BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17604 21. Wahlperiode 28.06.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 21.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Subkulturell geprägter Rechts- versus Linksextremismus in Hamburg Bei der Angabe der Personenpotentiale in den verschiedenen Phänomenbereichen listet das LfV im Bereich „Rechtsextremismus“ die Gruppe der „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ auf. Im Bericht des Jahres 2017 heißt es dazu: „Angehörige der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene sind vornehmlich von einzelnen rechtsextremistischen Einstellungen und Argumentationsmustern beeinflusst und verfügen über kein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild. Aktivitäten mit Erlebnischarakter stehen für diesen Personenkreis im Vordergrund. Dazu zählen beispielsweise der Besuch rechtsextremistischer Musikveranstaltungen oder Fußballspielen (sic!) sowie die gelegentliche Teilnahme an Demonstrationen, insbesondere wenn es dort zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern aus der linksextremistischen Szene kommen könnte. Eine Einbindung in feste Organisationsstrukturen ist bei subkulturell geprägten Rechtsextremisten die Ausnahme.“ Und weiter: „Neben Rockmusik mit nationalistischen, antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Texten kennzeichnen starker Alkoholkonsum und szenetypische Straftaten (…) das Erscheinungsbild der Szene. Soziale Netzwerke werden durch dieses Spektrum zunehmend genutzt, um rechtsextremistisches Gedankengut zu verbreiten. Musik und Internetpropaganda vermitteln Feinbilder und schüren Hass und Aggressivität , die – gerade in Verbindung mit übermäßigem Alkoholkonsum – auch Auslöser für Gewalttaten sein können.“1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Erfassung von Straftaten der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) folgt bundeseinheitlichen Kriterien des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK); zur dortigen Erfassung sowie zu den Auswertemöglichkeiten und deren Grenzen siehe Drs. 21/3165. Der Begriff „subkulturell geprägt“ ist keine Erfassungskategorie des KPMD-PMK. Daten zu „subkulturell geprägten Rechtsextremisten “ und „subkulturell geprägten Linksextremisten“ liegen der Polizei somit nicht vor. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Im Bericht 2017 wird die Anzahl „subkulturell geprägter Rechtsextremisten “ mit 110 Personen angegeben; das entspricht ungefähr einem Drittel des gesamten vom LfV taxierten rechtsextremistischen Personenpotenzials . Wie ermittelt/erfasst das LfV die Anzahl der subkulturell geprägten Rechtsextremisten? 1 Landesamt für Verfassungsschutz, Bericht 2017, Seite 134 fortfolgende. Drucksache 21/17604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Sind dem LfV die als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ eingestuften Personen namentlich bekannt oder handelt es sich bei der angegebenen Dimension der Personengruppe (auch teilweise) um eine Schätzung? Bitte geben Sie außerdem die Anzahl der „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ zu möglichen Teilgruppen/Teilstrukturen der „subkulturell rechtsextremistischen Szene“ an. Die Potenzialangaben im Verfassungsschutzbericht werden grundsätzlich durch die Auswertung der einschlägig eingestuften Datensätze im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS), öffentlichen und nachrichtendienstlich erlangten Angaben aus den Beobachtungsobjekten und Einschätzungen aufgrund allgemeiner Szeneentwicklungen generiert. Bei den angegebenen circa 110 Personen handelt es sich bei etwas mehr als der Hälfte um rechtsextremistische Gewalttäter ohne oder mit geringer organisatorischer Anbindung. Das verbleibende Personenpotenzial setzt sich aus den im Verfassungsschutzbericht 2017 erläuterten Szeneteilen zusammen; https://www.hamburg.de/innenbehoerde/publikationen-verfassungsschutz/231572/ verfassungsschutzberichte-pdf/. 3. Wie viele der vom LfV derzeit als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten “ eingestuften 110 Personen gelten als „gewaltorientiert“ oder als „gewaltbereit“? Bitte belegen Sie die Einstufung als „gewaltorientiert“ oder als „gewaltbereit“ anhand quantitativ und qualitativ aussagekräftiger Äußerungen und/oder Handlungen jeweils für die Jahre 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019. 4. Von welchen „rechtsextremistischen Einstellungen und Argumentationsmustern “ sind „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ beeinflusst? Bitte die „Einstellungen und Argumentationsmuster“ anhand von quantitativ und qualitativ aussagekräftigen Belegen jeweils für die Jahre 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 darlegen. Subkulturelle Rechtsextremisten werden durch das LfV Hamburg grundsätzlich als gewaltorientiert eingestuft. Die Einstufung ergibt sich aus langjährigen fachlichen Bewertungen und Analysen des Verfassungsschutzes. Im Übrigen siehe Verfassungsschutzberichte der Verfassungsschutzbehörden insbesondere der letzten Jahre; https://www.hamburg.de/innenbehoerde/publikationen-verfassungsschutz/231572/ verfassungsschutzberichte-pdf/ sowie das Kompendium des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/ publikationen/allgemeine-publikationen/broschuere-2017-07-kompendium-des-bfv. 5. Welche Kenntnisse hat das LfV zu folgenden Aktivitäten „mit Erlebnischarakter “, an denen „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ aus Hamburg jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 teilnahmen ? (1) Rechtsextremistische Musikveranstaltungen: a) Bitte sämtliche jahrweise stattgefundenen rechtsextremistischen Musikveranstaltungen wie folgt aufschlüsseln: Datum, Ort, Konzertveranstalter/Organisatoren (jeweils mit Angabe hinsichtlich einer Einstufung als Beobachtungsobjekt), aufgetretene rechtsextremistische Bands (jeweils mit Angabe hinsichtlich einer Einstufung als Beobachtungsobjekt). b) Wie viele vom LfV als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten “ eingestufte Personen haben an den Konzerten jeweils teilgenommen ? c) Wie viele rechtsextremistisch motivierte Straftaten sind von den Ordnungsbehörden bei diesen Konzerten erfasst worden, wie viele Tatverdächtige entstammen der Gruppe der „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ aus Hamburg und wie viele rechtskräftige Urteile, die eine rechtsextremistisch motivierte Straftat zweifelsfrei nachweisen, liegen dazu bereits vor? (2) Fußballspiele Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17604 3 a) Bitte sämtliche jahrweise stattgefundenen Fußballspiele unter Beteiligung „subkulturell geprägter Rechtsextremisten“ aus Hamburg wie folgt aufschlüsseln: Datum, Partie. b) Wie viele vom LfV als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten “ eingestufte Personen aus Hamburg haben an den Fußballspielen jeweils teilgenommen? c) Wie viele rechtsextremistisch motivierte Straftaten sind von den Ordnungsbehörden bei diesen Fußballspielen erfasst worden, wie viele Tatverdächtige entstammen der Gruppe der „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ aus Hamburg und wie viele rechtskräftige Urteile, die eine rechtsextremistisch motivierte Straftat zweifelsfrei nachweisen, liegen dazu bereits vor? (3) Demonstrationen „mit gewalttätigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern“ a) Bitte sämtliche jahrweise stattgefundenen Demonstrationen, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Linksextremisten unter Beteiligung von „subkulturell geprägten Rechtsextremisten “ aus Hamburg kam, wie folgt aufschlüsseln: Datum, Veranstaltung, Anmelder der Veranstaltung. b) Wie viele rechtsextremistisch motivierte Gewaltstraftaten sind von den Ordnungsbehörden bei diesen Demonstrationen durch „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ erfasst worden, wie viele Tatverdächtige entstammen der Gruppe der „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ aus Hamburg und wie viele rechtskräftige Urteile, die eine rechtsextremistisch motivierte Gewaltstraftat zweifelsfrei nachweisen, liegen dazu bereits vor? Gemäß § 4 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz beobachtet das LfV Hamburg Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Fußballspiele sind nicht Gegenstand der Beobachtungstätigkeit des LfV Hamburg. In Frage 5. wird der Datenbestand des aktionistischen Geschehens der bundesweiten rechtsextremistischen Szene über einen Zeitraum von fünf Jahren verlangt. Da bei den Sicherheitsbehörden keine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellungen erfolgt, müssten diese Daten mittels einer händischen Durchsicht mehrerer Tausend Hand- und Ermittlungsakten erhoben werden. Dies ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Polizei führt keine Statistik zu extremistisch motivierten Straftaten im Rahmen von Fußballspielen. Hierfür müsste eine vierstellige Zahl von Handakten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Nachfolgende Tabelle weist Veranstaltungen und Versammlungen im Zuständigkeitsbereich der Polizei Hamburg im erfragten Zeitraum aus, bei denen rechtsextremistisch motivierte Gewaltstraftaten (unabhängig vom Wohnsitz des Täters) gegen Personen mit linker Motivation registriert wurden. Bei den Anmeldern der Versammlungen handelte es sich jeweils um Privatpersonen. Datum Veranstaltung Anzahl Gewaltstraftaten 12.09.2015 Tag der Patrioten 2 07.02.2017 Veranstaltung im Hamburg Haus und Gegendemonstration „Aufstehen gegen Rassismus“ 1 22.08.2017 Mahnwache vor „Nordic Company“ 1 05.03.2018 „Merkel muss weg!“ 1 19.03.2018 „Merkel muss weg!“ 1 Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird nicht erfasst, ob eine beschuldigte Person den „subkulturell Drucksache 21/17604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 geprägten Rechtsextremisten“ zuzuordnen ist. Ebenso wenig wird erfasst, ob der Tatort einer Straftat eine Musikveranstaltung, ein Fußballspiel oder eine Demonstration ist. Die Beiziehung und händische Auswertung sämtlicher Ermittlungsakten – es handelt sich dabei um knapp 1 000 Ermittlungsakten allein im Aktenzeichenjahrgang 2018 in dem Register 7101 der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft – ist innerhalb der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Wie viele der derzeit als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ eingestuften Personen sind Mitglieder in Parteien oder Organisationen, die vom LfV oder vom BfV als Beobachtungsobjekte im Phänomenbereich „Rechtsextremismus“ eingestuft sind? 7. Wie viele der derzeit als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ eingestuften Personen waren Mitglieder in Parteien oder Organisationen, die vom LfV oder vom BfV als Beobachtungsobjekte im Phänomenbereich „Rechtsextremismus“ eingestuft waren oder noch sind und wie lange liegen diese Mitgliedschaften jeweils zurück? 8. Welche Kenntnisse hat das LfV über enge Interaktionen und Beziehungen von als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ eingestuften Personen mit Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien oder Organisationen ? Bitte darlegen. Siehe Verfassungsschutzbericht 2017, https://www.hamburg.de/contentblob/ 11448332/ffb33a5af30a49a6547d5f5470477e85/data/vsb-2017-pressefassung.pdf. Mehrfachmitgliedschaften weist das LfV Hamburg nicht aus. 9. Laut aktuellem Bericht des LfV (2017) „sank die Anzahl der rechtsextremistischen Gewalttaten 2017 auf 15 (2016: 28). Es handelte sich um neun Körperverletzungen, einzelne gefährliche Körperverletzungen, eine Widerstandshandlung sowie eine schwere Brandstiftung. Unter den tatverdächtigen Personen waren sechs dem LfV Hamburg bekannte Rechtsextremisten“. a) Waren für die begangenen „rechtsextremistischen Gewalttaten“ Personen verantwortlich, die vom LfV als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ eingestuft sind? Wenn ja, bitte Anzahl und Art der von „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ verdächtigerweise begangenen Straftaten angeben. Sofern die Frage auf die Straftaten der „sechs dem LfV Hamburg bekannten Rechtsextremisten “ bezogen ist: in drei der Fälle – ja. Es handelte sich um zwei gefährliche Körperverletzungen gemäß § 224 StGB und eine Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Diese Gewalttaten wurden in Verbindung mit rechtsextremistischen Äußerungen begangen. b) Gibt es zu den von „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ gegebenenfalls begangenen „rechtsextremistischen Gewalttaten“ rechtskräftige Urteile (bitte darlegen)? Wenn ja, haben die Gerichtsverhandlungen und -urteile zweifelsfrei rechtsextremistische Motive für die begangenen Gewalttaten bestätigt oder haben sie ergeben, dass andere Motive (zum Beispiel Streit, gegenseitige Provokation, Alkohol et cetera) maßgeblich für die Gewalttaten verantwortlich waren? Siehe Antwort zu 5. 10. Wie viele rechtsextremistisch motivierte Straftaten folgender, vom LfV angeführter Deliktarten wurden jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ zugerechnet: a) Propagandadelikte, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17604 5 b) Fremdenfeindliche Delikte, c) Antisemitische Delikte, d) Gewaltdelikte?2 Siehe Vorbemerkung. 11. Warum gibt das LfV in seinen Verfassungsschutzberichten oder in seinen sonstigen Veröffentlichungen kein Personenpotenzial für „subkulturell geprägte Linksextremisten“ an? Gibt es in Hamburg tatsächlich keine Personen des linken Spektrums, auf die folgende, wörtlich vom LfV übernommene Merkmalsbeschreibungen für „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ spiegelbildlich auf Personen des linken Spektrums zuträfen? a) „Angehörige der subkulturell geprägten (linksextremistischen) Szene sind vornehmlich von einzelnen (linksextremistischen) Einstellungen und Argumentationsmustern beeinflusst und verfügen über kein geschlossenes (linksextremistisches) Weltbild.“ b) „Aktivitäten mit Erlebnischarakter stehen für diesen Personenkreis im Vordergrund. Dazu zählen beispielsweise der Besuch (linksextremistischer ) Musikveranstaltungen oder von Fußballspielen (z.B. FC St. Pauli) sowie die gelegentliche Teilnahme an Demonstrationen , insbesondere wenn es dort zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern aus der (rechtsextremistischen) Szene kommen könnte (Ultras des FC St. Pauli).“ c) „Eine Einbindung in feste Organisationsstrukturen ist bei subkulturell geprägten (Linksextremisten) die Ausnahme.“ d) „Neben Rockmusik mit (anti-)nationalistischen, (links-)antisemitischen , (polizei- und deutschfeindlichen) Texten kennzeichnen starker Alkoholkonsum und szenetypische Straftaten (Landfriedensbruch , Brandstiftungen, Gewalttaten (z.B. gegen Andersdenkende und Polizisten, Plünderungen) das Erscheinungsbild der Szene.“ e) „Soziale Netzwerke werden durch dieses Spektrum zunehmend genutzt, um (linksextremistisches) Gedankengut zu verbreiten.“ f) „Musik und Internetpropaganda vermitteln Feinbilder und schüren Hass und Aggressivität, die – gerade in Verbindung mit übermäßigem Alkoholkonsum – auch Auslöser für Gewalttaten sein können.“ 12. Um welche Anzahl würde das vom LfV jährlich ausgewiesene linksextremistische Personenpotenzial in Hamburg (schätzungsweise) steigen, wenn mit den gleichen Kriterien wie bei der Einstufung von „subkulturell geprägten Rechtsextremisten“ eine Gruppe der „subkulturell geprägten Linksextremisten“ definiert würde (vergleiche Frage 11.)? 13. Die Ausweisung „subkulturell geprägter Rechtsextremisten“ bei gleichzeitiger Nichtausweisung „subkulturell geprägter Linksextremisten“ indiziert eine Verschleierung des tatsächlichen extremistischen Personenpotenzials im Phänomenbereich „Linksextremismus“ durch das LfV. Inwieweit haben die Fachreferate und insbesondere die Amtsleitung des LfV, aber auch die Innensenatoren in der Vergangenheit Einfluss auf die Entscheidung genommen, „subkulturell geprägtes“ linksextremistisches Personenpotenzial nicht zu beobachten und folglich in den Verfassungsschutzberichten oder in anderen Veröffentlichungen auch nicht auszuweisen ? Inwieweit spielen hierbei möglicherweise auch haushaltspolitische oder politische Aspekte eine Rolle, vor dem Hintergrund, dass die Beobachtung „subkulturell geprägter Linksextremisten“ in einer linken 2 Einteilung gemäß dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (2017), Seite 130. Drucksache 21/17604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Hochburg wie Hamburg einen erheblichen personellen und finanziellen Mehraufwand wie auch eine starke politische Kontroverse zur Folge hätte ? Insbesondere: Wie positionieren sich die aktuelle Amtsleitung und der amtierende Innensenator zu diesem Konflikt? Der Begriff „Subkultur“ wird für eine Kategorisierung von Gruppierungen in dem Phänomenbereich Linksextremismus im Verfassungsschutzverbund nicht verwendet und findet daher keine Berücksichtigung bei der Feststellung des Personenpotenzials. Im Übrigen siehe BT.-Drs. 19/9673. Im Übrigen korrespondiert mit dem Fragerecht ein Anspruch auf Auskunft, nicht auf Meinungsbildung. 14. Welche Kenntnisse liegen dem LfV über das Wirken linksextremistischer Musikgruppen, ihre Konzertteilnehmer und sich dort etablierte „subkulturell geprägte“ linksextremistische Milieus in Hamburg vor? Bitte für den Zeitraum der letzten zehn Jahre umfassend darlegen. Wenn dem LfV hierzu keine Kenntnisse vorliegen: Geht das LfV davon aus, dass es diese „subkulturell geprägten“ linksextremistischen Milieus im Umfeld von Konzertveranstaltungen und Musikgruppen in Hamburg nicht gibt? In Hamburg findet seit 2015 jährlich die Veranstaltung „Klassenfest gegen Staat und Kapital“ statt, welche aus dem linksextremistischen Umfeld angemeldet wird. Im Rahmen der Veranstaltung treten auch Musikgruppen auf, welche hier der linken Szene zugerechnet werden. Darüber hinausgehende linksextremistisch beeinflusste Konzertveranstaltungen finden in Hamburg und bundesweit statt und werden im LfV Hamburg nicht statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Antworten zu 5. und 11. bis 13. 15. Welche Kenntnisse hat das LfV über linksextremistisch motivierte Straftaten im Rahmen von linksextremistischen Musikveranstaltungen oder über dort ausgerufene verfassungsfeindliche linksextremistische Parolen , zum Beispiel gegen Mitglieder der Exekutivorgane, gegen Andersdenkende , gegen den Kapitalismus? Wenn dem LfV hierzu keine Kenntnisse vorliegen: Geht das LfV davon aus, dass es im Rahmen solcher Konzertveranstaltungen keine linksextremistisch motivierten Straftaten oder verfassungsfeindliche linksextremistische Parolen gibt? 16. Welche Kenntnisse liegen dem LfV zu linksextremistisch motivierten Straftaten oder verfassungsfeindliche linksextremistische Parolen durch radikale Fans des FC St. Pauli vor? Bitte für den Zeitraum der letzten zehn Jahre umfassend darlegen. Wenn dem LfV hierzu keine Kenntnisse vorliegen: Geht das LfV davon aus, dass es im Umfeld radikaler Anhänger linksgerichteter Fußballclubs wie insbesondere dem FC St. Pauli keine linksextremistisch motivierten Straftaten oder verfassungsfeindliche linksextremistische Parolen gibt? Dem LfV Hamburg liegen im Sinne der Fragestellung keine Erkenntnisse vor. Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragen. Für eine Beantwortung müsste eine vierstellige Anzahl von Handakten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 11. bis 13. 17. Während der Partie zwischen der SG Dynamo Dresden und dem 1. FC St. Pauli in der diesjährigen Spielzeit (2. Fußball-Bundesliga) wurden im Fanblock des 1. FC St. Pauli wiederholt „Nie-wieder-Deutschland“-Rufe skandiert; gleichzeitig kam es zum Abbrennen von Bengalos,3 ein Twit- 3 https://www.facebook.com/afd.fraktion.hamburg/videos/1245981085567871/?__xts __[0]=68.ARAs-eyclY7VLArbZRzmwgV49ieJoXzLw29M7Xdu2HpmMWEL9_ DjKpVYjN2fviwZIJYa-1DHDCLv59FNmrtFaGMiZIiAnkV8lyTeSX81jvrP- UK8r40hbhfwmLuAyG-k5hp-CM4_1RqWhuZNWm7PyXjp3FPQ- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17604 7 ter-Eintrag des 1. FC St. Pauli zeigt außerdem den Fan-Block kurz vor dem Spiel. Darauf ist zu sehen, wie die St.-Pauli-Fans eine riesige Kommunistenflagge aufgespannt haben; ein Unterstützer des 1. FC St. Pauli ruft in den Kommentaren zu dem Eintrag außerdem dazu auf, Dresden wegzubomben.4 a) Sieht das LfV angesichts solcher Verhaltensweisen die Ultra-Szene des 1. FC St. Pauli von linksextremistischen Einstellungen und Argumentationsmustern beeinflusst? b) Welche Kenntnisse hat das LfV über Beziehungen und Interaktionen von Linksextremisten (Beobachtungsobjekte des LfV oder des BfV) zu Anhängern der Ultra-Szene des 1. FC St. Pauli? c) Gibt es in Hamburg nach Kenntnislage des LfV Sport- oder speziell Fußballclubs, die spiegelbildlich zum 1. FC St. Pauli eine vergleichbare subkulturell geprägte rechtsextremistische (Ultra-Fan-)Szene aufweisen? Fangruppierungen von Sportvereinen sind keine Beobachtungsobjekte des LfV Hamburg . Im Übrigen siehe Antworten zu 5. und 11. bis 13. 18. Welche Kenntnisse liegen dem LfV zu linksextremistisch motivierten Straftaten wie Körperverletzungen, Landfriedensbruch, Sachbeschädigungen oder ähnliche im Rahmen von Demonstrationen vor, insbesondere wenn es dort zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern aus der rechtsextremistischen Szene kam? Bitte für den Zeitraum der letzten zehn Jahre umfassend darlegen. Wenn dem LfV hierzu keine Kenntnisse vorliegen: Geht das LfV davon aus, dass es im Rahmen solcher Demonstrationen keine linksextremistisch motivierten Straftaten gab beziehungsweise gibt? Zu den erfassten PMK-links motivierten Straftaten im Rahmen von Demonstrationen siehe nachstehende Tabelle der Polizei Hamburg: 2014 2015 2016 2017* 2018 2019** Körperverletzung (KV), gef. KV und schwere KV gem. §§ 223ff. StGB 252 206 115 174 39 - Landfriedensbruch und bes. schwerer Fall des Landfriedensbruch gem. §§ 125 und 125a StGB 12 18 23 711 7 1 Sachbeschädigung, gemeinschädliche Sachbeschädigung, Zerstörung von Bauwerken, Zerstörung von Arbeitsmitteln, Brandstiftung, 51 70 40 443 14 1 pyWuqL0nNgwQfBpUCZzfYv5Ig-pIGYWVMss3E3o2NtnMIvCrLDn- InlN0shNJtffFW_mWtcE7PWenngJqCkBVCRQwLHE-yDi5LErlSqXpPKxZ-r-sVT- FVe5pY1Xkazw_u8EiVOjmugAzIL3Tz7d-QHWxF1qZbIGdG4Y_ AlMqezSqzFThO2I2bIqmpCscw2bs1kKzsXs7Zxu48YFtij4nwSJ- Ar_5XiRQONC8rfQZeeZ7dE_GeQIRjO4Eaim0-wtu9ErBQhWQ&__tn__=-R (abgerufen am 14.05.2019). 4 https://twitter.com/fcstpauli/status/1124342738672128001?s=21&fbclid= IwAR0RcMxnbUffAMNEHZne6bKmJECQs0nWpBRDBaDQRV-u3xnSZzE7_NSt0I4 (abgerufen am 14.06.2019). Drucksache 21/17604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 8 2014 2015 2016 2017* 2018 2019** Schwere Brandstiftung und Besonders schwere Brandstiftung gem. § 303ff. StGB * In Bezug auf die Abweichungen der Fallzahlen für 2017 im Vergleich zu 2016 und 2018 wird auf den G 20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg verwiesen. ** (Stand: 25.06.2019.) Unterjährige Zahlen sind nur bedingt aussagefähig, da die Erfassung und Qualitätssicherung sowie der bundeweite Abgleich mit dem BKA noch nicht abgeschlossen sind. Der zusätzlich erfragte Sachverhalt (Demonstrationen, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern aus der rechtsextremistischen Szene kam) wird nicht regelmäßig erfasst, daher ist eine vollständige elektronische Recherche nicht zuverlässig möglich. Für eine Beantwortung der Frage müsste eine vierstellige Anzahl von Handakten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen sind statistische Angaben zu Frage 5. (3) Ergebnis einer gezielten Handaktenauswertung in Hinsicht auf die erfragten Parameter. Im Gegensatz dazu sind die statistischen Angaben zu Frage 18. Ergebnis einer elektronischen Recherche mit gröberen Parametern, sodass auch weitere, nicht erfragte Delikte ausgeworfen werden. Die Angaben zu 5. sowie 18. sind daher ausdrücklich nicht vergleichbar .