BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17394 21. Wahlperiode 04.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Gamm (CDU) vom 29.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Abschaffung der demokratischen Spielregeln durch Rot-Grün! Das Hamburger Staatsunternehmen HAMBURG ENERGIE lässt in den sozialen Medien sämtliche Hemmungen fallen und macht eindeutige Parteienwerbung Nach der Wahl ist vor der Wahl und so ist schon wieder Wahlkampf – diesmal in Vorbereitung auf die Bürgerschaftswahl im Februar 2020. Eine der bisher einvernehmlichen Übereinkünfte unter den demokratischen Parteien in Hamburg ist die politische Neutralität des Staates, seiner Einrichtungen und Unternehmen. Parteien dürfen und sollen für sich werben und miteinander streiten, für staatliche Stellen und Unternehmen gilt allerdings ein Gebot zur Zurückhaltung, denn sie verfügen über staatliche Mittel, die ihnen im politischen Wettbewerb einen von den Oppositionsparteien nicht zu kompensierenden Vorteil verschaffen können. Ihr Eingreifen in den Wahlkampf verzerrt die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Diese Chancengleichheit aber fordert das Recht und ist eine Grundvoraussetzung der Demokratie. In Hamburg scheint der Senat dies anders zu sehen und lässt seine Unternehmen aktiv einseitig zugunsten einer politischen Partei in den politischen Wettbewerb eingreifen. Auf der sozialen Plattform Facebook ist seit dem 28. Mai 2019 ein von HAMBURG ENERGIE eingestelltes Werbebild zu sehen, dass das Hamburger Stadtgebiet abbildet und dabei die vier Hamburger Bezirke Hamburg-Mitte, Altona, Eimsbüttel und Hamburg-Nord grün unterlegt , während die restlichen drei Bezirke grau unterlegt sind. Dieses Werbebild ist mit dem Text „Klares Statement! Auch bei den Bezirkswahlen hat sich unsere Stadt ganz klar für den Klimaschutz entschieden! Auch wir leisten mit der Energiewende unseren Beitrag dazu! Mit Hamburgs steifer Brise und der Sonne auf unseren Dächern machen wir für dich 100% Ökostrom“ versehen. In einem anderen Beitrag wirbt HAMBURG ENERGIE unter Facebook mit dem Slogan „Europa hat gewählt und Hamburg stimmte für den Klimaschutz. Gib deine Stimme für 100% Ökostrom“. In beiden Fällen verbindet das staatliche Hamburger Unternehmen HAMBURG ENERGIE das Abstimmungsverhalten und damit die am häufigsten gewählte Partei mit dem Klimaschutz. Dies stellt eine eindeutige Parteinahme für die Partei da, die bei der Europawahl die meisten Stimmen in Hamburg gewann. Das dies auch genau so gemeint ist, wird durch die dezidierte Darstellung und Betrachtung des Stimmverhaltens der Bürger bei den Bezirkswahlen und der erneuten Verbindung mit dem Klimaschutz deutlich. Diese eindeutige Stellungnahme eines staatlichen Unternehmens für eine Partei, in diesem Fall die GRÜNEN, ist mit dem Neutralitätsgebot nicht vereinbar. Dass die Leser diese parteipolitische Werbung für die Partei die GRÜNEN genauso wahrnehmen, wird in den Kommentaren deutlich. Dies alles ist umso schlimmer, da die GRÜNEN Mitglied des Senats sind. Es scheint im Senat zu gelten, dass Macht Macht gibt. Wo dabei das Recht bleibt, dass scheint dem Senat offenkundig völlig egal zu sein. Drucksache 21/17394 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Als öffentliches Unternehmen ist HAMBURG ENERGIE (HE) dem politischen Neutralitätsgebot verpflichtet. In Sinne dieses Gebots sind auch missverständliche Äußerungen unbedingt zu vermeiden . HE hat das der Fragestellung zugrunde liegende Facebook-Posting mit der Absicht veröffentlicht, auf die Themen Klimaschutz und Energiewende hinzuweisen, denen sich HE als Ökostromanbieter verpflichtet fühlt. Der Aufsichtsratsvorsitzende war weder involviert noch darüber informiert, da die Betreuung der Facebook-Seite in das operative Geschäftsfeld des Unternehmens fällt. Nach Kenntnisnahme des Posts haben die zuständige Behörde und der Aufsichtsratsvorsitzende persönlich der Geschäftsführung von HE gegenüber umgehend deutlich gemacht, dass mit dieser Maßnahme das politische Neutralitätsgebot verletzt sei, und darauf hingewirkt, den Beitrag zu entfernen. Dieser wurde mittlerweile gelöscht. Weitere Veröffentlichungen im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von HE wie folgt: 1. Wann wurde durch wen entschieden, dass das staatliche Unternehmen HAMBURG ENERGIE in oben dargestellter Weise Werbung für eine Partei machen darf beziehungsweise soll? 2. Wurden neben Facebook weitere Kanäle für die Kommunikation eindeutig politischer und politisch bewertender Botschaften durch das staatliche Unternehmen HAMBURG ENERGIE im Zusammenhang mit dem Ausgang der Europa- und Bezirkswahl genutzt? Wenn ja, um welche handelt es sich dabei und wann wurden die politischen Botschaften online gestellt? 3. Beabsichtigt der Senat, diese einseitig politischen Botschaften wieder aus den sozialen Medien herauszunehmen? Wenn ja, wann? Wenn nein, wieso soll dies nicht geschehen? Siehe Vorbemerkung. 4. Auf welche Höhe belaufen sich die Kosten für diese politische Online- Kommunikation? Die Kommunikation erfolgte im Rahmen des Tagesgeschäfts der Pressestelle von HE. Darüber hinaus sind keine Kosten entstanden. 5. In welcher Form war der im Impressum der Facebook-Seite genannte Aufsichtsratsvorsitzende des zu 100 Prozent in städtischer Hand befindlichen Energieversorgers HAMBURG ENERGIE, Kerstan, über diese Werbemaßnahme informiert? 6. Hat der Aufsichtsratsvorsitzende Kerstan an der Planung dieser Werbemaßnahme mitgewirkt? Wenn ja, in welcher Form ist dies geschehen? Siehe Vorbemerkung. 7. In welcher Form hat der Senat sichergestellt, dass sich städtische Behörden und Unternehmen im Zusammenhang mit der Europawahl, den Bezirkswahlen und der Bürgerschaftswahl parteipolitisch neutral verhalten? 8. Wer ist für diese Information zur Neutralitätsverpflichtung im Senat verantwortlich ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17394 3 Beschlüsse des Senats zur Neutralitätspflicht existieren bereits seit 1947. Sie sind Ausfluss des Demokratieprinzips und finden ihre Rechtsgrundlage in Artikel 20 und Artikel 21 Grundgesetz (GG). Der Senat hat zum einen die „Grundsätze für Werbemaßnahmen in der hamburgischen Verwaltung“ (http://daten.transparenz.hamburg.de/ Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/16ff3e7a- 4cef-4481-b268-a14a7df8b9c6/Akte_FB1a.058.40-3.pdf) erlassen. Danach sind politische Werbemaßnahmen sowie Maßnahmen, die geeignet sind, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung und die Unvoreingenommenheit der Verwaltung und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rechtfertigen, in den Behörden und Ämtern unzulässig. Zum anderen hat der Senat beschlossen, dass politische Besuche von Vertretern politischer Parteien oder Organisationen in den Diensträumen der Behörden und Ämter innerhalb eines Zeitraumes von sechs Wochen vor Wahlen unzulässig sind. Die zuständigen Behörden wurden beauftragt, sich für eine entsprechende Handhabung bei den öffentlichen Unternehmen einzusetzen (http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource 100/GetRessource100.svc/b0362341-9587-425b-b7ff-49437f137a8f/ Akte_FB1a.058.15-1_1.0002.pdf). An diesen Senatsbeschluss erinnert die Finanzbehörde alle Behörden und Ämter rechtzeitig vor jeder Wahl. Für die Einhaltung sind die Behörden und Ämter sowie die öffentlichen Unternehmen selbst verantwortlich. 9. Wer ist im Unternehmen HAMBURG ENERGIE für die Einhaltung dieser politischen Neutralitätsverpflichtung verantwortlich? Die Geschäftsführung von HE ist für die Einhaltung der politischen Neutralitätsverpflichtung verantwortlich. 10. Welche Sanktionen sieht der Senat bei Zuwiderhandlungen gegen das Neutralitätsgebot vor? 11. Wie stellt der Senat sicher, dass zukünftig keine Verletzungen des Neutralitätsgebots vorkommen? 12. Wie stellt der Senat sicher, dass es nicht zu einem politischen Zusammenwirken eines staatlichen Unternehmens und einer politischen Partei kommt? 13. Welche Regeln gelten nach Ansicht des Senats in Bezug auf die politische Neutralität in Wahlkämpfen für die staatlichen Unternehmen generell und wo ist dies in welcher Bestimmung geregelt? Siehe Antwort zu 7. und 8. Spezifische Sanktionen sind nicht vorgesehen, bei Fehlverhalten Einzelner gelten die Regelungen des Arbeits- beziehungsweise Dienstrechts. Die Neutralitätspflicht für öffentliche Unternehmen folgt, wie für alle staatlichen Organe , aus Artikel 20 und Artikel 21 GG. Darüber hinaus soll bis Ende des Jahres eine Rahmenrichtlinie über einheitliche (Mindest -)Standards für Compliance-Programme in den Hamburgischen öffentlichen Unternehmen verabschiedet werden. In diese soll auch das Neutralitätsgebot als eine von den öffentlichen Unternehmen zu beachtende Compliance Vorgabe aufgenommen werden. 14. Ist dem Senat bekannt, dass weitere öffentliche Unternehmen der Stadt Hamburg den Ausgang der Europa- und Bezirkswahl in ähnlicher Weise positiv kommentiert haben wie es HAMBURG ENERGIE getan hat? Wenn ja, um welche Unternehmen handelt es sich und welche Kommunikationskanäle wurde von diesem Unternehmen jeweils genutzt? Siehe Vorbemerkung. 15. Wie würden die Vertreter des rot-grünes Senats den Vorgang der politischen Einflussnahme durch öffentliche Unternehmen der Stadt Hamburg bewerten, wenn es einen Senat unter Führung von CDU und FDP gäbe Drucksache 21/17394 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 und Staatsunternehmen einen günstigen Ausgang einer Wahl zugunsten von CDU und FDP entsprechend positiv kommentieren würden? Der Senat hat sich mit dieser Frage nicht befasst. Im Übrigen ergibt sich aus dem parlamentarischen Fragerecht ein Anspruch auf Auskünfte, nicht aber auf meinungsbildende Stellungnahmen (vergleiche ThürVerfGH, Urt. v. 19.12.2008 – 35/07 –, juris Rn. 177), von denen der Senat deshalb auch im vorliegenden Fall absieht.