BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17577 21. Wahlperiode 25.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 19.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Öffentlich finanzierte Grabpflege für KZ-Kommandanten Nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) gilt für Gräber von Militärangehörigen, die in der Zeit vom 26.08 1939 bis zum 31.03.1952 „während ihres militärischen oder militärähnlichen Dienstes“ oder infolge von dabei erlittenen Gesundheitsverletzungen ums Leben gekommen sind, ein ewiges Ruherecht. Diese Gräber werden dauerhaft instand gesetzt und gepflegt. Die Zuständigkeit für die Erhaltung der Gräber sind die Bundesländer, deren Aufwendungen vom Bund erstattet werden. Unter den nach dem Gräbergesetz erhaltenen und gepflegten Gräbern finden sich neben denen von Wehrmachtssoldaten auch solche von Angehörigen der Schutzstaffel der NSDAP (SS), die maßgeblich an der Planung und Durchführung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt war. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat auf diesen Umstand in einer Kleinen Anfrage an den Bundestag hingewiesen (vergleiche BT.-Drs. 19/10407). Dabei wies sie auch darauf hin, dass sich das Grab des Lagerkommandanten des Konzentrationslagers Dachau und des Konzentrationslagers Sachsenhausen , Hermann Baranowski, auf dem Friedhof Ohlsdorf befinden soll. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat jüngst in einem Gutachten darauf hingewiesen, dass sich aufgrund des Gesetzeszwecks des Gräbergesetzes – den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wach zu halten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben, § 1 Absatz1 GräberG – ein Ausschluss von Gräbern von Kriegsverbrechern aus dem Anwendungsbereich des Gräbergesetz begründen ließe (vergleiche WD 2- 3000 – 073/19, 07.06.2019). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Da es sich bei dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft um ein Bundesgesetz handelt, liegt die Zuständigkeit für dessen Auslegung nicht beim Hamburger Senat. Dies betrifft auch die Definition der im Sinne des Gesetzes zu pflegenden Gräber. Im Übrigen siehe BT.-Drs. 19/10407 unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/104/ 1910407.pdf. Dort heißt es: Drucksache 21/17577 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 „Der Volksbund, der seine Arbeit unter das Motto „Arbeit für den Frieden – Versöhnung über den Gräbern“ gestellt hat, ist im Hinblick auf sein 100. Gründungsjahr 2019 zudem dabei, über die bestehende Ausstattung hinaus 19 ausgewählte Kriegsgräberstätten mit edukativen Elementen auszustatten, die den Besucher über das Kriegsgeschehen vor Ort und die Schicksale der dort ruhenden Toten informieren. Mit den Erfahrungen aus diesem Pilotprojekt sollen nach dessen Abschluss weitere Kriegsgräberstätten auch zu Lernorten entwickelt und mit edukativen Mitteln ausgestattet werden. Auch die Auseinandersetzung mit den Taten erwiesener Kriegsverbrecher unter den Toten gehört dazu. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse des Pilotprojektes auch auf Kriegsgräberstätten in Deutschland wird zu prüfen sein. Wegen der Zuständigkeit der Länder für die Pflege der Anlagen wird dies im Dialog mit den Ländern erfolgen.“ Darüber hinaus hält der Senat die vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages vorgenommene Bewertung für absolut nachvollziehbar und begrüßenswert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Friedhöfe (HF) wie folgt: 1. Wie viele Gräber (Einzel- oder Sammelgräber) von SS-Angehörigen werden in Hamburg mit den Bundesmitteln zur Erhaltung und Pflege von Kriegsgräbern erhalten und gepflegt? Bitte Namen angeben und nach Ort der Gräber aufschlüsseln. Der zuständigen Behörde liegen Kriegsgräberlisten in neun Bänden in Papierform vor. Diese Listen beinhalten alphabetisch geordnet Angaben zum Geburts- und Sterbedatum , Angaben zur Erkennungsmarke sowie zum Dienstgrad oder Beruf von über 50 000 Personen. Die stichprobenartige Durchsicht hat ergeben, dass sich darunter auch SS-Angehörige befinden. In der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist eine Auswertung dieser Angaben zu über 50 000 Personen jedoch nicht möglich. 2. Die Gräber welcher KZ-Kommandanten werden in Hamburg mit Bundesmitteln zur Erhaltung und Pflege von Kriegsgräbern erhalten und gepflegt? Bitte Namen der Personen angeben und nach Ort der Gräber aufschlüsseln. Hinsichtlich der Kommandanten der in Hamburg gelegenen nationalsozialistischen Konzentrationslager Fuhlsbüttel und Neuengamme ist der zuständigen Behörde kein heute noch existierendes Grab bekannt, das unter die Bestimmungen des Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft fällt. 3. Wie viele Gräber (Einzel- oder Sammelgräber) von Angehörigen von NS- Organisationen werden in Hamburg mit den Bundesmitteln zur Erhaltung und Pflege von Kriegsgräbern erhalten und gepflegt? Bitte nach Ort der Gräber aufschlüsseln. In den in der Antwort zu 1. genannten Listen liegen keine Angaben über NS-Organisationen vor. 4. Wie viele Gräber (Einzel- oder Sammelgräber) in Hamburg werden insgesamt von den Bundesmitteln zur Erhaltung und Pflege von Kriegsgräbern erhalten und gepflegt? Siehe Anlage. 5. Welche Personen (Angehörige der SS, der Einsatzgruppen, der Gestapo , der Wehrmacht oder anderen NS-Organisationen), deren Gräber mit Bundesmitteln erhalten und gepflegt werden, waren nach Kenntnis der Bundesregierung an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder anderen Gräueltaten beteiligt? Die Kenntnis der Bundesregierung liegt außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats und der parlamentarischen Kontrolle der Bürgerschaft. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17577 3 6. Inwiefern sind nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde KZ-Kommandanten und weitere deutsche Militärangehörige , die an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder anderen Gräueltaten beteiligt waren und deren Gräber mit Bundesmitteln erhalten werden, „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ im Sinne des Gräbergesetzes? 7. Ist der Senat der Ansicht, dass die zeitlich unbefristete Erhaltung und Pflege von Gräbern von SS-Mitgliedern und von anderen Kriegsverbrechern ein geeigneter Weg ist, um „der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wach zu halten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben“, wie es das Gräbergesetz in § 1 Absatz 1 bezweckt? Siehe Vorbemerkung. 8. Ist es zutreffend, dass sich das Grab des KZ-Lagerkommandanten Hermann Baranowski auf dem Friedhof in Ohlsdorf befindet? a. Ist es zutreffend, dass das Grab von Hermann Baranowski als Grab im Sinne des Gräbergesetzes erhalten wird? Wenn ja, aus welchen Gründen wird es erhalten, obwohl Baranowski offenbar nicht an einer im Dienst erlittenen Verletzung verstorben ist. b. In welchem Teil des Ohlsdorfer Friedhofs liegt das Grab? c. Welche Inschrift ist auf dem Grabstein vermerkt? d. Befindet sich an seinem Grab ein Hinweis auf seine Verbrechen? Der Friedhofsverwaltung liegen keine Unterlagen vor, die bestätigen, dass Hermann Baranowski auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt wurde. Es fehlt insbesondere eine Eintragung in den Archiven für Feuer- und Sargbestattung, die seit Friedhofsgründung alle Beisetzungen erfassen und konsequent archiviert sind, auch wenn die Grabstätten bereits geräumt sind. Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Staatliche Friedhöfe Anzahl d. Beigesetzten Friedhof Ohlsdorf 12.646 36.918 Friedhof Öjendorf 5.849 Friedhof Wohldorf 13 Hauptfriedhof Altona 1.861 Friedhof Bergedorf 1.046 Friedhof Lohbrügge 13 Friedhof Finkenwerder 64 Friedhof Hahnöfersand 70 Friedhof Mengenstraße (ehem.) 11 Friedhof Fischbek 68 Friedhof Neugraben 2 Friedhof Altenwerder 1 Alter Friedhof Harburg (ehem.) 81 Anzahl d. Kriegs- Gräber 12.142 Sammelgrab 5.849 13 1.856 1.041 13 58 70 11 68 2 1 81 Summe 52.794 15.356 Kirchliche Friedhöfe Anzahl d. Anzahl d. Kriegs- Beigesetzten Gräber Friedhof Diebsteich 502 502 Friedhof Bornkamp 1 1 Friedhof Blankenese 115 115 Friedhof Niendorf 96 87 Friedhof Stellingen 36 27 Friedhof Eidelstedt 19 19 Friedhof Nienstedten 13 11 Friedhof Schiffbek 11 11 Friedhof Rahlstedt 154 154 Friedhof Tonndorf 94 93 172 Sammelgrab Friedhof Hinschenfelde 5 4 Alter Friedhof Wandsbek 7 7 Friedhof Bergstedt 5 5 Friedhof Neuengamme 42 42 Friedhof Ochsenwerder 35 33 Friedhof Curslack 2 2 Friedhof Moorburg 2 2 Friedhof Allermöhe 7 7 Neuer Friedhof Harburg 1.774 1.597 476 Sammelgrab Friedhof Sinsdorf 40 40 Friedhof Neuenfelde 2 2 Summe 3.610 2.761 Jüdische Friedhöfe Friedhof Ohlsdorf 157 156 Friedhof Bahrenfeld 10 10 Friedhof Langenfelde 7 7 Summe 174 173 Drucksache 21/17577 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 17577ska_Text 17577ska_Anlage