BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17402 21. Wahlperiode 07.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 31.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Mathematik-Abitur für Hamburger Schüler mal wieder zu schwer? (II) Nach großflächigen Protesten – unter anderem der von weit mehr als 5 000 Personen unterzeichneten Onlinepetition „Beschwerde! Mathe Abitur Gk/lk 2019 Hamburg“ – hat die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung im Zuge der Nachfrage von mir reagiert (Drs. 21/17249) und eingestanden, dass die „in der Klausur auf grundlegendem Anforderungsniveau gestellten Aufgaben (…) zu umfangreich waren“. Sie hat daher in der Beantwortung der genannten Schriftlichen Kleinen Anfrage angekündigt, allen Schülerinnen und Schülern, die in Mathematik auf grundlegendem Anforderungsniveau schriftlich geprüft wurden, die Gelegenheit zu geben, in einer mündlichen Prüfung ihren Leistungsstand in Mathematik erneut unter Beweis zu stellen.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Seit 2017 entnehmen die Bundesländer Aufgaben für die schriftliche Mathematik- Abiturprüfung aus dem bundeseinheitlichen Pool. Diese Pool-Aufgaben werden von den Experten aller Bundesländer zusammen mit Wissenschaftlern des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) auf Basis von Vorschlägen der Bundesländer entwickelt. Sie entsprechen den zwischen allen Bundesländern vereinbarten Bildungsstandards und dienen dazu, die Abiturprüfungen vergleichbarer zu machen. Die im IQB-Pool hinterlegten Aufgaben werden in einem dreijährigen Prozess erarbeitet und sind umfassend qualitätsgesichert. Jedes Land entscheidet selbst, wie viele Pool-Aufgaben und wie viele landesspezifische Aufgaben beziehungsweise Aufgabenteile in den landesspezifischen Abiturprüfungen eingesetzt werden. Hamburg entnimmt seit 2017 für die schriftlichen Mathematik-Abiturprüfungen alle Aufgaben aus dem bundeseinheitlichen Pool und setzt keine Landesaufgaben mehr ein. Bislang gab es dabei keine Auffälligkeiten: Hamburgs Schülerinnen und Schüler erzielten bei den neuen Bundes-Abiturprüfungen Durchschnittsnoten zwischen 3,1 und 3,4 – nicht schlechter und nicht besser als die anderen Länder. In den letzten Wochen hatten Hamburger Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Mathematik-Lehrkräfte bereits auf die Unwucht in einigen Klausuren hingewiesen. Während die Klausuren auf erhöhtem Niveau (Leistungskursniveau) im Großen und Ganzen angemessen waren, waren die Klausuren auf grundlegendem Niveau in der zur Verfügung stehenden Zeit kaum zu schaffen. Auf Bund-Länder-Ebene hat sich die Amtschefkonferenz der Kultusministerkonferenz aufgrund der Proteste der Schülerinnen und Schüler sowie der Rückmeldungen der Länder mit dem Mathematik-Abitur befasst und den Ländern empfohlen, länderspezifisch angemessene Maßnahmen zur Sicherung der – auch langjährigen – Vergleichbarkeit zu ergreifen. Drucksache 21/17402 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die für Bildung zuständige Behörde in Hamburg ist dieser Empfehlung gefolgt und hat allen Schülerinnen und Schülern, die in Mathematik auf grundlegendem Anforderungsniveau schriftlich geprüft wurden, die Gelegenheit gegeben, in einer mündlichen Prüfung ihren Leistungsstand in Mathematik erneut unter Beweis zu stellen. Die zu erreichende Endnote im Fach Mathematik setzt bei einer Ablegung der mündlichen Prüfung aus dem Durchschnitt der Note der schriftlichen und der mündlichen Prüfung zusammen. Darüber hinaus hat die für Bildung zuständige Behörde hat vor dem Hintergrund der Rückmeldungen der Schulen den weiteren Austausch mit den Schulleiterinnen und Schulleitern der weiterführenden Schulen gesucht und das IQB um eine Einschätzung und gegebenenfalls eine Empfehlung zur Anpassung des Bewertungsmaßstabes für die Mathematik-Klausur auf grundlegendem Niveau gebeten. Das IQB ist den Hinweisen Hamburgs gefolgt und hat den Ländern in diesem besonderen Fall eine Anpassung des Bewertungsschlüssels für das Mathematik-Abitur auf grundlegendem Niveau empfohlen, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Aufgabenkonstellationen insbesondere das Aufgabenvolumen zu einer Überforderung der Schülerinnen und Schüler führten. Nachdem das IQB die Anpassung des Bewertungsschlüssels in besonderen Fällen empfohlen hatte, hat die für Bildung zuständige Behörde umgehend eine entsprechende Anpassung des Bewertungsschlüssels in Hamburg vorgenommen. Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet dies, dass ihre Klausuren besser bewertet werden . Alle Stadtteilschulen und Gymnasien wurden entsprechend informiert, und diese haben ihrerseits die betroffenen Schülerinnen und Schüler angesprochen und beraten . Schülerinnen und Schüler, die die Mathematik-Abiturprüfung auf grundlegendem Niveau abgelegt hatten, können weiterhin die Möglichkeit der mündlichen Prüfung nutzen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Die Aufgaben der Mathematik-Abiturklausuren stammen aus einem gemeinsamen Aufgabenpool der Länder. Wie viele Aufgaben hat der Aufgabenpool für Mathematik in diesem Jahr insgesamt umfasst und wie viele Aufgaben davon hat Hamburg eingereicht? Der Aufgabenpool des IQB umfasste in diesem Jahr die folgenden 57 Aufgaben: Anforderungsniveau und Hilfsmittel Aufgabenzahl erhöhtes Anforderungsniveau (WTR* und CAS**) 12 (hilfsmittelfrei) grundlegendes Anforderungsniveau (WTR* und CAS**) 12 (hilfsmittelfrei) erhöhtes Anforderungsniveau (WTR*) 10 (komplex) grundlegendes Anforderungsniveau (WTR*) 9 (komplex) erhöhtes Anforderungsniveau (CAS**) 7 (komplex) grundlegendes Anforderungsniveau (CAS**) 7 (komplex) * WTR = wissenschaftlicher Taschenrechner ** CAS = Computer Algebra System Hamburg hat drei hilfsmittelfreie Aufgaben auf grundlegendem Anforderungsniveau und drei komplexe Aufgaben auf erhöhtem Anforderungsniveau beigesteuert. 2. Laut Drs. 21/17249 hat Hamburg seit Einrichtung des Pools alle Aufgaben aus diesem entnommen, obwohl die Länder nicht dazu verpflichtet sind. Sie können zusätzlich auch eigene Aufgaben verwenden oder entnommene Aufgaben länderspezifisch anpassen. Warum hat die Behörde für Schule und Berufsbildung diese Möglichkeiten nicht genutzt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17402 3 3. Wie verliefen konkret die Entscheidungswege, keine individuellen, sondern nur Poolaufgaben zu nutzen, ohne diese länderspezifisch anzupassen ? Hat dies die dreiköpfige Mathematik-Auswahlkommission allein entschieden? Wenn nein, wer hat schlussendlich die Entscheidung getroffen? Hamburg setzt sich für eine Angleichung der bundesweiten Abiturbedingungen und damit für eine höhere Vergleichbarkeit des Abiturs ein. Deshalb übernimmt Hamburg die Abituraufgaben aus dem IQB-Pool lückenlos. Eine dreiköpfige Kommission aus erfahrenen Fachvertreterinnen und Fachvertretern entnimmt seit 2017 nach sorgfältiger Prüfung für das Hamburger Mathematik-Abitur Aufgaben aus dem gemeinsamen Pool und erstellt die Abiturklausuren nach den Vorgaben der KMK und unter Berücksichtigung der Bildungspläne in Hamburg. Im Übrigen siehe Drs. 21/17249. 4. Welche – möglicherweise personellen – Konsequenzen zieht die Behörde für Schule und Berufsbildung mit Blick auf die Mathematik-Auswahlkommission infolge der falschen Einschätzung des Niveaus der Mathematik -Abiturklausur des Grundkurses? Die für Bildung zuständige Behörde prüft, ob und welche Konsequenzen im Hinblick auf das Mathematik-Abitur in Hamburg gezogen werden. Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. 5. Nach der Kritik am Hamburger Abitur 2016, der Kritik der Mathematik- Expertenkommission und der jetzt erkannten Fehleinschätzung des Schwierigkeitsgrades im Abitur 2019 – wie stellt die Behörde für Schule und Berufsbildung sicher, dass solche Fehleinschätzungen künftig vermieden werden beziehungsweise die künftigen Abiturienten gut vorbereitet in die Prüfungen gehen? Die Mathematik-Expertenkommission hat die Hamburger Abiturpraxis nicht kritisiert. Die im Oktober 2017 durch den Präses der für Bildung zuständigen Behörde eingesetzte Mathematik-Expertenkommission hat bezogen auf die schriftlichen Abiturprüfungen in Hamburg festgestellt, dass „die länderübergreifenden Standards im Fach Mathematik in den zentralen Abschlussprüfungen fest installiert sind. Mit den Abschlussarbeiten liegt somit ein wichtiges Instrument vor, den Mathematikunterricht auch im Sinne der Standards weiterzuentwickeln“. Siehe hierzu auch Bericht der Experten-Kommission: https://www.hamburg.de/contentblob/11904704/ a80cee49fc0febd76d810b6514f1c108/data/mathegutachten.pdf. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/17249. 6. In Drs. 21/17249 kündigt die Behörde für Schule und Berufsbildung an, dass Schülerinnen und Schüler, die in Mathematik auf grundlegendem Niveau schriftlich geprüft wurden, ihren Leistungsstand in Mathematik im Rahmen einer mündlichen Prüfung erneut unter Beweis stellen können. Die Endnote in Mathematik soll schließlich zu 50 Prozent jeweils aus der mündlichen und der schriftlichen Note gebildet werden. Können sich Schülerinnen und Schüler auch durch die nun überraschend zusätzlich angebotene mündliche Prüfung im Fach Mathematik im Notendurchschnitt verschlechtern? Ja, die Bewertung der zusätzlich angebotenen mündlichen Prüfung im Fach Mathematik richtet sich nach den Bestimmungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (APO-AH), siehe https://www.hamburg.de/contentblob/11516866/32b882e3a4396669786a280da26736 bd/data/ausbildungs-und-pruefungsordnung-zum-erwerb-der-allgemeinenhochschulreife -stand-2017.pdf. 7. Welchem Pool werden die Aufgaben für die zusätzliche mündliche Mathematik-Prüfung entnommen beziehungsweise wer ist hierfür zuständig ? Gelten für alle Schulen die gleichen Aufgaben? Drucksache 21/17402 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Aufgaben für die mündlichen Prüfungen werden durch die jeweiligen Fachlehrkräfte erstellt. Grundlage ist der vorher erteilte Unterricht auf Basis des Rahmenplans Mathematik. 8. Wann sollen die zusätzlichen mündlichen Mathematik-Prüfungen stattfinden ? Gibt es hierfür einen zentralen Termin an allen Hamburger Schulen ? Die mündlichen Prüfungen können grundsätzlich ab dem 6. Juni stattfinden. Die Organisation des Prüfungsplans obliegt der einzelnen Schule, die dabei die Vorgaben der APO-AH beachtet. Da die für Bildung zuständige Behörde entschieden hat, den Bewertungsschlüssel anzupassen, ist vermutlich nicht mit vermehrten mündlichen Prüfungen zu rechnen. 9. Wie werden die zusätzlich benötigten Lehrerressourcen bereitgestellt? Sollte es dennoch zu vermehrten mündlichen Prüfungen kommen, sind die Schulleiterinnen und Schulleiter der betroffenen Schulen aufgefordert, eine für ihre Schule geeignete Form der Organisation dieser Prüfungen sicherzustellen. Die für Bildung zuständige Behörde wird den Schulen nach der Rückmeldung durch die Schülerinnen und Schüler die entstandene Mehrarbeit vergüten oder zusätzliche Lehrerressourcen für die Anrechnung im Deputat der einzelnen Lehrkraft zur Verfügung stellen. 10. Hat die Behörde für Schule und Berufsbildung bereits Kenntnis, wie viele Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit der mündlichen zusätzlichen Mathematik-Prüfung nutzen? Die für Bildung zuständige Behörde hat derzeit darüber keine Kenntnis.