BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17710 21. Wahlperiode 09.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 02.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Zahl von radikalen Salafisten wächst weiter – Wie ist der aktuelle Stand? (XV) Nach Presseberichten halten sich weiter zahlreiche Salafisten in Hamburg auf. Zu Beginn des Jahres 2019 sollen sich in der Freien und Hansestadt Hamburg 771 Salafisten aufgehalten haben.1 Bei den Salafisten handelt es sich meistens um Männer zwischen 18 und 34 Jahren. 437 Salafisten haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Zahl der politischen Straftaten durch gewaltbereite Salafisten bleibt auf einem hohen Niveau. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Salafisten halten sich nach Informationen des Senats derzeit in Hamburg auf und wie viele davon werden als wenig gewaltbereit und als gewaltbereite Salafisten sowie als Jihadisten eingestuft? Bitte jeweils aufschlüsseln nach Altersgruppen unter 18 Jahren, 18 – 21, 22 – 34, 35 und älter sowie nach Geschlecht. 2. Welche Nationalität haben diese Salafisten und Jihadisten jeweils? Siehe Drs. 21/16845. 3. Wie viele Mitglieder weiterer islamistischer Gruppen halten sich derzeit in Hamburg auf? Bitte die Anzahl der den jeweiligen Gruppierung zugeordneten Personen angeben. Siehe den am 08. Juli 2019 veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2018 https://www.hamburg.de/verfassungsschutz/. 4. Wie viele jihadistisch orientierte Personen und Salafisten haben versucht , aus Hamburg seit Drs. 21/12955 für Aktivitäten im Rahmen des „IS“ (oder ähnliche Aktivitäten) auszureisen? Wie viele davon sind tatsächlich ausgereist? Mit welchen Mitteln konnten wie viele Personen davon abgebracht werden? Dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg liegen Erkenntnisse vor, dass seit Drs. 21/12955 zwei weitere Personen (insgesamt 86 Personen) in Richtung Syrien /Irak ausgereist sind. Im Übrigen siehe Drs. 21/9604 und Antwort zu 1 und 2. Bei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit kann auf Antrag der Sicherheitsbehörden vom Einwohner-Zentralamt eine Passversagung gemäß §§ 7 und 8 Passgesetz , § 6 Absatz 7 Personalausweisgesetz in Verbindung mit § 7 Absatz 2 Passver- 1 Vergleiche https://www.abendblatt.de/hamburg/article216957567/Keine-Entwarnung-Zahlder -Salafisten-in-Hamburg-weiter-hoch.html. Drucksache 21/17710 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ordnung und § 6 a PAuswG angeordnet werden. Passversagungen können nur zeitlich befristet ausgesprochen werden. Von den derzeit bestehenden Passversagungen für Personen aus dem jihadistischen Spektrum wurde seit Drs. 21/12955 eine angeordnet . Weitere in diesem Zeitraum angeordnete Versagungen, die zwischenzeitlich wieder aufgehoben wurden, werden statistisch nicht erfasst. Im Übrigen siehe Drs. 21/12955. 5. Wie viele dieser ausgereisten Personen sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden ums Leben gekommen? Wie viele „Ausreiser“ sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden zurück nach Deutschland gereist? Wie viele davon nach Hamburg? Nach Erkenntnissen des LfV Hamburg sollen 31 Personen ums Leben gekommen sein. Von den 86 Ausgereisten liegen dem LfV Hamburg Erkenntnisse vor, dass 32 Personen nach Hamburg zurückgekehrt sind. Im Übrigen siehe Drs. 21/9604. 6. Wie bewertet der Senat mögliche Gefahren durch in Hamburg lebende „Rückkehrer“? Siehe Drs. 21/12086, Drs. 21/12955, Drs. 21/15527. 7. Gibt es neue Erkenntnisse hinsichtlich der Aktivität von Salafisten und Jihadisten und anderen islamistischen Gruppierungen im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften? Wenn ja, bitte darstellen. Nein. 8. Wie viele Verdachtsfälle mit islamistischem und religiös-extremistischem Hintergrund in Schulen sind seit Drs. 21/12955 bekannt geworden? Aus welchen Schulen wurden sie gemeldet und welcher Art sind sie? Die für Bildung zuständige Behörde hat seit Mai 2018 60 weitere Beratungsanfragen zu Schülerinnen oder Schülern aus Grundschulen, Stadtteilschulen, Gymnasien oder Beruflichen Schulen dokumentiert. Diese Anfragen konnten in 21 Fällen nach Beratungsgesprächen beziehungsweise Besprechungsterminen zwischen den Schulen und den Fachkräften des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) sowie des Beratungszentrums Berufliche Schulen (BZBS) und der Beratungsstelle Gewaltprävention abgeschlossen werden. Die Anliegen konzentrierten sich auf Unterrichtsprobleme , religiös-kulturelle Fragestellungen und situationsspezifische Problemlagen . Bei 34 Anfragen entwickelte sich eine Fallarbeit in Kooperation mit den Schulen und anderen behördlichen Institutionen, da der Verdacht einer Radikalisierung nicht ausgeräumt werden konnte (seit April 2019 findet die Bearbeitung derartiger Verdachtsfälle an Hamburger Schulen gebündelt in der Beratungsstelle Gewaltprävention statt, siehe Drs. 21/17070). Bei den übrigen fünf Anfragen stehen die Recherchen noch am Anfang. Der Senat sieht aus Datenschutzgründen von der öffentlichen Benennung der Schule(n) ab. 9. Wie viele Verdachtsfälle mit islamistischem und religiös-extremistischem Hintergrund in Hochschulen sind bekannt geworden? Aus welchen Hochschulen wurden sie gemeldet und welcher Art sind sie? Bitte nach Alter und Gewaltbereitschaft darstellen. Seit der Drs. 21/12955 keine. 10. Wie viele Verdachtsfälle mit islamistischem und religiös-extremistischem Hintergrund in JVAs und der in der Untersuchungshaftanstalt sind bekannt geworden? Aus welcher JVA wurden sie gemeldet und welcher Art sind sie? Derzeit befinden sich acht Personen im Hamburger Justizvollzug, bei denen es Anzeichen gibt, dass ein islamistisch-extremistischer Hintergrund bestehen könnte, deren Anlassdelikt aber nicht im Bereich des Staatsschutzes liegt oder einen Extremismusbezug aufweist, davon je drei in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel und der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17710 3 Sozialtherapeutischen Anstalt sowie je einer in der JVA Billwerder und der JVA Hahnöfersand . 11. In wie vielen Fällen hat die Beratungsstelle Legato seit ihrem Bestehen Beratungen durchgeführt? Die Beratungsstelle Legato hat seit ihrem Bestehen in 380 Fällen (Stand 31.03.2019) beraten. 12. Wie viele dieser Beratungsfälle gehen zurück auf Hinweise von Schulen ? a. Wie viele dieser Beratungsfälle gehen zurück auf Hinweise von Hochschulen? b. Wie viele gehen zurück auf Hinweise von Behörden? c. Wie viele gehen zurück auf anonyme Hinweise? Wie viele auf Angehörige? In 28 Fällen ist Legato aufgrund von Beratungsanfragen aus Schulen tätig geworden. Über Behörden sind 132 Fälle in die Beratung gekommen (mit Einverständnis der Angehörigen oder Betroffenen). In wenigen Einzelfällen wollten die Ratsuchenden anonym bleiben, in weniger als fünf Fällen kamen die Ratsuchenden aus dem Bereich Hochschule/Universität, in 115 Fällen sind Angehörige mit einem Wunsch nach Beratung direkt an Legato herangetreten. Im Übrigen siehe Drs. 21/16409, Drs. 21/15527 und Drs. 21/13826. 13. Gegen wie viele islamistisch orientierte Personen laufen derzeit gerichtliche Verfahren (neue Erkenntnisse seit Drs. 21/12955)? Im Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaften Hamburg wird der Umstand, ob ein Beschuldigter islamistisch orientiert ist, nicht erfasst (siehe Drs. 21/7911). Die im Folgenden sowie den Antworten zu 14. bis 16. c. mitgeteilten Erkenntnisse beruhen daher auf Einschätzungen der zuständigen Dezernenten. Aktuell wird vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht eine Hauptverhandlung durchgeführt, die auf einer Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg im Sinne der Fragestellung beruht. 14. Wie viele Haftbefehle wurden seit Juni 2018 bis 27. Juni 2019 gegen mutmaßliche Islamisten in Hamburg erlassen? Welche Gründe lagen dafür jeweils vor? Seit wann liegen diese Haftbefehle vor? Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wurden im relevanten Zeitraum sieben Haftbefehle wegen des Verdachts einer Straftat gemäß §§ 129 a, 129 b StGB erlassen . Drei dieser Haftbefehle datieren vom 21. Dezember 2018, 14. Februar 2019 und 20. Februar 2019 sowie vier Haftbefehle jeweils vom 4. April 2019. Hinzu kommt ein Haftbefehl wegen des Verdachts einer Straftat gemäß § 89 a Absatz 2 a StGB vom 11. Dezember 2018, der auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen wurde. Statistiken im Sinne der Fragestellungen werden bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der für die Sachbearbeitung zuständigen Abteilung des Landeskriminalamt (LKA 7 – Staatsschutz) erforderlich. Die händische Auswertung von mehreren Hundert Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 13. 15. Wie viele Haftbefehle gegen mutmaßliche Islamisten wurden bisher aus welchen Gründen nicht vollstreckt? Von diesen Haftbefehlen wurden bislang zwei nicht vollstreckt, da die Gesuchten nicht ergriffen werden konnten. Ein Haftbefehl wurde mittlerweile aufgehoben, ein Beschuldigter wurde vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont. Drucksache 21/17710 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Im Übrigen siehe Antworten zu 13. und 14. und Drs. 21/12955. 16. Wie viele mutmaßliche Islamisten/Salafisten befinden sich derzeit in Hamburger Justizvollzugsanstalt? Bitte aufschlüsseln nach JVA, Anzahl und Gruppe. a. Wie werden diese Inhaftierten in den jeweiligen JVAs untergebracht ? b. Sind diese räumlich getrennt von anderen Inhaftierten je nach Gruppierung untergebracht? c. Wenn ja, wie und nach welchen Kriterien wird eine getrennte Unterbringung angeordnet? Wenn nein, warum nicht? Eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit kann in diesen Fällen nicht identifiziert werden. Die Unterbringung dieser Gefangenen erfolgt nach den Richtlinien des Regelvollzugs. Daneben befinden sich vier Personen wegen Staatsschutzdelikten mit Bezügen zum sogenannten Islamischen Staat in Untersuchungshaft, davon zwei in der Untersuchungshaftanstalt sowie je eine in der JVA Hahnöfersand und der Teilanstalt für Frauen . Die Unterbringung und gegebenenfalls Trennung von anderen Gefangenen erfolgt hier auf Grundlage des gerichtlichen Haftstatuts. Im Übrigen siehe Antworten zu 10. und 13. 17. Welche Maßnahmen zur Prävention von Salafismus im Justizvollzug hat der Senat seit 2015 wie umgesetzt und/oder begonnen? a. Wie erfolgt eine Reintegration der entlassenen Islamisten/Salafisten nach deren Haft? b. Inwieweit werden die aus der Haft entlassenen Islamisten/Salafisten auch für Präventionszwecke in der Freien und Hansestadt Hamburg , insbesondere im Rahmen von Konzepten, eingesetzt? Wenn ja, wie viele und seit wann? Wenn nein, warum nicht? c. Wie werden reintegrierte IS-Rückkehrer auch für Präventionszwecke in der Freien und Hansestadt Hamburg eingesetzt? Wenn ja, seit wann, wie viele und im Rahmen welcher Programme? Wenn nein, warum bisher nicht? Islamisten und Salafisten werden grundsätzlich nicht in der Präventionsarbeit eingesetzt . Der Senat hält es grundsätzlich für denkbar, ehemalige Extremisten in die Präventionsarbeit einzubeziehen. Dafür müssen allerdings hohe Mindestanforderungen erfüllt sein, wie zum Beispiel keine Beteiligung an Gewaltstraftaten, glaubhafte und nachhaltige Distanzierung von der Ideologie und dem sozialen Milieu sowie psychische Stabilität. Im Übrigen siehe Drs. 21/3445, 21/15598 und 21/16409.