BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17392 21. Wahlperiode 04.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 29.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Die Aufsicht über Inkassodienstleister – Scharfes Schwert oder Spielzeugpistole ? In Deutschland tappt fast jeder zehnte Erwachsene in die Schuldenfalle. Insgesamt sind 6,9 Millionen Bundesbürger überschuldet und von diesen haben etwa 5,8 Millionen persönliche Erfahrungen mit Inkassodienstleistern gemacht. In dieser schillernden und florierenden Branche treiben bedauerlicherweise auch einige schwarze Schafe ihr Unwesen. Überzogene oder erdachte Gebühren wie Kontoführungs-, Vernunftsappell- oder Evidenzgebühren sind deshalb keine Seltenheit. Und der gefährliche Cocktail aus Verzweiflung , Unwissenheit und Scham lässt die Schuldner die teils horrenden, unberechtigten Gebühren einfach bezahlen. Viele rutschen dann immer tiefer in die Schuldenspirale. Nicht grundlos hat der Gesetzgeber also in § 13a Absatz 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bestimmt, dass Inkassodienstleister unter Aufsicht stehen. In Hamburg übt das Amtsgericht diese Aufsicht aus. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie hoch ist der personelle Einsatz des Amtsgerichts-Hamburg für die Inkassoaufsicht aktuell (Stellen-Soll und VZÄ)? Wie viele Stunden sind die Betreffenden durchschnittlich im Monat mit Aufsichtsangelegenheiten beschäftigt? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bearbeitet eine Richterin mit 50 Prozent ihres richterlichen Pensums die Aufsichtsangelegenheiten. 2. Gemäß § 13a Absatz 2 S. 2 RDG können insbesondere Auflagen nach § 10 Absatz 3 S. 3 RDG angeordnet oder geändert werden. Welche Aufsichtsmaßnahmen stehen dem Amtsgericht-Hamburg insoweit grundsätzlich zur Verfügung? Auflagen nach § 13a Absatz 2 S. 2 i.V.m. § 10 Absatz 3 S. 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) können sowohl die Untersagung überhöhter Inkassokosten als auch die Untersagung unzulässiger Beitreibungsmaßnahmen betreffen. Im Jahr 2018 erging beispielsweise ein – gegenwärtig nicht bestandskräftiger – Auflagenbescheid, mit dem die Aufsichtsbehörde einem Inkassounternehmen die Geltendmachung bestimmter Kosten gegenüber Schuldnern untersagte. Hinsichtlich weiterer, möglicher Maßnahmen der Aufsichtsbehörde sei auf die einschlägige Kommentierung verwiesen (etwa Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Auflage 2015, Randnummer 8 fortfolgende ). 3. Wie können sich Betroffene an das Amtsgericht-Hamburg wenden? Drucksache 21/17392 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a) Woher erfahren Betroffene überhaupt, dass das Amtsgericht Hamburg die Aufsicht über die Inkassodienstleister führt und man sich mit Beschwerden an das Amtsgericht wenden kann? Betroffene haben die Möglichkeit, sich aus den folgenden Quellen zu informieren: über die Bekanntmachungsplattform für außergerichtliche Rechtsdienstleistungen unter https://www.rechtsdienstleistungsregister.de/, über die Homepage des Amtsgerichts Hamburg unter https://justiz.hamburg.de/ amtsgericht/verwaltung/1287240/rechtsdienstleistungsgesetz/, über die üblicherweise auf den Internetseiten der jeweiligen Inkassodienstleister im Impressum zu findenden Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde sowie über eine Vielzahl von (Verbraucherschutz-)Foren im Internet. b) Welche Informationsmaßnahmen gibt es im Einzelnen? Abgesehen von den vorgenannten Informationsmöglichkeiten werden (aktive) Informationsmaßnahmen vonseiten des Amtsgerichts nicht unternommen. 4. Wie viele Beschwerden haben Betroffene ab 2015 jährlich eingereicht? Jahr 2015 2016 2017 2018 Beschwerdeanzahl 82 93 102 113 a) In wie vielen Fällen sind Aufsichtsmaßnahmen ergriffen worden? Seit 2016 sind vier Widerrufsbescheide und ein Auflagenbescheid ergangen, wobei zu beachten ist, dass einem Bescheid mehrere Beschwerdeverfahren zugrunde liegen können. Einem Widerrufsbescheid aus dem Jahr 2018 lagen beispielsweise insgesamt 14 Beschwerdeverfahren zugrunde. Mitunter führt bereits das Inaussichtstellen von Aufsichtsmaßnahmen dazu, dass eine monierte Praxis aufgegeben beziehungsweise geändert wird. b) Um welche Maßnahmen handelte es sich hierbei jeweils? Zwei Widerrufsbescheide im Jahre 2016, einen Auflagenbescheid 2018 (nicht bestandskräftig), zwei Widerrufsbescheide 2018, von denen einer bestandskräftig ist. In mindestens fünf weiteren Beschwerdeverfahren wurde zwischen 2016 und 2018 von der Erteilung einer Auflage abgesehen, wenn Inkassounternehmen sich verbindlich gegenüber dem Präsidenten des Amtsgerichts Hamburg selbst verpflichteten, eine beanstandete Geschäftspraxis unverzüglich zu beenden. 5. In wie vielen Fällen kam ab 2015 eine vorübergehende Untersagung gemäß § 13a Absatz 3 RDG in Betracht und warum? a) Wie viele Untersagungen wurden angeordnet? Eine vorübergehende Untersagung nach § 13a Absatz 3 RDG wurde in dem relevanten Zeitraum nicht angeordnet. b) Falls von der Untersagung Abstand genommen wurde, wieso? Bitte gesondert nach Jahren aufschlüsseln. 2018 wurde eine Registrierung widerrufen, weil eine Untersagung nach § 13a Absatz 3 RDG zum Schutze des Rechtsverkehrs als nicht ausreichend erachtet wurde. Abgesehen davon wird keine (Negativ-)Statistik dahin gehend geführt, welche Maßnahmen aus welchen Gründen nicht ergriffen werden. 6. Beurteilen zuständige Behörde und Amtsgericht die aktuelle Personalausstattung sowie die Information der Öffentlichkeit im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Aufsicht über die Inkassodienstleister als ausreichend ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17392 3 Wenn nein, inwiefern gibt es Bestrebungen, die Personalkapazitäten aufzustocken beziehungsweise die Öffentlichkeitsarbeit auszubauen? Angesichts der stetig zunehmenden Anzahl an Beschwerden, der zunehmenden Komplexität der Registrierungsvorgänge wie auch der Einbindung in die vonseiten der Betroffenen bei ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen regelmäßig vor dem Verwaltungsgericht ausgetragenen Verfahren laufen Prüfungen, das derzeitig für die Bearbeitung der RDG-Sachen zugewiesene Pensum aufzustocken.