BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17562 21. Wahlperiode 25.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 18.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Schutz für Menschen mit Behinderungen in Gefahrensituationen, humanitären Notlagen und bei Naturkatastrophen Artikel 11 der UN-Behindertenrechtskonvention soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen in Gefahrensituationen, humanitären Notlagen und bei Naturkatastrophen Schutz und Sicherheit erfahren. Im aktuell vorliegenden Bericht des Senats zur Umsetzung der UN-BRK in Hamburg (Drs. 21/16645) wird darüber berichtet, welche Maßnahmen es gibt, die gehörlose Menschen ergreifen können, wenn sie sich in einer Notsituation befinden. Allerdings enthält der Bericht keine Hinweise, wie gehörlose oder höreingeschränkte Menschen, die sich nur in Gebärdensprache verständigen können, von Gefahrensituationen, humanitären Notlagen oder Naturkatastrophen und dazu eingeleiteten Schutzmaßnahmen der Stadt Hamburg erfahren. Oder auch wie Menschen davon erfahren, die nur Leichte Sprache verstehen können . Über Hinweise für Menschen mit Seheinschränkungen beziehungsweise für Erblindete bezüglich der Schutzmaßnahmen steht auch nichts in dem Bericht. Darüber hinaus erwähnt der Bericht auch nicht, welche Maßnahmen es für Menschen mit Behinderungen in einer Naturkatastrophensituation oder anderen humanitären Notlage gibt, zum Beispiel wenn evakuiert werden muss. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Maßnahmen ergreift der Senat bei humanitären Notlagen, Naturkatastrophen und anderen Gefahrensituationen für Menschen mit welchen Behinderungen? Bitte detailliert nach Maßnahme für Menschen mit welcher Behinderung und sämtlichen finanziellen Mitteln dazu angeben . 2. Über welche Medien und Kanäle werden bei welchen Anlässen welche Meldungen bei Gefahrenlagen durch wen oder was kommuniziert? Bitte angeben nach Medium, kommunizierender Person oder Instanz, Anlass der Kommunikation, Format der Kommunikation (Schrift, Gebärdensprache , optische Hinweise, akustische Hinweise). 3. Wie erfahren Menschen, die alleinig in Gebärdensprache kommunizieren können, von Bränden, Naturkatastrophen oder anderen Gefahrenlagen, die eine größere Anzahl von Menschen betreffen und gefährden können, insbesondere wenn Evakuierungsmaßnahmen vorgesehen sind? Bitte nach Medien wie Internet oder Fernsehen und dem Anlass der Benennung der Gefahrenlage, die Anlass dafür ist, angeben. 4. Wie erfahren Menschen, die alleinig in Leichter Sprache kommunizieren können, von Bränden, Naturkatastrophen oder anderen Gefahrenlagen, die eine größere Anzahl von Menschen betreffen und gefährden können, Drucksache 21/17562 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 insbesondere wenn Evakuierungsmaßnahmen vorgesehen sind? Bitte nach Gefahrenlagen und Kommunikationsweg zu den nur Leichte Sprache verstehenden angeben. 5. Welche Maßnahmen ergreift der Senat bei Evakuierungen für Menschen , die im Rollstuhl sitzen, bei Gefahrensituationen wie zum Beispiel Großbränden, Chemieunfällen, Gebäudeeinstürzen oder Überschwemmungen ? 6. Welche Sammelstellen in welchen Bezirken gibt es für Menschen mit Behinderungen im Evakuierungsfall aufgrund von in Frage 4. genannten Gefahrensituationen und wie erfahren Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen davon? Bitte angeben nach Bezirk (wenn möglich), Sammelstelle und Kommunikationsform für die jeweiligen Menschen mit Behinderungen. 7. Welche Aushänge und sonstigen optischen Hinweise gibt es für Menschen , die eine Seheinschränkung haben, bezüglich Gefahrensituationen und Schutzmaßnahmen dazu, die auf Basis von Naturkatastrophen oder humanitären Notlagen entstanden sind? Bitte detailliert nach Hinweismaßnahmen und Gefahrensituation angeben. Der Katastrophenschutz der Freien und Hansestadt Hamburg hat für Katastrophenund Großschadenslagen anlassbezogene und anlassübergreifende Konzeptionen und Planungen. Diese berücksichtigen auch, dass Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die zum Beispiel auf eine Kommunikation in Leichter Sprache angewiesen sind, von den Maßnahmen der Behörden betroffen sein könnten. Um diese Maßnahmen und die Finanzmittel alle in ihrer Gesamtheit darzustellen, müssten die Katastrophenschutzpläne und Haushaltspläne der beteiligten Behörden und Ämter ausgewertet werden. Dieses ist in der für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung stehen Zeit nicht möglich. Gleichwohl können die Fragen 1. bis 7. zusammenfassend wie folgt beantwortet werden. Der Katastrophenschutz informiert im Vorwege von Großschadenslagen und Gefahren präventiv über den Internetauftritt: http://www.hamburg.de/katastrophenschutz. Für Sehbehinderte ist hamburg.de mit einer „Vorlesefunktion“ ausgestattet. Über den Downloadbereich von www.hamburg.de/katastrophenschutz oder die Verlinkung zum Portal des Bundesamtes für Bevölkerungsschutzes und Katastrophenhilfe können Informationsbroschüren zu verschiedenen Gefahren heruntergeladen werden. Ebenfalls werden Informationen über die richtigen Verhaltensweisen und Maßnahmen der Behörden in entsprechenden Gefahrensituationen bereitgestellt. Zum Beispiel wird die Bevölkerung über die von der Behörde für Inneres und Sport alle zwei Jahre herausgegebenen Sturmflutbroschüren über die aktuellen Sammelstellen in ihrem Wohngebiet informiert. Die jeweils betreffenden Bürgerinnen und Bürger wurden ermittelt. Eine Zustellung der Informationsbroschüre erfolgte adressatenbezogenen. Die Broschüren können unter folgender Internetadresse herunter geladen werden: https://www.hamburg.de/sturmflut/3425646/sturmflut-download-1/. Für die Warnung der Bevölkerung in den benannten Krisensituationen gibt es ein Konzept. Dieses richtet sich auch an Menschen mit Behinderung und Menschen, die auf Kommunikation in leichter Sprache angewiesen sind. Das Warnkonzept unterscheidet nicht zwischen Gefahrenlagen. Es obliegt den jeweils zuständigen Behörden und Ämtern, im Ereignisfall lageabhängig Maßnahmen für die konkrete Situation zu treffen. Zu den wichtigsten Warnmitteln zählt die Verbreitung von Gefahrenmeldungen über Medien und andere Kanäle. Diese erhalten im Ereignisfall durch den Lagedienst der Polizei Hamburg oder durch den Zentralen Katastrophendienststab Hamburg über das satellitengestützte Warnsystem von Bund und Ländern „MoWas“ (Modulare Warnsystem ) Gefahrenmeldungen, die dann wiederrum an die Bevölkerung kommuniziert werden . Dabei erfolgt die Verbreitung von Gefahrenmeldungen unter anderem über Radio- und Fernsehsender, sogenannte Warn-Apps (zum Beispiel NINA, KATWARN), Internetdienstleister, Presseagenturen, Sicherheitszentrum der Deutschen Bahn AG, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17562 3 digitale Werbeanlagen, Paging-Dienste. Die öffentliche-rechtlichen Fernsehsender verbreiten Nachrichten auch über Gebärdensprache. Über das sogenannte Rote Laufband werden Gefahrenhinweise sowohl über öffentlich-rechtliche als auch über private Fernsehsender verbreitet. Visuelle Hinweise erfolgen ebenfalls durch die Verbreitung von Gefahrenmeldungen über Onlineplattformen von Internetdienstanbietern, digitalen Werbeanlagen in der Stadt und in den Bahnhöfen der Deutschen Bahn AG. Über „Warn-App“ können sowohl akustische und visuelle als auch mechanische (Vibrationsalarm ) Hinweise gegeben werden. Zusätzlich können von der Behörde für Inneres und Sport, der Pressestelle des Senats sowie von der Betreibergesellschaft auf der Startseite des Stadtportals www.hamburg.de eine grafisch auffällig gestaltete Eilmeldung in roter Schrift oberhalb des Contents im sichtbaren Bereich der Website geschaltet werden. Überdies erfolgen Warnungen über die Sirenen, über Lautsprecherwagen, die durch das Gefahrengebiet fahren, das Böllerschießen im Hafen, über eine telefonische Einzelwarnung im Hafen und lageabhängig gegebenenfalls auch durch eine persönliche Benachrichtigung durch Einsatzkräfte. Dabei werden unter Umständen alle zur Verfügung stehenden Mittel bedient, um möglichst alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Außerdem informieren Polizei und Feuerwehr lageabhängig über Facebook und Twitter. Sollten in Krisensituationen Evakuierungsmaßnahmen erforderlich sein, werden diese strukturiert durchgeführt. Unabhängig von der jeweiligen Gefahrenlage werden lageabhängig Maßnahmen getroffen. Menschen, die bei Evakuierungsmaßnahmen nicht in der Lage sind, mit eigenen Mitteln das Gebiet zu verlassen, werden mit Bussen der Hamburger Hochbahn oder der S-Bahn evakuiert. Diese öffentlichen Verkehrsmittel sind barrierefrei ausgerüstet beziehungsweise barrierefrei zugänglich. Überdies ist vorgesehen, dass Personen, die körperlich oder geistig nicht in der Lage sind, eigenständig ihren Aufenthaltsbereich zu verlassen, durch die Feuerwehr Hamburg evakuiert werden. Dieses erfolgt dann je nach Situation mit einem Krankentransport- oder Rettungswagen. Dabei wird die Feuerwehr erforderlichenfalls durch die Hilfsorganisationen unterstützt. Für solche Zwecke gibt es den Patiententransportzug Hamburg (eine Einsatzorganisation des Katastrophenschutzes). Die evakuierten Personen werden in vorbereitete Notunterkünfte gebracht. Hier sind besondere Bereiche für behinderte und gebrechliche Personen vorgesehen. Sollten diese Bereiche nicht ausreichen oder eine intensive medizinische Betreuung erforderlich sein, werden die Personen in Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen untergebracht. Eine Betreuung erfolgt durch eigens ausgebildete Betreuungskräfte der Hilfsorganisationen oder im Bedarfsfall auch durch medizinisch ausgebildetes Personal der Feuerwehr Hamburg oder der Hilfsorganisationen sowie speziell ausgebildete Einsatzkräfte der Psychosozialen Notfallversorgung. Für die Sturmflutgefahr können im Vorwege gefährdete Orte identifiziert und damit auch in der Nähe liegende sichere Orte als Sammelstellen festgelegt werden. Diese Festlegung erfolgt durch die Bezirke. Dabei wird auch darauf geachtet, dass die Sammelstellen barrierefrei zugänglich sind. Die Informationen über die Sammelstellen sind in den vorgenannten Sturmflutbroschüren zu finden. Anlässlich anderer Gefahren werden die Gefahrenabwehr- und Katastrophenschutzbehörden anlassbezogenen und lageabhängig Sammelstellen festlegen und mit den dargestellten Mitteln über diese informieren. Bei bestimmten objektbezogenen Gefahren, zum Beispiel Brandgefahr, sind die jeweiligen Eigentümer/Besitzer von privaten und gewerblichen Immobilien selbst in der Verpflichtung, Sammelstellen festzulegen. Im Übrigen sind Maßnahmen im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderungen geübte Praxis für Polizei, Feuerwehr und zuständige Bezirke. Das Einschreiten der Einsatzkräfte ist diesbezüglich konzeptionell ausgerichtet und auf die entsprechenden dringenden Bedürfnisse abgestellt. So werden zum Beispiel regelmäßig anlässlich von Bombenfunden auch Patienten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen so wie behinderte Personen aus ihren Privatwohnungen evakuiert.