BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17404 21. Wahlperiode 07.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 31.05.19 und Antwort des Senats Betr.: Kein gleiches Recht auf Schulwahl für Eltern von Kindern mit einer Behinderung In der Drs. 21/16947 berichtet der Senat auf meine Schriftliche Kleine Anfrage hin, dass 29 von 109 Schülerinnen und Schülern mit den Förderschwerpunkten Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung, geistige Entwicklung und Autismus, die für das kommende Schuljahr 2019/2020 für eine erste Klasse einer staatlichen allgemeinen Grundschule angemeldet wurden, ihren Erstwunsch nicht erfüllt bekamen. Für die fünfte Klasse lauten die entsprechenden Zahlen 43 nicht erfüllte Erstwünsche bei 125 Anmeldungen . Im Durchschnitt wurden für die erste und die fünfte Klasse 31 Prozent, das heißt ein Drittel der Erstwünsche von behinderten Kindern nicht erfüllt, während bei allen anderen Kindern nur 5,5 Prozent ihre Wunschschule nicht erhalten haben, wie die BSB in Pressemitteilungen verlauten ließ. Diese fast sechsmal so hohe Quote von nicht erfüllten Erstwünschen bei behinderten Kindern stellt eine massive Diskriminierung dar und widerspricht in eklatanter Weise der UN-Behindertenrechtskonvention, deren zehnter Jahrestag vor wenigen Wochen von der Schulbehörde feierlich begangen wurde. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die für Bildung zuständige Behörde prüft zurzeit, ob die Erstwünsche für eine Schule von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Hören, Sehen, Autismus, geistige Entwicklung oder körperliche und motorische Entwicklung zukünftig noch stärker berücksichtigt werden können. Beispielsweise wird geprüft, wie bisherige Hemmnisse abgebaut werden können, in welcher Art und Weise eine frühzeitige Beratung der Eltern über für ihr Kind geeignete Schulen intensiviert und die Unterstützung für Schulen verbessert werden kann. Bisher wurden die Erstwünsche für Schülerinnen und Schülermit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Hören, Sehen, Autismus, geistige Entwicklung oder körperliche und motorische Entwicklung in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft. Um optimale Bedingungen zu gewährleisten, wurden die Schulplätze für diese Zielgruppe vor allen anderen Schülerinnen und Schülern vergeben. Neben der Richtlinie „Richtlinie für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf “ werden auch die jeweils individuellen Entwicklungsbedingungen in die Abwägung einer Aufnahmeentscheidung mit einbezogen. Die größtmögliche Nähe der Schwerpunktschule zum Wohnort ist besonders für die möglichst eigenständige Gestaltung sozialer Bezüge zu Mitschülerinnen und Mitschülern wichtig. Gleichzeitig sind auch die Möglichkeiten zur Bewältigung des Schulwegs Drucksache 21/17404 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zum Zeitpunkt der Schulaufnahme oder nach entsprechender Förderung zu einem späteren Zeitpunkt zu berücksichtigen. Die eigenständige Bewältigung stellt in diesem Zusammenhang einen zentralen Entwicklungsschritt in der selbstgesteuerten Alltagsgestaltung dar. Sofern Bedarf für eine Schulweghilfe gemäß SGB XII besteht, ist weiterhin der Aspekt der Verhältnismäßigkeit der Beförderungskosten zu berücksichtigen. Die Anwendung des Kriteriums der Wohnortnähe bei der Zuweisung an Schwerpunktschulen zielt darauf ab, unmittelbar oder mittelfristig möglichst weitreichende Teilhabemöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu erschließen. Aus der Abwägung dieser pädagogisch-fachlichen Erfordernisse ergibt sich ein besonderer Steuerungsbedarf von der für Bildung zuständigen Behörde bei der Schulplatzvergabe. Zur Umsetzung der Inklusion im Hamburgischen Schulwesen seit dem Schuljahr 2010/2011 und dem damit verbundenen hohem Engagement und den erheblichen finanziellen Mitteln sowie zur Umsetzung der Vereinbarung „Gute Inklusion“ siehe Drs. 21/11428. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. a. Bei wie vielen der 29 nicht erfüllten Erstwünsche für die erste Klasse hatten die Eltern als Erstwunsch eine Schwerpunktschule genannt? b. Bei wie vielen der unter 1. a. genannten Fälle wurde von der BSB die Aufnahme des Kindes an der nächstgelegenen Schwerpunktschule angeordnet? Bei 15 Schülerinnen und Schülern wurde von den Eltern eine zum Wohnort weit entfernte Schwerpunktschule gewünscht. Diese 15 Schülerinnen und Schüler wurden im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften unter anderem mit Blick auf den Schulweg einer zum Wohnort näher gelegene Schwerpunktschule zugewiesen. c. Bei wie vielen der unter 1. b. genannten Fälle war der Grund für die Nichterfüllung des Erstwunsches, dass an der Erstwunschschule pro Klasse nicht mehr als zwei Kinder mit den oben genannten Förderschwerpunkten aufgenommen werden sollten? Bei keinem. Siehe Drs. 21/16868. 2. a. Bei wie vielen der 43 nicht erfüllten Erstwünsche für die fünfte Klasse hatten die Eltern als Erstwunsch eine Schwerpunktschule genannt? b. Bei wie vielen der unter 2. a. genannten Fälle wurde von der BSB die Aufnahme des Kindes an der nächstgelegenen Schwerpunktschule angeordnet? 18 Schülerinnen und Schüler hatten keine Schwerpunktschule gewählt. Bei 25 Schülerinnen und Schülern wurde von den Eltern eine zum Wohnort weit entfernte Schwerpunktschule gewünscht. Auch diese Schülerinnen und Schüler wurden im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften unter anderem mit Blick auf den Schulweg einer zum Wohnort näher gelegenen Schwerpunktschule zugewiesen. c. Bei wie vielen der unter 2. b. genannten Fälle war der Grund für die Nichterfüllung des Erstwunsches, dass an der Erstwunschschule pro Klasse nicht mehr als zwei Kinder mit den oben genannten Förderschwerpunkten aufgenommen werden sollten? Siehe Drs. 21/16868. 3. a. Wie viele Eltern, die in der Anmelderunde 2019/2020 ihr behindertes Kind für die erste Klasse angemeldet hatten, haben gegen den Bescheid der BSB einen Widerspruch eingelegt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17404 3 In der Rechtsabteilung der für Bildung zuständigen Behörden wurden bisher 15 Widersprüche registriert. b. Wann endete für diese Eltern die Widerspruchsfrist? Siehe Drs. 21/16947. c. Wie viele dieser Eltern erhielten bis zum 31.05.2019 einen Widerspruchsbescheid von der BSB? Es sind bisher drei stattgebende Widerspruchsbescheide erlassen worden. Weitere neun Fälle wurden ohne Erlass eines Widerspruchbescheides einvernehmlich mit den Eltern geeint. d. Bis wann werden die restlichen Eltern den Widerspruchsbescheid von der BSB erhalten? Die Widersprüche unterliegen der Einzelfallprüfung. Dies erfordert einen hohen Zeitaufwand . Gleichwohl werden die Widersprüche mit oberster Priorität schnellstmöglich bearbeitet. Sämtliche Widersprüche werden voraussichtlich bis zum Anfang der Sommerferien bearbeitet sein. 4. a. Wie viele Eltern, die in der Anmelderunde 2019/2020 ihr behindertes Kind für die fünfte Klasse angemeldet hatten, haben gegen den Bescheid der BSB einen Widerspruch eingelegt? In der Rechtsabteilung der für Bildung zuständigen Behörde wurden bisher 30 Widersprüche registriert. b. Wann endete für diese Eltern die Widerspruchsfrist? Siehe Drs. 21/16947. c. Wie viele dieser Eltern erhielten bis zum 31.05.2019 einen Widerspruchsbescheid von der BSB? d. Bis wann werden die restlichen Eltern den Widerspruchsbescheid von der BSB erhalten? Zurzeit werden die Widersprüche der ersten Klassen prioritär bearbeitet. Sobald die Bearbeitung der Widersprüche abgeschlossen ist, wird mit der Prüfung der Widersprüche der fünften Klassen begonnen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. d.