BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17567 21. Wahlperiode 25.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 18.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Bedenkenfreies Tragen von Kippas in Hamburg? Die Anzahl antisemitischer Straftaten ist in Hamburg in den vergangenen Jahren stetig in nicht unerheblicher Höhe gestiegen. Menschen meiden bestimmte Gegenden, um sich nicht der Gefahr antisemitisch motivierter Übergriffe auszusetzen. Nunmehr wurde durch den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, sogar die Empfehlung ausgesprochen, nicht überall eine Kippa zu tragen.1 Dabei ist es dem Senat nach eigenen Angaben (siehe Drs. 21/15617) ein besonders wichtiges Anliegen, dass Menschen jüdischen Glaubens in Hamburg keine Angst vor Übergriffen, Beleidigungen oder Diskriminierungen haben müssen, wenn sie sich öffentlich sichtbar zu ihrem Glauben bekennen. Es bedarf daher der Hinterfragung, inwieweit bekannte antisemitisch motivierte Übergriffe und Straftaten in Hamburg in Bezug zu öffentlich getragenen Kippas standen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Antisemitische Beleidigungen, Drohungen oder Angriffe – wie zuletzt der Vorfall betreffend den Landesrabbiner und ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg am 20. Juni 2019 auf dem Rathausmarkt – werden vom Senat scharf und unabhängig davon verurteilt, ob diese unmittelbar mit dem Tragen einer Kippa zusammenhängen. Es ist dem Senat ein besonders wichtiges Anliegen, dass Menschen jüdischen Glaubens in Hamburg keine Angst vor Übergriffen, Beleidigungen oder Diskriminierungen haben müssen, wenn sie sich öffentlich sichtbar zu ihrem Glauben bekennen. Der Senat hat bereits mehrfach zu seinen vielfältigen Aktivitäten berichtet, siehe hierzu Drs. 21/15993, Drs. 21/15765, Drs. 21/15617, Drs. 21/15446, Drs. 21/14339, Drs. 21/14290, Drs. 21/14042, Drs. 21/11627, Drs. 21/11343, Drs. 21/11759 und Drs. 21/10441, Drs. 21/9096, Drs. 21/8708, Drs. 21/8611 sowie Drs. 21/5315. Antisemitismus ist ein ernst zu nehmendes Problem, dem Hamburg auf unterschiedlichen Ebenen begegnet. Derzeit wird die Antisemitismusprävention weiterentwickelt – hierzu hat die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) am 17. Juni 2019 den Fachtag „Antisemitismus – erkennen und begegnen!“ ausgerichtet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg sowie teilweise auf Grundlage von Auskünften der Beratungsstelle „empower – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ (empower) wie folgt: 1 https://www.welt.de/politik/article194160769/Felix-Klein-Antisemitismusbeauftragter-warnt- Juden-vor-Tragen-der-Kippa.html. Drucksache 21/17567 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Inwieweit ist es dem Senat bekannt, dass sich jüdische Mitbürger in Hamburg nicht trauen, öffentlich sichtbar Kippas zu tragen? a. Gab es in der letzten Zeit Vorfälle, bei denen jüdische Mitbürger wegen des Tragens einer Kippa verbal oder tatsächlich angegriffen oder bedroht wurden? Hier bitte eine genaue Aufschlüsselung nach Art und Ort der Übergriffe aus den letzten fünf Jahren. b. Wie sahen die Angriffe konkret aus, handelte es sich um Diskriminierungen oder andere noch nicht strafbar gelagerte Angriffe? Dem Senat liegen Informationen vor, wonach im Frühjahr 2018 eine Kippa tragende Person auf einem Fußweg tätlich angegriffen wurde. Der Betroffene hat den Vorfall seiner Gemeinde gemeldet. Anzeige bei einer staatlichen Stelle wurde nicht erstattet. Darüber hinausgehende Informationen zu Zeit, Ort und Hintergründen wurden dem Senat nicht mitgeteilt. Der für das Monitoring von antisemitischen Vorfällen zuständigen Beratungsstelle empower liegen für den Zeitraum 2015 bis heute keine bekannten Vorfälle in Bezug auf Antisemitismus gegen Kippa tragende Juden vor. In Gesprächen mit dem Senat und den zuständigen Behörden haben sowohl Vertreterinnen und Vertreter der Liberalen Jüdischen Gemeinde als auch der Jüdischen Gemeinde Hamburgs berichtet, dass jüdische Bürgerinnen und Bürger Symbole ihrer Zugehörigkeit (Kippa, Davidstern) im öffentlichen Raum und Institutionen (beispielsweise Arbeitsplatz, Schule, Sportvereine) nicht offen tragen und sich häufig nicht als Jude beziehungsweise Jüdin zu erkennen geben. Dies wurde auch auf dem oben genannten Fachtag der BASFI wiederholt deutlich. Im Übrigen wird der erfragte Sachverhalt, „Angriff auf einen Kippa tragenden Bürger“, in den polizeilichen Datenbeständen nicht erfasst. So kann die Kriminaltaktische Anfrage (KTA) des kriminalpolizeilichen Meldedienstes politisch motivierte Kriminalität (KPMD PMK) als mögliche Recherchegrundlage zur Beantwortung der Fragen nicht genutzt werden, da Begriffe wie „Kippa“ oder ähnliche im KPMD PMK nicht erfasst werden. Zur Beantwortung der Frage müsste daher eine Auswertung von über hundert Handakten des erfragten Zeitraumes hinsichtlich der Fragestellung erfolgen. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Zur Erfassung von Straftaten der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK), den Auswertemöglichkeiten und deren Grenzen siehe Drs. 21/3165. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. c. Wie wurde präventiv im Rahmen der Gefahrabwehr dagegen vorgegangen ? d. Welche Maßnahmen zur Vermeidung solcher Angriffe wurden ergriffen beziehungsweise welche sind in naher Zukunft geplant? Die Polizei Hamburg steht im engen und fortwährenden Austausch mit allen Sicherheitsbehörden sowie involvierten zivilgesellschaftlichen Akteuren. Unter fortwährender Lagebewertung wird die Erforderlichkeit von Maßnahmen durch die Polizei geprüft. Bislang waren keine polizeilichen Maßnahmen erforderlich. Darüber hinaus befindet sich die Polizei bezüglich möglicher Gefährdungen im ständigen Dialog mit den jüdischen Einrichtungen in Hamburg. 2. Wie viele Anzeigen wurden in diesem Zusammenhang erfasst? 3. Wie viele Straftaten sind dem Senat bekannt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit sichtbar getragenen Kippas standen? Bitte hier eine genaue Aufschlüsselung aus den vergangenen fünf Jahren. a. Welche Straftaten wurden dabei konkret erfasst? b. An welchen Orten wurden die Straftaten verübt? c. Welche Maßnahmen zur Vermeidung solcher Angriffe wurden ergriffen beziehungsweise welche sind in naher Zukunft geplant? Siehe Antworten zu 1. bis 1. b. und 1. c. und d.