BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17777 21. Wahlperiode 16.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 09.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Verpackungsmüll-Europameister – Spielt Senator Steffen auch beim Verpackungsmüll der Hamburger Justizvollzugsanstalten im grünen Trikot oder hält er im Vergleich zu den europäischen Nachbarn nur die rote Laterne? (II) Aus der Antwort des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/17626 geht hervor, dass noch immer in fast allen Hamburger Justizvollzugsanstalten Einweg-Menüschalen aus Aluminium im Rahmen des täglichen Mittagessens ausgegeben werden; allein für die Verpflegung der Insassen der JVA Fuhlsbüttel und Billwerder, der Sozialtherapeutischen Anstalt sowie der Untersuchungshaftanstalt waren es im vergangenen Jahr 556 000 Alu-Schalen! Dabei hatte der Senat vor zwei Jahren in der Drs. 21/8229 Folgendes großspurig angekündigt: „Die Menüschalen bestehen aus Aluminium und werden über einen seit 1. März 2015 bestehenden Rahmenvertrag abgerufen. Der Rahmenvertrag läuft noch bis zum 28. Februar 2018. Bei einer Neuausschreibung werden die Vorgaben des Umweltleitfadens berücksichtigt. Da die Ausschreibung für den laufenden Rahmenvertrag vor dem Umweltleitfaden in Kraft abgeschlossen wurde, findet der Leitfaden derzeit nicht Berücksichtigung .“ Auch die Vollzugsbeamten mancher JVA erhalten ihr Essen – entgegen der Richtlinien des Umweltleitfadens – in Einwegverpackungen: „In der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt erfolgte von Mai 2017 bis März 2019 die Ausgabe von vor Ort frisch gekochter Verpflegung an das Vollzugspersonal in Einweggeschirr. Insgesamt wurden in den Jahren 2017, 2018 und 2019 circa 3 200, 2 200 und 500 Aluminium-Menüschalen, 3 200, 2 200 und 1 100 Salatschalen aus Plastik sowie Joghurt/Plastikbecher 3 000, 2 000 und 1 000 ausgegeben. In der JVA Glasmoor werden seit dem 20. August 2018 aufgrund der Versorgung durch einen externen Dienstleister Menüschalen auch für die Verpflegung des Vollzugspersonals genutzt. Dies waren im Jahr 2018 838 und im Jahr 2019 209 Schalen.“ Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass ein grüner Justizsenator für die Entstehung derartiger Aluminium-Müllberge verantwortlich ist. Dass es selbst bei Einwegverpackungen auch umweltfreundlichere Varianten gibt, hat der Senat in der Drs. 21/8229 sogar angegeben: „Die in der JVA Glasmoor genutzten Zwei-Kammer-Klappdeckelbehälter bestehen aus Zuckerrohrfasern (Begasse), einem zu 100 Prozent biologisch abbaubaren, recyclingfähigen Verpackungsmaterial auf Basis erneuerbarer Rohstoffe.“ Drucksache 21/17777 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies bietet Raum für Nachfragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die zuständige Behörde setzt sich intensiv damit auseinander, inwieweit unter Beachtung von Hygiene- und Sicherheitsanforderungen der Gesichtspunkt der Ressourcenschonung noch stärker berücksichtigt werden kann. Insbesondere überprüft sie den Verbrauch von Verpackungsmaterialien dabei kritisch. Auch berücksichtig sie bei weiteren Ausschreibungen und der gesamten Organisation der Essensausgabe, inwieweit die Marktentwicklung künftig den Einsatz umweltverträglichere Produkte, die für eine Verwendung in Justizvollzugsanstalten in Betracht kommen, ermöglicht. Die Ausgabe des Essens an Vollzugsbedienstete erfolgt grundsätzlich auf Mehrweggeschirr . Die davon abweichende Praxis in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel war nur vorübergehender Natur; die Essensausgabe auf Mehrweggeschirr für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde wieder aufgenommen und erfolgt auch aktuell. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In der Drs. 21/17626 heißt es: „Seit dem 20. August 2018 wird die Justizvollzugsanstalt Glasmoor durch ein externes Unternehmen im Rahmen der Warmverpflegung beliefert, welches Menüschalen verwendet.“ a. Handelt es sich hierbei ebenfalls um Menüschalen aus Alu? Falls nein, aus welchem Material bestehen sie dann? b. Aus welchem Grund wurde davon abgesehen, die zuvor in der JVA Glasmoor genutzten Zwei-Kammer-Klappdeckelbehälter aus Zuckerrohrfasern weiter zu verwenden? 2. In der Drs. 21/8229 heißt es: „Die Menüschalen bestehen aus Aluminium und werden über einen seit 1. März 2015 bestehenden Rahmenvertrag abgerufen. Der Rahmenvertrag läuft noch bis zum 28. Februar 2018. Bei einer Neuausschreibung werden die Vorgaben des Umweltleitfadens berücksichtigt. Da die Ausschreibung für den laufenden Rahmenvertrag vor dem Umweltleitfaden in Kraft abgeschlossen wurde, findet der Leitfaden derzeit nicht Berücksichtigung.“ a. Aus welchem Grund hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde davon abgesehen, bei der Neuausschreibung die Vorgaben des Umweltleidfadens zu berücksichtigen? b. Inwiefern wurde eine Ausweitung der Verwendung von Zwei- Kammer-Klappdeckelbehältern aus Zuckerrohrfasern in Hamburgs JVA geprüft? Weshalb wurde davon abgesehen? c. Hat die zuständige Behörde Kenntnis darüber, wie in JVA anderer Bundesländer verfahren wird? Falls ja, welche Informationen liegen ihr vor? Falls nein, weshalb hat sie sich bei diesem wichtigen Thema nicht ausgetauscht? Die Menüschalen des externen Unternehmens bestehen aus Polypropylen (PP), die mit einer Folie auf Polyethylenbasis (PE) verschlossen werden. Die in der JVA Glasmoor eingesetzten Behälter aus Zuckerrohrfaser haben sich nicht bewährt. Es stellte sich heraus, dass die Behälter (hygienisch) nicht sicher verschließbar und deshalb für einen Transport von Speisen nur sehr eingeschränkt geeignet sind. Außerdem führen heiße Speisen schnell zur Beeinträchtigung des Materials. Zu Verpackung, Ausgabesystemen und Abfallentsorgung in Bezug auf Nahrungsmittel für Gefangene hat die zuständige Behörde vor Kurzem eine Länderumfrage gestartet. Eine Auswertung wird nach Eingang der Beiträge erfolgen. Im Übrigen siehe Drs. 21/17626. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17777 3 3. In der Drs. 21/17626 heißt es: „Zur Verwendung kommen bei der Ausgabe der Mittagskost in allen Anstalten, mit Ausnahme der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfersand, Aluminium-Menüschalen.“ a. Wie wird die Mittagskost in der JVA Hahnöfersand ausgegeben? b. Aus welchem Grund wird dies dort anders als in allen anderen Hamburger JVA gehandhabt? Die Mittagskost wird für einen Teil der Gefangenen im Speisesaal der Anstaltsküche ausgegeben. Hier erhalten die Gefangenen die Mittagskost an einem Ausgabetresen auf Porzellangeschirr. Der überwiegende Teil der Gefangenen wird auf den Wohngruppen oder Stationen verköstigt. Dorthin wird die Mittagskost in Thermoboxen mit Gastronom-Behältern aus der Anstaltsküche gebracht und dann von einem Gefangenen unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht einer Bediensteten beziehungsweise eines Bediensteten in das zur Haftraumausstattung gehörende Geschirr ausgekellt. Die abweichende Handhabung ist zum einen auf den tatsächlichen Bedarf und zum anderen auf den gesetzlich vorgesehenen Erziehungsauftrag im Vollzug der Jugendstrafe zurückzuführen. Jugendliche und Heranwachsende haben im Vergleich zu erwachsenden Gefangenen einen sehr unterschiedlichen und teilweise sehr hohen Nahrungsbedarf, der mit Standardportionen nicht zu decken ist. Bei der in den übrigen Anstalten praktizierten Form der Kostausgabe können die Gefangenen die individuell gewünschte Menge an Beilagen erhalten. Die Ausgabe der Mittagskost im Speisesaal an geeignete Gefangene und das gemeinsame beaufsichtigte Essen ist zudem Teil der Gesamterziehung. 4. Aus welchem Grund erfolgte auch in der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt von Mai 2017 bis März 2019 die Ausgabe von vor Ort frisch gekochter Verpflegung an das Vollzugspersonal in Einweggeschirr ? Wie erfolgt sie jetzt? Auch die Ausgabe der Mittagsverpflegung an die Bediensteten unterliegt ebenso wie die an die Gefangenen diversen Regularien, die es nicht zulassen, dass sich Bedienstete die Verpflegung aus einem Mehrwegbehältnis selbst entnehmen. Strenge Hygiene - und Temperaturvorgaben stehen dem entgegen. Im Mai 2017 ist ein Bediensteter aus dem Einsatzgebiet der Küche ausgeschieden. Die Stelle wurde mehrfach ausgeschrieben , konnte aber erst im Februar 2019 erfolgreich wieder besetzt werden. Aufgrund dieser Vakanz konnte kein geschulter Bediensteter aus dem Küchenbereich für die Ausgabe des Essens abgestellt werden, sodass die Verwendung von Einweggeschirr in diesem Zeitraum geboten war. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Der Umweltleitfaden enthält auch Vorgaben für die Beschaffung der Lebensmittel als solches (https://www.hamburg.de/contentblob/ 12418146/2c01ee26be5da2bd4496ad98d263ce3e/data/dumweltleitfaden -2019.pdf). So heißt es dort unter anderem: „Es werden saisonale Rohwaren sowie frische Zutaten bevorzugt berücksichtigt. Frische Zutaten (Salat, Kräuter, Gemüse und Obst) gemäß der Saison machen mindestens 20 % (des geldwerten Anteils), bezogen auf den Gesamteinsatz, aus. (…) Lebensmittel stammen zu mindestens 10 % (des geldwerten Anteils) bezogen auf den Gesamtwareneinsatz aus biologischer Landwirtschaft nach dem EU-Bio-Zeichen (Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische / biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen / biologischen Erzeugnissen).“ a. Ist sichergestellt, dass in den JVA diese Vorgaben für die Beschaffung der Lebensmittel eingehalten werden? b Falls ja, auf welche Weise? c. Falls nein, weshalb in welchen JVA nicht? Alle Justizvollzugsanstalten sind bestrebt, diesen Zielsetzungen gerecht zu werden. Bei dem Einkauf frischer Zutaten gelingt dies überwiegend und wird durch die gesonderte Ausweisung auf den Rechnungen dokumentiert. Bei dem Bezug von Lebensmit- Drucksache 21/17777 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 teln aus biologischer Landwirtschaft erreichen die Anstalten die Zielvorgabe nicht, da sie mit dem Kostensatz für Nahrungsmittel auskommen müssen, der durch die Beobachtung der Preisentwicklung für Nahrungsmittel und Getränke entsteht, die das Statistische Bundesamt durchführt. Der Tagessatz wird jedes Jahr neu festgelegt. Im Bundesvergleich liegt Hamburg mit seinem derzeitigen Tagessatz auf einem Spitzenplatz und hat bundesweit den zweithöchsten Tagessatz. Auch der Umweltleitfaden lässt zudem in Ziffer 1.3.3. Ausnahmen zu, wenn seiner stringenten Befolgung entsprechende Beschaffungen wirtschaftlich nicht vertretbar sind. Vor dem Hintergrund, dass die geforderten Biolebensmittel wesentlich teurer gehandelt werden, als vergleichbare Ware ohne Zertifizierung, sind einige Ausnahmen zu machen, damit gleichzeitig jeder Gefangenen und jedem Gefangenen eine gesunde , aber auch abwechslungsreiche Kost geboten werden kann. Nach Verfügbarkeit und Möglichkeit nutzen die Anstalten zudem auch Sonderangebote, wenn die Kosten nicht höher liegen, als bei vergleichbaren Produkten, die nicht den Vorgaben des Umweltleitfadens entsprechen. 6. Sind die Insassen zur Mülltrennung verpflichtet? a. Falls ja, wie und durch wen werden sie darüber aufgeklärt? b. Falls ja, wie wird überprüft, ob das eingehalten wird? c. Falls nein, weshalb nicht? Eine strikte Abfalltrennung ist insbesondere aus Platzgründen praktisch nicht voll umfänglich umsetzbar. Überdies wäre auch eine umfassende Kontrolle der Umsetzung von Trennungsregelungen nicht leistbar. Die Gefangenen werden daher nicht zur Abfalltrennung verpflichtet. Gleichwohl ist in der JVA Billwerder aktuell ein Pilotprojekt in Vorbereitung, in dem geeignete Gefangene jedenfalls auf niedrigschwelligem Niveau zur Mülltrennung angehalten werden sollen. Ob hier Erfolge erzielt werden können, wird im Rahmen einer späteren Auswertung zu ermitteln sein.