BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17478 21. Wahlperiode 14.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (GRÜNE) vom 06.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Gesetzeswidriger Handel mit Heimtieren: Wie gestaltet sich die Situation in Hamburg? Illegaler Handel mit lebenden Tieren hat sich zu einem weltumspannenden Geschäft mit mafiösen Strukturen entwickelt. So sind teilweise vom Aussterben bedrohte lebende Wildtiere, wie verschiedene Arten von Vögeln, Schlangen, Spinnen, Schildkröten, Fröschen, aber auch größere Spezies wie Tiger oder Menschenaffen, begehrte Objekte für einen boomenden internationalen Markt mit exotischen Haustieren. Laut der Tierrechtsorganisation PETA werden jährlich rund 600 000 Exoten allein nach Deutschland importiert . Auf Tierbörsen werden sie häufig an Menschen verkauft, die weder ausreichende Kenntnisse noch Möglichkeiten haben, die Tiere entsprechend ihrer Bedürfnisse zu halten. Darüber hinaus floriert in Europa der illegale Handel mit Heimtieren wie Hundewelpen , Katzenbabys, Kaninchen, Hamster, Meerschweinchen, Ratten, Mäusen oder Sittichen, die häufig für den Heimtierhandel und als Futtertiere vorgesehen sind. Welpen diverser Hunderassen machen den größten Anteil aus. Sie werden vor allem in Osteuropa gezüchtet und in der EU umgeschlagen . Abgesehen von den häufig unhygienischen Aufzuchtbedingungen ohne medizinische Versorgung werden sie zu früh vom Muttertier getrennt und schließlich ungeimpft sowie unzureichend sozialisiert auf eine lange Reise geschickt, mit Zwischenstopps bei diversen Händlern. Welpen werden als Massenware durch Europa geschmuggelt und kommen nicht selten erkrankt und verhaltensgestört bei ihren Käuferinnen und Käufern an. Gemäß einer 2017 erstellten Studie der Tierschutzorganisation Vierpfoten bieten Online-Marktplätze wie eBay Kleinanzeigen illegalen Zucht-, Händlerund Fahrernetzwerken einen wachsenden Absatzmarkt in Deutschland. Auf den Plattformen werden die Tiere ohne persönliche Verifizierung inseriert. Eine Rückverfolgbarkeit ist somit nicht gewährleistet. Inzwischen gilt der illegale Handel mit Heimtieren als eine feste Einkommensquelle des organisierten Verbrechens in Europa. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Begriff „illegaler Welpenhandel“ ist gesetzlich nicht definiert. Unter diesem Begriff werden uneinheitlich verschiedene Verstöße bei Zucht und Handel mit Heimtieren subsummiert, die verschiedene Rechtsvorschriften des Tierschutz-, Tiergesundheitsund Artenschutzrechts betreffen können. Vor diesem Hintergrund werden Verstöße von den Vollzugsbehörden nicht mit einer entsprechenden Zuordnung zum Begriff „illegaler Welpenhandel“ erfasst. Drucksache 21/17478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Gibt es in Hamburg in den zuständigen Behörden BGV, BUE beziehungsweise dem Zoll jeweils eine Stelle zur Meldung von Fällen gesetzeswidrigen Tierhandels beziehungsweise gesetzeswidriger Tiertransporte (gemeint sind Gesetzesverstöße in den Bereichen des Arten- und Tierschutzes sowie der Tiergesundheit)? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Verdachtshinweise und Anzeigen von Verstößen im Bereich des Tierschutz-, Tiergesundheits - und Artenschutzrechts können an die für den Vollzug zuständigen Stellen gemeldet werden. Dies sind für den Bereich Tierschutz und Tiergesundheit die Fachämter Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt, Abteilung Veterinärwesen der Bezirksämter. Speziell für die Einfuhr über den Hamburger Hafen oder Flughafen ist das Veterinär- und Einfuhramt der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) zuständig. Für den Bereich Artenschutz ist das Amt für Naturschutz, Referat Arten- und Biotopschutz der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) Ansprechpartner, entsprechende Einfuhrkontrollen werden im Rahmen der Mitwirkung bundesweit durch den Zoll durchgeführt. 2. Welche und wie viele artenschutz-, tierschutz- oder tiergesundheitswidrige Tatbestände wurden in den vergangenen fünf Jahren im Zusammenhang mit Heimtierhandel in Hamburg gemeldet beziehungsweise aufgedeckt ? Bitte unterscheiden nach Online- und Offlinehandel. a. Welche Tierarten waren davon jeweils betroffen und wie hoch war der Anteil der einzelnen Tierarten? b. Litten die Tiere an Krankheiten wie Staupe, Parvovirose oder Giardien ? An welchen sonstigen Krankheiten oder Verletzungen litten die Tiere? Bitte nach Tierarten und Anzahl aufführen. c. Wie hoch war der Anteil von toten Tieren? Bitte nach Tierarten auflisten . d. Welche Gründe führten jeweils zur Beschlagnahmung von Tieren? (Bitte unterscheiden nach Tatbeständen im Sinne des ArtenSchG, TierSchG, TierGesG) e. Wie wurden die Fälle überwiegend aufgedeckt (Transportkontrollen, Hinweise von Privatpersonen, Meldung durch Veterinärämter)? Die zur Beantwortung benötigten Daten zu Tierschutz- und Tiergesundheitstatbeständen werden in den Verbraucherschutzämtern der Bezirke statistisch nicht gesondert erfasst. Sie können in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden, da in den Verbraucherschutzämtern je etwa 1 000 bis 1 500 Vorgänge gesichtet werden müssten. Aufgrund der Erfahrungen der amtlichen Tierärzte sind aber in diesem Kontext vorrangig Hunde, seltener Katzen, Vögel und Kaninchen betroffen. Staupe, Parvovirose oder Giardien wurden in diesem Zusammenhang in Einzelfällen festgestellt. Besonders die Nichteinhaltung tierseuchenrechtlicher Bestimmungen führt zu Sicherstellungen von Tieren. Verstöße werden in der Regel durch Hinweise aus der Bevölkerung, von Tierschutzorganisationen, Polizei, Tierärzten und anderen Veterinärämtern angezeigt . In Bezug auf artenschutzrechtliche Tatbestände wurden in den Jahren 2014 bis 2018 durch die BUE im Offlinehandel eine Schildkröte (Testudo horsfieldii) und sechs Zwergtaggeckos (Lygodactilus williamsii) beschlagnahmt und eingezogen. Bei den Tieren konnte die legale Herkunft nicht nachgewiesen werden. Die Hinweise kamen aus der Bevölkerung, von Firmen und anderen Dienststellen. Bei der Polizei werden Statistiken im Sinne der Fragestellung nicht geführt. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17478 3 Zeitraums der bei der Polizei für die Sachbearbeitung zuständigen Dienststelle der Wasserschutzpolizei (WSP 51 – Umwelt- und Verbraucherschutzdelikte) erforderlich. Die Auswertung von mehreren Tausend Akten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Zollverwaltung führt keine detaillierten Statistiken zu artenschutz- oder tierschutzrechtlichen Sachverhalten. Die Anzahl der bundesweit durchgeführten artenschutzrechtlichen Aufgriffe und Beschlagnahmen können der Zolljahresstatistik 2018, Seite 14, entnommen werden. Hier wird der Postverkehr getrennt ausgewiesen (https://www.zoll.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/statistiken.html?nn=28253 0&faqCalledDoc=282530). 3. Sind dem Senat Urteile zu artenschutz-, tierschutz- oder tiergesundheitswidrigen Tatbeständen im On- oder Offlinehandel mit Heimtieren bekannt? Falls ja, welche? (Bitte nach Tatbeständen und Fallzahlen aufschlüsseln .) 4. Wie hoch ist der Anteil von eingestellten Verfahren in diesem Bereich und was sind die häufigsten Gründe für die Einstellung? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird nicht erfasst, ob eine Tat im Zusammenhang mit dem Onoder Offlinehandel mit Heimtieren steht. Zur Beantwortung der Fragen müssten daher zumindest alle Verfahren beigezogen und händisch ausgewertet werden, für die in MESTA als Tatvorwurf § 17 TierSchG oder § 71 BNatSchG notiert ist. Hierbei handelt es sich für die Jahre 2014 – 2019 (Stichtag 7. Juni 2019) um eine vierstellige Anzahl von Verfahren. Eine Beiziehung und händische Auswertung dieser Verfahren ist innerhalb der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Bekannte überregional richtungsweisende Urteile sind unter anderem folgende: Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Dezember 2015 (C-301/14) zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 (3 C 23/15) zur Geltung von Vorschriften des Tierschutz- und Tierseuchenschutzrechts bei der Vermittlung von Hunden durch einen Tierschutzverein. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14.04.2011 (C-42/10, C-45/10 und C- 57/10, C-42/10, C-45/10, C-57/10) zur Verwendung des Heimtierausweises. 5. Welche konkreten Maßnahmen gegen gesetzeswidrigen Heimtierhandel wurden in Hamburg bisher unternommen oder sind für die kommenden Jahre geplant? Bitte jeweils für den Offline- und Onlinehandel angeben. Siehe hierzu Drs. 21/14581. Rechtswidrigem Heimtierhandel wird durch die Verbraucherschutzämter der Bezirke konsequent entgegengetreten. Sowohl im Offline- als auch im Onlinehandel wird eingehenden Meldungen zeitnah nachgegangen. Dies gestaltet sich beim Offlinehandel sehr viel einfacher, da in diesen Fällen in aller Regel die Wohn- beziehungsweise Gewerbeadressen bekannt sind. Im Onlinehandel ist es aufgrund der möglichen Anonymität deutlich diffiziler. Die Kontrolle des Handels mit besonders geschützten Arten wird regelmäßig wahrgenommen , wobei der Handel mit Teilen und Erzeugnissen in Hamburg deutlich höher ist als der Handel mit lebenden Tieren. 6. Wie beurteilt der Senat die Einführung einer bundesweit einheitlichen Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Züchter, Händler und Halter, um eine Rückverfolgbarkeit auch im Onlinehandel zu gewährleisten ? Drucksache 21/17478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Gewerbsmäßige Züchter sowie Personen, die gewerbsmäßig Heimtiere zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, benötigen bereits jetzt entsprechende Erlaubnisse nach dem Tierschutzgesetz. Darüber hinaus unterliegt derjenige, der gewerbsmäßig Tiere innergemeinschaftlich verbringen oder einführen will, einer Anzeige- und Registrierpflicht nach der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung . Für besonders geschützte Wirbeltiere gibt es seit 1987 eine bundeseinheitliche Meldepflicht gem. Bundesartenschutzverordnung. Die Einführung einer bundesweiten Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Züchter, Händler und Halter würde zu einem erheblichen Datenvolumen führen. Nach dem Ergebnis einer repräsentativen Erhebung, die der Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) e.V. und der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) beim Marktforschungsinstitut SKOPOS in Auftrag gegeben haben, lebten im Jahr 2017 34,3 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel in Deutschland. Hinzu kommen zahlreiche Zierfische und Terrarientiere. Damit wäre eine große Zahl von Tierhaltern zu erfassen, Daten zu pflegen und zu kontrollieren, wodurch ein erheblicher Verwaltungs- und Personalaufwand entstünde. Zudem bedarf eine derartige Lösung einer gesetzlichen Regelung, die auf Bundesebene erlassen werden müsste. Eine Hamburger Regelung ist weder möglich noch zielführend 7. Hat der Senat weitere Vorschläge zur Regulierung des Onlinehandels mit Tieren? Da es sich um ein globales Problem handelt, beschäftigen sich EU und Bundesbehörden mit dem Thema. Seitens der EU wurde ein Projekt mit dem Ziel durchgeführt, die Problematik des Onlinehandels näher zu beleuchten. Eine Auswertung dieses Projektes liegt noch nicht vor. Parallel werden auf Bundesebene Überlegungen hinsichtlich der Einrichtung einer Zentralstelle zur Überwachung des Onlinehandels angestrengt. Dieses wird von Hamburg ausdrücklich unterstützt. Weiterhin ist es wichtig, potenzielle Käufer hinsichtlich der Problematik zu sensibilisieren . Die BGV informiert durch einen Beitrag in dem von ihr herausgegebenen Verbraucherschutzkalender 2019 und prüft weitere öffentlichkeitswirksame Maßnahmen. Im Übrigen siehe Antwort zu 6.