BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17731 21. Wahlperiode 09.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 03.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Können durch das HmbLPG pflegebedürftige Menschen ohne bedarfsdeckenden Anspruch aus der gesetzlichen Pflegeversicherung finanziell entlastet werden? Die Kosten für stationäre, teilstationäre aber auch für ambulante Pflegeleistungen steigen seit Jahren kontinuierlich an. Aufgrund der derzeit „gedeckelten “ Leistungsansprüche aus der Gesetzlichen Pflegeversicherung führen die Teuerungen dazu, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen an den Pflegekosten ebenfalls immer weiter anstiegen. Besonders betroffen sind Bewohner von Pflegeheimen, denn während im ambulanten Bereich die Kosten für die medizinische Behandlungspflege von den Krankenkassen übernommen werden, zahlt in stationären Einrichtungen die Gesetzliche Pflegeversicherung für die gleiche Behandlungspflegeleistung nur im Rahmen der budgetierten Pauschalbeträge, sodass die Eigenanteile der Heimbewohner besonders hoch sind. Aufgrund der Morbiditätsentwicklung einer massenhaft alternden Gesellschaft geht der Präsident des Deutschen Pflegerates davon aus, dass es in Pflegeheimen zukünftig einen ständig und signifikant wachsenden Bedarf an medizinisch veranlasster Versorgung (sogenannte Behandlungspflege) geben wird.1 Hinzu kommt, dass bei unverändertem Finanzierungskonzept die Kosten dringend gebotener Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegequalität – zum Beispiel eine Aufstockung der Personalschlüssel – nur durch weitere Steigerungen der Eigenanteile der Pflegebedürftigen beglichen werden können. Aus den geschilderten Entwicklungen resultiert, dass die Zahl pflegebedürftiger Personen, die über keinen bedarfsdeckenden Versorgungsanspruch aus der Pflegeversicherung verfügen, bundesweit deutlich zugenommen hat. Solche Menschen erhalten – wenn die Eigenanteile ihre finanziellen Möglichkeiten überstiegen und ihre Angehörigen kostenmäßig nicht herangezogen werden können – eine bedarfsorientierte Sozialleistung,2 die als „Hilfe zur Pflege“ bezeichnet wird. Es ist durchaus nicht übertrieben, festzustellen, dass mit eintretender Pflegebedürftigkeit inzwischen ein immer größeres Armutsrisiko verbunden ist. Wie eine Anfrage der AfD-Fraktion3 im Mai 2019 ergab, bezogen im Januar des Jahres in Hamburg immerhin 11 273 Pflegebedürftige4 die sogenannte 1 Franz Wagner in: aerzteblatt.de. 18.01.2019. 2 § 61 SGB XII. 3 Drs. 21/17166, 17.05.2019: Hilfe zur Pflege – ist in Hamburg das Armutsrisiko bei Eintritt einer Pflegebedürftigkeit gewachsen? Drucksache 21/17731 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Hilfe zur Pflege. Bezogen auf die Zahl pflegebedürftiger Personen5 über alle Pflegegrade hinweg stellt diese Gruppe einen ungefähren6 prozentualen Anteil von 20 Prozent dar. Bezogen auf die Gruppe Pflegebedürftiger, die den Pflegegraden 3 – 5 zugeordnet sind,7 ergibt sich größenordnungsmäßig sogar ein prozentualer Anteil von ungefähr8 35 Prozent. Dies sind alarmierende Zahlen für Hamburg. Und sie markieren eine Situation, die sich in absehbarer Zukunft noch erheblich verschärfen wird.9 Angesichts des wachsenden Problemdruckes denkt man inzwischen nicht nur in pflegepolitischen Fachkreisen über neue Finanzierungskonzepte für die gesetzliche Pflegeversicherung nach. Dabei werden vornehmlich generelle auf Bundesebene zu implementierende Lösungsansätze diskutiert, deren Umsetzung allerdings sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Handlungsoptionen, die finanzielle Überforderung pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen zu mildern, bestehen aber auch bereits auf der Ebene der Länder. So räumt § 9 SGB XI den für die Vorhaltung einer leistungsfähigen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlichen Bundesländern die Möglichkeit ein, Einzelheiten der Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen durch Landesrecht zu bestimmen. Ebenfalls durch ein Landesgesetz kann bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung bei der Tragung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen der Pflegeeinrichtungen vorgenommen werden soll. Diese sogenannten Investitionskosten werden den Pflegebedürftigen derzeit von den Pflegeeinrichtungen in Rechnung gestellt und machen einen erheblichen Anteil der Gesamtkosten und somit der Eigenanteile aus. Die in Hamburg in diesem Zusammenhang einschlägige Landesrechtnorm ist § 4 des Hamburgischen Landespflegegesetzes (HmbLPG), „Förderung der Versorgungsstruktur“. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In welchem finanziellen Umfang wurden Investitionsaufwendungen ambulanter und vollstationärer Pflegeeinrichtungen im Zeitraum 2016 – 2019 (gegenwärtig aktuelle Rahmenplanung 2015 – 2020) auf der Grundlage des HmbLPG gefördert? Um eine nach Jahren gegliederte und nach ambulant und stationär differenzierte Darstellung wird gebeten. Für ambulante und vollstationäre Pflegeeinrichtungen bedarf es in Hamburg keiner Förderung, da nach § 4 Absatz 3 Hamburgisches Landespflegegesetz (HmbLPG) Investitionsaufwendungen von ambulanten und vollstationären Pflegeeinrichtungen gefördert werden können, soweit in der Rahmenplanung gemäß § 2 ein zahlenmäßig nicht ausreichendes Angebot festgestellt wurde. Dies ist nicht der Fall. Auf der Grundlage des § 4 Absatz 4 HmbLPG werden einzelne Maßnahmen zur qualitativen Weiter- 4 Quelle: DataWarehouse Sozialhilfe, Datenbestand Januar 2019. 5 Drs. 21/17166: Pflegebedürftige Personen in Hamburg, Stand 15.12.2017: 63 145, nächste Erhebung 15.12.2019. 6 Ungenauigkeit aufgrund unterschiedlicher Zeitstände (15.12.2017 und Januar 2019). 7 Drs. 21/17166: Pflegebedürftige Personen in Hamburg, Stand 15.12.2017: 32 872, nächste Erhebung 15.12.2019. 8 Ungenauigkeit aufgrund unterschiedlicher Zeitstände (15.12.2017 und Januar 2019). 9 Drs. 21/17166: Die größte Teilgruppe aller Pflegebedürftigen in Hamburg, war am 15.12.2017 dem Pflegegrad 2 zugeordnet (28 947 Personen), nächste Erhebung 15.12.2019. Durch fortschreitende Alterung und einhergehende Morbiditätszunahme werden in absehbarer Zukunft große Teile dieser Gruppe sukzessive in die mit kostenintensiver Pflege verbundenen Pflegegrade 3 – 5 übergehen und das Problem noch weiter verschärfen . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17731 3 entwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur in Pflegeeinrichtungen per Zuwendung gefördert, die auch investive Bestandteile beinhalten. Eine ausdifferenzierte Darstellung ist dazu nicht möglich. Eine regelhafte investive Förderung nach HmbLPG gibt es für solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen: 2016 2017 2018 2019 Solitäre Kurzzeitpflege (teilstationär ) 168 491 Euro 382 676 Euro 168 007 Euro Spitzabrechnung erfolgt 2020 Auf der Grundlage des § 4 Absatz 4 HmbLPG werden einzelne Maßnahmen zur qualitativen Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur in Pflegeeinrichtungen per Zuwendung gefördert, die investive Bestandteile beinhalten: 2016 2017 2018 2019 Förderung von kleinräumigen , quartiersorientierten Wohnund Versorgungsformen --- 1 080 570 Euro 209 635 Euro 331 328 Euro Die Förderung der Maßnahmen erfolgt über die Bewilligung von Zuwendungen, die überjährige Förderzeiträume beinhalten. Hier angegeben ist jeweils der Beginn der Förderung. 2. Wurden in früheren Jahren Investitionsaufwendungen ambulanter und vollstationärer Pflegeeinrichtungen auf der Grundlage des HmbLPG gefördert? Wenn ja in welchen Jahren und in welchem finanziellen Umfang? In den Jahren 1998 bis 2008 wurden über die damalige Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt Darlehen über insgesamt 53 629 573,94 Euro mit sich in den Jahren ändernden Konditionen für vergünstigte Zahlungsbedingungen für Baumaßnahmen vollstationärer Pflegeeinrichtungen vergeben. 3. Aus welchem Grunde wurden im HmbLPG nur die Möglichkeiten, Einrichtungen investitionskostenbezogen zu fördern, landesgesetzlich festgeschrieben , nicht aber die Option, auch Pflegebedürftige bei der Tragung von Investitionskosten zu entlasten? Siehe Drs. 19/5818.