BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17786 21. Wahlperiode 16.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 10.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebekosten bei Dublin-Abschiebungen In Artikel 30 Absatz 3 Dublin-III-Verordnung ist eindeutig bestimmt, dass die „Überstellungskosten nicht den nach dieser Verordnung zu überstellenden Person auferlegt“ werden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass diese Regelung die Heranziehung von Geflüchteten zu den Kosten ihrer Abschiebung im Rahmen des Dublin-Verfahrens ausschließt und kein Anwendungsbereich für die Geltendmachung der Kosten nach § 66 Absatz 1 AufenthG besteht (vergleiche unter anderem VG Freiburg, Urteil vom 20.12.2018, Az. 8 K 10705/17). Gleichwohl scheint es nach Berichten von Anwälten/-innen im Asyl- und Aufenthaltsrecht gängige Praxis der hamburgischen Ausländerbehörde zu sein, dass zum Beispiel im Rahmen eines Abschiebeversuchs aufgefundene Bargeldbeträge zur Deckung der Abschiebekosten einbehalten werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Im Jahr 2018 vertraten Bund und Länder die Auffassung, dass bei Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung entstehende vorbereitende Kosten (zum Beispiel Fahrtkosten zum Flughafen) bis zum Zeitpunkt der Überstellung in das abzuschiebende Land gegenüber dem Ausreisepflichtigen gemäß § 66 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geltend gemacht werden können. Diese Rechtsauffassung wurde für Hamburg durch das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. November 2018 (5 Bf 206/16) revidiert. Nach diesem, nach Kenntnis der zuständigen Behörde nicht veröffentlichten Urteil, steht Artikel 30 Absatz 3 der Dublin-III-VO der Auferlegung von Überstellungskosten in vollem Umfang der Kostenhaftung gemäß §§ 66, 67 AufenthG entgegen. Seither werden diesem Personenkreis keine entsprechenden Kosten auferlegt. Sollte es in Einzelfällen irrtümlich zu einer ungerechtfertigten Abnahme von Bargeldbeträgen im Rahmen von Abschiebemaßnahmen gekommen sein, so werden den Betroffenen bei Hinweis auf die aktuelle Rechtslage bereits erstattete Kosten oder einbehaltenes Bargeld zurückgezahlt. Die Anzahl der geltend gemachten Kostenfälle (vollzogen oder gescheitert) sowie die Höhe der Hamburg entstandenen Kosten für Überstellungen nach der Dublin-III-Verordnung werden statistisch nicht gesondert erfasst und sind im Produkt „Vollzug“ der Produktgruppe 274.03 Ausländerangelegenheiten im Einzelplan 8.1 der Behörde für Inneres und Sport verbucht. Eine Beantwortung der Fragestellung würde die händische Auswertung von über 200 Ausländerakten, bei denen eine Abschiebung oder Überstellung erfolgte, erfordern. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehende Zeit nicht möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. Drucksache 21/17786 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2018 und 2019 anfallenden Abschiebekosten von Abschiebungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung der abgeschobenen Person auferlegt? Bitte bei dieser Frage und den Unterfragen nach Jahren differenzieren. a. In wie vielen dieser Fälle wurde ein sichergestellter oder auf anderem Wege erlangter Geldbetrag von der Ausländerbehörde zur Deckung der Kosten einbehalten? b. In wie vielen Fällen wurde eine Rechnung über die Kosten der Abschiebung an die betroffene Person gestellt? 2. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2018 und 2019 angefallene Kosten von (gescheiterten) Abschiebeversuchen im Rahmen der Dublin- III-Verordnung der Person auferlegt, die abgeschoben werden sollte? Bitte bei dieser Frage und den Unterfragen nach Jahren differenzieren a. In wie vielen dieser Fälle wurde ein sichergestellter oder auf anderem Wege erlangter Geldbetrag von der Ausländerbehörde zur Deckung der Kosten einbehalten? b. In wie vielen Fällen wurde eine Rechnung über die Kosten der Abschiebung an die betroffene Person gestellt? 3. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2018 und 2019 auf zunächst einbehaltene oder in Rechnung gestellte Abschiebekosten nach der Dublin-III-Verordnung verzichtet (beziehungsweise zurückerstattet), nachdem der beziehungsweise die Betroffene gegen die Geltendmachung dieser Kosten (zum Beispiel juristisch) vorgegangen ist? 4. Welche Kosten sind dem Land Hamburg in den Jahren 2018 und 2019 jeweils für die Abschiebung von Menschen im Rahmen der Dublin-III- Verordnung entstanden? Bitte differenzieren nach Jahren und Art der Abschiebung (Charter-, Sammel-, Einzelabschiebung per Flugzeug, Einzelabschiebung per Bus et cetera)? 5. Auf welche Rechtsgrundlage stützt die Ausländerbehörde die Auferlegung der Abschiebekosten auf die abzuschiebende Person im Rahmen einer Dublin-Abschiebung? a. Sofern die Auferlegung der Kosten auf § 66 Absatz 1 AufenthG gestützt wird: Inwieweit verbleibt nach Auffassung des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde dafür neben der expliziten Regelung der Dublin-III-Verordnung ein Anwendungsbereich? b. Sofern die Auferlegung der Kosten auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt wird: Inwieweit verbleibt nach Auffassung des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde dafür neben der expliziten Regelung der Dublin-III-Verordnung ein Anwendungsbereich? c. Hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Auferlegung der Kosten für eine Abschiebung nach Dublin-III-Verordnung auf die abzuschiebende Person für zulässig? Wenn ja, unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher Umstände? Siehe Vorbemerkung.