BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17682 21. Wahlperiode 05.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 27.06.19 und Antwort des Senats Betr.: Rückforderung von Sozialleistungen Manchmal passiert es, dass die Behörde zu viel Hartz IV oder Sozialhilfe zahlt und diese dann hinterher zurückfordert. Ob ein Bescheid aufgehoben und der überzahlte Betrag zurückgefordert werden darf, hängt von vielen Voraussetzungen ab. Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe dürfen nur zurückgefordert werden, wenn der Bescheid, in dem sie ursprünglich gewährt wurden, aus irgendeinem Grund fehlerhaft ist. Das Sozialrecht unterscheidet dabei zwischen zwei Fällen : zwischen Leistungsbescheiden, die von Anfang an unrichtig waren, und Bescheiden, die erst nachträglich unrichtig werden, weil sich zwischenzeitlich die Verhältnisse des Leistungsbeziehers geändert haben. Die Rückforderung wird gewöhnlich durch das Jobcenter schriftlich angekündigt . Dann besteht Gelegenheit zur Stellungnahme. Erst nach Ablauf der gesetzten Frist erlässt das Jobcenter den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid . Gegen den Erstattungsbescheid kann der Leistungsbezieher Widerspruch einlegen und anschließend Klage erheben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Sowohl Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) als auch die Fachämter für Grundsicherung und Soziales in den Bezirksämtern sind gesetzlich verpflichtet, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen, sofern die Anspruchsvoraussetzungen durch die antragstellende Person erfüllt sind. Während des Bewilligungszeitraumes ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Lebensverhältnisse in den Bedarfsgemeinschaften beispielsweise durch Arbeitsaufnahme verändern. Dies macht es erforderlich, Leistungen neu zu berechnen und zu bewilligen mit der Folge, dass es zu einer Rückforderung einzelner Leistungen beziehungsweise der gesamten Leistung kommt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1. Wie viele Fälle gibt es aktuell in Hamburg, in denen das Jobcenter Leistungen zurückfordert? Und wie stellt sich diese Situation seit Jahresbeginn dar? 2. In wie vielen Fällen hat die Behörde die Überzahlung selbst verschuldet? 3. In wie vielen Fällen kam es zu Überzahlungen der SGB-II-Grundsicherung a) bei den Regelleistungen und/oder bei den Kosten der Unterkunft, Drucksache 21/17682 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b) bei Arbeitsaufnahme in einen Minijob, c) bei Erhöhung des Einkommens, zum Beispiel vom Minijob zum Midijob, d) bei Veränderung der Wohnsituation des Leistungsempfängers, e) bei Verkleinerung der Bedarfsgemeinschaft, f) in einem Erbschaftsfall? Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauswertung von rund 97 000 Fällen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. In wie vielen Fällen wurde seitens des Leistungsbeziehers gegen den Bescheid Widerspruch erhoben? Bitte die häufigsten Gründe dafür benennen. Siehe Anlage. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 3. f). 5. Wie lang war die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Widersprüche? 6. Wie viele Widersprüche wurden von Rechtsanwälten eingereicht/ vorgenommen und wie viele vom Leistungsempfänger selber? 7. In wie vielen Fällen war der Leistungsbescheid von Anfang an rechtswidrig , weil a) der Bescheid durch arglistige Täuschung seitens des Leistungsbeziehers , Drohung oder Bestechung erwirkt wurde (§ 45 Absatz 2 Nummer 1 SGB X), b) der Bescheid auf Angaben beruht, die der Leistungsbezieher vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Absatz 2 Nummer 2 SGB X), c) der Leistungsbezieher die Rechtswidrigkeit des Bescheids kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Absatz 2 Nummer 3 SGB X)? 8. In wie vielen Fällen wurde der Leistungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, weil a) die Änderung zugunsten des Leistungsbeziehers erfolgte, das heißt diesem Leistungen nachgezahlt wurden gemäß § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB X, b) der Leistungsbezieher seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Absatz 1 Satz. 2 Nummer 2 SGB X), c) der Leistungsbezieher Einkommen oder Vermögen erzielt hat gemäß § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB X), d) der Leistungsbezieher wusste oder durch besonders schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nicht wusste, dass der Anspruch ganz oder teilweise weggefallen war gemäß § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 SGB X? 9. In wie vielen Fällen wurde ein rechtswidriger Leistungsbescheid außerhalb der Frist von einem Jahr gestellt (§ 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X; § 48 Absatz 4 SGB X)? 10. In wie vielen Fällen hat die Behörde Kostenersatzansprüche gegen Leistungsbezieher von Hartz IV erhoben a) weil der Leistungsbezieher durch „sozialwidriges Verhalten“ die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen an sich oder Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17682 3 an Personen, die mit Ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben, herbeigeführt hat (§ 34 SGB II), b) der Leistungsbezieher ursächlich rechtswidrige Sozialleistungen an Dritte erbracht hat (§ 34a SGB II). 11. In wie vielen Fällen war der Leistungsbezieher ersatzpflichtig nach § 34 SGB II? 12. In wie vielen Fällen wurde von einer Geltendmachung des Anspruchs abgesehen, weil sie für den Leistungsbezieher eine Härte bedeutet hätte gemäß fachlicher Anweisungen der Bundesagentur für Arbeit, § 34 SGB II, 34.19? 13. Bei der Sozialhilfe nach dem SGB XII gibt es – vergleichbar mit dem Anspruch aus § 34 SGB II bei Hartz 4 – einen entsprechenden Ersatzanspruch bei „schuldhaftem Verhalten“ (§ 103 Absatz 1 SGB XII). Im Unterschied zum Arbeitslosengeld II kann der Anspruch hier auch gegenüber sonstigen Dritten geltend gemacht werden. In wie vielen Fällen wurde hiervon Gebrauch gemacht? 14. In wie vielen Fällen wurden überzahlte Leistungen vom Jobcenter mit den laufenden SGB II Grundsicherungszahlungen in Höhe von bis zu 10 Prozent des Regelsatzes aufgerechnet, weil die Grundlage der Rückforderung ein höheres Einkommen war als angegeben? 15. In wie vielen Fällen hat das Jobcenter mit 30 Prozent des Regelbedarfs aufgerechnet, weil falsche oder unvollständige Angaben oder sozialwidriges Verhaltens vorlagen? 16. In wie vielen Fällen war der Grund für eine Rückforderung die, dass der Betroffene ohne Erlaubnis in den Urlaub fuhr, ohne vorher einen Antrag auf Ortsabwesenheit gestellt zu haben und das Geld deshalb zu Unrecht erhalten hatte? Siehe Antwort zu 1. bis 3. f). 17. Wie hoch sind die Gesamtforderungen der Hamburger Jobcenter seit 1. Januar 2019, wie hoch aktuell und welche Beträge wurden bisher seitens der Leistungsempfänger beglichen (Hartz 4 und SGB XII)? Forderungen und Einzahlungen im SGB II: Die für die Beantwortung benötigten Angaben zu den Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern liegen nicht vor. Auswertungen finden lediglich jeweils zum Ende eines Monats zum gesamten Forderungsbestand statt. Die genannten Beträge umfassen jeweils die Gesamtbestände aller Forderungen und Einzahlungen, welche über die Jahre hinweg bei Jobcenter entstanden sind. Diese bestehen beispielsweise sowohl gegenüber Sozialversicherungsträgern, wie Renten- und Krankenversicherungen , anderen Behörden als auch gegenüber den Leistungsberechtigten. Ebenso kommen regelmäßig neue Forderungen hinzu, sodass der Forderungsbestand und die geleisteten Zahlungen nicht korrespondieren. Aktuell liegen die Daten hierzu bis einschließlich März 2019 vor: Forderungsbestand am 31.12.2018 163 623 760,24 Euro Forderungsbestand am 31.01.2019 177 075 706,33 Euro Forderungsbestand am 28.02.2019 162 418 168,29 Euro Forderungsbestand am 31.03.2019 164 644 704,73 Euro Die insgesamt monatlich eingegangenen Zahlungen der oben genannten Institutionen sind nachstehend aufgelistet: Geleistete Zahlungen im Januar 9 791 190,50 Euro Geleistete Zahlungen im Februar 9 102 124,59 Euro Geleistete Zahlungen im März 8 480 569,98 Euro Forderungen und Einzahlungen im SGB XII: Drucksache 21/17682 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 3. f). J o b c e n te r H a m b u rg , F re ie u n d H a n s e s ta d t (G e b ie ts s ta n d J u n i 2 0 1 9 ) Z e it re ih e Z u g a n g s v o ra u s - s e tz u n g e n S G B I I E in k o m m e n u n d V e rm ö g e n L e is tu n g e n z u r E in g lie d e ru n g i n A rb e i t R e g e l le is tu n g e n u n d M e h rb e d a rf e K o s te n f ü r U n te rk u n ft u n d H e iz u n g s o n s ti g e L S T L e b e n s u n te rh a lt S a n k ti o n e n A u fh e b u n g u n d E rs ta tt u n g V e rp fl ic h tu n g e n a n d e re r a n d e re G rü n d e 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 J a n . 2 0 1 8 1 .4 2 5 1 9 9 3 9 8 2 3 4 8 1 9 6 7 6 1 1 9 1 6 8 1 2 1 8 6 F e b . 2 0 1 8 1 .6 3 8 1 7 6 5 2 6 5 1 5 0 2 0 3 6 6 1 2 9 1 6 6 1 8 2 5 3 M rz . 2 0 1 8 1 .4 4 7 1 6 0 4 3 1 4 8 4 2 1 7 3 5 8 1 2 7 1 7 9 9 2 2 0 A p r. 2 0 1 8 1 .3 0 9 1 7 3 3 6 7 3 3 3 2 1 6 4 5 1 1 0 8 1 5 3 6 2 2 2 M a i . 2 0 1 8 1 .6 6 0 2 0 3 5 0 6 5 1 4 0 1 9 9 7 0 1 3 9 1 6 9 1 1 2 7 2 J u n . 2 0 1 8 1 .4 5 0 1 7 8 4 1 4 4 6 3 4 1 6 8 6 6 1 2 4 1 7 5 1 6 2 2 9 J u l. 2 0 1 8 1 .6 6 1 2 1 8 5 4 2 4 1 4 6 1 5 2 7 7 1 1 3 1 7 6 9 2 8 7 A u g . 2 0 1 8 1 .4 8 5 1 5 9 4 9 4 3 7 2 6 1 5 7 5 9 9 1 1 8 1 5 2 7 6 S e p . 2 0 1 8 1 .1 4 9 1 3 8 3 6 0 3 0 2 2 1 4 4 4 3 8 3 1 3 5 7 1 8 7 O k t. 2 0 1 8 1 .3 4 5 1 7 5 4 3 4 2 1 3 7 1 5 0 4 4 8 1 1 6 5 6 2 3 2 N o v . 2 0 1 8 1 .3 9 9 1 8 6 4 3 3 2 3 4 5 1 5 6 7 5 8 2 1 5 1 1 5 2 3 3 D e z . 2 0 1 8 1 .5 7 0 1 9 4 4 5 3 3 7 3 9 1 9 0 7 9 1 0 6 1 8 8 9 2 7 5 S u m m e 2 0 1 8 1 7 .5 3 8 2 .1 5 9 5 .3 5 8 4 4 1 4 6 1 2 .0 5 2 7 6 4 1 .3 0 2 2 .0 0 6 1 2 3 2 .8 7 2 J a n . 2 0 1 9 1 .5 1 9 1 8 6 4 7 6 4 2 6 0 1 6 6 5 8 7 8 1 7 4 6 2 7 3 F e b . 2 0 1 9 1 .7 6 9 1 9 8 5 6 2 4 5 5 2 2 0 0 7 4 9 4 2 1 1 1 3 3 2 0 M rz . 2 0 1 9 1 .7 7 8 2 3 7 5 5 2 4 8 5 5 2 1 8 7 8 1 0 8 1 9 8 5 2 7 9 A p r. 2 0 1 9 1 .5 7 4 1 5 8 4 8 0 3 4 3 6 1 7 7 8 0 1 0 2 1 8 6 9 3 1 2 M a i . 2 0 1 9 1 .5 6 2 1 7 4 4 3 7 3 8 3 5 1 5 4 7 1 8 6 2 0 8 8 3 5 1 g le it . S u m m e J u n . 2 0 1 8 b is M a i 2 0 1 9 1 8 .2 6 1 2 .2 0 1 5 .6 3 7 4 4 2 4 8 7 2 .0 3 2 8 0 4 1 .1 4 8 2 .1 4 8 1 0 8 3 .2 5 4 E rs te ll u n g s d a tu m : 2 8 .0 6 .2 0 1 9 , S ta ti s ti k -S e rv ic e N o rd o s t, A u ft ra g s n u m m e r 2 8 7 5 1 4 ( E rg ä n z u n g z u 2 8 5 6 0 6 ) © S ta ti s ti k d e r B u n d e s a g e n tu r fü r A rb e it 1 ) V o rs c h ri ft e n d e s S G B II u n d w e it e re S G B -V o rs c h ri ft e n , g e g e n d ie e in V e rf a h re n a n g e s tr e n g t w u rd e , w e rd e n S a c h g e b ie te g e n a n n t. S ie g e b e n A u s k u n ft z u d e n fa c h lic h e n T h e m e n g e b ie te n , a u f d ie s ic h d ie V e rf a h re n h a u p ts ä c h lic h b e z ie h e n . S a c h g e b ie te u m fa s s e n 1 1 R e g e lu n g s k o m p le x e : A n s p ru c h s v o ra u s s e tz u n g e n (§ § 7 , 8 , 9 , 3 7 S G B II ), E in k o m m e n u n d V e rm ö g e n (§ § 1 1 -1 2 a S G B II ), L e is tu n g e n z u r E in g lie d e ru n g in A rb e it (§ § 1 4 , 1 6 , 1 6 a -1 6 i S G B II ), R e g e lb e d a rf u n d M e h rb e d a rf (§ § 2 0 , 2 1 , 2 3 S G B II ), B e d a rf e fü r U n te rk u n ft u n d H e iz u n g (§ 2 2 S G B II ), S o n s ti g e L e is tu n g e n z u r S ic h e ru n g d e s L e b e n s u n te rh a lt s (§ § 2 4 -2 7 S G B II ), S a n k ti o n e n (§ § 3 1 -3 2 S G B II ), V e rp fl ic h tu n g e n A n d e re r (§ § 3 3 -3 5 S G B II ), A u fh e b u n g u n d E rs ta tt u n g ( § § 4 5 -5 0 S G B X ) u n d a n d e re G rü n d e . G ru n d s ic h e ru n g f ü r A rb e it s u c h e n d e ( S G B I I) M o n a t Z u g ä n g e a n W id e rs p rü c h e n n a c h S a c h g e b ie te n In s g e s a m t d a v o n ( S p a lt e 1 ) n a c h S a c h g e b ie te n 1 ) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17682 5 Anlage 17682ska_Text 17682ska_Anlage