BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17441 21. Wahlperiode 11.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (fraktionslos) vom 04.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Innovative Technologien zum Phosphor-Recycling aus Klärschlamm – Was tut Hamburg? Die im Jahr 2017 erlassene Klärschlamm- und Düngeverordnung hat das Ausbringen menschlicher Fäkalien auf landwirtschaftliche Nutzflächen einem strengen Reglement unterworfen und damit erheblich erschwert. In diesem Zusammenhang sind Klärwerke seither dazu verpflichtet, Klärschlamm aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen den Rohstoff Phosphor zu entziehen . Hierzu hat die Bundesregierung am 18. Januar 2017 festgestellt: „Phosphor ist aufgrund seiner essentiellen Bedeutung eine wichtige, jedoch nur endlich verfügbare Ressource und wird zu einem wesentlichen Anteil zu Düngezwecken in der Landwirtschaft sowie in vielfältigen industriellen Prozessen eingesetzt. Zur Deckung des Phosphorbedarfs ist Deutschland, ebenso wie nahezu die gesamte EU, vollständig von Importen aus überwiegend politisch instabilen Regionen abhängig. Die Förderung von Rohphosphat in den Herkunftsländern und die Verarbeitung zu Mineraldünger sind mit erheblichen Umweltbelastungen und einem hohen Energiebedarf verbunden. Unter dem Aspekt der Ressourceneffizienz ist es daher geboten, den im kommunalen Klärschlamm enthaltenen Phosphor zukünftig stärker als bisher zu nutzen. Derzeit erfolgt eine solche Nutzung bei der herkömmlichen, bodenbezogenen Verwertung der Klärschlämme nach Maßgabe düngerechtlicher Vorgaben sowie nach Maßgabe der Klärschlammverordnung (Abf- KlärV). Die bodenbezogene Klärschlammverwertung verliert - bei großen Unterschieden zwischen den Ländern - kontinuierlich an Akzeptanz und Bedeutung, so dass mittlerweile der überwiegende Teil der Klärschlämme verbrannt wird, jedoch ohne, dass der in den Aschen enthaltene Phosphoranteil wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt wird. Die Verordnung verpflichtet die Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen als Klärschlammerzeuger und die Betreiber von Klärschlammverbrennungsanlagen oder von Klär- schlammmitverbrennungsanlagen grundsätzlich dazu, den in Klärschlämmen bzw. in Klär- schlammverbrennungsaschen enthaltenen Phosphor nach einer gestaffelten Übergangsfrist von zwölf bzw. fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung zurückzugewinnen. Parallel dazu soll die bisher praktizierte bodenbezogene Klärschlammverwertung deutlich eingeschränkt werden.“1 Als entscheidend erweist sich dabei folgende Erklärung: „Bei der Verwendung des zurückgewonnenen Phosphors – in Form von Phosphat – steht eindeutig die Nutzung zu Düngezwecken im Vordergrund. Es ist daher notwendig , dass das zurückgewonnene Material in der Regel in pflanzenverfüg- 1 Confer BT.-Drs. 18/10884. Seite 1. Drucksache 21/17441 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 barer und schadstoffarmer Form vorliegt oder vor der Nutzung so aufbereitet wird, dass eine Pflanzenverfügbarkeit gewährleistet ist. Die entsprechenden konkreten Anforderungen an die Pflanzenverfügbarkeit sind Gegenstand düngerechtlicher Vorgaben.2 Ferner sind kommunale Klärschlammerzeuger, die im Jahr 2023 eine Abwasserbehandlungsanlage betreiben, dazu verpflichtet , den zuständigen Behörden bis zum 31.12.2023 einen Bericht über die geplanten und bislang umgesetzten Maßnahmen zur Phosphorrückgewinnung vorzulegen.3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In Hamburg wird Abwasser zentral im von HAMBURG WASSER (HW) betriebenen Klärwerksverbund Köhlbrandhöft/Dratenau behandelt. Der dort anfallende Klärschlamm wird biologisch behandelt und vor Ort in der Klärschlammverbrennungsanlage VERA thermisch verwertet, siehe dazu auch Drs. 21/17365. Aus der Klärschlammasche sollen in Zukunft durch das von der Firma REMONDIS entwickelte TetraPhos-Verfahren Phosphate zurückgewonnen werden. In einer Anlage im Labor- und Technikumsmaßstab wurde das Verfahren zur Rückgewinnung des Phosphors aus der Klärschlammasche von Juli 2015 bis Dezember 2016 erprobt. Die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Anlage zur Phosphor- Rückgewinnung im Großmaßstab ist von HW und REMONDIS gemeinsam beantragt worden; das Genehmigungsverfahren wird zurzeit durchgeführt. Die Anlage wird voraussichtlich im Jahr 2020 als eine der bundesweit ersten Anlagen zur Phosphorrückgewinnung in Betrieb gehen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von HW wie folgt: 1. Welches technische Verfahren kommt in Hamburg gegenwärtig zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm zum Einsatz? Derzeit erfolgt noch keine Phosphorrückgewinnung, siehe dazu auch Vorbemerkung. 2. Welche technischen Verfahren zum Phosphor-Recycling hat die Hamburger Behörde für Umwelt und Energie im Rahmen der Umsetzung der in der Klärschlammverordnung festgelegten Bestimmungen bislang insgesamt erprobt? Die Behörde für Umwelt und Energie erprobt keine technischen Verfahren zur Phosphorrückgewinnung , im Übrigen siehe dazu auch Vorbemerkung sowie Antwort zu 3. und 4. 3. Wie viele solcher Verfahren haben sich als ungenügend erwiesen, wie viele haben sich bewährt? Bitte auch die jeweiligen Gründe nennen. 4. Wie viele dieser Verfahren wurden von privaten Unternehmen beziehungsweise staatlichen Institutionen entwickelt? Bitte jeweils den Namen der Unternehmen/Institutionen sowie die bereitgestellte Technologie nennen. Derzeit sind zahlreiche Verfahren zur Phosphorrückgewinnung entweder aus dem Klärschlamm oder der Klärschlammasche in Entwicklung. Die bekannten Verfahren zur Phosphorrückgewinnung sind in dem Abschlussbericht des Umweltbundesamtes veröffentlicht: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/oekobilanziellervergleich -der-p-rueckgewinnung-aus. 5. Wo beziehungsweise in welchem Ausmaß wird der im Rahmen der Phosphorrückgewinnung behandelte Klärschlamm später als Dünger für landwirtschaftliche Nutzflächen verwendet? 2 Confer ibidem. Seite 2. 3 Confer Artikel 4 Paragraf 3a Klärschlammverordnung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17441 3 6. Inwieweit sind die hierfür angewandten Verfahren dazu geeignet, das zurückgewonnene Phosphat in pflanzenverfügbarer und schadstoffarmer Form bereitzustellen? 7. Wie hoch schätzt der Senat die Mengen an Phosphor ein, die sich innerhalb der Übergangsfrist von zwölf beziehungsweise fünfzehn Jahren aus Klärschlamm zurückgewinnen lassen? 8. Wie hat sich die bodenbezogene Klärschlammverwertung in Hamburg seit 1997 entwickelt? In Hamburg gibt es seit 1997 keine bodenbezogene Verwertung von Klärschlamm; dieser wird ausschließlich thermisch verwertet. Die in Hamburg geplante Anlage wird Phosphat in Form von hochwertiger Phosphorsäure mit sehr geringen Schadstoffgehalten zurückgewinnen. Diese Phosphorsäure kann als Ausgangsstoff für die Düngemittelherstellung verwendet werden. Die Anlage zur Phosphorrückgewinnung soll voraussichtlich 2020 in Betrieb gehen. Mit dem Verfahren werden mindestens 80 Prozent des in der Klärschlammasche vorliegenden Phosphors zurückgewonnen. Daraus werden voraussichtlich jährlich circa 8 000 t Phosphorsäure produziert. 9. Wie viel hat das Phosphor-Recycling in Hamburg in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt gekostet? In den Jahren 2017 und 2018 fand in Hamburg kein Phosphor-Recycling statt. 10. Wie hoch beläuft sich die Gesamtmenge menschlicher Fäkalien für die Jahre 2017 und 2018? Die menschlichen Fäkalien können im gesammelten Abwasser, das aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen stammt (Gewerbe und Industrie, weitere häusliche Abwasserströme et cetera), nicht separat ermittelt werden. Nach übereinstimmenden Literaturangaben produziert ein Mensch durchschnittlich circa 500 l Urin und circa 50 l Fäkalien pro Jahr. 11. Wie hoch ist gegenwärtig der Preis für die seit 2017 verbindliche Verbrennung einer Tonne Klärschlamm? Der Preis für die Verbrennung von einer Tonne Klärschlamm hängt von verschiedenen qualitativen Faktoren (unter anderem Wasser- und Aschegehalt, Heizwert, Zusammensetzung) und quantitativen Faktoren (Menge, Dauer) ab und variiert deshalb im Einzelfall. Das derzeitige Preisniveau in Norddeutschland liegt bei netto 70 bis 110 Euro pro Tonne entwässerten Klärschlamms frei Werk. 12. Wie lautet der aktuelle Preis für den Transport einer Tonne Klärschlamm ? Der Preis für den Transport einer Tonne Klärschlamm hängt von verschiedensten Faktoren ab und kann nicht allgemeingültig angegeben werden. Zu diesen Faktoren zählen Transportmengen, Transportwege, vorhandene Zwischenspeicher aber auch verwendete Fahrzeuge wie Kipper, Sattelzüge oder Mulden und deren Auslastung. 13. Wie lautet der aktuelle Preis für die Vorbereitung einer Tonne Klärschlamm für die Verbrennung? Die Aufbereitung von entwässertem Klärschlamm zu einem brennfähigen Material erfolgt zum Beispiel durch Teiltrocknung. Der Preis dieser Vorbehandlung hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab, siehe dazu auch Antwort zu 11. Am stärksten beeinflusst der Wassergehalt des angelieferten Klärschlammes den Behandlungspreis . Überschlägig sind etwa ein Viertel der in der Antwort zu 11. genannten Verbrennungspreise der Vorbehandlung zuzuordnen. 14. Welche Labore sind in Hamburg für die Bestimmung des Schadstoffgehalts in Luft und Boden zuständig? Drucksache 21/17441 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 15. Bei welchen von ihnen handelt es um private Unternehmen beziehungsweise staatliche Einrichtungen? Labore besitzen keine rechtliche Zuständigkeit für Luft- oder Bodenuntersuchungen. Die zuständigen Behörden geben auf Antrag Untersuchungsstellen bekannt, die bestimmte Anforderungen für umweltrechtlich geregelte Bereiche erfüllen. Die notifizierten Untersuchungsstellen sind auf www.resymesa.de veröffentlicht und werden von den Untersuchungspflichtigen nach eigenem Ermessen beauftragt. Bei den notifizierten Untersuchungsstellen handelt es sich in der Regel um private Unternehmen.