BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17679 21. Wahlperiode 23.07.19 Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Wolf, Detlef Ehlebracht, Andrea Oelschläger, Harald Feineis und Peter Lorkowski (AfD) vom 27.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Wie hat die Schulbehörde bislang auf Fehlstunden aufgrund der Teilnahme an den „Fridays-for-Future“-Demonstrationen reagiert? Am 18. Januar 2019 demonstrierten erstmals in Hamburg Schüler unter dem Motto „Fridays for Future“ (FFF) für mehr Klimaschutz. Seitdem fanden in einer gewissen Regelmäßigkeit weitere FFF-Demonstrationen in Hamburg statt – die bislang größte am 1. März 2019 unter Beteiligung der schwedischen Klima-Aktivistin Greta Thunberg mit insgesamt 3 800 Teilnehmern.1 Im Zuge der FFF-Demonstrationen ist auch ein politischer Streit darüber entbrannt , ob Schüler während der Unterrichtszeit demonstrieren können sollten und ob und inwieweit Schulen auf anfallende Fehlstunden reagieren sollten. In Drs. 21/16542 stellt der Senat fest, dass das „Grundrecht der Schülerinnen und Schüler, an Demonstrationen teilzunehmen (Artikel 5 GG), (…) durch die gesetzliche Schulpflicht (Artikel 7 GG) wirksam begrenzt (sei), sodass in aller Regel die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Demonstrationen während der Unterrichtszeit als Fehlzeit zu werten (sei). Daher (gelte) in diesem Fall die Richtlinie für den Umgang mit Schulpflichtverletzungen, deren Umsetzung in einer Handreichung näher beschrieben ist: http://www.hamburg.de/contentblob/64418/data/bbs-hrschulpflichtverletzungen -pdf-2013.pdf.“2 In der Handreichung heißt es unter Punkt 5 „Überprüfung der Anwesenheit“: „Die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler ist vor jeder Unterrichtsstunde und vor jeder schulischen Pflichtveranstaltung zu überprüfen. Schulversäumnisse sind im Klassenbuch oder Kursheft zu dokumentieren. Die Eintragungen sind jeweils am letzten Unterrichtstag einer Woche daraufhin durchzusehen, ob Schülerinnen oder Schüler größere Teile des Unterrichts oder einzelne Lehrveranstaltungen versäumen . Unentschuldigte Fehlzeiten sind der zuständigen Klassenlehrkraft bzw. der Tutorin oder dem Tutor umgehend mitzuteilen. Bei einem unentschuldigt versäumten Schultag führt die zuständige Lehrkraft ein normenverdeutlichendes Gespräch mit der Schülerin bzw. dem Schüler. Die Schulen sind verpflichtet, die Sorgeberechtigten minderjähriger Schülerinnen und Schüler und die früheren Sorgeberechtigten Volljähriger über unentschuldigte Versäumnisse zu informieren. Die Beruflichen Schulen sind außerdem verpflichtet , die Ausbildungsbetriebe über unentschuldigte Versäumnisse zu informieren . Die Durchführung des normenverdeutlichenden Gesprächs und der Information der Sorgeberechtigten sind im Schülerbogen zu dokumentieren. Erklärungen der Schülerinnen und Schüler und Eltern in Bezug auf den Schulbesuch werden dem Schülerbogen beigefügt. Dies gilt auch für die Zeit, 1 Vergleiche umfassend Drs. 21/16542 (Frage 1.). 2 Ebenda, Vorbemerkung. Drucksache 21/17679 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 in der eine Schülerin oder ein Schüler durch ein ReBBZ betreut wird. Die Beruflichen Schulen geben mindestens halbjährig Bescheinigungen über den erfolgten Schulbesuch aus. In dieser Bescheinigung werden die entschuldigten und die unentschuldigten Fehlzeiten in Stunden angegeben.“3 Für die Demonstration am 1. März 2019, an der Greta Thunberg teilnahm, hatte der Präses der Behörde für Schule und Berufsbildung erklärt, „dass man am letzten Tag vor den Ferien mit Augenmaß darauf reagieren sollte, wenn eine Schülerin beziehungsweise ein Schüler aus diesem Grund ein einziges Mal nicht zur Schule gehe“4. Darüber hinaus bekräftigte Schulsenator Rabe jedoch die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht und sagte mit Blick auf ein Fernbleiben des Unterrichts aufgrund der Teilnahme an einer FFF-Demonstration: „Grundsätzlich werden wir das jedoch nicht hinnehmen, sonst fällt künftig jeden Tag aus irgendeinem Grund die Schule aus – Probleme und Anlässe gibt es genug in der Welt. Niemand verbessert die Welt, indem er die Schule schwänzt. Und es wirkt auf Dauer auch nicht sonderlich überzeugend, wenn das politische Engagement immer nur ausgerechnet während der Schulzeit stattfindet.“5 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Es gehört zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen und ihre Bereitschaft zu stärken, sowohl an der Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken als auch Mitverantwortung für die Erhaltung und den Schutz der natürlichen Umwelt zu übernehmen. Daher begrüßt die für Bildung zuständige Behörde zum einen grundsätzlich das politische Engagement von Schülerinnen und Schülern für mehr Klimaschutz. Die Folgen der globalen Erwärmung bewegen viele Schülerinnen und Schüler, weil sie sich Sorgen um die Zukunft machen. Es ist unter anderem Aufgabe der Schulen, diese Sorgen ernst zu nehmen, indem sie das Interesse der Schülerinnen und Schüler aufgreifen. Hier bestehen viele Möglichkeiten, das Thema Klimawandel in schulischen Projekten, aber auch im Unterricht zu bearbeiten. So sind klimabezogene Themen unter anderem in den Rahmenplänen der Fächer Biologie, Chemie, Physik, Geographie und Politik, Gesellschaft, Wirtschaft (PGW) und in den Aufgabengebieten „Umwelterziehung “ und „Globales Lernen“ verankert. Darüber hinaus können Schulen, an Wettbewerben wie „Umweltschule in Europa“ oder „Klimaschule“ teilnehmen. Zum anderen begrüßt die zuständige Behörde, dass viele Schülerinnen und Schüler mit ihrem Engagement an der öffentlichen Meinungsbildung teilnehmen und damit Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen, in der sie leben. Die klimapolitischen Forderungen haben das Thema verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und die Diskussion um den richtigen Weg belebt. Auch wenn die zuständige Behörde das demokratische Eintreten für mehr Klimaschutz begrüßt, ist sie gleichzeitig für die Durchsetzung der Schulpflicht verantwortlich . Die Schulpflicht ist eine wichtige gesellschaftliche Errungenschaft und damit wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft. Sie dient der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrages, der sich nicht nur auf die bloße Wissensvermittlung richtet, sondern auch auf die Herausbildung selbstverantwortlicher Persönlichkeiten und verantwortungsvoller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in einer pluralistischen Gesellschaft. Das Grundrecht der Schülerinnen und Schüler, an Demonstrationen teilzunehmen (Artikel 8 GG), ist durch die gesetzliche Schulpflicht (Artikel 7 GG) wirksam begrenzt, 3 Handreichung zum Umgang mit Schulpflichtverletzungen, unter: https://www.hamburg.de/ contentblob/64418/46d564e4860379d34705cf997da787de/data/bbs-hrschulpflichtverletzungen -pdf-2013.pdf (abgerufen am 23.06.2019). 4 Drs. 21/16542 (Vorbemerkung). 5 Newsletter der für Bildung zuständigen Behörde vom 1. März 2019 unter https://www.bsbhamburg .de/index.php?id=319#c6013. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17679 3 sodass in aller Regel die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Demonstrationen während der Unterrichtszeit als unentschuldigte Fehlzeit zu werten ist. Daher gilt in diesem Fall die Richtlinie für den Umgang mit Schulpflichtverletzungen, deren Umsetzung in einer Handreichung näher beschrieben ist: http://www.hamburg.de/ contentblob/64418/data/bbs-hr-schulpflichtverletzungen-pdf-2013.pdf. Der Präses der für Bildung zuständigen Behörde hat mit Oberstufenschülerinnen und -schülern über das gesellschaftlich relevante Thema der Bewegung Fridays for Future diskutiert. Er hat Verständnis für das Engagement der Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz gezeigt, aber auch die Notwendigkeit der Einhaltung von Regeln wie in diesem Fall der Schulpflicht verdeutlicht. Öffentliche Aufmerksamkeit kann auch mit Demonstrationen außerhalb der Schulzeit erzielt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. An welchen Tagen haben Hamburger Schüler bislang unter dem Motto „Fridays for Future“ demonstriert und wie viele Teilnehmer haben jeweils an diesen Demonstrationen teilgenommen? Bitte hierzu die entsprechenden Erkenntnisse der Ordnungsbehörden einbeziehen. Die erste Versammlung im Sinne der Fragestellung wurde am 18. Januar 2019 auf dem Hamburger Rathausmarkt durchgeführt; bis einschließlich 28. Juni 2019 wurden insgesamt 23 stationäre Versammlungen und 15 sich fortbewegende Versammlungen (Aufzüge) im Kontext von „Fridays for Future“ durchgeführt. Nach Erkenntnissen der Polizei stellt sich die Entwicklung der Teilnehmerzahlen wie folgt dar: Datum Veranstaltungsart Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer 18. Januar 2019 Versammlung 1 200 1. Februar 2019 Versammlung 450 8. Februar 2019 Versammlung 20 15. Februar 2019 Versammlung 17 22. Februar 2019 Versammlung 800 1. März 2019 Aufzug 3 800 8. März 2019 9 Versammlungen 55 15. März 2019 5 Aufzüge 7 200 22. März 2019 Versammlung 1 500 5. April 2019 5 Versammlungen 2 030 12. April 2019 Aufzug 2 000 19. April 2019 Versammlung 300 26. April 2019 Aufzug 1 900 3. Mai 2019 Versammlung 180 10. Mai 2019 Aufzug 900 17. Mai 2019 Versammlung 70 24. Mai 2019 Aufzug 17 000 31. Mai 2019 Aufzug 4 200 7. Juni 2019 Aufzug 1 400 14. Juni 2019 Aufzug 6 000 21. Juni 2019 Aufzug 1 500 28. Juni 2019 Aufzug 1 100 Quelle: Daten der zuständigen Behörde Inwieweit es sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern um Hamburger Schülerinnen und Schüler handelt, wird von der Polizei nicht erhoben. 2. Wie viele unentschuldigte Fehlstunden sind seit diesem Schuljahr aufgrund der Teilnahme von Schülern an den FFF-Demonstrationen an welchen Schulen angefallen? Drucksache 21/17679 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 3. Wie viele unentschuldigt versäumte Schultage sind aufgrund der Teilnahme von Schülern an den FFF-Demonstrationen an welchen Schulen angefallen? 4. Wie viele normenverdeutlichende Gespräche wurden mit Schülern aufgrund der Teilnahme an den FFF-Demonstrationen und dadurch angefallener Fehltage an welchen Schulen geführt? 5. Welche weitergehenden Maßnahmen wurden aufgrund der Teilnahme an den FFF-Demonstrationen und dadurch angefallener Fehltage an welchen Schulen durchgeführt? Die erfragten Daten werden nicht zentral erfasst. Zum Aufwand einer Schulabfrage zu Fehlzeiten siehe Drs. 21/16542. Das Gleiche gilt für die Ermittlung der Zahl normenverdeutlichender Gespräche und weitergehender Maßnahmen im Zusammenhang mit unentschuldigtem Fehlen zur Teilnahme an den Fridays-for-Future-Demonstrationen. Hier müssten nach Ermittlung der Fehlzeiten im Klassenbuch oder Kursheft zusätzlich die Schülerbögen auf eine schriftliche Dokumentation nach der Richtlinie für Schulpflichtverletzungen durchgesehen und sodann die Ergebnisse pro Schule für das vergangene Halbjahr zusammengestellt werden. Dies ist im Zeitraum für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich. 6. In wie vielen Fällen wurden die Sorgeberechtigten minderjähriger Schüler über unentschuldigte Versäumnisse aufgrund der Teilnahme an den FFF-Demonstrationen informiert? Diese Daten werden nicht zentral erfasst. Eine Schulabfrage ist aufgrund der Hamburger Ferien nicht möglich. 7. An Demonstrationstagen fehlten in einzelnen Klassen teilweise größere Gruppen an Schülern: a) Wurde in diesen Fällen der Fachunterricht dennoch thematisch ohne inhaltliche Abstriche und thematisch fortlaufend durchgeführt? b) Sind der Behörde für Schule und Berufsbildung Fälle bekannt, in denen Klausuren oder Lernerfolgskontrollen nicht geschrieben wurden , weil zu viele Schüler fehlten? c) Sind der Behörde für Schule und Berufsbildung Fälle bekannt, in denen Klausurtermine oder Lernerfolgskontrollen verschoben wurden , weil aufgrund des Fehlens größerer Schülergruppen, die Lerninhalte noch nicht hinreichend vermittelt werden konnten? Unterricht findet von montags bis freitags nach Stundenplan statt und wird wegen des Fehlens von Schülerinnen und Schülern nicht ausgesetzt. Der für Bildung zuständigen Behörde sind keine Fälle bekannt, in denen Klausuren oder Klassenarbeiten nicht geschrieben oder verschoben wurden, weil Schülerinnen und Schüler gefehlt haben. Die Konsequenz für unentschuldigtes Fehlen beinhaltet auch die Verpflichtung, schuldhaft versäumte Unterrichtsinhalte selbständig nachzuholen. d) In wie vielen Fällen wurden Klausuren oder Lernerfolgskontrollen mit der Note „6“ bewertet, weil Schüler aufgrund der FFF-Demonstrationen unentschuldigt fehlten? Um diese Daten zu ermitteln, müsste für jede einzelne Klassenarbeit oder Klausur geprüft werden, ob sie an einem Freitag geschrieben wurde. Ferner müssten von den an einem Freitag geschriebenen Klausuren oder Klassenarbeiten diejenigen herausgesucht werden, die mit ungenügend bewertetet wurden. Dieses Ergebnis müsste mit den Fehlzeiten der Schülerinnen und Schüler abgeglichen und somit festgestellt werden , ob die Bewertung wegen unentschuldigten Fehlens erfolgte. Dies ist im Zeitraum für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17679 5 8. Welche Erkenntnisse hat die Behörde für Schule und Berufsbildung allgemein über den Umfang der Unterrichtsversäumnisse aufgrund der Teilnahme an den FFF-Demonstrationen? Siehe Antwort zu 6. 9. Hält die Behörde für Schule und Berufsbildung die Handreichung zum Umgang mit Schulpflichtverletzungen auch für den Fall für ausrechend, dass sich die FFF-Demonstrationen fortsetzen und sogar ausdehnen? Ja, siehe Drs. 21/16542. 10. Sind gegebenenfalls weitere Handlungsempfehlungen zum Umgang mit den schulschwänzenden Teilnehmern der FFF-Demonstrationen in Planung ? Bitte erläutern. Siehe Vorbemerkung.