstmals nach Deutschland eingereist? 1 Wenn im Folgenden von Anhängern der Muradiye-Moschee die Rede ist, sind Personen gemeint, die dem Senat als Islamisten bekannt sind. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17358 3 13. Wie viele Anhänger der Muradiye-Moschee sind in der Vergangenheit bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten? Bitte jeweils auch die zugrunde liegenden Delikte, den Zeitpunkt, das Strafmaß sowie die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Status der Verurteilten nennen. 14. Wie viele Anhänger der Muradiye-Moschee sind in der Vergangenheit bereits in einem Strafprozess verurteilt worden? Bitte jeweils auch die zugrunde liegenden Delikte, das Strafmaß sowie die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Status der Verurteilten nennen. 15. Sind diese Leute zudem bereits in anderen Bundesländern strafrechtlich in Erscheinung getreten beziehungsweise verurteilt worden? Falls ja, bitte jeweils auch die zugrunde liegenden Delikte, das Strafmaß sowie die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Status der Verurteilten nennen. Eine retrograte Erhebung der Daten ist nicht möglich, da die Beobachtung eingestellt wurde. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und 3. und Vorbemerkung. 16. Wie viele Personen, die in der Vergangenheit zu den Anhängern der Muradiye-Moschee gehörten, sind bis heute ins Ausland gereist, um sich dort einer terroristischen Vereinigung anzuschließen? 17. Wie viele dieser Personen sind daraufhin nach Deutschland beziehungsweise Hamburg zurückgekehrt? 18. Wie viele von ihnen sind nach ihrer Rückkehr vor dem Hamburger Staatsschutzsenat angeklagt worden? 19. Zu wie vielen Verurteilungen ist es dabei gekommen? Bitte jeweils auch die zugrunde liegenden Delikte, das Strafmaß sowie die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Status der Verurteilten nennen. Es liegen keine Informationen darüber vor, dass sich Personen aus dieser Klientel dem bewaffneten Jihad im Ausland angeschlossen haben. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. bis 15. 20. Wie lautet die islamistische Ideologie, auf die sich die Anhänger der Muradiye-Moschee berufen? Siehe Antwort zu 2. und 3. 21. Wie schätzt der Senat etwaige Verbindungen der Muradiye-Moschee zu Terrororganisationen wie dem IS, Al-Qaida und anderen ein und welche Informationen liegen ihm hierzu vor? 22. Wie schätzt der Senat etwaige Verbindungen der Muradiye-Moschee zu kriminellen Gruppierungen ein? Hierzu liegen keine Informationen vor. 23. Ist dem Senat bekannt, ob der ehemalige Vorsitzende der Muradiye- Moschee Mustafa Y. noch immer im Umfeld der Moschee aktiv ist? Falls ja, inwiefern? Sofern dem LfV Hamburg Erkenntnisse zu Einzelpersonen vorliegen, ergibt die nach § 18 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG) vorgenommene Abwägung, dass hier die Bekanntgabe der nachrichtendienstlich erhobenen Erkenntnisse dem Interesse des Betroffenen und denen des Amtes entgegensteht. Der durch das Grundgesetz gewährte Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen steht der Beantwortung der Frage ebenso entgegen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und 3.