BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17768 21. Wahlperiode 16.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Lorkowski und Andrea Oelschläger (AfD) vom 08.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Stromversorgung in Hamburg zeitweise überlastet Laut Bericht im „Hamburger Abendblatt“ vom 03.07.20191 war das Stromnetz in Hamburg an mehreren Tagen im Juni überlastet. Dadurch kam es zur Drosselung der Produktion bei großen Hamburger Stromverbrauchern wie Aluminiumwerken, Kupferherstellern und dem Stahlwerk Waltershof. Nur durch Stromlieferungen aus dem Ausland konnten diese Engpässe stabilisiert werden. Dies vorangeschickt fragen wir den Senat: Im Netzgebiet der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) kam es weder an dem der Fragestellung zugrunde liegenden Datum noch zu einem anderen Zeitpunkt zu Engpässen . Vielmehr hat sich im fraglichen Zeitraum eine bundesweite Unterspeisung und damit eine Systembilanzabweichung ereignet. Das deutsche Stromversorgungssystem ist relativ kleinteilig in Bilanzkreise eingeteilt, die in der Regel Stromproduzenten oder Händler und ihre Kunden beinhalten. Die Bilanzkreisverantwortlichen sind gehalten, Erzeugung und Verbrauch in ihrem Bilanzkreis physisch auszugleichen. Kommen sie dem nicht in ausreichendem Umfang nach, so kann es insgesamt zu kritischer Unteroder Überspeisung kommen. In diesem Fall müssen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zur Netzstabilisierung als Systemverantwortliche in ihrer jeweiligen Regelzone eingreifen. Dazu stehen ihnen verschiedene Produkte des Regelenergiemarktes zur Verfügung. Diese erlauben ihnen, die Stromerzeugung und in gewissen Umfang auch den Stromverbrauch zu beeinflussen. Die Ursachen der Systembilanzabweichungen werden derzeit gemeinsam von den ÜNB und der Bundesnetzagentur analysiert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, teilweise auf Grundlage von Auskünften der 50hertz Transmission GmbH, der SNH, der TRIMET Aluminium SE, der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), der Deutschen Bahn AG (DB) und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH), wie folgt: 1. Wie kam es zu dieser Lage? 2. Wie oft ist es bisher zu solchen Engpässen in Hamburg gekommen? 3. Sind die Stromnetzprobleme Folge der Energiewende? 4. Gab es Prognoseabweichungen bei der Ökostrom-Einspeisung? Siehe Vorbemerkung. 1 https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article226364989/Zu-wenig-Strom-Hamburger-Aluwerkdrosselte -Produktion.html. Drucksache 21/17768 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Ist die Versorgungssicherheit für Hamburger Stromkunden gewährleistet ? Die SNH und die ÜNB planen und betreiben das Stromnetz so, dass die Versorgungssicherheit der Hamburger Stromkunden jederzeit gewährleistet ist. Als Konsequenz haben die ÜNB die Ausschreibungsmenge für Regelenergie (Minutenreserve) zudem erhöht. 6. Wie werden diese Produktionsausfälle (gegenüber den betroffenen Hamburger Firmen) finanziell entschädigt? Dies ist von der Grundlage der Anpassungen abhängig. Den ÜNB stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, um die Netzstabilität zu gewährleisten. An den in Rede stehenden Tagen kam es bundesweit zu einem erheblichen Anstieg des Abrufs von Flexibilität nach der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Ab- LaV). Auf Anfrage hat die TRIMET Aluminium SE bestätigt, dass die dortigen Anpassungen auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem ÜNB nach der AbLaV getätigt wurden. Die AbLaV ermöglicht es den vier deutschen ÜNB, Ausschreibungen durchzuführen und Angebote zum Erwerb von abschaltbaren Lasten anzunehmen. Anbieter wie zum Beispiel Industrien können an diesen Ausschreibungen teilnehmen und Leistungen in gewählten Größenordnungen anbieten (Ausschreibungsverfahren siehe § 8 AbLaV). Die Teilnahme an den Ausschreibungen erfolgt freiwillig nach unternehmerischen Entscheidungen. Die Vergütung erfolgt nach den Ergebnissen der jeweiligen Ausschreibungen. 7. Wer trägt diese Kosten? 8. Werden diese Ausfallkosten auf alle Stromverbraucher umgelegt? Oder werden diese Kosten durch einzelne Versorger auf ihre Kunden umgelegt ? Gibt es staatliche Entschädigungen? Falls ja, bitte aufgliedern nach Hamburg und Bund. Die Kosten für abschaltbare Lasten werden gemäß § 18 AbLaV bundesweit über einen Wälzungsmechanismus ausgeglichen. Die ÜNB ermitteln im Rahmen des Wälzungsmechanismus jeweils zum 25. Oktober des Jahres die Höhe der AbLaV-Umlage für das darauffolgende Kalenderjahr. Die Umlage wird als Aufschlag auf die Netzentgelte anteilig auf alle Letztverbraucher umgelegt. 9. Wie wirken sich die Zusatzkosten für die Ausgleichsenergie aus dem Ausland für die Hamburger Stromkunden aus? Die Kosten der ÜNB für Ausgleichsenergie schlagen sich im bundesweit einheitlichen Ausgleichsenergiepreis reBAP nieder, der für jede Viertelstunde ermittelt wird. Zu tragen sind diese Kosten von den Bilanzkreisverantwortlichen, die für jede Abweichung in ihrem Bilanzkreis den für die jeweilige Viertelstunde gültigen reBAP im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung an die ÜNB zahlen. 10. Ist Hamburg ausreichend vorbereitet den künftig steigenden Strombedarf durch starke Angebotsausweitung bei S- und U-Bahnen sowie steigende Nutzung von Fahrzeugen mit Elektroantrieb sicherzustellen? Mit dem aktuellen Stromliefervertrag der HOCHBAHN wurde sowohl für die Stromlieferung des Betriebes der U-Bahnen als auch für die wachsende E-Mobilität im Busbereich Vorsorge für eine ausreichende Stromlieferung getroffen. Mit dem Netzbetreiber, der SNH, finden dazu regelmäßige Abstimmungen statt, um auch hier eine ausreichende Kapazität für die HOCHBAHN sicherzustellen. Die DB betreibt zur elektrischen Versorgung der S-Bahn Hamburg ein eigenes Stromnetz , welches durch Einspeisepunkte mit dem vorgelagerten Netzbetreiber SNH verbunden ist. Der elektrische Netzausbau richtet sich nach den Anforderungen der S-Bahn Hamburg. Die Ladeinfrastruktur der VHH wird ausschließlich auf bestehenden Betriebshöfen errichtet. Die VHH stimmt sich bei der Umsetzung des Ausbaus der Betriebshöfe eng Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17768 3 mit den Verteilnetzbetreibern ab, um die zur Verfügung stehenden Kapazitäten optimal ausnutzen zu können. Durch intelligentes und Leistungsspitzen verhinderndes Lademanagement (der überwiegende Teil der Elektrobusflotte wird nur nachts in der verbrauchsärmeren Zeit geladen) sind Netzengpässe nicht zu erwarten.