BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17803 21. Wahlperiode 23.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 12.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Oberleitungsomnibusbetrieb in Hamburg (2) In der Drs. 21/166571 antwortet der Senat wie folgt auf Fragen 1. bis 1. b): „Das System Oberleitungsbus hat wesentliche Nachteile, die eine sinnvolle Anwendung in Hamburg erschweren: Es entstehen im Vergleich zu Alternativsystemen hohe Infrastrukturkosten für die Errichtung und Wartung eines solchen Systems. Das System hat einen hohen Platzbedarf für die benötigte Infrastruktur in der Stadt. Eine Neuordnung des Straßenraumes wäre für dessen Einführung notwendig. Das System ist mit geringer Flexibilität und mit hohen betrieblichen Einschränkungen insbesondere bei Umleitungen aufgrund von Baustellen, Unfällen et cetera verbunden und daher nicht für die Anwendung in Hamburg geeignet.“ In der Drs. 21/16657 antwortet der Senat wie folgt auf Fragen 2. bis 2. b): „Durch die genannten Hybridsysteme (Oberleitungsbus mit Batterie) können die wesentlichen infrastrukturellen und betrieblichen Nachteile zwar reduziert, aber nicht gänzlich abgeschafft werden. Vor diesem Hintergrund wurde auch diese Technologie nicht weiter berücksichtigt.“ In der Drs. 21/16657 antwortet der Senat wie folgt auf Frage 8.: „Während die Ausweitung bestehender Systeme für andere Städte zielführend sein kann, ist der vollständige Neuaufbau eines Oberleitungsbussystems unter anderem aufgrund von hohen Anfangsinvestitionen in Hamburg nicht sinnvoll.“ Das reine Oberleitungsbussystem wird unseres Wissens zumindest in Europa gar nicht mehr praktiziert. Alle uns bekannten Obusse haben einen Hilfsantrieb oder eine Kombination aus einem Hochleistungskondensator und einem kleineren Akku, um Umleitungen von wenigen Kilometern und die Fahrten auf dem Betriebshof ohne Fahrleitung zu bewältigen. Diese Stromspeicher -Kombi dient auch dazu, die beim Bremsen entstehende Elektro- 1 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokumentennummer/1. Drucksache 21/17803 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 energie ohne Umwege und Verluste aufzunehmen und beim Wiederanfahren zu nutzen.2 Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) wie folgt: 1. Auf welcher Grundlage beruht ihre Antwort auf Frage 1. in Bezug auf die hohen Infrastrukturkosten für die Einrichtung? Die Fahrleitungen mit Hinund Rückrichtung sind inklusive anteiliger Stromversorgung mit etwa 300 000 bis 350 000 Euro3 pro Kilometer anzusetzen. Können vorhandene Unterwerke zur Stromversorgung wie in Hamburg von der U-Bahn, Laternenmasten und Häuserwände zur Aufhängung von Fahrdrähten mitbenutzt werden, so liegen die Kosten sogar noch niedriger. Zum Vergleich : Ein Kilometer zweigleisiger U5 liegt bei etwa 310 Millionen Euro,4 also dem Tausendfachen und ein Batteriebus ist je nach Ausstattung zwischen 400 000 und 800 000 Euro teurer als ein Dieselbus. Da die Mehrkosten im Wesentlichen durch die Akkus und die durch ihr hohes Gewicht erforderliche bauliche Sonderkonstruktion der Busse entstehen, bringen die leichteren Obusse im Gegensatz zu den Behauptungen des Senates erhebliche finanzielle Einsparungen und schonen die Fahrbahnen . Bezogen auf die in der Tabelle 25 genannten Infrastrukturkosten der herangezogenen Studie5 „Potenziale des Hybrid-Oberleitungsbusses als effiziente Möglichkeit für die Nutzung erneuerbarer Energien im ÖPNV“ lassen sich bei Zugrundelegung eines vergleichbaren Bussystems wie dem der HOCHBAHN mit 113 Buslinien, circa 920 km Streckenlänge und circa 960 Bussen die kumulierten Gesamtkosten für ein Hybrid-Oberleitungsbussystem auf circa 360 Millionen Euro, für ein System mit Gelegenheitsladern auf circa 190 Millionen Euro und für ein System mit Übernachtladern auf circa 130 Millionen Euro abschätzen. Derzeit verfolgt die HOCHBAHN das Konzept des Depotladens. Dies ist in etwa vergleichbar mit Systemen, bei denen die Fahrzeuge über Nacht aufgeladen werden. Die hierfür notwendigen Batteriebusse stehen am Markt in Serienreife zur Verfügung und die benötigte Ladeinfrastruktur kann auf den Betriebshöfen der HOCHBAHN aufgebaut werde. Siehe auch Drs. 21/10714, Drs. 21/16148 und Drs. 21/16716. Für die Zulassung von Bussen gelten unabhängig ihrer Antriebstechnologien einheitliche Zulassungsvoraussetzungen. Daher darf zum Beispiel ein 12 m langer Stadtbus eine zulässige Gesamtmasse von 19,5 t nicht überschreiten. Dies gilt sowohl für einen Diesel-Stadtbus als auch für einen E-Stadtbus oder Stadtbus mit Oberleitungsbetrieb. 2. Auf welcher Grundlage beruht ihre Antwort auf Frage 1. in Bezug auf die hohen Wartungskosten? Die Akkus der derzeit eingesetzten E-Busse verlieren innerhalb weniger Jahre einen nicht unerheblichen Teil ihrer Kapazität, während die Obus-Fahrleitungen mehrere Jahrzehnte halten. In der Praxis werden zur Kalkulation von Wartungs- und Instandhaltungskosten pauschal 2 Prozent der Investitionskosten angenommen. Dieser Wert wird auch in der herangezogenen Studie6 angesetzt. 2 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/MKS/studie-hybridoberleitungsbusse .pdf?__blob=publicationFile. 3 Seite 12 der genannten Studie. 4 https://www.nahverkehrhamburg.de/hohe-baukosten-erster-u5-abschnitt-soll-18-milliardeneuro -kosten-12443/. 5 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/MKS/studie-hybridoberleitungsbusse .pdf?__blob=publicationFile. 6 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/MKS/studie-hybridoberleitungsbusse .pdf?__blob=publicationFile. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17803 3 3. Auf welcher Grundlage beruht ihre Antwort auf Frage 1. in Bezug auf den Platzbedarf? Der Vorteil eines Obus ist ja gerade, dass er auf der vorhandenen und unveränderten Infrastruktur fahren kann und dass die Unterwerke zur Versorgung der Fahrleitungen im Gegensatz zu den Hochstrom-Ladestationen der reinen Batteriebusse kleiner sind und vor allem das Stromnetz deutlich weniger belasten. So auch Vertreter des VDVs und des Deutschen Städtetags.7 Siehe Drs. 21/11129. 4. Auf welcher Grundlage beruht ihre Antwort auf Frage 1. in Bezug auf die geringe „Flexibilität und den hohen betrieblichen Einschränkungen insbesondere bei Umleitungen aufgrund von Baustellen, Unfällen et cetera “? Es ist das besondere Merkmal moderner Obusse, dass Baustellen und Unfälle problemlos umfahren werden können und dass durch die ansonsten kontinuierliche Stromversorgung Obusse im Gegensatz zu Batteriebussen keine Beschränkung ihrer Leistungsfähigkeit und damit ihrer Lauf- und Beförderungsweite kennen. 5. Auf welcher Grundlage beruht ihre Antwort auf Frage 2.? Es mutet wenig durchdacht an, wenn auf infrastrukturelle und betriebliche Nachteile von hybriden Obussen verwiesen wird und die viel größeren Nachteile der Batteriebusse mit ihrem hohen Gewicht und ihrer vor allem extrem begrenzten Reichweite gänzlich unerwähnt bleiben? Oberleitungsbusse können beim Fahren unter Draht systembedingt nur in einem engen Rahmen von dem vorgegebenen Fahrweg abweichen: Während die Nutzung einer unmittelbar benachbarten Fahrspur in der Regel möglich ist, erfordern größere Querabweichungen grundsätzlich ein Ausdrahten und ein späteres Wiedereindrahten. Insofern führen Baustellen und Unfälle mit Sperrung von mehr als nur einer Fahrspur zu betrieblichen Einschränkungen eines Oberleitungsbus-Betriebes. Systembedingt ist ein gegenseitiges Überholen von Oberleitungsbussen im laufenden Betrieb, anders als bei oberleitungsunabhängigen Bussen, nicht möglich. Dies ist bei den dichten Takten und der vielfach gegebenen Überlagerung mehrerer Linien in Hamburg zwingend notwendig. Daraus ergeben sich weitere betriebliche Einschränkungen. 6. Auf welcher Grundlage beruht ihre Antwort auf Frage 8.? Auch diese Antwort geht an den Tatsachen völlig vorbei. Denn die Anschaffung einer Großzahl unverhältnismäßig teurer Batteriebusse steht in keinem vermittelbaren Verhältnis zu einer relativ preiswerten und im Gegensatz zu den empfindlichen Akkus langlebigen Fahrleitungsanlagen. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine Hochleistungs-Ladestation mit der hierfür erforderlichen elektrischen Infrastruktur um ein Vielfaches teurer ist als ein Unterwerk, was zudem längst nicht so hohe Anforderung an das versorgende Stromnetz stellt. Und da die für Obusse erforderlichen 750 V Unterwerke identisch mit denen der U-Bahn sind, kann in Hamburg sogar von erheblichen Synergie-Effekten ausgegangen werden. Die Unterwerke der Hamburger U-Bahn sehen keine Reserven für das Betreiben eines Oberleitungsbussystems vor. Es kann außerdem nicht vorausgesetzt werden, dass die Unterwerke der Hamburger U-Bahn auch strategisch und technisch günstig für das Betreiben eines Oberleitungsbussystems liegen. Somit sind weder von den Standorten noch von der Ladetechnik Synergien zu erwarten. In Tabelle 10 der herangezogenen Studie8 sind die Energieverbräuche der unterschiedlichen Antriebstechnologien gegenübergestellt. Die Verbrauchswerte von Batteriebussen (Gelegenheitslader oder Übernachtlader) unterscheiden sind nur marginal von den Verbrauchswer- 7 Martin Schmitz (VDV) und Thomas Kiel (Deutscher Städtetag). 8 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/MKS/studie-hybridoberleitungsbusse .pdf?__blob=publicationFile. Drucksache 21/17803 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 ten von Oberleitungsbussen. Daher würde ein Oberleitungsbussystem das Hamburger Stromnetz in ebensolchem Maße belasten wie das System des Gelegenheitsladers oder Übernachtladers. Mit dem Konzept des Übernachtladers sind allerdings positive Effekte für die Stabilität des Stromnetzes verbunden, da die Energieentnahme zielgerichtet gesteuert werden kann. Zu den Investitionskosten siehe Antwort zu 1.