BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17795 21. Wahlperiode 19.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen (DIE LINKE) vom 11.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Hamburg – (K)ein sicherer Hafen? (XVI) – f & w fördern und wohnen AöR (f & w) – Wie beengt sind die Wohnverhältnisse für Familien in Wohnunterkünften? Immer wieder ist zu hören, dass Familien insbesondere mit kleineren Kindern unter drei Jahren in den öffentlichen Unterkünften von f & w sehr beengt, zum Teil mit vier bis fünf Personen in einem Container, wohnen. Zum Teil scheint es an der grundsätzlichen Belegung mit zwei Personen pro Container zu liegen. Für eine dritte Person wird dann kein weiterer Raum zur Verfügung gestellt. Oder aber es wird zwar etwa für zwei kleine Kinder ein Raum bereitgestellt . Dieser liegt jedoch getrennt vom Raum der Eltern, sodass er faktisch jedenfalls zum Wohnen und Schlafen nicht nutzbar ist, weil die Kinder noch nicht allein sein können. Es soll aber auch Unterkünfte geben, in denen Eltern mit kleinen Kindern in nur einem Container leben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Ende 2018 waren rund 24 900 (72 Prozent) Plätze in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in abgeschlossenen Unterkunftseinheiten (vergleichbar mit abgeschlossenem Wohnraum) vorhanden, davon rund 5 500 (16 Prozent) in Flüchtlingsunterkünften mit der Perspektive Wohnen. Weitere 9 400 (rund 28 Prozent) der Plätze standen in Gemeinschaftsunterkünften, das heißt in Unterkünften mit gemeinschaftlich genutzten Küchen- und Sanitärbereichen, zur Verfügung, siehe Drs. 21/17099. Ende 2017 betrug der Anteil an Plätzen in geschlossenen Unterkunftseinheiten noch 64 Prozent und der in Gemeinschaftsunterkünften 36 Prozent, siehe Drs. 21/13044. Mit dem Ausbau der abgeschlossenen Unterbringungseinheiten insbesondere für Familien wird innerhalb der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, die einen Übergang in ein privatrechtliches Wohnverhältnis darstellt, ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Unterkunftsverhältnisse mit Wahrung der Privatsphäre geschaffen. Grundlage für die Unterbringung in Wohnunterkünften ist die Leistungsbeschreibung für die (Folge-)Unterbringung von Zuwanderern in Wohnunterkünften der Anstalt öffentlichen Rechts „pflegen & wohnen“ (p & w) vom Januar 2004, siehe Drs. 20/917. In der Leistungsbeschreibung sind die Unterbringungskapazitäten, die Belegung, die Mindestanforderungen, die Förderung der Auszüge sowie der Gebühreneinzug geregelt . Grundsätzlich ist die Praxis in Hamburg in Bezug auf die Unterbringung von Bewohnerinnen und Bewohnern unabhängig vom Alter gleich. Im Durchschnitt stehen den Bewohnerinnen und Bewohnern pro Person etwa 7 Quadratmeter zuzüglich der Anteile an Gemeinschaftsflächen zur Verfügung. Regelhaft werden zwei Personen in einem Zimmer untergebracht. Bei der Unterbringung werden Familienstrukturen berücksichtigt . In einer Gemeinschaftsunterkunft werden Eltern und Kinder in nebeneinander liegenden Räumlichkeiten untergebracht. Die Entscheidung darüber, wie die zur Ver- Drucksache 21/17795 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 fügung gestellten Räumlichkeiten zugeordnet werden – etwa eine Aufteilung in Wohnund Schlafzimmer oder als Eltern- und Kinderzimmer – obliegt den Eltern. Heranwachsende Geschwister werden nach Geschlechtern getrennt untergebracht. Paaren oder Alleinerziehenden mit Kindern und Jugendlichen in abgeschlossenen Unterbringungseinheiten stehen durchschnittlich 15 m2 pro Person inklusive Nebenflächen zur Verfügung. Neben der Unterbringung in abgeschlossenen Räumlichkeiten ist jedoch bereits jetzt bei der Unterbringung in Containern vermehrt auf die Nutzung von Unterkunftsmodulen , die abgeschlossenen Unterbringungseinheiten gleichkommen, gesetzt worden. Durch die ansprechende Gestaltung der Außengelände bei neuen Einrichtungen und Zugängen zu Einrichtungen im Sozialraum soll eine gute Aufenthaltsqualität in der Unterkunft und der Wohnumgebung unterstützt werden. Außerdem wurde in den letzten Jahren die Anzahl der Kapazitäten für Frauen beziehungsweise Frauen mit Kindern und barrierefreier Plätze erhöht, um den Aufenthalt in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung qualitativ, zum Beispiel im Sinne der Unterbringung Schutzbedürftiger, zu verbessern. Soweit aufgrund des hohen Belegungsdruckes in den Jahren 2015 bis 2017 Abweichungen notwendig waren, werden seit Ende 2017/Anfang 2018 die Abweichungen mittlerweile sukzessive wieder zurückgenommen. Derzeit wird die Praxis im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in Hamburg überarbeitet. Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Die in Hamburg etablierte Praxis zu den baulichen Aspekten der Unterbringung und die weitere Versorgung und Integration entsprechen zu großen Teilen den Empfehlungen , die das European Asylum Support Office formuliert hat. Durch die konsequente Einbindung der Geflüchteten in die Regelsysteme übertrifft die hamburgische Praxis diese Empfehlungen in einigen Teilen, wie beispielsweise der Gesundheitsversorgung, der Sicherstellung des Lebensunterhaltes und der konsequenten Beschulung von geflüchteten Kindern. Hamburg war darüber hinaus eines der ersten Länder die Schutzkonzepte in einzelnen Einrichtungen bereits ab August 2016 implementiert haben. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) wie folgt: 1. Wo sind die Wohnstandards für die öffentlich-rechtliche Unterbringung (örU) geregelt? Bitte sämtliche Quellen aufführen und beifügen beziehungsweise wiedergeben, die Grundlage für die Arbeit bei f & w sind. 2. Soweit nicht bereits durch Frage 1. beantwortet: Welche Regelungen gibt es für die Wohn-standards in örU? Bitte genau darlegen und nicht auf Informationen in diversen Parlamentarischen Anfragen verweisen. Siehe Vorbemerkung. Des Weiteren legt f & w im Interesse der Wahrung des sozialen Friedens Qualitätsstandards in Bezug auf Hygiene und den Umgang mit besonders Schutzbedürftigen fest. f & w hat darüber hinaus in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Qualität der Unterbringung in der öffentlich-rechtlichen Unterkunft zu sichern und weiterzuentwickeln. Im Rahmen des Qualitätsmanagement sind unter anderem folgende interne Qualitäts- und Handlungsstandards entwickelt worden : Qualitätsstandards für Standort, Beschaffenheit und Ausstattung von Wohnunterkünften ; Qualitätsstandards zum Angebot der Wohnungslosen- und Zuwandererunterkünfte; Qualitätsstandards für die Ausstattung von Bad und Duschen (Hygiene); Qualitätsstandards für die Ausstattung von Gemeinschaftsküchen (Hygiene); Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17795 3 Qualitätsstandards für die Ausstattung von Objekten mit abgeschlossenem Wohnraum (Hygiene); Gewaltschutzkonzept; Haus- und Benutzerordnung; Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (regelmäßig aktualisiert). Im Übrigen käme die vollständige Wiedergabe des Inhalts von Dokumenten und Richtlinien einer Aktenvorlage gleich. Diese ist gemäß Artikel 30 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg an Voraussetzungen gebunden, die hier nicht vorliegen (siehe auch VerfGH Sachsen, Urteil vom 19.07.2012 – Vf. 102-I-11 – juris Rn. 35). Ferner ergeben sich Vorgaben für die Baumaßnahmen der öffentlich-rechtlichen Unterkünfte aus der Hamburgischen Bauordnung und deren Verordnungen, sowie aus baulich-technischen Auflagen der Bauprüfabteilungen der Bezirke und der Feuerwehr. Darüber hinaus siehe Drs. 19/3572, Drs. 20/917 und Drs. 21/15179 sowie Vorbemerkung . 3. Welche Regelungen gibt es speziell für Alleinerziehende und Familien mit Kindern und Jugendlichen? a. Wie wird für sie der Flächenbedarf bemessen? b. Welche nach Alter gestaffelte Festlegungen des Flächenbedarfs gibt es? c. Welche Standards im Hinblick auf zusammenhängenden Wohnraum gibt es? d. Welche Standards im Hinblick auf ein eigenes Zimmer für Kinder und Jugendliche gibt es? Siehe Vorbemerkung. 4. Welche Unterkünfte sind Senat oder zuständiger Behörde bekannt, in denen Alleinerziehenden und Familien kein zusammenhängender Wohnraum zur Verfügung steht? Wie viele Wohneinheiten beziehungsweise Alleinerziehende/Familien betrifft dies? Bitte sämtliche Unterkünfte benennen. 5. Welche Unterkünfte sind Senat beziehungsweise zuständiger Behörde bekannt, in denen für Kinder unter drei Jahren oder für Kinder unter sechs Jahren keine eigene Wohnfläche berücksichtigt wird? Wie viele Wohneinheiten und Kinder betrifft dies? Bitte sämtliche Unterkünfte benennen und zwischen Kindern unter drei und unter sechs Jahren differenzieren . Für eine statistische Auswertung ist eine Abfrage von knapp 5 200 Familien verteilt auf rund 130 Unterkünfte erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. In der Drs. 21/15179 heißt es, dass eine Überarbeitung der Standards im Rahmen der örU vorgesehen sei. Wie ist der aktuelle Sachstand? Bitte genau darlegen, welche aktuellen Standards es inzwischen gibt. 7. In der Drs. 21/203 hieß es noch, dass spezielle Mindeststandards nicht definiert seien, dass es keine Vorgaben oder Vereinbarungen von Qualitätsstandards (zum Beispiel in Bezug auf Flächenbedarfe oder Anzahl der untergebrachten Personen pro Raum) gebe. Hatte sich das inzwischen geändert? Wenn ja, wann und wie? Bitte genau die Historie der Entwicklung von Mindest- und Qualitätsstandards darlegen. Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen siehe Drs. 20/917. Drucksache 21/17795 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 8. In der Drs. 19/3572, deren Angaben zu Standards in der Drs. 21/15179 der Senat als nach wie vor aktuell bezeichnet hat, heißt es, dass in einer Leistungsvereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und f & w geregelt sei, welche Mindestanforderungen grundsätzlich an örU gestellt werden. Diese Vorgaben habe f & w im Rahmen seines Qualitätsmanagements weiter konkretisiert. a. Wie kann es angehen, dass es 2009 Standards gab, 2015 dann auf einmal nicht mehr und 2018 dann wieder auf 2009 verwiesen wird sowie welche Standards auch immer überarbeitet werden sollen? b. Welches sind die in besagter Leistungsvereinbarung festgelegten Standards? Welche Änderungen gab es seit 2009 in der Leistungsvereinbarung ? Bitte genau darlegen und die aktuelle Leistungsvereinbarung beifügen beziehungsweise deren Inhalte wiedergeben. c. Welches sind die von f & w im Rahmen seines Qualitätsmanagements festgelegten Vorgaben? Welche Änderungen gab es seit 2009? Bitte genau darlegen und die Vorgaben beifügen beziehungsweise deren Inhalte wiedergeben. In Drs. 19/3572 wurde auf die in der Leistungsvereinbarung genannten Mindestanforderungen und die Konkretisierung dieser Mindestanforderungen durch f & w verwiesen . Wie bereits in der Drs. 19/3572 dargelegt, sind die Qualitätsvorgaben von f & w selbst auf Grundlage der Leistungsvereinbarung konkretisiert worden. Der Verweis in der Drs. 21/15179 bezieht sich auf die Überarbeitung der baulichen und infrastrukturellen hamburgischen Praxis in öffentlich-rechtlicher Unterbringung. 2016 ist ein Gewaltschutzkonzept in Kraft getreten. Dieses schreibt das Gewaltschutzleitbild der Einrichtungen fest, gibt Verfahrensanweisungen in Verdachtsfällen von Gewalt und regelt die Beratungs- und Kooperationsaktivitäten im Hinblick auf den Gewaltschutz. Im Übrigen siehe Drs. 19/3572, Drs. 21/203 und Drs. 21/4174. 9. Inwieweit fanden beziehungsweise finden Forderungen etwa aus der Wohlfahrtspflege oder seitens des Bündnisses Hamburger Flüchtlingsinitiativen zu Standards der Unterbringung Berücksichtigung? 10. Warum tut sich Hamburg im Gegensatz zu anderen Bundesländern so schwer mit Standards der Unterbringung und der diesbezüglichen Transparenz ? Der Senat hat insbesondere im Rahmen des CityScope-/FindingPlaces-Projekt die Praxis zur Unterbringung erläutert und in dem Projekt transparent und anschaulich vorgestellt, siehe Drs, 21/3804 und Drs. 21/4450. Im Rahmen der Diskussionen zur Verbesserung der Lebenssituation psychisch kranker Wohnungsloser ist vonseiten der Träger der Wohnungslosenhilfe der Bedarf nach Einzelzimmern für diese Personengruppe benannt worden. Diesem Anliegen ist insofern nachgekommen worden, als das es in der öffentlich-rechtlichen Unterkunft die Möglichkeit der Einzelzimmervergabe gibt, die über ein amtsärztliches Gutachten gestützt werden muss. Die Situation von Geflüchteten in Ausbildung wurde ebenfalls diskutiert und wurde mit der Bereitstellung von Einzelzimmern Rechnung getragen, siehe Drs. 21/10157. Im Hinblick auf die Berücksichtigung des Schutz-, Gewaltschutzkonzeptes für Unterkünfte für Flüchtlinge sind insbesondere konzeptionelle Standards gesetzt worden, siehe Drs. 21/4174. Deren Auswirkungen auf die aktuelle Diskussion zur hamburgischen Praxis der öffentlich-rechtlichen Unterkünfte wird derzeit noch geprüft. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Wie ist der aktuelle Sachstand der in der Drs. 21/12202 angekündigten Überarbeitung der Fachanweisung Wohnungslosenhilfe? Wann ist mit der Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung zu rechnen? Warum dauert die Überarbeitung so lange? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17795 5 Der Entwurf einer Fachanweisung zur Wohnungslosenhilfe mit Allgemeinen Regelungen wird voraussichtlich im 3. Quartal 2019 in die behördenexterne Abstimmung gegeben. Geplant ist eine Inkraftsetzung zum Ende des Jahres. Der lange Zeitraum vom Beginn der Überarbeitung bis zum Inkrafttreten der genannten Fachanweisungen ergibt sich daraus, dass – teilweise unter Beteiligung unterschiedlicher Behörden – Entscheidungen von grundsätzliche Bedeutung herbeigeführt und Kooperationsvereinbarungen mit Dritten ausgehandelt werden müssen (zum Beispiel f & w, Jobcenter team.arbeit.hamburg). Zudem sind Fachanweisungen nach § 45 BezVG umfassend intern und behördenextern fachlich abzustimmen.