BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17385 21. Wahlperiode 04.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 28.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Befindet sich die politische Bildung in Hamburg im Abwärtstrend? Die vor Kurzem veröffentlichte Studie „Ranking Politische Bildung 2018. Politische Bildung an allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich “1 der Universität Bielefeld hat gezeigt, dass die Ergebnisse aus Hamburg schulartübergreifend unbefriedigend sind. Im Vergleich zu den Spitzenreitern Hessen und Schleswig-Holstein werden in Hamburg nur 2 Prozent der gesamten Lernzeit an Gymnasien für politische Bildung in dem Bereich „Politik-Gesellschaft-Wirtschaft“ eingesetzt. Hamburg belegt somit im bundesweiten Vergleich Platz acht. Im nicht gymnasialen Bereich schneidet Hamburg mit unter 2 Prozent noch deutlich schlechter ab und belegt nur Platz neun im Bundesdurchschnitt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die für Bildung zuständige Behörde sieht die politische Bildung an Hamburgs Schulen gut aufgestellt. Die Daten in der oben genannten Studie und die dort vorgenommenen Vergleichsberechnungen erfassen nicht das konkrete Angebot an Unterricht und sonstigen Aktivitäten politischer Bildung, sondern beruhen auf einer Auswertung der jeweils in den Stundentafeln enthaltenen Stundenansätze. Diese lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf den Umfang des tatsächlich an den Schulen erteilten Fachs „Politik Gesellschaft Wirtschaft“ (PGW) beziehungsweise des Umfangs politischer Bildung an Hamburgs Schulen insgesamt zu. So definiert Hamburg als einziges Bundesland lediglich Mindeststunden, die aber durch die Schule in der Regel um weitere Unterrichtsstunden aus dem schuleigenen Unterrichtsstundenpool ergänzt werden können. Die in der Studie zugrunde gelegten Stundentafeln weisen als Kontingentstundentafeln zunächst nur auf Stufen beziehungsweise Lernjahre bezogene verbindliche Mindeststundenkontingente für Fächer oder Fächergruppen aus und erfassen nicht die tatsächlich unterrichteten Stunden. Die Mindeststundenkontingente können von den Schulen auf Beschluss der Lehrerkonferenz erweitert und die Inhalte in ihren schuleigenen Curricula auf die einzelnen Fächer und Jahrgangsstufen verteilt werden. Das Fach PGW wurde in den Rahmenplänen sowie in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen als ein Unterrichtsfach bestimmt, in dem Anteile der drei genannten Inhaltsfelder integriert unterrichtet werden. Ein getrennter Unterricht der an den drei Sozialwissenschaften orientierten Inhaltsfelder in unterschiedlichen Fächern ist daher grundsätzlich nicht vorgesehen. 1 Vergleiche „Ranking Politische Bildung 2018. Politische Bildung an allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich“, Universität Bielefeld, März 2019, abgerufen am 28.05.2019, https://pub.uni-bielefeld.de/record/2934293. Drucksache 21/17385 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Für die Sekundarstufe I an Stadtteilschulen existieren sowohl ein Rahmenplan für den Lernbereich Gesellschaftswissenschaften als auch Einzel-Rahmenpläne für die Fächer PGW, Geschichte und Geografie. Daher kann das Fach PGW in der Sekundarstufe I der Stadtteilschulen als separates Einzelfach oder im Rahmen eines Lernbereichs Gesellschaftswissenschaften unterrichtet werden. Die Entscheidung in welchem Lernbereich das Fach PGW unterrichtet wird, trifft gemäß § 5 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) die Schule. In der Sekundarstufe I der Gymnasien sowie in der gymnasialen Oberstufe aller weiterführenden Schulformen wird es regelhaft als eigenständiges Fach unterrichtet. An der überwiegenden Zahl der Stadtteilschulen wird das Fach PGW im Rahmen des Lernbereichs Gesellschaftswissenschaften unterrichtet. Über das Fach PGW beziehungsweise den PGW-Anteil des Lernbereichs Gesellschaftswissenschaften hinaus enthalten auch die Rahmenpläne für das Fach Geschichte sowie die Aufgabengebiete Sozial- und Rechtserziehung, Globales Lernen und Interkulturelle Erziehung verbindlich zu bearbeitende Themen, die sich inhaltlich der politischen Bildung zuordnen lassen. Diese wurde in der oben genannten Studie nicht berücksichtigt. Daneben besteht ein umfangreiches Angebot an Projekten und Wettbewerben zur politischen Bildung, an denen sich Hamburgs Schulen in großer Zahl beteiligen. Exemplarisch seien hier „Demokratisch Handeln“, „Demokratie Lernen und Leben“, „Jugend debattiert“, „Jugend im Parlament“, „Model United Nations of Hamburg“ und „Juniorwahl“ genannt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die unterdurchschnittliche Gewichtung der politischen Bildung an Schulen in Hamburg und welche Konsequenzen werden hieraus gezogen? Die für Bildung zuständige Behörde teilt die in der Frage enthaltene Einschätzung nicht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Laut Studie nehmen nur wenige der Stadtteilschulen die Möglichkeit wahr, Gesellschaft-Wirtschaft-Politik getrennt voneinander zu unterrichten . a. Hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde hiervon Kenntnis? Wenn ja, um wie viele Stadtteilschulen handelt es sich? Bitte in Form einer Excel-Tabelle mit Nennung der Stadtteile aufzeigen. Die erfragten Daten werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht statistisch erfasst. Eine Schulabfrage war aufgrund der für die Beantwortung dieser Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . b. Wäre es nach den aktuellen Erkenntnissen nicht durchaus sinnvoll, auf die Möglichkeit, Gesellschaft-Wirtschaft-Politik getrennt voneinander zu unterrichten, vermehrt hinzuweisen? c. Wie hat der Senat auf die Möglichkeit, Gesellschaft-Wirtschaft- Politik getrennt voneinander zu unterrichten, in der Vergangenheit hingewiesen und in welchen zeitlichen Abständen werden die Stadtteilschulen über diese Möglichkeit informiert? Da diese Möglichkeit zurzeit nicht gegeben ist, kann diese Frage nur im Sinne einer Veränderungsmöglichkeit beantwortet werden: Eine Aufteilung auf die einzelnen sozialwissenschaftlichen Inhaltsfelder ist aus didaktischen Gründen angesichts der vielfältigen Querverbindungen gesellschaftlicher Themen wenig sinnvoll. Auch alle anderen Bundesländer verknüpfen die sozialwissenschaftlichen Inhaltsfelder in unterschiedlicher Form. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17385 3 3. Gibt es in Hamburg einen Mangel an PGW-Lehrkräften? Wenn ja, wie hoch fällt die Zahl der unbesetzten Stellen aus? Bitte nach einzelnen Schulen mit Angabe der Schulform und des KESS-Faktors angeben. Nein, das Fach PGW ist kein sogenanntes Mangelfach. 4. An wie vielen Schulen in Hamburg ist in den Schuljahren 2015/2016, 2016/2017 und 2017/2018 bis heute (Stand 28.05.2019) der PGW- Unterricht entfallen und in welchen Klassenstufen? Bitte je Bezirk, sortiert nach Stadtteilen, einzelnen Schulen mit Angabe der Schulform und des KESS-Faktors, geordnet nach Klassenstufen, in einer Excel-Tabelle angeben. Ein gesonderter Ausweis der erteilten Stunden in Bezug auf bestimmte Fächer erfolgt in dem an Schulen eingesetzten Unterrichts- und Vertretungsplanprogramm UNTIS nicht. Siehe hierzu Drs. 21/10125. Eine Schulabfrage war in der Kürze der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie viele Lehrkräfte unterrichten fachfremd im PGW-Bereich? Bitte nach einzelnen Schulen und Klassenstufe mit Angabe der Schulform angeben . 6. Laut Studie liegt der „obligatorische“ Wochenstundenunterricht des Leitfaches Gesellschaftswissenschaften in den Stadtteilschulen bei 3,56 Stunden. Wie viele Stadtteilschulen führen ihn planmäßig durch? Bitte je Bezirk, sortiert nach Stadtteilen, einzelnen Schulen mit Angabe des KESS-Faktors, geordnet nach Klassenstufen, in einer Excel-Tabelle angeben. 7. Laut Studie liegt der „obligatorische“ Wochenstundenunterricht des Leitfaches Gesellschaftswissenschaften in den Gymnasien bei 4,22 Stunden . Bitte je Bezirk, sortiert nach Stadtteilen, einzelnen Schulen mit Angabe des KESS-Faktors, geordnet nach Klassenstufen, in einer Excel-Tabelle angeben. Schulen entscheiden im Rahmen ihrer Selbstverantwortung eigenständig über den Einsatz der Lehrkräfte. Daten zur fachfremden Unterrichtung in einzelnen Fächern oder Lernbereichen werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht regelhaft erfasst. Zur Beantwortung der Frage hätte eine Schulabfrage durchgeführt werden müssen. Dies war im Rahmen der für die Beantwortung dieser Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Für das Schuljahr 2015/2016 siehe Drs. 21/2874. 8. Ist davon auszugehen, dass es eine Verbesserung der politischen Bildung in Hamburg geben könnte, wenn das Fach Politik als eigenständiges Fach unterrichtet würde? Nein, davon ist nicht auszugehen. Es gibt keine Anhaltspunkte beziehungsweise Studien , die dies belegen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. b. und 2. c. 9. Gibt es Überlegungen des Senats, das Fach Politik als eigenständiges Fach zu unterrichten und wenn ja, in welcher Form und wie sollen sie genau realisiert werden? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 2. b. und 2. c.