BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17371 21. Wahlperiode 04.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 27.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Pflegepersonaluntergrenzenverordnung PpUGV – Welche Auswirkungen hat sie auf das Wohlergehen von Patienten/-innen? Zum 01.01.2019 trat das Pflegepersonaluntergrenzenverordnung in Kraft. Unter anderem regelt dieses Gesetz sogenannte Pflegepersonaluntergrenzen in „pflegesensitiven“ Bereichen, das sind: Intensiv-Medizin, Unfallchirurgie , Kardiologie und Geriatrie. Die Bezeichnung pflegesensitiv war zuvor in der Fachdiskussion nicht gebräuchlich und wurde geprägt durch die Expertise von Prof. Jonas Schreyögg im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/ Dateien/5_Publikationen/Pflege/Berichte/Gutachten_Schreyoegg_ Pflegesensitive_Fachabteilungen.pdf). Schreyögg nennt in seiner Expertise eine Reihe von „pflegesensitiven Ergebnis -Indikatoren“, die die Grundlage der Ermittlung von pflegesensitiven Bereichen bilden. Als pflegesensitiv gilt danach ein Bereich, wenn die Zahl der Patient*innen pro Pflegekraft einen besonders starken Einfluss hat auf das vermehrte Auftreten von bestimmten „unerwünschten“ Ereignissen wie z.B. Dekubitus oder Harnwegsinfektionen. Oder andersherum gesprochen, wo jede zusätzliche Pflegekraft zu einem besonders starken Rückgang von diesen unerwünschten Ereignissen führt. Demzufolge müsste die Einführung von Pflegeuntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen zu einem deutlichen Anstieg der Patientensicherheit und einem deutlichen Rückgang von „unerwünschten Ereignissen“ führen. Der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde können nur Antworten geben, soweit sie über die Daten verfügen oder sie beschaffen können. Umgekehrt trifft unterliegen sie der Pflicht, sich um die Beschaffung der erforderlichen Kenntnisse und Informationen zu bemühen. Gelingt die Beschaffung nicht oder nicht vollständig, sind zur Begründung zumindest Bemühungen und das Ergebnis mitzuteilen (vergleiche David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, 2. Aufl. 2004, Art. 25 Rn. 28 ff. sowie Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 21.12.2010 – HVerfG 1/10). Als Datengrundlage dienten Jonas Schreyögg die Abrechnungsdaten der Krankenhäuser, die laut §21 Krankenhausentgeltgesetz an das InEK gemeldet werden und die auch den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden übermittelt werden. Drucksache 21/17371 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Es bleibt zu fragen, ob die Einführung von Pflegeuntergrenzen überhaupt einen positiven Effekt auf die Sicherheit und Gesundheit von Krankenhauspatienten /-innen in Hamburg hat. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat und die zuständige Behörde erwarten in Übereinstimmung mit der Expertise zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Pflegeverhältniszahlen und pflegesensitiven Ergebnisparametern in Deutschland von Prof. Schreyögg aus dem Jahre 2016 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums auf mittlere Sicht eine Verbesserung bei den Ergebnisindikatoren durch eine verbesserte Pflegepersonalausstattung in den pflegesensitiven Bereichen der Hamburger Plankrankenhäuser. Prof. Schreyögg hat die angesprochenen Zusammenhänge in einer wissenschaftlichen Studie mit komplexer Risikoadjustierung, großen Datenmengen und über mehrere Erfassungsjahre ermittelt. Es ist im Vergleich dazu wissenschaftlich nicht angemessen , schlichte Diagnosehäufigkeiten zwischen einem Quartal (1. – 3. 2019) und dem Vorjahr (2018) zu vergleichen. Prof. Schreyögg hat am Ende seiner Expertise bei Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) eine wissenschaftliche Evaluation nach drei Jahren empfohlen. Dies ist Aufgabe des Bundes. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hat sich der prozentuale Anteil der Patienten/-innen auf Stationen, für die seit 1.1.2019 Pflegeuntergrenzen gelten, auf die ein pflegesensitiver Ergebnis-Indikatoren (PSEI) zutraf, entwickelt? Bitte jeweils das Jahr 2018 und das 1. Quartal 2019 vergleichen und soweit wie möglich aufschlüsseln nach Krankenhaus und jeweiliger Station und dann noch einmal für alle pflegesensitiven Stationen zusammen. a. Dekubitus (ICD L89): Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit dieser Diagnose verändert? b. Harnwegsinfektion (ICD N39.0, T83.5): Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit einer dieser Diagnosen verändert? c. Im Krankenhaus erworbene Pneumonie (U69.00) Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit einer dieser Diagnosen verändert? d. Thrombose der Vene der Beine (ICD I80.1, I80.2, I26.8, I26.9, I82.2) e. Geschwür, Gastritis, Gastrointestinale Blutung (ICD K25-K25-3, K25.9, K26-K25.3, K26.9, K27-K27.3, K27.9, K28-K25.3, K28.9, K29.0, K29.1, K29.6, K22.8) Wie hat sich der Anteil der Patienten/- innen mit mindestens einer dieser Diagnosen verändert? f. Sepsis (ICD A40, A41, A49.9, A49, R57.2, R65.0-R65.3, R65.9) Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit mindestens einer dieser Diagnosen verändert? g. Schock/Herzstillstand (ICD I46.0, I46.1, I49.9, R09.2, R57.0, R57.1, R57.9) Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit mindestens einer dieser Diagnosen verändert? h. Reanimation (OPS 8771) Wie hat sich der Anteil der Patienten/- innen verändert, die reanimiert wurden? i. Komplikationen des zentralen Nervensystems (ICD F05.9, F43.2, F43.9, F44.88, R40.1, R402) Wie hat sich der Anteil der Patienten/- innen verändert, die reanimiert wurden? j. Infektion der Operationswunde (T79.3, T81.3, T81.4) Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit mindestens einer dieser Diagnosen verändert? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17371 3 k. Lungenversagen (ICD J18.2, J95.1, J95.2, J96.0, J80) Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit mindestens einer dieser Diagnosen verändert? l. Physiologische/metabolische Entgleisung (ICD E11.10, E11.11, E10.10, E10.11, E86, E97.0-E87.8, T81.1, R34) Wie hat sich der Anteil der Patienten/-innen mit mindestens einer dieser Diagnosen verändert? m. Mortalität (Entlassungsgrund Tod) Wie hat sich der Anteil der Patienten /-innen, die gestorben sind, verändert? Der zuständigen Behörde werden jährlich für Zwecke der Krankenhausplanung Belegungsdaten (bezogen auf Krankenhaus und Fachgebiet) und Diagnosedaten bezogen auf die Hamburger Plankrankenhäuser übermittelt. Die Belegungsdaten 2018 liegen der zuständigen Behörde zwischenzeitlich vor, die Diagnosedaten für 2018 werden erst im September 2019 vorliegen. Stationsbezogene Daten liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Daher ist ein Vergleich 2018 mit 2019 nicht möglich. 2. 30-Tage-Mortalität: Wie hat sich der Anteil Patienten/-innen entwickelt, die auf einer Station lagen, die seit 1.1.2019 als pflegesensitiv gilt und die innerhalb von 30 Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus gestorben sind? Bitte jeweils das Jahr 2018 und das 1. Quartal 2019 vergleichen und soweit wie möglich aufschlüsseln nach Krankenhaus und jeweiliger Station und dann noch einmal für alle pflegesensitiven Stationen zusammen. Daten zur 30-Tage-Mortalität liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Diese müssten im Rahmen einer Sondererhebung und -auswertung bei den Hamburger Plankenhäusern erhoben werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Stürze: Wie hat sich der Anteil Patienten/-innen entwickelt, die auf einer Station lagen, die seit 1.1.2019 als pflegesensitiv gilt und die im Krankenhaus gestürzt sind, sodass ein Sturzprotokoll angefertigt wurde? Bitte jeweils das Jahr 2018 und das 1. Quartal 2019 vergleichen und soweit wie möglich aufschlüsseln nach Krankenhaus und jeweiliger Station und dann noch einmal für alle pflegesensitiven Stationen zusammen. 4. Falls die Daten zu den Fragen 1. – 3. dem Senat nicht oder noch nicht vorliegen: Wann werden die Daten voraussichtlich dem Senat zugänglich sein? Siehe Antworten zu 1. bis 2. 5. Welche weiteren Erkenntnisse hat der Senat darüber, wie sich die Patientensicherheit seit Einführung der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung entwickelt hat auf den pflegesensitiven Stationen und auf den übrigen Stationen? Falls keine Erkenntnisse vorliegen: welche Maßnahmen ergreift der Senat, um Erkenntnisse zu dieser Frage zu gewinnen oder gegebenenfalls aus welchem Grund erachtet es der Senat nicht für notwendig , Erkenntnisse zu gewinnen? Aus Gesprächen mit einzelnen Hamburger Plankrankenhäusern hat sich ergeben, dass diese zur Steigerung der Patientensicherheit zwischenzeitlich zusätzliches Personal eingestellt haben, unter anderem im Intensivbereich. Für die umfassende Fortschreibung des Krankenhausplans 2020 im Jahre 2020 prüft die zuständige Behörde die Möglichkeit, entsprechende Daten zu erheben und auszuwerten sowie die entsprechenden Ergebnisse im Rahmen der Krankenhausplanung zu berücksichtigen.