BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17678 21. Wahlperiode 05.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 27.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Kaum äußere Differenzierung – Welche genaue Erklärung gibt es für die Abweichung der KMK-Empfehlung in Hamburg? Hamburg bietet das Abitur nach neun Jahren an den Stadtteilschulen an – nur fürchten viele Eltern, dass dieses Abitur nicht denselben Wert hat wie das der grundständigen Gymnasien mit ihrem achtjährigen Durchgang. Mittel für eine gute Vorbereitung auf die verschiedenen Abschlüsse und das Abitur sind differenzierte Fachleistungskurse in der Mittelstufe. Allerdings praktiziert etwa die Hälfte der Hamburger Stadteilschulen in den Klassenstufen 7 – 10 keinerlei äußere Differenzierung (also Kurse für verschiedene Anspruchsebenen auch im Hinblick auf die erreichbaren Abschlüsse aus der Sekundarstufe I oder des Abiturs), auch nicht in den wesentlichen Unterrichtsfächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Die andere Hälfte der Schulen tut dies in sehr unterschiedlichem Maße, was die Fächer und die Klassenstufen betrifft. Objektivierbare Gründe für diese Unterschiede (zum Beispiel KESS- Einstufung der Schülerschaft nach soziokulturellen Kriterien oder ähnliches) sind nicht erkennbar. Demgegenüber fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) die äußere Fachdifferenzierung schon ab Klassenstufe sieben. Dieser Vorgabe der KMK hält der Senat laut Drs. 21/16511 entgegen, dass die KMK ein Abweichen von dieser Vorgabe erlaubt und „aus schulstrukturellen Gründen klasseninterne Lerngruppen möglich sind“. Ferner wird in den Drs. 21/16511 und 21/17067 vonseiten des Senats mehrfach betont, dass die selbstverantworteten Schulen jeweils frei sind, über ihre zuständigen Gremien Beschlüsse zur Frage der inneren oder äußeren Differenzierung zu fassen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 3. Dezember 1993 in der Fassung vom 25. September 2014 über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I sieht unter Ziffer 3.2.5 vor, dass aus schulstrukturellen Gründen klasseninterne Lerngruppen möglich sind. Die Stadtteilschule hat den Auftrag, Schülerinnen und Schülern des gesamten Begabungs- und Leistungsspektrums ein ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten angemessenes Bildungsangebot zu machen und sie zu den entsprechenden Abschlüssen und Übergängen zu führen. § 14 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy) unterscheidet daher ausdrücklich und deutlich zwischen dem Unterrichten auf unterschiedlichen Anforderungsebenen einerseits und der Frage, wie dies für die jeweilige Schülerschaft passend organisatorisch umgesetzt werden kann, andererseits Drucksache 21/17678 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 (https://www.hamburg.de/contentblob/3013778/ 179fc5b070414ef87851839a1b87ec5b/data/apo-grundstgy.pdf;jsessionid= B8FA5992EBFF40C979F5B17933262229.liveWorker2). Unabhängig von der Organisationsform, die die Schule im jeweiligen Fach oder Lernbereich und in der jeweiligen Jahrgangsstufe gewählt hat, ist ab Jahrgangsstufe 7 in allen Fächern durchgängig so zu unterrichten, dass alle drei Abschluss- beziehungsweise Übergangsperspektiven Berücksichtigung finden. Innere Differenzierung ist wegen der unterschiedlichen Anforderungsebenen, unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Lernentwicklungsständen der heterogenen Schülerschaft zentrales Unterrichtsprinzip in allen Lerngruppen, da gemeinsames Lernen den Lernerfolg des ganz überwiegenden Teils der Schülerschaft begünstigt und das soziale Lernen im Klassenverband fördert. Abhängig von den schulstrukturellen Gegebenheiten entscheiden die Schulen, ob sie in einzelnen Fächern und/oder Jahrgangsstufen Klassen in verschiedene , nach Anforderungsebenen getrennte Lerngruppen (äußere Fachleistungsdifferenzierung ) unterteilen. Aktuelle Untersuchungen an Stadtteilschulen belegen, dass die Schülerinnen und Schüler, die in die gymnasiale Oberstufe an Stadtteilschulen eintreten, durchschnittlich höhere Lernstände erzielen als dies bei den Schülerinnen und Schülern der dreijährigen Oberstufen der Gesamtschulen, beruflichen Gymnasien und Aufbaugymnasien in der Vergangenheit der Fall war. Die Stadtteilschülerinnen und -schüler verfügen im Durchschnitt über deutlich bessere Englischkompetenzen, bessere Lesekompetenzen , eine bessere naturwissenschaftliche Grundbildung, ähnliche Orthografiekenntnisse und eine vergleichbare mathematische Grundbildung. Im Übrigen siehe Drs. 21/16511. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Die Behörde für Schule und Berufsbildung erklärt in Drs. 21/16511, dass „seit dem Schuljahr 2013/2014 Stadtteilschulen die Möglichkeit erhalten, mit Unterstützung des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) schulinterne Evaluationen durchzuführen, in denen das Instrumentarium der Untersuchung, Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern‘ (KESS) eingesetzt wird.“ a) Können einzelne Schulen direkt beim Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) Untersuchungen bestellen zu Fragestellungen , die ihnen aktuell bedeutsam sind? Gibt es einen Dienstweg für die Antragstellung? Die Stadtteilschulen bekunden ihr Interesse zur Teilnahme per E-Mail beim Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ). Im Übrigen siehe Drs. 21/17067. b) Wie viele und welche Schulen haben in den Schuljahren 2013/2014, 2014/2015, 2015/2016, 2016/2017 und 2017/2018 einen solchen Antrag gestellt? Wie viele und welche davon wurden ausgeführt und von welcher Stelle genehmigt? Im Schuljahr 2013/2014 konnten Schulen einen Antrag stellen. Erste Erhebungen fanden im Schuljahr 2014/2015 statt. Bei allen Schulen, die einen Antrag gestellt haben, wurde eine Untersuchung durchgeführt. Zu den einzelnen Schulen siehe Anlage . c) Wie viele Stadtteilschulen haben in den genannten Schuljahren Unterstützung erbeten mit einer Fragestellung, die sich auf den Komplex innere/äußere Differenzierung bezogen? Bitte nach Schulen mit Fragestellung auflisten. d) Konnte das IfBQ der Bitte in allen Fällen nachkommen? Wenn nicht, welchen Bitten konnte es nicht nachkommen und warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17678 3 e) Welche Ergebnisse wurden bei Untersuchungen zum Komplex innere /äußere Differenzierung ermittelt? Bitte schulbezogene Kurzfassung nennen. Keine Stadtteilschule hat eine Fragestellung formuliert, die sich auf unterschiedliche Formen der Differenzierung in der Sekundarstufe I bezieht. f) Wie wurde jeweils der Auswertungsprozess in den Schulen gestaltet , wurde zum Beispiel die Schulaufsicht beteiligt? Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Die Schulen erhalten innerhalb von vier Wochen nach der Testung individuelle und profilbezogene Rückmeldungen zu den Lernständen und fachbezogenen Selbstkonzepten ihrer Schülerinnen und Schüler. Auf Wunsch finden Ergebnispräsentationen in den Schulen statt, bei denen insbesondere Zusammenhänge zwischen Merkmalen des sozialen Hintergrundes und Lernständen in verschiedenen Kompetenzbereichen sowie Vergleiche zwischen bislang mit dem KESS-Instrumentarium evaluierten Kohorten vorgestellt und mit Schulleitung, Steuergruppe, Kollegium und/oder Elternvertretungen interpretiert werden. Die Schulaufsicht wird auf Initiative der Schulen beteiligt. Die Schule entscheidet im Rahmen der selbstverantworteten Schule, welche Maßnahmen ergriffen werden. Die Maßnahmen zur Schulentwicklung werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht zentral statistisch erfasst. 2. Zu Ziffer 9. a) der Drs. 21/16511 erklärt die zuständige Behörde, dass aktuelle Ergebnisse aus der internen Schulevaluation mit KESS-Instrumenten vorliegen, bezogen auf die Leistungen von Stadtteilschülerinnen und -schülern zu Beginn der Jahrgangsstufe 11 verglichen mit denen der Schülerinnen und Schülern des KESS-Jahrgangs, die vor der Reform (2009) in eine dreijährige Oberstufe (Gesamtschulen, berufliche Gymnasien und Aufbaugymnasien) aufgenommen wurden und zuvor ein System mit äußerer Differenzierung durchlaufen haben. a) Erlauben diese vorliegenden Datenbestände schul- und fachbezogene Auswertungen unter der Fragestellung, ob die Durchführung von Unterricht in äußerer Differenzierung in der Sekeundarstufe I zu höheren Lernständen geführt hat? b) Wenn ja, hat die zuständige Behörde solche Untersuchungen vorgenommen ? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/17067. 3. Welche genaue Erklärung gibt es dafür, dass in Hamburg die KMK- Vorgabe der äußeren Differenzierung oftmals nicht an den Stadtteilschulen umgesetzt wird? Durch welche demografischen und/oder schulstrukturellen Gründe lässt sich dies konkret begründen? Siehe Vorbemerkung. Interne Evaluation mit KESS - teilnehmende Stadtteilschulen in der Jahrgangsstufe 11 Schulname KESS 11 2014/15 KESS 11 2015/16 KESS 11 2016/17 KESS 11 2017/18 1. Alter Teichweg 0 1 1 1 2. Altrahlstedt 0 1 0 1 3. Am Hafen 0 0 1 1 4. Bahrenfeld (mit Flottbek) 0 1 1 1 5. Barmbek 0 0 1 1 6. Bergedorf 0 1 1 1 7. Bergstedt 0 1 1 1 8. Blankenese 1 1 1 1 9. Bramfeld 0 1 1 1 10. Eidelstedt 0 0 0 1 11. Eppendorf (mit Ida Ehre) 0 1 0 1 12. Erich Kästner Schule 0 1 0 1 13. Finkenwerder 0 0 1 1 14. Fischbek/Falkenberg 0 1 1 1 15. Geschwister-Scholl-Stadtteilschule 0 1 1 0 16. Goethe-Schule-Harburg (mit Maretstraße) 0 1 1 1 17. Gretel-Bergmann-Schule 0 1 1 1 18. Gyula Trebitsch Schule 0 0 0 1 19. Hamburg-Mitte 0 1 1 1 20. Heinrich-Hertz-Schule (mit Ilse-Löwenstein- Schule) 1 0 1 1 21. Helmuth Hübener 1 1 1 1 22. Horn 0 1 1 1 23. Irena-Sendler-Schule 0 1 1 1 24. Julius-Leber-Schule 1 1 0 0 25. Kirchwerder 0 1 1 1 26. Kurt-Tucholsky-Schule 0 1 1 1 27. Lessing (mit Ehestorfer Weg) 1 1 1 1 28. Lohbrügge 0 1 1 1 29. Lurup 0 1 0 0 30. Max-Brauer-Schule 1 1 1 1 31. Max-Schmeling-Stadtteilschule 0 0 0 1 32. Mümmelmannsberg 0 1 1 1 33. Nelson-Mandela-Schule (mit Schule auf der Veddel) 0 0 1 1 34. Niendorf 0 1 0 0 35. Oberstufe Langenhorn (Am Heidberg & Fritz- Schumacher) 0 1 1 1 36. Oldenfelde 0 1 1 1 37. Otto-Hahn-Schule 0 1 1 1 38. Richard-Linde-Weg 0 1 1 0 39. Rissen 0 1 1 1 40. Stellingen 0 1 1 1 41. Stübenhofer Weg 0 0 0 1 42. Süderelbe 0 1 1 1 43. Walddörfer 0 1 1 1 44. Wilhelmsburg 0 0 1 1 45. Winterhude 0 1 1 1 Summe: 6 35 35 40 Legende: 0 = nicht teilgenommen, 1 = teilgenommen Quelle: Daten der für Bildung zuständigen Behörde Drucksache 21/17678 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 17678ska_Text 17678ska_Anlage