BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17598 21. Wahlperiode 28.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 20.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Clearingstelle „Gesundheitsversorgung Ausländer“: Wie steht es um die medizinische Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz ? In Hamburg lebende Menschen ohne Krankenversicherungsschutz können sich im Krankheitsfall an die Clearingstelle „Gesundheitsversorgung Ausländer “ beim Flüchtlingszentrum Hamburg wenden. Dort wird im Rahmen eines Clearingverfahrens geklärt, ob ein Krankenversicherungsschutz besteht oder hergestellt werden kann und die Hilfesuchenden so in das medizinische Regelsystem integriert werden können. Verfügt die hilfesuchende Person über keinen Krankenversicherungsschutz, können Behandlungskosten gegebenenfalls aus einem dafür eingerichteten Notfallfonds übernommen werden. Der „Notfallfonds“ wird durch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration mit jährlichen Zuwendungen in Höhe von 250 000 Euro gefördert, darin enthalten sind auch die laufenden Betriebskosten der Clearingstelle . Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Das Ziel der Beratung der Clearingstelle für die medizinische Behandlung von Ausländerinnen und Ausländern ist in erster Linie die Klärung, ob für die Hilfesuchenden eine Absicherung im Krankheitsfall besteht. Des Weiteren werden Hilfesuchende bei der Integration in die Regelversorgung unterstützt. Dazu gehört neben der Prüfung, ob im jeweiligen Einzelfall eine deutsche Krankenversicherung oder die Krankenversicherung im Heimatland zuständig ist oder ob Sozialleistungsansprüche bestehen, auch die Beratung in ausländerrechtlichen Angelegenheiten. Die Beratung soll außerdem klären, ob und wie eine Offenbarung der Identität gegenüber staatlichen Stellen erfolgen kann und mit welchen rechtlichen Folgen zu rechnen ist. Mit einer Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde beziehungsweise bei den Dienststellen der Grundsicherungs- und Sozialämter steht es allen Betroffenen offen, in das sozialrechtliche und damit auch medizinische Regelsystem zu kommen. Sofern bei den Hilfesuchenden eine Versorgung im Regelsystem nicht möglich ist, soll die Clearingstelle die akut notwendige medizinische Versorgung durch Herstellung eines Kontaktes zu einer in Hamburg behandelnden Ärztin oder Arzt beziehungsweise zu einer medizinischen Anlaufstelle sicherstellen. Die Kostenübernahme erfolgt dann gegebenenfalls durch den Notfallfonds. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Zentrale Information und Beratung für Flüchtlinge gGmbH (Flüchtlingszentrum Hamburg) wie folgt: 1. Wie viele Beratungsgespräche hat die Clearingstelle in 2018 und im 1. Halbjahr 2019 durchgeführt? Drucksache 21/17598 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Davon EU-Bürger/-innen? b. Davon EU-Drittstaatsangehörige? c. Davon Nicht-EU-Bürger/-innen? 2018 wurden seitens der Clearingstelle 1 438 Beratungsgespräche, 2019 bislang 850 Beratungsgespräche geführt. Eine Statistik darüber, welche Staatsangehörigkeit die einzelnen Ratsuchenden der Beratungsgespräche hatten, gibt es nicht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. In wie vielen Fällen konnten die Klienten/-innen in das medizinische Regelsystem integriert werden? Bitte nach Staatsangehörigkeit auflisten. 2018 konnten 137 Personen in das sozialrechtliche Regelsystem integriert werden. Die jeweiligen Staatsangehörigkeiten können der nachfolgenden Liste entnommen werden: Staatsangehörigkeit Anzahl Ghana 44 Vietnam 13 Serbien 8 Nigeria 7 Nord-Mazedonien 7 Ägypten 5 Benin 4 Guinea; Russische Föderation; Rumänien; Polen; Bulgarien; Albanien; Burkina Faso; Elfenbeinküste; Honduras; Togo; Irak; Marokko, Afghanistan Guinea-Bissau; Kolumbien; Tunesien; Haiti; Peru; Bosnien- Herzegowina; Ecuador; Philippinen; Kosovo; Portugal; Kenia; Niger; Senegal; Aserbaidschan 1 bis 3 Für 2019 liegen die Zahlen nur bis zum 21.06.2019 vor. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten 96 Personen in das sozialrechtliche Regelsystem integriert werden. Die jeweiligen Staatsangehörigkeiten können der nachfolgenden Liste entnommen werden: Staatsangehörigkeit Anzahl Ghana 54 Vietnam 6 Ägypten 6 Benin; Kenia; Rumänien; Nigeria; Türkei; Nord-Mazedonien; Guinea; Elfenbeinküste; Serbien Somalia; Syrien; Albanien; Portugal; Guinea- Bissau; Honduras; Togo; Kamerun; Gambia 1 bis 3 3. In wie vielen Fällen haben die Hilfesuchenden ihren Rückreisewillen bekundet? a. In wie vielen Fällen und für welche Dauer konnten Überbrückungsleistungen nach §28 SGB XII realisiert werden? b. Welche Behandlungen wurden im Rahmen der Überbrückungsleistungen nach SGB XII zur Wiederherstellung der Reisefähigkeit übernommen werden? Bitte nach Staatsangehörigkeit auflisten. 4. Mit welchen Erkrankungen oder Hilfebedarfen haben die genannten Personen vorgesprochen? Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. In wie vielen Fälle wurden die Behandlungskosten übernommen? a. Für welche Arten von Behandlungen wurden die Kosten übernommen ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17598 3 b. In wie vielen Fällen wurden Kosten für Operationen übernommen? c. In wie vielen Fällen wurden die Kosten für die Schwangerschaftsvorsorge übernommen? Bitte nach Staatsangehörigkeit der Klienten/-innen auflisten. 2018 wurde in 864 Fällen Behandlungskosten übernommen. Die Arten der Behandlung werden nicht erfasst, sondern lediglich die Fachrichtungen. Die Anzahl und die Fachrichtungen können aus der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Fachrichtung Abrechnung Augenheilkunde 18 Dermatologie 5 Gynäkologie 259 Hausarzt 24 HNO 2 Krankenhaus 152 Innere Medizin 34 Kardiologie 8 Labor 242 Neurologie 4 Orthopädie 43 Pädiatrie 12 Pneumologie 4 Psychatrie 1 Psychologie 0 Radiologie 24 Rheumatologie 0 Urologie 18 Zahnarzt 14 Summe Abrechnungen 864 Die Kosten für Operationen werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung aller über 1 000 Rechnungen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Für 2019 liegen noch keine Daten vor, da die Abrechnungen in der Regel zeitversetzt erfolgen. 2018 wurde für 133 Klientinnen eine Schwangerschaftsvorsorge übernommen. Die Staatsangehörigkeiten sind der nachfolgenden Liste zu entnehmen: Staatsangehörigkeit Anzahl Ghana 68 Vietnam 15 Ägypten 8 Benin 5 Guinea 5 Serbien 4 Burkina Faso Nigeria, Nord-Mazedonien; Albanien, Kenia; Niger Kolumbien; Brasilien; Haiti; Togo; Türkei; Somalia; Afghanistan; Elfenbeinküste; Kosovo; Honduras; Tunesien ; Kamerun; Senegal; Peru 1 bis 3 Für das Jahr 2019 erfolgte eine Auswertung bis zum 21.06.2019. In dieser Zeit wurde für 126 Klientinnen eine Schwangerschaftsvorsorge übernommen. Die Staatsangehörigkeiten sind der nachfolgenden Liste zu entnehmen: Staatsangehörigkeit Anzahl Ghana 72 Vietnam 21 Benin 6 Nigeria 4 Kenia; Ägypten; Guinea, Nord-Mazedonien, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Somalia; 1 bis Drucksache 21/17598 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Staatsangehörigkeit Anzahl Niger; Türkei; Gambia; China; Togo; Albanien; Honduras; Kamerun 3 6. In wie vielen Fällen wurde die Übernahme der Behandlungskosten abgelehnt ? Und was waren die Gründe hierfür? Für 2018 sind die Ablehnungsgründe der folgenden Tabelle zu entnehmen: Ablehnungsgrund Anzahl Duldung beantragt 27 Leistung nicht AsylbLG-kompatibel 26 TouristIn 22 UnionsbürgerIn (altes Verfahren) 14 Förderzusage nicht in Anspruch genommen 13 Krankenversichert im Heimatland 11 Kosten der Behandlung stehen nicht im Verhältnis zur Dringlichkeit der Behandlung 10 Krankenversichert in Deutschland 10 Nicht in Hamburg wohnhaft 9 Erlangung eines Aufenthaltsstatus möglich 9 Verpflichtungserklärung liegt vor 7 Eilfall 7 Ausreichendes eigenes Einkommen 6 Ausreichendes Einkommen des Partners 5 Aufenthaltstitel vorhanden 2 Summe 178 Für das Jahr 2019 erfolgte eine Auswertung bis zum 21.06.2019. Die Ablehnungsgründe können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Ablehnungsgrund Anzahl Duldung beantragt 16 TouristIn 10 Nicht in Hamburg Wohnhaft 9 Krankenversichert in Deutschland 7 Nicht AsylbLG-kompatibel 6 Krankenversichert im Heimatland 3 Ausreichendes Einkommen des Partners 3 Aufenthaltstitel vorhanden 3 Eilfall 3 Verpflichtungserklärung liegt vor 2 Nicht mehr in der Clearingstelle gemeldet 2 Aufenthalt möglich 2 Kosten der Behandlung stehen nicht im Verhältnis zur Dringlichkeit der Behandlung 1 Summe 67 7. In welcher Höhe wurden Behandlungskosten und Rezeptkosten in 2018 und im ersten Halbjahr 2019 übernommen? Im Jahr 2018 wurden Behandlungskosten in Höhe von 259 606,47 Euro und Rezeptkosten in Höhe von 13 316,63 Euro übernommen. Für 2019 belaufen sich die Gesamtkosten bis zum 21.06.2019 auf 157 915,41 Euro. Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung der bislang für 2019 vorliegenden Rechnungen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 8. Wie hoch war die durchschnittliche Höhe der Behandlungskosten pro Patient/in, die übernommen wurden? Für 2018 ergaben sich durchschnittliche Behandlungskosten in Höhe von 690,44 Euro pro Klient. Die durchschnittlichen Behandlungskosten für 2019 belaufen sich bislang auf 591,44 Euro. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17598 5 9. In wie vielen Fällen wurde die Kostenübernahme abgelehnt, weil die Behandlung zu teuer war? a. In wie vielen Fällen betraf dies Schwangere? b. In wie vielen Fällen betraf dies chronisch Erkrankte? Im Jahr 2018 wurden zehn Fälle aufgrund der Unverhältnismäßigkeit zwischen Kosten und Dringlichkeit abgelehnt. Von diesen zehn Fällen wurden drei Fälle abgelehnt, bei denen eine chronische Erkrankung vorlag. Schwangere waren nicht betroffen. 2019 wurde bisher ein Fall abgelehnt. Es handelte sich weder um eine Schwangerschaft, noch um eine chronische Krankheit. 10. An welche Stellen können sich Betroffene ohne Krankenversicherungsschutz wenden, die chronisch krank sind und zum Beispiel eine Behandlung von Diabetes mellitus benötigen? Betroffene können sich an die gesetzlichen Krankenkassen sowie an die Fachämter für Grundsicherung und Soziales wenden. 11. Erachtet der Senat die Höhe der Zuwendungen an die Clearingstelle für ausreichend? Die Zuwendungen waren in den Jahren 2012 bis 2017 auskömmlich. Die Überlegungen für die Folgejahre sind noch nicht abgeschlossen.