BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17516 21. Wahlperiode 18.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 12.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Migranten und Flüchtlinge „Hin zum Handwerk“ Junge Geflüchtete und Migranten in Arbeit zu bringen, das hat sich der Hamburger Senat auf die Fahnen geschrieben. Und so führen die zuständige Behörde, das Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter), die Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) sowie das Hamburger Handwerk ein Modellprojekt durch, das die Integration junger Migranten in Ausbildung zum Ziel hat: „Hin zum Handwerk“. Auf Basis der mitgebrachten Kompetenzen sollen arbeitswillige Migranten durch gezielte Förderung und Unterstützung bedarfsgerecht in den allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere in das Hamburger Handwerk integriert werden . Sechs Innungen der Handwerkskammer unterstützten über einen Zeitraum von 24 Wochen in Werkstätten beziehungsweise den Betrieben der jeweiligen Innungen diejenigen Personen, die entsprechendes Potenzial mitbringen , anschließend eine Ausbildung oder eine Beschäftigung in einem Handwerksbetrieb zu beginnen. Vorgesehen sind Plätze für insgesamt 90 Teilnehmende für die Gewerke Bäcker, Bau, Kfz, Metall, Sanitär und Tischler (pro Gruppe 15 Teilnehmende ). Das Modellprojekt startete im März des Jahres 2018.1 + 2 Auf der Homepage des Ausbildungszentrums Bau (AZB)3 ist die Rede davon, dass man bereits seit vier Jahren unter anderem Migranten und Flüchtlinge im Rahmen des Projektes „Hin zum Handwerk“ auf die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vorbereitet. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In Kooperation mit dem Hamburger Handwerk führen die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), das Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) sowie die Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) das Modellprojekt „Hin zum Handwerk “ durch, das die Integration junger Geflüchteter in Ausbildung zum Ziel hat und einen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs leistet. Das Projekt hat zunächst eine Laufzeit vom 01.03.2018 bis 28.02.2020. 1 Drs. 21/12071. 2 https://www.azb-hamburg.de/fileadmin/azb-hamburg/Dokumente/Newsletter/ Hin_zum_Handwerk.pdf. 3 https://www.azb-hamburg.de/aktuelles/detail/article/hin-zum-handwerk/. Drucksache 21/17516 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Geflüchtete sollen im Rahmen des Projektes auf Basis der von ihnen aus ihren Herkunftsländern mitgebrachten berufspraktischen Kompetenzen durch gezielte Förderung und Unterstützung bedarfsgerecht in den allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere in das Hamburger Handwerk, integriert werden. Dazu haben sich sechs Innungen der Handwerkskammer bereit erklärt, junge Geflüchtete über einen Zeitraum von 24 Wochen in Werkstätten und Betrieben der jeweiligen Innungen unter Einbindung von berufsbezogener Sprachförderung soweit zu qualifizieren, dass die Geflüchteten in der Lage sind, im Anschluss eine Ausbildung oder eine Beschäftigung in Betrieb dieser sechs Innungen zu beginnen. Das Modellprojekt hat zwei Phasen: Zunächst erfolgt eine vierwöchige Kompetenzfeststellung . Als Ergebnis davon wird eine auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Einschätzung der Kompetenzen der Teilnehmenden in Form eines Zertifikats der Innungen erstellt, aus dem Bildungsniveau, Stärkenprofil und als Ergebnis der fachpraktischen Analyse hervorgeht, für welches Gewerk sich die Teilnehmerin beziehungsweise der Teilnehmer besonders eignet. Am Ende erfolgt eine Förderempfehlung (zum Beispiel Teilnahme an der zweiten Projektphase „Hin zum Handwerk“, weiterer Deutschkurs) sowie ein aussagekräftiger Bericht, der zur Weitergabe an die zuständige Integrationsfachkraft des Jobcenters ausgehändigt wird. Weiterhin werden die Teilnehmenden in Phase II (Werkstattphase) auf die Aufnahme einer Ausbildung oder ausbildungsvorbereitenden Qualifizierung (insbesondere Einstiegsqualifizierung ) beziehungsweise auf die Aufnahme von Arbeit oder arbeitsmarktnahen Qualifizierung Arbeit vorbereitet. Die Werkstattphase ist modular unterteilt in 1. Grundlagenphase (zehn Wochen), 2. Vertiefungsphase (zehn Wochen) in den Innungswerkstätten der beteiligten Gewerke mit optionalem betrieblichen Praktikum bis zu sechs Wochen. In der Grundlagenphase werden fachpraktische Berufsorientierung in den Werkstätten inklusive Deutschunterricht (zwei Tage pro Woche) sowie ein Praktikum oder alternativ weitere fachpraktische Berufsorientierung beim Träger durchgeführt. Die Vertiefungsphase hat die Vorbereitung auf arbeitsmarktnahe Qualifizierung beziehungsweise Ausbildung zum Inhalt. Hier werden praktische Berufsorientierung in den Werkstätten inkl. Deutschunterricht (zwei Tage pro Woche), sowie Praktikum oder alternativ weitere fachpraktische Berufsorientierung beim Träger durchgeführt. Für die Projektlaufzeit ist die Durchführung von insgesamt vier Durchgängen vorgesehen . Die entsprechenden Starttermine sind: 01.03.2018 Kompetenzfeststellung (4 Wochen, 102 TN) 01.04.2018 Qualifizierung (20 Wochen, 61 TN) 01.09.2018 Kompetenzfeststellung (4 Wochen, 94 TN) 01.10.2018 Qualifizierung (20 Wochen, 62 TN) 01.03.2019 Kompetenzfeststellung (4 Wochen, 98 TN) 01.04.2019 Qualifizierung (20 Wochen, 61 TN) 01.09.2019 Kompetenzfeststellung (4 Wochen, 90 Plätze) 01.10.2019 Qualifizierung (20 Wochen, 60 Plätze) Das Modellprojekt wird durch einen regelmäßigen fachlichen Austausch zwischen den Hamburger Innungen, BASFI, Jobcenter und Agentur begleitet und evaluiert. Der Austausch findet anlassbezogen sowie mindestens zwei Mal im Jahr verstetigt statt. Die Finanzierung des Projekts erfolgt über Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS-MAT), die von Jobcenter und Agentur ausgestellt werden. Dabei werden jeweils ein AVGS-MAT für die vierwöchige Kompetenzfeststellungsphase und gegebenenfalls ein zweiter AVGS-MAT für die nachfolgende Qualifizierungsphase ausgestellt . Für den Projektzeitraum schließt die BASFI eventuell entstehende finanzielle Deckungslücken (zum Beispiel bei Nichtauslastung) bei der Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Agentur für Arbeit Hamburg, der Handwerkskammer Hamburg, der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17516 3 WHDI-Bildungs-GmbH („Wenn Handwerk dann Innung) und des Ausbildungszentrums Bau wie folgt: 1. Wie viele Fachkräfte fehlen dem Hamburger Handwerk? Siehe Anlage. Die Zahl der Ausbildungsverträge hat sich im Hamburger Handwerk seit etwa drei Jahren stabilisiert, mit leicht steigender Tendenz. Noch schneller als die Zahl der Ausbildungsverträge steigt allerdings seit einigen Jahren die Zahl der gemeldeten freien Ausbildungsplätze. Nach den Bilanzen der Bundesagentur für Arbeit bleiben folglich immer mehr Ausbildungsplätze frei. Aus den acht häufigsten Herkunftsländern Geflüchteter kamen im Hamburger Handwerk im Jahr 2018 gut 14 Prozent der Auszubildenden mit neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Im Übrigen siehe auch Drs. 21/17508. 2. Wann wurde mit dem Projekt „Hin zum Handwerk“ begonnen und wie erklären sich die unterschiedlichen Zeitangaben von AZB und Senat? Das Ausbildungszentrum Bau bietet seit vielen Jahren Maßnahmen für die Qualifizierung von Menschen mit Migrations- beziehungsweise Fluchthintergrund an. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Ist das Projekt zeitlich befristet, wenn ja, bis wann? 4. Wie viele Fördermittel stehen dem Projekt seit wann zur Verfügung? 5. Wurde „Hin zum Handwerk“ bereits evaluiert? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, wann wird evaluiert? 6. Wie viele Durchläufe à 24 Wochen (siehe Drs. 21/12071, Seiten 3 – 4) gab es bisher für jeweils wie viele Teilnehmer, wie viele werden sich anschließen? Siehe Vorbemerkung. 7. Was bedeutet in diesem Zusammenhang „junge Geflüchtete“? Das Modellprojekt „Hin zum Handwerk“ richtet sich grundsätzlich an alle Geflüchteten unabhängig von ihrem Alter. Für eine erfolgreiche Weitervermittlung in Ausbildung hat sich jedoch ein Alter der Teilnehmenden bis circa 35 Jahren bewährt. 8. Wie viele Teilnehmer kamen seit Beginn des Projektes über „W.I.R“ zur Teilnahme an „Hin zum Handwerk“? W.I.R führte vor Beginn der Durchgänge zwei und drei am Millerntorplatz eine Informationsveranstaltung gemeinsam mit den Innungen für interessierte Geflüchtete durch. Zu der Informationsveranstaltung am 26.07.2018 wurden 27 W.I.R-Kundinnen und -Kunden eingeladen, von denen zehn am Projekt teilgenommen haben. Zu der Informationsveranstaltung am 04.02.2019 wurden 63 W.I.R-Kundinnen und -Kunden eingeladen, von denen 17 am Projekt teilnehmen. Im Übrigen erfolgt die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Integrationsfachkräfte von Jobcenter und Agentur. 9. Wie viele Migranten dieser Halbjahreszeiträume haben anschließend eine Ausbildung begonnen, wie viele ein sonstiges Arbeitsverhältnis und für wie viele konnte sich kein Jobangebot anschließen (bitte auch die Gründe dafür benennen)? Ergebnisse Durchgang 1 (01.04.2018 bis 01.08.2018): Drucksache 21/17516 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 TN Anzahl Ausbildung Arbeit EQ[1] BaE[2] A.nahe Quali[3] Sprachkurs 61 29 7 3 2 4 8 Von insgesamt 61 Teilnehmenden wurden 29 in Ausbildung und sieben in Arbeit vermittelt . Das entspricht im Bereich der Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einer Erfolgsquote von 59 Prozent. Weitere 17 Teilnehmende wurden in Anschlussmaßnahmen vermittelt. Die Eingliederungsquote von Teilnehmenden nach sonstigen Maßnahmen in Kostenträgerschaft des SGB II in Hamburg beträgt zum Vergleich nach sechs Monaten circa 26 Prozent. Ergebnisse Durchgang 2 (01.10.2018 bis 28.02.2019): TN Anzahl Ausbildung Arbeit EQ[1] A.nahe Quali[3] Sprachkurs 62 10 8 11 6 8 Von Insgesamt 62 Teilnehmenden wurden zehn in Ausbildung und acht in Arbeit vermittelt . Dies entspricht einer Erfolgsquote von fast 30 Prozent. Weitere 25 Teilnehmende wurden in Anschlussmaßnahmen vermittelt. Die gegenüber dem ersten Kurs niedrigere Übergangsquote in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist ausschließlich auf die geringere Zahl von Einmündungen in Ausbildung zurückzuführen. Dies liegt daran, dass der Kurs zum Februar endete, in dem deutlich weniger Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen werden als zum klassischen Ausbildungsbeginn August/September. Für Teilnehmende ohne direkte Anschlussperspektive erfolgt die Nachbetreuung und weitere bedarfsgerechte Förderung durch die individuelle Betreuung direkt bei den Integrationsfachkräften im Jobcenter beziehungsweise der Agentur. Hier werden die Gründe für die fehlende Anschlussperspektive erörtert und alternative Integrationswege erarbeitet. Gründe für eine fehlende Anschlussperspektive sind zum Beispiel mangelndes Interesse an einem beruflichen Werdegang im Handwerk, gesundheitliche Einschränkungen und noch vorliegende sprachliche Defizite. [1] EQ: Einstiegsqualifizierung. [2] BaE: Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen. [3] A.nahe Quali: arbeitsmarktnahe Qualifikation inklusive Umschulung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17516 5 Anlage Zum Mai 2019 waren der Arbeitsagentur Hamburg an offenen Stellen für Handwerksberufe mit dem Anforderungsniveau Fachkräfte, Spezialisten und Experten gemeldet: Handwerksberufe 3.094 Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung 1.926 dav. Baustoffherstellung und Steinbearbeitung 6 dav. Glasherstellung und -verarbeitung - dav. Keramikherstellung und -verarbeitung - dav. Vulkanisationstechnik 40 dav. Farb- und Lacktechnik 68 dav. Holzbe- und -verarbeitung 127 dav. Fotografie 5 dav. Druck und Buchbinderei 6 dav. Metallerzeugung und -verarbeitung 118 dav. Feinwerk- und Werkzeugtechnik 44 dav. Fahrzeugbau 628 dav. Mechatronik und Elektrik 805 dav. Modellbau - dav. Textiltechnik und -verarbeitung 20 dav. Leder- und Pelzverarbeitung 10 dav. Lebensmittelherstellung und -verarbeitung 49 Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik 756 dav. Hochbau 91 dav. Tiefbau 36 dav. Ausbau 268 dav. Klempnerei und Installation 361 sonstige Bereiche 412 dav. Schornsteinfeger/innen - dav. Reinigung 129 dav. Körperpflege 145 dav. Medizintechnik 125 dav. Raumausstattung 6 dav. Kunsthandwerk * dav. Musikinstrumentenbau - dav. Bühnen- und Kostümbildnerei * Quelle: Arbeitsagentur Hamburg *) Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert.