BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17729 21. Wahlperiode 09.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 03.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Vier Jahre zu spät − Hat das koordinierende Zentrum zur Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen inzwischen den Betrieb aufgenommen? Im Juli 2019 soll das koordinierende Zentrum zur Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen endlich den Betrieb aufnehmen. Erst am 21. Juni hatte die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration öffentlich gemacht, dass die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) die Ausschreibung für die im Jahr 2015 von Rot-Grün zugesagte Einrichtung gewonnen hat. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach Einschätzung der zuständigen Behörden verfügt Hamburg bereits über eine gute Infrastruktur zur psychosozialen Beratung und Behandlung von Opfern von Gewalt und traumatisierten Personen mit Flucht- und Migrationshintergrund, siehe Drs. 21/16349 und Drs. 21/13141. Um den Aufbau einer Parallelstruktur mit zusätzlichen Einrichtungen zu vermeiden, wurden Konzepte sorgfältig sondiert, Anforderungen differenziert erhoben und eine potenzielle Fördersumme ermittelt sowie ein Bekanntgabeverfahren durchgeführt, das dazu diente, den Bieter mit dem am besten geeigneten und wirtschaftlichsten Konzept zu ermitteln. Im Übrigen siehe Drs. 21/17019. Auf die Bekanntgabe haben sich drei Bieter beworben. Mit der Einrichtung und Förderung des Koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen wird das Ziel verfolgt , die bestehenden Angebote des Regelsystems für die Versorgung der Zielgruppe der psychisch belasteten und traumatisierten Flüchtlinge weiter zu ertüchtigen. Wesentliche Aufgaben des Zentrums werden somit die Qualifizierung und Unterstützung der Anbieter von Leistungen im Rahmen der Regelversorgung sein sowie insbesondere die Vermittlung der das Koordinierende Zentrum aufsuchenden Personen in das Regelsystem. Eine der ersten Aufgaben des neuen Zentrums wird deshalb sein, eine Bestandsaufnahme der hier in Hamburg verfügbaren Hilfen für den Personenkreis der psychisch belasteten und traumatisierten Flüchtlinge zu erstellen und Kooperationen aufzunehmen. Dies vorrausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Angaben des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE KöR) wie folgt: 1. Wie viele Bieter haben sich auf die Ausschreibung beworben? Siehe Vorbemerkung. 2. Was zeichnet das Konzept des UKE aus? 3. Welche Beratungs- und Behandlungsangebote bietet die Einrichtung? Drucksache 21/17729 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Was sind die Unterschiede gegenüber der Traumaambulanz für Erwachsene der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE und der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche des UKE- Ambulanzzentrums? Die Traumaambulanz für Erwachsene der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE KöR und die Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche des Ambulanzzentrums der UKE GmbH übernehmen im Rahmen der dort vorhandenen Kapazitäten bereits seit Jahren die individuelle psychiatrische und psychotherapeutische ambulante Versorgung von traumatisierten Geflüchteten und von Folteropfern im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere des SGB V, SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetzes). Dabei wird dieses Versorgungsangebot durch die begrenzten personellen und sächlichen Ressourcen wie auch das bestehende Vergütungssystem beschränkt. Siehe hierzu auch Drs. 21/13141 sowie Drs. 21/16349. Die Aufgabenstellung des Koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen sieht dagegen wie folgt aus: - Koordination von Beratung und Behandlung im Hamburger Netzwerk der Flüchtlingsversorgung , - Durchführung von Schulungen zur transkulturellen und gegebenenfalls traumaspezifischen Kompetenz für andere Einrichtungen der Stadt (Behörden, Beratungseinrichtungen , Behandlungseinrichtungen, Unterkünfte und andere), - Konsildienst der vor Ort in Einrichtungen die Flüchtlinge und Migranten versorgen transkulturelles, traumaspezifisches und medizinisches Wissen vermittelt, - Supervision von Therapeuten, die mit Flüchtlingen und Migranten arbeiten, - Fortbildung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern unter psychotraumatologischen Aspekten, - spezialisierte Beratungs- und Behandlungskapazitäten für geflüchtete Menschen. Die interdisziplinäre Arbeit in einem größeren Team, einschließlich Genesungsbegleiterinnen und Genesungsbegleiter, wird dadurch deutlich erweitert. Zudem werden Beratungskonzepte und Behandlungskonzepte für Geflüchtete durch ein interdisziplinäres Team evaluiert und weiterentwickelt sowie mit den Bedarfen des Hamburger Netzwerks der Flüchtlingsversorgung abgestimmt. Das Konzept der KöR zeichnet sich durch das Vorgehensmodell, den Einsatz der erforderlichen klinischen und wissenschaftlichen Fachexpertise zu Fragen kultursensibler Versorgung und interkultureller Kompetenz, durch Erfahrungen im Umgang mit Schnittstellen zwischen Beratung und psychotraumatologischer beziehungsweise medizinischer Versorgung, durch Netzwerkkontakte sowie den Rückgriff auf vorhandene IT-Grundlagen und sonstige Ressourcen wie zum Beispiel Gutachter/-innen, Dolmetscher/-innen aus. 5. Die verschiedenen, bereits vorhandenen Einrichtungen zeigen, dass das UKE in dem Bereich bereits über Kompetenz verfügt. Wieso hat es bis ins Jahr 2019 gedauert, bis die notwendige Ausschreibung erfolgte und das UKE dann den Zuschlag erhielt? Siehe Vorbemerkung. 6. Der Standort sollte leicht erreichbar sein. Wo genau befindet sich dieser ? 7. Wie viele VZÄ mit jeweils welcher Ausbildung soll die Einrichtung planmäßig erhalten? 8. Wann wurde beziehungsweise wann soll der Betrieb aufgenommen werden ? 9. Wie viele VZÄ mit jeweils welcher Ausbildung beschäftigt die Einrichtung bei Inbetriebnahme? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17729 3 10. Wie lange soll die Aufbauphase andauern? Das UKE KöR darf zuwendungsrechtlich (erst) ab 1. Juli 2019 mit der Konzeptphase zur Errichtung des koordinierenden Zentrums beginnen und wird bis Ende September eine Planung zur Umsetzung der einzelnen Schritte vorlegen. Parallel zu dieser Planung werden im 3. Quartal 2019 die Arbeiten wie die Suche des Standortes, die Kontaktaufnahme zu den beteiligenden Akteuren und Leistungsanbietern sowie die Einstellung des Personals durchgeführt. Als Ergebnis der Zusammenarbeit mit den Akteuren wird auch festgelegt wie die Betroffenen informiert werden. Aus der Planung wird sich auch der finale Betriebsbeginn bei Vollausstattung ergeben, der für das 1. Quartal 2020 vorgesehen ist. Das UKE KöR strebt an, Vermittlungs- und Beratungsleistungen so früh wie möglich bereits in der Aufbauphase vorzunehmen. Im Vollbetrieb ist folgende Ausstattung vorgesehen: Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie 2 VZÄ Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut 2 VZÄ Sozialarbeit 1 VZÄ Pflege 2 VZÄ Genesungsbegleiter 1 VZÄ Verwaltung / Bürofachkraft 1 VZÄ Geschäftsführung 0,5 VZÄ 11. Wie viele Personen sollen hier beraten und behandelt werden können, das heißt, welche Kapazität soll die Einrichtung erhalten? Es wird davon ausgegangen, dass zwischen 2 000 und 3 000 Geflüchtete in unterschiedlichen Bereichen (Beratung, Ersteinschätzung, Vermittlung, Behandlung) versorgt werden können. 12. Mit welchen Einrichtungen gedenkt das UKE in diesem Bereich zu kooperieren? Siehe Vorbemerkung. 13. Das Zentrum soll Mittel in Höhe von 1 Million Euro erhalten. Aus welcher Produktgruppe stammt das Geld und welche Kosten können damit gedeckt werden? 14. Welche weiteren Kosten sind zu erwarten, die dann über welche Quelle finanziert werden sollen? Die Ermächtigung für die Kosten des laufenden Betriebs bis zu einer Höhe von 1 000 000 Euro ist in der Produktgruppe 253.02 Hilfen zur Existenzsicherung. (inklusive Kosten der Unterkunft) ist im Einzelplan 4 der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration beim Produkt 253.02.04 Hilfen nach dem AsylbLG gegeben. Investive Mittel für die Ausstattung in Höhe von bis zu 100 000 Euro werden einmalig über den Haushalt der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz im Einzelplan 5 zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass ein geringer, noch nicht zu beziffernder Anteil der Kosten für die vom koordinierenden Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen zu erbringenden Leistungen durch den im jeweiligen Einzelfall ggf. zuständigen Träger von Sozialleistungen refinanziert werden kann. 15. Wie sollen die Betroffenen über das neue Angebot informiert werden? Siehe Antwort zu 10.