BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17645 21. Wahlperiode 02.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 25.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Russisch Roulette oder striktes Monitoring? – Zur rot-grünen Handhabe infektionsschutzrechtlicher Gesundheitsanforderungen an das Personal der Hamburgischen Gastronomie und Lebensmittelindustrie Mit seinem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat der Bundesgesetzgeber die gesetzlichen Pflichten zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten geregelt, um – länderübergreifend – übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Besonders die in §§ 42 und 43 IfSG verankerten Gesundheitsanforderungen an mit Lebensmittel hantierende Personen sind dabei für einen effektiven Verbraucherschutz und die avisierte Gefahrenabwehr von wesentlicher Bedeutung. Nach § 42 IfSG dürfen Personen, die im Rahmen des Herstellens, Behandelns oder Inverkehrbringens von Lebensmitteln beziehungsweise in Küchen von Gaststätten oder sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung arbeiten , weder tätig sein noch beschäftigt werden, wenn sie an Typhus abdominalis, Paratyphus, Cholera, Shigellenruhr, Salmonellose , einer anderen infektiösen Gastroenteritis oder Virushepatitis A oder E erkrankt oder dessen verdächtig sind, an infizierten Wunden oder an Hautkrankheiten erkrankt sind, bei denen die Möglichkeit besteht, dass deren Krankheitserreger über Lebensmittel übertragen werden können, oder sie die Krankheitserreger Shigellen, Salmonellen, enterohämorrhagische Escherichia coli oder Choleravibrionen absondern. § 43 Absatz 1 des IfSG sieht darüber hinaus vor, dass Personen, die beruflich beziehungsweise gewerbsmäßig Umgang mit Lebensmitteln haben wollen , vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einer Bescheinigung des Gesundheitsamtes bedürfen, deren Ausstellung die Freiheit von Erkrankungsverdachtsmomenten sowie die Teilnahme an einer Belehrung erfordert, welche die Tätigkeitsverbote des § 42 IfSG bespricht und die Grundsätze der Lebensmittelhygiene vermittelt. Da die strikte Einhaltung und ein regelmäßiges, engmaschiges Monitoring der Einhaltung dieser Anforderungen insbesondere in Hamburgs Gastronomie und Lebensmittelindustrie aus epidemiologischen und verbraucherschutzrechtlichen Gründen für die Gesundheit aller Hamburgerinnen und Hamburger von höchster Wichtigkeit ist, ist eine parlamentarische Kontrolle der aktuellen Handhabe des Senats und der zuständigen Behörde zweckmäßig und geboten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/17645 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie viele mit Lebensmitteln im Sinne des § 42 Absatz 2 IfSG hantierende Betriebe gab es in Hamburg seit dem 1. Januar 2017 im Bereich der Gastronomie und Lebensmittelindustrie jeweils insgesamt? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) darstellen.) Die Regelung des § 42 folgende IfSG zielt auf den direkten Kontakt mit Lebensmitteln ab. Nicht betroffen sind Betriebe, in denen beispielsweise nur mit verpackten Lebensmitteln hantiert wird. Dies gilt auch für gastronomische Betriebe, sofern es sich beispielsweise um eine reine Schankwirtschaft handelt. Bei der EDV-technisch basierten Erfassung der mit Lebensmitteln hantierenden Betriebe wird nicht unterschieden, ob eine Berührung mit den Lebensmitteln erfolgt. Daher kann im Folgenden nur auf die Gesamtzahl aller Lebensmittelbetriebe Bezug genommen werden; zumal die Schriftliche Kleine Anfrage keine weitergehende Definition des Begriffs Lebensmittelindustrie enthält. Bezirksamt Gastronomie betriebe 2017 Lebensmittelbetriebe 2017 Gastronomiebetriebe 2018 Lebensmittelbetriebe 2018 Hamburg-Mitte 2 770 4 562 2 733 4 384 Altona 1 553 2 593 1 568 2 664 Eimsbüttel 1 226 2 231 1 234 2 188 Hamburg-Nord 1 599 2 610 1 626 2 598 Wandsbek 1 401 2 654 1 401 2 663 Bergedorf 556 1 368 535 1 323 Harburg 640 1 326 666 1 385 Summe 9 745 17 344 9 763 17 205 Die Auswertung der Halbjahresstatistik 2019 ist bereits aufgrund regelmäßiger Berichtspflichten zentral in Auftrag gegeben. Die Zahlen liegen der zuständigen Behörde noch nicht vor. 2. Wie viele Belehrungen im Sinne des § 43 Absatz 1 Nummer 1 IfSG mit wie vielen Teilnehmern gab es in Hamburg seit dem 1. Januar 2017 insgesamt ? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Die Belehrungen nach § 43 Absatz 1. Nummer 1 IfSG werden zentral für alle Bezirke vom Fachamt Gesundheit des Bezirkes Eimsbüttel durchgeführt. Für die Jahre 2017 bis 15. Juni 2019 ergeben sich die folgenden Werte: 2017: 12 854, 2018: 11 682, 2019 bis 15.06.2019: 4 158. Durch ebenfalls zentral vom Fachamt Gesundheit des Bezirksamts Eimsbüttel für die Durchführung von Erstbelehrungen beauftragte niedergelassene Ärztinnen und Ärzte (vorwiegend Arbeits- und Betriebsmediziner/innen) werden zusätzlich rund 10 000 Belehrungen pro Jahr durchgeführt. 3. Wie viele Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 43 Absatz 1 IfSG wurden in Hamburg seit dem 1. Januar 2017 insgesamt beantragt? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Die Zahlen zur Frage 3. sind identisch mit denen zu Frage 2. Der Begriff „Gesundheitszeugnis “ ist ein umgangssprachlich noch verwendeter Begriff aus dem vor dem Infektionsschutzgesetz geltenden Bundeseuchengesetz. Nach Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes ab dem 1. Januar 2001 werden die Belehrungen nach § 43 durchgeführt und die „Belehrten“ erhalten eine „Bescheinigung des Gesundheitsamtes nach § 43 Absatz 1 Nummer1 Infektionsschutzgesetz“. 4. Die Ausstellung wie vieler Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 43 Absatz 1 IfSG wurde seit dem 1. Januar 2017 in Hamburg aufgrund von Erkrankungsverdachtsmomenten im Sinne des § 43 Absatz 1 S. 2 IfSG bis zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses insgesamt zurückgestellt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17645 3 (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes wurde die Eigenverantwortlichkeit der Personen, die eine Belehrung benötigen in den Vordergrund gestellt. Die Personen müssen nach einer Belehrung eine „Erklärung gemäß §43 Infektionsschutzgesetz“ unterschreiben. Sinngemäß werden in der Erklärung die wesentlichen Inhalte der Belehrung zusammengefasst. Die Person ist somit ab Unterzeichnung selbst dafür verantwortlich, Anhaltspunkte für Hinderungsgründe für ihre Tätigkeit mit Lebensmitteln zu erkennen, und entsprechende Maßnahmen wie zum Beispiel Information des Arbeitgebers, gegebenenfalls Arztbesuch, einzuleiten. Der Fall, dass im Rahmen einer Belehrung Erkrankungsverdachtsmomente erkennbar wurden und somit das Aushändigen einer Bescheinigung seitens des Gesundheitsamtes nicht erfolgte, ist im genannten Zeitraum nicht eingetreten. 5. Die Ausstellung wie vieler Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 43 Absatz 1 IfSG wurde seit dem 1. Januar 2017 in Hamburg aus jeweils welchen Gründen insgesamt endgültig versagt? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Siehe Antwort zu 4. 6. Gab es seit dem 1. Januar 2017 in Hamburg Fälle etwaiger Tätigkeitsund /oder Beschäftigungsverbote im Sinne des § 42 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 IfSG? Wenn ja, jeweils wie viele, aufgrund jeweils welcher Erkrankung/ Erregerart, für jeweils welche Dauer und wie war das jeweilige Prozedere ? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Tätigkeitsverbote n. § 42 Infektionsschutzgesetz 2017 2018 2019 Hamburg-Mitte Salmonella paratyphi (11 Tage); Salmonella (7 Tage) keine Salmonella enteritidis (49 Tage) Altona Paratyphus/Salmonella paratyphi (13.12.17-13.02.18) Hepatitis A (11.10.18- 16.10.18) Salmonellen (08.03.19- 12.04.19) Eimsbüttel Salmonellose/Salmonellen Salmonellose/Salmonellen Salmonellose/Salmonellen Hamburg-Nord Salmonellen (66 Tage); Salmonellen (31 Tage); Shigellen (14 Tage); EHEC (14 Tage) Salmonellen (62 Tage); Salmonelllen (8 Tage) Salmonellen (20 Tage); Hepatitis A Wandsbek Salmonellen (29 Tage );Salmonellen (36 Tage); Hepatitis A (18.07.17- 07.03.18) Salmonellen (17 Tage); Hepatitis A (01.10.18-01.03.19); EHEC (24.08.18-27.09.18), EHEC (28.09.18-07.11.18); EHEC (04.10.18 bis heute) keine Bergedorf Keine EHEC (16 Tage) Keine Harburg Salmonellose (20 Tage); Salmonellose (7 Tage) ; EHEC (25 Tage); EHEC (21 Tage); EHEC (21 Tage) Salmonellose (39 Tage); Salmonellose (24 Tage), EHEC (15 Tage) Salmonellose (14 Tage); Salmonellose (31 Tage); Salmonellose (7 Tage) () = Dauer des Tätigkeitsverbotes Das Prozedere ist grundsätzlich wie folgt: Zunächst ergeht eine Labormeldung, eine Arztmeldung und gegebenenfalls eine Krankschreibung. Es folgt eine Ermittlung und gegebenenfalls ein Tätigkeitsverbot. Anschließend finden Nachkontrollen (zum Beispiel durch Stuhlproben) statt, bis die Negativität als Resultat gegeben ist. Daraufhin folgt die Aufhebung des Tätigkeitsverbotes. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 7. Jeweils wie, durch jeweils wen und in jeweils welchen Abständen kontrolliert der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde – nach Aus- Drucksache 21/17645 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 stellung eines Gesundheitszeugnisses – die tatsächlich fortdauernde Einhaltung der Voraussetzungen des § 42 Absatz 1 IfSG beziehungsweise das Nicht-Vorliegen der Katalogerkrankungen beim Personal der Hamburgischen Gastronomie und Lebensmittelindustrie? Bitte bei Unterschieden nach Gastronomie und Lebensmittelindustrie gesondert detailliert erläutern. Die kontinuierliche Einhaltung der Voraussetzungen des § 42 Absatz 1 IfSG beziehungsweise das Nicht-Vorliegen der dort genannten Erkrankungen beim Personal von Lebensmittelbetrieben obliegt der Verantwortung des Beschäftigten und des Lebensmittelunternehmers . Beim Auftreten der im IfSG genannten Erkrankungen besteht eine Informationspflicht seitens des Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber, da ein Tätigkeitsverbot gemäß Infektionsschutzgesetztes eintritt. Bei sämtlichen Kontrollen der Lebensmittelüberwachung wird bei offensichtlichen Verdachtsmomenten, wie zum Beispiel offenen infizierten Wunden, auf ein mögliches Tätigkeitsverbot nach IfSG hingewiesen. Anlassbezogene Kontrollen erfolgen aufgrund von Beschwerden, insbesondere bei Verdacht eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs. Im Zuge von Routinekontrollen der Lebensmittelüberwachung werden stichprobenartig die Belehrungen gem. Infektionsschutzgesetz des Personales im Rahmen der Dokumentenkontrolle überprüft. Eine Auswertungsmöglichkeit hierfür liegt nicht vor. Zwischen Gastronomie und Lebensmittelindustrie wird nicht unterschieden. 8. Wie viele Kontrollen im Sinne der Ziffer 7. gab es seit dem 1. Januar 2017 in Hamburgs Gastronomie und Lebensmittelindustrie insgesamt? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) insgesamt und nach Gastronomie und Lebensmittelindustrie sowie jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Die im Folgenden gelisteten Zahlen beziehen sich auf Lebensmittelkontrollen. 2017 Kontrollen in Gastronomiebetrieben 2017 Kontrollen in Lebensmittelbetrieben 2017 Kontrollen in Gastronomiebetrieben 2018 Kontrollen in Lebensmittelbetrieben 2018 Hamburg-Mitte 2 397 3 913 2 131 3 390 Altona 1 537 2 588 1 489 2 477 Eimsbüttel 961 1 630 1 172 1 827 Hamburg-Nord 2 405 3 729 2 581 3 923 Wandsbek 1 313 2 302 1 520 2 541 Bergedorf 702 1 497 709 1 442 Harburg 1 005 1 815 1 059 1 997 Summe 10 320 17 474 10 661 17 597 Die Auswertung der Halbjahresstatistik 2019 ist bereits aufgrund regelmäßiger Berichtspflichten zentral in Auftrag gegeben. Die Zahlen liegen der zuständigen Behörde noch nicht vor. 9. Auf wie viele Betriebe der Hamburgischen Gastronomie beziehungsweise Lebensmittelindustrie erstreckten sich die unter Ziffer 8. fallenden Kontrollen? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und Bezirk nach Gastronomie und Lebensmittelindustrie gesondert insgesamt und prozentual im Verhältnis zur Gesamtzahl darstellen.) Siehe Antwort zu 1. 10. Nach § 43 Absatz 4 IfSG sind Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmer nach Arbeitsaufnahme und im Weiteren alle zwei Jahre in dokumentierter Form über die in § 42 Absatz 1 IfSG enthaltenen Tätigkeitsverbote zu belehren. In wie vielen Betrieben der Hamburgischen Gastronomie beziehungsweise Lebensmittelindustrie und mit jeweils welchen Ergebnissen wurden die Dokumentation und/oder Inhalte etwaiger Belehrungen des Arbeitgebers durch die hierfür zuständige Stelle seit dem 1. Januar 2017 überprüft? (Bitte pro Jahr (bezüglich 2019 bitte zum Stichtag 15. Juni) und jeweiligem Bezirk gesondert darstellen.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17645 5 Lebensmittelbetriebe mit Betriebssitz in Hamburg unterliegen Routinekontrollen durch die bezirkliche Lebensmittelüberwachung. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. Routinekontrollen in der Gastronomie 2017 2018 Hamburg-Mitte 1 961 1 814 Altona 1 345 1 268 Eimsbüttel 830 1 018 Hamburg-Nord 1 942 2 011 Wandsbek 930 1 080 Bergedorf 651 630 Harburg 885 860 Gesamt 8 544 8 681 Für die Anzahl der in den Lebensmittelbetrieben durchgeführten Routinekontrollen für 2018 siehe Drs. 21/16055 sowie für 2017 in Drs. 21/12160. Die Auswertung der Halbjahresstatistik 2019 ist bereits aufgrund anderer Berichtspflichten zentral in Auftrag gegeben. Die Zahlen liegen der zuständigen Behörde noch nicht vor.