BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17365 21. Wahlperiode 04.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (fraktionslos) vom 27.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Umweltfreundliche Klärschlammverbrennung in Hamburg Gegenwärtig stellt der deutsche Staat immense Summen zur Nutzung thermischer Abfallentsorgungstechnologien bereit, die auf dem Einsatz von Verbrennungsöfen basieren. Dies ist nicht nur teuer, sondern auch ausgesprochen umweltschädlich. Im Rahmen der dabei betriebenen Verbrennungsprozesse werden nämlich Tonnen von Schwermetallen, darunter Kupfer, Quecksilber, Blei, Cadmium und Eisen sowie eine Vielzahl in Abfällen enthaltener Metalle in Oxide umgewandelt, die schließlich zusammen mit Asche und gasförmigen Produkten in die Atmosphäre gelangen. Es bedarf keiner Hervorhebung, die Bedeutung zu akzentuieren, die solch schädliche Effekte für die Gesundheit der Bevölkerung haben. Dies gilt auch hinsichtlich der finanziellen Belastungen, die durch die Nutzung althergebrachter Technologien bis dato für die öffentliche Hand entstehen. In Hamburg wird Klärschlamm seit 1997 thermisch behandelt und mittels Wasserentzug in einer Trocknungsanlage in Brennstoff umgewandelt. Dieses Verfahren wird vor allem wegen seiner vermeintlichen Umweltfreundlichkeit gepriesen. Da sich die Senatsparteien SPD und GRÜNE sowohl generell als auch im Hinblick auf die Europawahlen vom 26. Mai 2019 besonders für den Klimaschutz einsetzen , ist es interessant zu erfahren, wie umweltfreundlich die Klärschlammverbrennung in Hamburg tatsächlich ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Stadtentwässerung AöR (HSE), der Stadtreinigung Hamburg AöR (SRH), der MVR Müllverwertung Rugenberger Damm GmbH & Co. KG sowie der AVG Abfall- Verwertungs-Gesellschaft mbH wie folgt: 1. Ist es korrekt, dass gegenwärtig nur eine Monoverbrennungsanlage in Hamburg betrieben wird? Falls nein, welche Anlagen gibt es darüber hinaus? Nein, neben der Klärschlammverbrennungsanlage (VERA) wird noch eine Anlage ausschließlich für Holzabfälle betrieben – die Linie 3 der MVB Müllverwertung Borsigstraße (MVB). 2. Wann sind die in Hamburg betriebenen Anlagen erstmals in Betrieb genommen worden? Die Inbetriebnahme der VERA erfolgte im Mai 1997. Die Linie 3 der MVB wurde im Dezember 2005 in Betrieb genommen. Drucksache 21/17365 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele Verbrennungsöfen werden in Hamburg gegenwärtig betrieben? Anlage Verbrennungslinien (Öfen) Abfallart / Thermisches Verfahren Klärschlammverbrennungsanlage 3 Klärschlamm / Wirbelschichtfeuerung MVB Müllverwertung Borsigstraße 2 1 Hausmüll / Rostfeuerung A1 bis A4 Holz / Wirbelschichtfeuerung MVR Müllverwertung Rugenberger Damm 2 Hausmüll / Rostfeuerung AVG Sonderabfallverbrennungsanlage 2 Gefährliche Abfälle / Drehrohrofen 4. Wie viele Trocknungsanlagen gibt es in Hamburg und seit wann werden diese betrieben? Die HSE betreibt auf dem Kläranlagenstandort Köhlbrandhöft seit 1991 im Dauerbetrieb die Klärschlammentwässerungs- und Trocknungsanlage (KETA). 5. Wie teuer ist der Betrieb der Hamburger Monoverbrennungsanlagen im Zeitraum von 1997 bis 2019 pro Jahr gewesen? Die entsprechenden Kosten bitte in einer Tabelle darstellen. Die HSE erbringt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeiten auch Entsorgungsdienstleistungen für Dritte und steht dort im Wettbewerb mit weiteren Marktteilnehmern. Die Kosten der thermischen Behandlung von Klärschlamm sind folglich Geschäftsgeheimnis . 6. Inwieweit haben sich die Verbrennungskosten durch die neue Klärschlammverordnung (AbfKlärV) zur Phosphorrückgewinnung verändert? Es gibt in Hamburg keine Veränderung der Verbrennungskosten aufgrund der novellierten AbfKlärV aus 2017. 7. Wie teuer ist der Betrieb der Hamburger Trocknungsanlagen im Zeitraum von 1997 bis 2019 pro Jahr gewesen? Die entsprechenden Kosten bitte in einer Tabelle darstellen. Die HSE erbringt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeiten auch Entsorgungsdienstleistungen für Dritte und steht dort im Wettbewerb mit weiteren Marktteilnehmern. Auch der Teilschritt der Klärschlammtrocknung ist Gegenstand der Dienstleistung. Die Kosten der Klärschlammbehandlung unterliegen somit ebenfalls dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. 8. Wie viele Tonnen der folgenden in Oxide umgewandelten Schwermetalle gelangen im Rahmen der Verbrennungsprozesse zusammen mit Asche und anderen gasförmigen Produkten in die Atmosphäre? a) Kupfer b) Quecksilber c) Blei d) Cadium e) Eisen f) Andere Schwermetalle Die Ermittlung der Jahresfrachten der Metalle erfolgt auf Grundlage der gültigen 17. Bundes-Immissionsschutzverordnung (17. BImSchV, Verordnung über die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen). Die Metalle werden mit Ausnahme von Quecksilber (Hg) in Gruppen zusammengefasst. Fracht in kg/a Betriebsgenehmigung 2016 2017 2018 Cd, TI 8,4 0,09 0,00 0,00 Hg 8,4 1,39 1,06 0,33 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17365 3 Fracht in kg/a Betriebsgenehmigung 2016 2017 2018 Sb-Sn: Sb, As, Pb, Cr, Co, Cu, Mn, Ni,V, Sn 83,9 6,98 3,18 2,25 Metalle 1 C: As, Benzo(a)pyren, Cd, Co, Cr 1,42 1,52 0,08 Die Übersicht der vergangenen drei Betriebsjahre zeigt exemplarisch, dass sich die jährlichen Immissionen aus der Klärschlammverbrennung im Gramm- bis Kilogrammbereich bewegen. Diese Frachten liegen deutlich unterhalb der Begrenzungen durch die Betriebsgenehmigung und der gesetzlichen Anforderungen, weil die Verbrennungsgase in einer mehrstufigen Rauchgasreinigungsanlage nach dem Stand der Technik gereinigt werden, bevor sie in die Atmosphäre abgeleitet werden. 9. In welche Oxide werden Schwermetalle bei den Verbrennungsprozessen insgesamt umgewandelt? Die Emissionsanforderungen an den Betrieb einer Verbrennungsanlage richten sich nach der 17. BImSchV. Zu erfassen sind die zu überwachenden Schwermetalle in ihren jeweiligen Verbindungen. Dazu gehören nicht nur die oxydischen Verbindungen, sondern es sind durch geeignete Analyseverfahren die Gesamtgehalte beziehungsweise Konzentrationen der jeweiligen zu überwachenden Schwermetalle zu erfassen. Eine Differenzierung der Schwermetallgehalte nach ihren Verbindungen liegt der Überwachungsbehörde nicht vor. Analysen über die Bindungsformen der einzelnen Metalle, die sich nach der Verbrennung des Klärschlammes ganz überwiegend in der Verbrennungsasche wiederfinden, werden gesetzlich nicht gefordert und liegen daher nicht vor. 10. Wie hoch ist die von in Hamburg betriebenen Monoverbrennungsanlagen erreichte Kapazität an der Gesamtkapazität der thermischen Verwertung in den Jahren 1997 bis 2019 ausgefallen? Die für die einzelnen Jahre ermittelten Daten bitte in Tabellenform aufschlüsseln. In Hamburg werden Abfälle in den Verbrennungsanlagen zu 100 Prozent verwertet. Eine Ausnahme bildet die Sonderabfallverbrennungsanlage AVG, deren vorrangiger Zweck es ist, gefährliche Abfälle zu beseitigen. In der nachfolgenden Tabelle werden die Verwertungsmengen aller Hamburger Verbrennungsanlagen angegeben und der Anteil der Mengen aus der Monoverbrennung ausgewiesen: Abfallmengen MVR Abfallmengen MVB (Hausmüll) Abfallmengen MVB (Holzabfall) Abfallmengen AVG Klär schlammmenge Gesamtmengen der Hamburger Verbrennungsanlagen (Gesamtkapazität ) Anteil der Monoverbrennung an der Gesamtkapazität Jahr Mg Mg Mg Mg Mg TR Mg Mg % 1997 - 347 625 - - - 347 625 - - 1998 - 344 839 - - - 344 839 - - 1999 - 329 580 - 1 672 - 331 252 - - 2000 310 000 332 218 - 5 358 45 510 647 576 45 510 7 2001 306 100 348 164 - 9 675 46 050 663 939 46 050 7 2002 307 500 330 329 - 13 205 45 061 651 034 45 061 7 2003 322 193 316 627 - 13 543 47 758 652 363 47 758 7 2004 329 260 323 400 - 20 240 46 972 672 900 46 972 7 2005 331 782 321 925 30 166 21 238 51 874 705 111 82 040 12 2006 330 891 329 046 145 091 12 929 56 067 817 957 201 158 25 2007 334 641 334 429 160 603 9 919 60 452 839 592 221 055 26 2008 353 682 331 291 156 907 10 469 61 376 852 349 218 283 26 2009 346 328 324 998 156 883 10 826 60 256 839 035 217 139 26 2010 349 153 323 678 153 156 14 234 56 150 840 221 209 306 25 Drucksache 21/17365 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Abfallmengen MVR Abfallmengen MVB (Hausmüll) Abfallmengen MVB (Holzabfall) Abfallmengen AVG Klär schlammmenge Gesamtmengen der Hamburger Verbrennungsanlagen (Gesamtkapazität ) Anteil der Monoverbrennung an der Gesamtkapazität 2011 337 238 333 641 159 814 15 361 56 809 846 054 216 623 26 2012 342 417 333 059 164 063 15 952 56 615 855 491 220 678 26 2013 338 614 337 418 94 631 11 933 59 237 782 596 153 868 20 2014 369 274 270 884 159 467 12 139 60 343 811 764 219 810 27 2015 347 309 321 321 148 590 10 900 64 018 828 120 212 608 26 2016 351 005 327 545 152 597 14 196 61 899 845 343 214 496 25 2017 349 879 334 017 146 805 13 608 60 261 844 309 207 066 25 2018 341 860 347 259 149 343 15 270 58 176 853 732 207 519 24 In Abhängigkeit der technischen Verfügbarkeit und des Heizwertes des Klärschlammes beträgt die erreichte technische Kapazität der Klärschlammverbrennungsanlage zwischen 61 000 und 64 000 Tonnen Trockenrückstand (TR) pro Jahr. Jahr* Klärschlammmenge (t TR) Anteil an Gesamtkapazität 2000 45 510 71% 2001 46 050 72% 2002 45 061 70% 2003 47 758 75% 2004 46 972 73% 2005 51 874 81% 2006 56 067 88% 2007 60 452 94% 2008 61 376 96% 2009 60 256 94% 2010 56 150 88% 2011 56 809 89% 2012 56 615 88% 2013 59 237 93% 2014 60 343 94% 2015 64 018 100% 2016 61 899 97% 2017 60 261 94% 2018 58 176 91% * Daten über Jahreswerte vor 2000 wurden nicht erfasst. 11. Gibt es Planungen, die in Hamburg betriebenen Monoverbrennungsanlagen zur sanieren, zu erweitern beziehungsweise neue Anlagen zu errichten? Falls ja, bitte deren konkrete Umsetzung in Hinblick auf Standort, Zeitraum , Kosten und Kapazität erläutern. Siehe Drs. 21/16534. 12. Welche Verfahren zur thermischen Abfallentsorgung kommen seit 1997 in Hamburg zum Einsatz? Siehe Antwort zu 3. Die 2015 stillgelegte Hausmüllverbrennungsanlage Stellinger Moor wurde ebenfalls mit einer Rostfeuerung betrieben. 13. Welche Verfahren zur Klärschlammverbrennung wurden vor 1997 in Hamburg verwendet? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17365 5 Es wurde kein Verfahren zur Klärschlammverbrennung genutzt. Vor 1997 wurde der Klärschlamm in der oben genannten KETA teilgetrocknet und anschließend auf einer Mischdeponie in Mecklenburg-Vorpommern deponiert. 14. Gibt es Alternativen zu diesem Verfahren? Falls ja, welche und hat der Senat in der Vergangenheit hierzu bereits konkrete Vorschläge entgegengenommen? 15. Kommen solche Alternativen aus Sicht des Senats grundsätzlich infrage ? Die Antwort bitte ausführlich begründen. Nein, in Deutschland wird an zwanzig Standorten kommunaler Klärschlamm in Klärschlammverbrennungsanlagen verbrannt. Bis auf eine Anlage erfolgt dies in Wirbelschichtfeuerungsanlagen . Diese Technik hat sich seit vielen Jahrzehnten als die zuverlässigste und umweltschonendste Technologie etabliert.