BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17554 21. Wahlperiode 25.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 18.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Räumung von Platten und Schlafplätzen von Obdachlosen Immer wieder berichten Medien von Platten, die geräumt wurden oder davon, dass Obdachlose zur Räumung ihrer Schlafplätze aufgefordert wurden. Zuletzt wurden Obdachlose unter der Kennedybrücke, wo sie in Absprache mit dem Bezirksamt Mitte seit Jahren akzeptiert wurden, zur Räumung ihrer Zelte aufgefordert (siehe https://www.hinzundkunzt.de/obdachlose-von-derkennedybruecke -sind-weg/). Zudem kam es in der Vergangenheit zu sich überschneidenden Räumungsveranlassungen durch das Bezirksamt einerseits und die Polizei andererseits. In diesen Fällen hat das Bezirksamt die Sozialarbeit eingeschaltet und die Räumung für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. In Unkenntnis darüber hat die Polizei den Schlafplatz aber bereits vorzeitig geräumt, sodass die obdachlose Person für die Straßensozialarbeit nicht mehr erreichbar war (https://www.hinzundkunzt.de/raeumungwegen -muell-und-kaelte/). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagt das Lagern in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, das Hamburgische Wegegesetz lässt eine Nutzung öffentlicher Wegeflächen nur im Rahmen des Gemeingebrauches vor. Die zuständigen Behörden sind gehalten, diese gesetzlichen Regelungen umzusetzen . Es entspricht der Haltung des Senats, etwaiges Campieren und Nächtigen in Zelten in Grünbereichen im öffentlichen Raum in Hamburg auf dieser Grundlage grundsätzlich unverzüglich zu untersagen, um eine Verfestigung solcher Zustände – auch im Sinne der Betroffenen – zu vermeiden. Hierbei wird mit Augenmaß unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall entschieden. Bei Räumungen werden sozialflankierende Hilfen sowohl im Voraus als auch begleitend angeboten, um die Betroffenen zu unterstützen. Hierfür steht ein umfangreiches soziales Hilfesystem zur Verfügung (zu den Angeboten der Wohnungslosenhilfe vergleiche im Einzelnen unter https://www.hamburg.de/obdachlosigkeit/116870/ hilfesystem-brosch/ sowie Drs. 21/16901). Ziel ist es, die Betroffenen aus der prekären Lebenslage zu lösen und tragfähige Perspektiven für ein Leben abseits der Straße zu entwickeln. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Platten und Schlafplätze von Obdachlosen wurden seit 2015 bis heute geräumt? Bitte Anzahl jeweils quartalsweise und nach Bezirken auflisten sowie differenzieren nach a. entscheidender Stelle, b. die Räumung ausführenden Behörden. Drucksache 21/17554 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Rechtsgrundlage: Wie oft wurden durch welche Stelle Räumungen seit 2015 bis heute insgesamt angekündigt? a. In wie vielen der genannten Fälle ist diesen Räumungsankündigungen nachgekommen worden? b. In wie vielen der genannten Fälle wurde durch die Ankündigung die Räumung entbehrlich? Die bezirklichen Fachämter Management des öffentlichen Raumes treffen Entscheidungen über das Räumen von Schlafplätzen von obdachlosen Menschen und beauftragen die Stadtreinigung mit der Durchführung. Die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksämter sind regelmäßig zum Termin der Räumung anwesend. Auch durch die Polizei wird in Amtshilfe die Räumung beauftragt und begleitet. Hierbei erfolgt keine statistische Erfassung. Erfolgt die Aufforderung zur Räumung und die Räumung durch die Polizei, erhält das Bezirksamt einen Bericht. Eine statistisch auswertbare Sammlung dieser Berichte erfolgt nicht. Bezirklich veranlasste Räumungen seit 2015: Jahr Quartal Wandsbek Hamburg-Mitte Harburg Hamburg- Nord 2015 I. 2 4 0 / II. 2 14 1 / III. 2 17 1 / IV. 1 9 0 / 2016 I. 0 10 1 / II. 1 11 1 / III. 1 25 2 / IV. 2 30 0 / 2017 I. 0 21 0 / II. 2 17 2 / III. 1 20 2 / IV. 2 19 0 / 2018 I. 0 20 0 5 II. 1 19 1 8 III. 1 31 1 2 IV. 0 19 2 5 2019 I. 0 20 0 2 II. 2 14 5 2 Summe durchgeführter Räumungen 20 320 19 24 Angekündigte Räumungen 110 / 20 / Räumung durch Ankündigung entbehrlich 90 / 1 / Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat mitgeteilt, dass die Anzahl der Ankündigungen, der davon tatsächlich durchgeführten Räumungen und der entbehrlich gewordenen Räumungen nicht differenziert statistisch erfasst wird. Eine Einzelfallauszählung sei in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Das Bezirksamt Altona hat mitgeteilt, dass Räumungen statistisch nicht erfasst werden . Seitens des Bezirksamtes Bergedorf wurden keine Räumungen durchgeführt. Das Bezirksamt Eimsbüttel teilte mit, dass für eine Beantwortung der Fragestellung eine Einzelauswertung im gesamten Bereich der Beschwerden und Ordnungswidrigkeiten von circa 3 500 Vorgängen erforderlich ist. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Aus den gleichen Gründen hat das Bezirksamt Hamburg-Nord für den Zeitraum 2015 bis einschließlich Dezember 2017 keine belastbaren Zahlen liefern können. Die Zahl Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17554 3 angekündigter, jedoch entbehrlich gewordener Räumungen wird statistisch nicht erfasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Auf welchem Wege werden Räumungen den Betroffenen angekündigt (mündlich/schriftlich)? a. Welche Fristen werden zwischen Ankündigung einer Räumung und der tatsächlichen Durchführung gesetzt? b. In welchen Sprachen findet die Räumungsankündigung statt? 4. Wie wird verfahren, wenn Betroffene nicht vorzufinden sind? Werden den Betroffenen alternative Übernachtungsmöglichkeiten angeboten? a. Wenn ja, durch wen und welche Angebote werden den Betroffenen gemacht? b. Wenn nein, warum nicht? c. Welche Angebote werden Betroffenen ohne derzeit realisierbares Anrecht auf längerfristige Unterbringung gemacht? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksämter sprechen die vor Ort angetroffenen Personen an und händigen eine schriftliche Räumungsaufforderung aus. Sollte keine Person vor Ort sein, wird die schriftliche Räumungsaufforderung hinterlegt , in der Regel in mehreren Sprachen. Diese Sprachen sind neben Deutsch zumeist Englisch und teilweise osteuropäische Sprachen (Polnisch, Bulgarisch, Rumänisch, Russisch). Die Fristsetzungen reichen in der Regel bis zu einer Woche und werden einzelfallabhängig nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, mit einer Mindestfrist von 24 Stunden . Durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Außendienstes wird auf die Angebote der Wohnungslosenhilfe hingewiesen, darunter insbesondere die Notübernachtungsund Tagesaufenthaltsstätten sowie Beratungsstellen, auch und gerade für Menschen ohne realisierbare sozialrechtliche Leistungsansprüche. 5. Inwieweit werden beispielsweise Sozialarbeiter/-innen vorab über Räumungen informiert, um so Hilfs- und Unterstützungsangebote sicherzustellen ? a. Falls ja, erfolgt dies systematisch, sodass ohne vorherige Kontaktaufnahme und das Aufsuchen durch Sozialarbeit nicht geräumt wird? b. Falls nein, warum nicht? 6. Inwiefern werden und können Sonderreglungen und Ausnahmen getroffen werden, damit laufende sozialarbeiterische Hilfeprozesse nicht abgebrochen/beendet werden? Die Maßnahmen orientieren sich an der individuellen Störung vor Ort und den individuellen Lebensumständen der angetroffenen Personen. Die Benachrichtigung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und die Einbeziehung weiterer sozialer Einrichtungen erfolgt überwiegend einzelfallabhängig. Dabei werden auch Überlegungen einbezogen, wie durch geeignete Absprachen zum Räumungsablauf und -zeitpunkt laufende Hilfeprozesse unbeschadet bleiben. Gegen eine durchgehende systematische Einbeziehung spricht oftmals, dass die Betroffenen teilweise bereits zu erkennen geben, dass sie eine Zusammenarbeit mit der ihnen bekannten Sozialarbeit sowie weiterführende Hilfen strikt ablehnen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/17554 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Wie wird bei Räumungen mit persönlichem Hab und Gut verfahren und bestehen hierfür Verwahr-/Liefermöglichkeiten, damit persönliche Dinge sowie Personaldokumente nicht verloren gehen? Gegenstände von Wert oder Bedeutung (zum Beispiel Personaldokumente) werden gelagert und zur Abholung vorgehalten. Soweit eine darüber hinausgehende Verwahrung nicht sachgerecht ist, werden die Gegenstände von der Stadtreinigung Hamburg entfernt und entsorgt.