BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17685 21. Wahlperiode 05.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 28.06.19 und Antwort des Senats Betr.: E-Tretroller: Gewerbliche Nutzung ist kein Freibrief für Zumüllen des öffentlichen Raums und für schlechte Arbeitsbedingungen Seit wenigen Tagen sind E-Tretroller im Straßenverkehr zugelassen. Doch schon gibt es viele Beschwerden und Klagen über rücksichtslos abgestellte Roller im öffentlichen Raum, zum Beispiel auf Gehwegen oder Plätzen. Dabei handelt es sich um Miet- oder Leihroller. Der Markt für die gewerblichen Vermieter/-innen, die die sogenannten Sharing-Dienste anbieten, ist heiß umkämpft. Laut Drs. 21/16788 vom 12.04.2019 (Schriftliche Kleine Anfrage der FDP- Fraktion) hatte der Senat im April 2019 Überlegungen zur Ausschreibung für einen Rahmenvertrag für Sharing-Dienst-Anbieter/-innen noch nicht abgeschlossen . Eine Ausschreibung erfolgte bis heute nicht. In einer Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der CDU vom 16. April 2019 (Drs. 21/16804) führte der Senat unter anderem aus: Für den Start eines Sharing-Dienstes ist keine gesonderte Genehmigung erforderlich. (Nummer 1.) „Die Vergabe von Lizenzen oder Konzessionen ist derzeit nicht vorgesehen .“ (Nummer 2.) „Das Befahren öffentlicher Wege mit und das Abstellen von Elektro- Tretrollern und anderen Elektrokleinstfahrzeugen (analog zu Fahrrädern) auf öffentlichen Wegen im Rahmen der Teilnahme am Verkehr ist vom Gemeingebrauch umfasst.“ (Nummer 4.) Nach Recherchen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Pressemitteilung des DGB vom 27.06.2019) sind die Einsammler/-innen (im Branchen-Jargon: Juicer) formell als Selbständige tätig und erhalten eine Vergütung pro eingesammeltem und aufgeladenem Roller. Der Verdienst liege unterhalb des Mindestlohns. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse oder gar Vollzeitjobs würde es nicht geben. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Die „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeugeverordnung – eKFV)“ war im Vorwege stark umstritten, auch in der Bundesregierung. Welche Initiativen , Vorschläge oder andere Maßnahmen hat der Senat oder haben Drucksache 21/17685 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vertreter/-innen des Senats in welchen Gremien (Bundesrat, Verkehrsministerkonferenz et cetera) eingebracht a. zu den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter/-innen, die die Roller einsammeln, aufladen und wieder verteilen, b. für die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse dieser Mitarbeiter/-innen und auch derjenigen im Bürobereich , c. zur Einhaltung des Mindestlohns, beziehungsweise zu einer „Verdienstgarantie “ freier Mitarbeiter/-innen und/oder Subunternehmer/ -innen mindestens in Höhe des Mindestlohns? Falls der Senat sich zu a) bis c) nicht verhalten oder eingebracht hat, weshalb jeweils nicht? Im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz hat sich Hamburg dafür eingesetzt, dass der Bund die rechtlichen Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb der Elektrokleinstfahrzeuge schafft. Arbeits-, arbeitsschutz- oder sozialversicherungsrechtliche Sonderregelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Verleihfirmen sind nicht erforderlich, da das geltende Arbeits-, Arbeitsschutz- und Sozialversicherungsrecht auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen schützt. 2. Weshalb hat der Senat nun doch keine Ausschreibung für einen Rahmenvertrag mit Anbietern/-innen durchgeführt? Die öffentliche und steuerfinanzierte Bereitstellung von elektrisch betriebenen Tretrollern ist keine Aufgabe der Daseinsvorsorge im Mobilitätsbereich. 3. Welche Regelungen sind in einem Rahmenvertrag überhaupt möglich? 4. Welche Inhalte oder Vorgaben können in Lizenzen oder Konzessionen behandelt werden? Ob und welche Regelungen, Inhalte und Vorgaben in Rahmenverträgen, Konzessionen und Lizenzen getroffen werden können, hängt vom Einzelfall ab; enumerative Vorgaben, Regelungen oder Inhalte bestehen nicht. 5. Was muss geschehen, damit der Senat sich mit der Frage von Lizenzen oder Konzessionen befassen wird? Falls der Senat diese Frage als hypothetisch ansieht, frage ich anders: Auf welcher Grundlage ist der Senat zu der Erkenntnis gekommen, dass er „derzeit“ keine Lizenzen oder Konzessionen vorsehen muss? E-Tretroller-Sharing-Angebote sind vom genehmigungsfreien Gemeingebrauch gemäß § 16 Absatz 1 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) umfasst. Für eine Zugangsbeschränkung, auf deren Grundlage Konzessionen erteilt werden könnten, fehlt eine gesetzliche Grundlage. 6. In den wenigen Tagen seit der offiziell zugelassenen Nutzung der E-Tretroller häufen sich die Beschwerden über rücksichtslos abgestellte Roller im öffentlichen Raum. In den oben genannten Drucksachen hat der Senat auf den „Gemeingebrauch“ öffentlicher Wege verwiesen, dabei aber keine Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Nutzung der E-Tretroller gemacht. Bislang sind den zuständigen Fachbehörden keine Beschwerden zugegangen. a. Umfasst der Gemeingebrauch private und gewerbliche Nutzung ohne Unterschied? Gemäß § 16 Absatz 1 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) bedeutet Gemeingebrauch , dass öffentliche Wege ohne besondere Erlaubnis im Rahmen der Widmung und der Vorschriften über den Straßenverkehr zum Verkehr benutzt werden dürfen. Zum Verkehr gehören dabei sowohl der fließende als auch der ruhende Verkehr. Dabei wird nicht zwischen gewerblicher und privater Nutzung unterschieden. Sowohl Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17685 3 das Benutzen von öffentlichen Wegen durch privaten fließenden und ruhenden Verkehr als auch durch gewerblichen fließenden und ruhenden Verkehr zählt zum genehmigungsfreien Gemeingebrauch. Das gilt auch für E-Tretroller. Diese nehmen, wie beispielsweise Mietwagen, CarSharing-Fahrzeuge und Leihfahrräder, am Verkehr teil. b. Der überwiegende Zweck der Leih-E-Tretroller besteht für die Vermieter /-innen in der Ausübung ihres Geschäfts und der Erzielung von Gewinnen. Der überwiegende Zweck für die Nutzer/-innen besteht in der Teilnahme am Straßenverkehr. Welcher dieser beiden Aspekte ist mit welcher Begründung ausschlaggebend für die Unterordnung unter den Gemeingebrauch? Für die Teilnahme am fließenden oder ruhenden Verkehr ist es irrelevant, ob das genutzte Fahrzeug im Eigentum der Fahrerin beziehungsweise des Fahrers steht oder von einem Dritten angemietet ist. Eine Gewinnerzielungsabsicht der Verleiher spielt bei der Beurteilung der Frage, inwieweit es sich bei der Nutzung der E-Tretroller um Gemeingebrauch handelt, keine Rolle. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. a. 7. In der „Gebührenordnung für die Verwaltung und Benutzung der öffentlichen Wege, Grün- und Erholungsanlagen“ vom 4. Dezember 2018 werden zum Beispiel für das „Abstellen von Fahrzeugen auf öffentlichen Flächen, soweit es nicht im Rahmen der Teilnahme am ruhenden Verkehr erfolgt, je Fahrzeug monatlich“ für Mopeds und Motorräder zwischen 9 und 17,90 Euro verlangt (Anlage 2, Nummer 21.1). a. Gibt es rechtliche Gründe, die die Erhebung einer Nutzungsgebühr für das Abstellen der gewerblich vermieteten E-Tretroller im öffentlichen Raum, gegebenenfalls verbunden mit einer Änderung der Gebührenordnung, nicht zulassen? Falls ja, welche? Falls nein, weshalb erhebt der Senat keine Nutzungsgebühr? b. Hat der Senat – auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen in anderen Städten – geprüft, inwieweit die Erhebung einer Nutzungsgebühr zu einem besseren und einem geordneteren Umgang mit den E-Tretrollern führen kann? Falls ja, wie sahen die Fragestellungen und die Ergebnisse aus? Falls nein, weshalb nicht? Die Teilnahme am Gemeingebrauch ist genehmigungs- und gebührenfrei. Beim Abstellen von E-Tretrollern auf öffentlichen Wegen handelt es sich um genehmigungsund gebührenfreien Gemeingebrauch in Form des ruhenden Verkehrs. Der zitierte Gebührentatbestand findet Anwendung auf Fahrzeuge, die nicht zum Zweck der alsbaldigen Wiederinbetriebnahme abgestellt werden (zum Beispiel Schrottfahrzeuge oder Werbefahrzeuge.) Im Übrigen siehe Antwort zu 6. a.