BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17817 21. Wahlperiode 23.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 16.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Organisierte Kriminalität (OK) in Hamburg außer Kontrolle Organisierte Kriminalität (OK) wird kriminologisch als „die vom Gewinn- und Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken“ definiert.1 Zweifelsfrei eine Struktur, die gezielt unsere freiheitliche demokratische Grundordnung angreift und unseren Rechtstaat aushebeln möchte. OK stellt deshalb wie kaum eine andere Art der Kriminalität unsere Rechts- und Werteordnung in Frage. OK ist in der Regel in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar , da sie im Hintergrund verläuft und die beteiligten Akteure kein Interesse daran haben, dass Konflikte öffentlich werden. Die Öffentlichkeit nimmt OK deshalb nur im Einzelfall wahr, wenn Konflikte öffentlich ausgetragen werden . Ein Beispiel hierfür ist der seit Jahren anhaltende Rockerkrieg im Bereich der Hamburger Reeperbahn und in anderen Quartiere, wo es bereits mehrfach zu Schusswechseln und schweren Verletzungen kam. Trauriger Höhepunkt war nicht zuletzt der Mordversuch an einem führenden Hells- Angels-Mitglied im August 2018.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Innerhalb der Polizei Hamburg ist die Abteilung 6 des Landeskriminalamtes (LKA) für die spezielle Bekämpfung der organisierten Kriminalität (OK) und Rauschgiftkriminalität zuständig. Hierzu ist die Abteilung in neun Dienststellen unterteilt. OK-Bekämpfung ist allerdings grundsätzlich eine Aufgabe, die ein Zusammenwirken verschiedener polizeilicher Dienststellen auf verschiedenen Ebenen erfordert. Eine Vielzahl der Ermittlungsverfahren, die in der Abteilung des LKA 6 geführt werden, ist darüber hinaus nicht unter der einleitend bereits vom Fragesteller genannten OK-Definition des BKA zu subsumieren. So bearbeitet die Dienststelle LKA 68 ausschließlich Rauschgiftdelikte im Bereich des Straßendeals, welche regelhaft nicht der OK zuzuordnen sind. Sollte sich aus diesen Vorgängen zu einem späteren Zeitpunkt eine OK- Relevanz ergeben, werden die entsprechenden polizeilichen Maßnahmen eingeleitet und der Vorgang den OK-Dienststellen übergeben. Vor diesem Hintergrund wurde das 1. Bundeskriminalamt (BKA): https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/ OrganisierteKriminalitaet/organisiertekriminalitaet_node.html.html, Zugriff: 25. April 2019. 2. „Hamburger Morgenpost“ (MOPO): https://www.mopo.de/hamburg/polizei/-der-typ-isterledigt --jetzt-jagen-die-hells-angels-den-verraeter-31187008, Zugriff: 25. April 2019. Drucksache 21/17817 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 LKA 68 nicht in die Beantwortung der Fragestellungen, die sich auf den Bereich der organisierten Rauschgiftkriminalität beziehen, einbezogen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften des Jobcenters team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1. Seit wann gibt es beim Hamburger LKA eine Dienststelle zur Bekämpfung von OK? Als erste OK-Dienststelle wurde im Jahr 1982 die Fachdirektion 65 (FD 65) bei der Hamburger Polizei eingerichtet. 2. Wie stellt sich die Entwicklung der personellen Ausstattung der OK-Dienststelle seit Gründung dar? (LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte jeweils gesondert erfassen.) 3. Wie viele Stellen Soll/Ist existierten im Gründungsjahr, in den Jahren 2000, 2005, 2010, 2015 und aktuell? Bitte entsprechend jeweils zum Stichtag 01. Januar auflisten. (LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Zum Stellenbestand (Beamte und Tarifbeschäftigte) und der verfügbaren Personalkapazität (VPK) siehe nachstehende Tabelle. Auswertbare Daten stehen wegen Ablauf der Aufbewahrungsfristen erst ab 2010 zur Verfügung. Im Jahr 2010 wurden 28 Stellen vom LKA 6 zum LKA 5 verlagert, da bisher im LKA 6 wahrgenommene Aufgaben aus fachlichen Gründen dem LKA 5 zugeordnet wurden. Stichtag jeweils 01.01.des Jahres 2010 2015 2019 1.6.2019 Stellenbestand LKA 6 ohne LKA 68 247 222 227 227 Stellenbestand ZD 62*/LKA 68 54 53 56 56 VPK LKA 6 ohne LKA 68 242,54 208,74 196,80 198,64 VPK ZD 62/LKA 68 75,21 54,61 55,27 59,33 * Zentraldirektion 62 – Vorgängerdienststelle des heutigen LKA 68 4. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Stellenausstattung und -besetzung der OK-Dienststelle? (LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Die Stellenausstattung und -besetzung erfolgt nach Maßgabe vorhandener Personalkapazitäten , wird auf Basis einer gesamtpolizeilichen Betrachtung ständig überprüft und orientiert sich zudem an der aktuellen Prioritätensetzung der Polizei sowie an den rechtlichen und bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung der OK. Beispielsweise werden durch die Koordinierungsstelle des BKA regelmäßig bundesweite beziehungsweise überregionale Schwer-/Brennpunkte abgefragt. Dadurch werden Ermittlungsverfahren/Projekte/AGs und so weiter generiert, um so dem jeweiligen Phänomen entsprechend präventiv und repressiv wirksam entgegenzutreten. Zudem wird die Ausrichtung der OK-Bekämpfung in Hamburg regelmäßig anhand der Auswertung von Berichten und Anzeigen überprüft. Die sich daraus ergebenen Entwicklungen und Tendenzen werden analysiert und neuen Phänomenen frühzeitig begegnet. Hierzu werden die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen eingesetzt und die erforderlichen präventiven und repressiven Maßnahmen getroffen. 5. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Arbeit und die Ergebnisse der OK-Dienststelle (ohne LKA 68)? Durch Zusammenwirken der verschiedenen polizeilichen Dienststellen und des LKA 6 sowie der Dienststellen des LKA 6 untereinander hat es gerade in den letzten Jahren zahlreiche Erfolge bei der Bekämpfung der OK gegeben. Exemplarisch sind die Bereiche Rocker- und Rauschgiftkriminalität zu nennen, die auch medial in den Fokus gerückt waren. Hier konnten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rockergruppierungen verhindert, Ermittlungserfolge bei Kapitalverbrechen erzielt, große Mengen an Betäubungsmitteln sichergestellt und Tätergruppierungen zerschlagen werden. Die Arbeit des LKA 6 im Rahmen der Bekämpfung von OK-Kriminalität wird als erfolgreich bewertet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17817 3 6. In welchen Stadtteilen Hamburgs liegen nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde Schwerpunkte im Bereich der OK (ohne LKA 68)? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß des Straftatenkatalogs der bundeseinheitlichen Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Der Begriff „Organisierte Kriminalität“ (OK) wird darin nicht erfasst und kann deshalb nicht ausgewertet werden. OK-Verfahren sind umfangreich und bestehen aus einer Vielzahl von Aktenbänden. Für die Beantwortung der Frage wäre eine detaillierte Auswertung sämtlicher Ermittlungsverfahren erforderlich, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Eine stadtteilbezogene Zuordnung ist aus den genannten Gründen nicht möglich. 7- In wie vielen Fällen und auf welcher Rechtsgrundlage wurden in den vergangenen Jahren (Gründung der OK-Dienststelle bis heute) Ermittlungsverfahren gegen kriminelle Vereinigungen oder Rockerbanden von Landesbehörden durchgeführt? (Bitte nach Jahren und Behörden aufschlüsseln , LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg werden die erfragten Informationen nicht erfasst. Für die Beantwortung der Frage müssten daher sämtliche Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft, die in der für diese Straftaten zuständigen Abteilung erfasst worden sind, händisch ausgewertet werden. Dabei handelt es sich für den Zeitraum seit dem Jahr 2011 um knapp 2 000 Verfahrensakten. Eine entsprechende Auswertung dieser Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen kriminelle Vereinigungen oder Rockerbanden werden im LKA Hamburg von den Dienststellen LKA 63 und LKA 65 bearbeitet und basieren auf dem gesetzlichen Auftrag der Polizei zur Strafverfolgung gemäß § 163 Strafprozessordnung (StPO). Die nachfolgende Tabelle zeigt die im LKA Hamburg geführten OK-Ermittlungsverfahren rückwirkend bis ins Jahr 2011. Weiter zurückliegende Angaben sind aufgrund datenschutzrechtlicher Löschfristen nicht möglich. Die Daten wurden auf Grundlage des Datenbanksystems des BKA recherchiert. 2011 Zwei Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Hells Angels 2012 Zwei Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Hells Angels 2013 Ein Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Mongols 2014 ./. 2015 Zwei Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Hells Angels 2016 Drei Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Hells Angels 2017 Ein Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Hells Angels 2018 Zwei Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Hells Angels Ein Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung Bandidos Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Wie viele OK-Verfahren wurden im Bereich der Rauschgiftkriminalität/ Betäubungsmittelkriminalität im LKA Hamburg in dieser Zeit geführt? (Bitte nach Jahren und Behörden aufschlüsseln, LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Die reine Anzahl der OK-Verfahren lässt keine Rückschlüsse auf die Ermittlungsintensität zu, da sich die OK-Verfahren vom Umfang der Ermittlungen von Verfahren zu Verfahren stark unterscheiden können. Zu den erfassten OK-Verfahren im Sinne der Frage siehe nachfolgende Tabelle: Jahr OK-Ermittlungsverfahren 2011 10 Drucksache 21/17817 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Jahr OK-Ermittlungsverfahren 2012 9 2013 12 2014 9 2015 10 2016 7 2017 5 2018 9 Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Wie viele OK-Verfahren wurden im Bereich Menschenhandel/ Schleusung im LKA Hamburg in dieser Zeit geführt? (Bitte nach Jahren und Behörden aufschlüsseln, LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Zu den erfassten OK-Verfahren im Sinne der Frage siehe nachfolgende Tabelle: Jahr OK-Menschenhandel/Schleusung 2011 2 (Schleusung) 2012 3 (Schleusung) 2013 2 (Schleusung) 2014 1 (Schleusung) 2015 1 (Schleusung) 2016 ./. 2017 1 (Schleusung) 2018 1 (Schleusung) Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 8. 10. Liegt ein Schwerpunkt der OK-Bekämpfung im Bereich der Rauschgiftkriminalität /Betäubungsmittelkriminalität? Wenn ja, warum wird hier weiterhin der Schwerpunkt gesehen? Die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität ist eine gesamtpolizeiliche Aufgabe. Sie wird im Rahmen der Gesetze, der Vorgaben des Hamburger Senats sowie unter Orientierung an den internen polizeilichen Schwerpunktsetzungen wahrgenommen. Die im Bereich des organisierten Rauschgifthandels und -schmuggels tätigen Personen /Gruppierungen und die begangenen Straftaten fallen unter die OK-Definition und müssen daher zwingend durch die OK-Dienststellen bearbeitet werden. Da nicht auszuschließen ist, dass bestehende beziehungsweise neue Strukturen und Netzwerke entstehen oder möglicherweise durch die polizeilichen Maßnahmen nicht gänzlich aufgelöst werden, ist auch zukünftig mit OK-Verfahren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität zu rechnen. Eine ganzheitliche Bekämpfung ist daher weiterhin notwendig . Insofern wird auch zukünftig ein Schwerpunkt in diesem Deliktsfeld gesehen. 11. Gibt es eine Strategie beziehungsweise einen Masterplan zur Bekämpfung von OK? Wenn ja, welche wesentlichen Leitlinien und Prinzipien liegen diesem zugrunde und welche Behörden und Ämter sind hierbei involviert? (LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Ermittlungen in Verfahren der organisierten Kriminalität sind eine besondere Herausforderung für die zuständigen Behörden. In diesem Zusammenhang beobachtet die Polizei die Entwicklungen und Tendenzen in diesem Kriminalitätsbereich und arbeitet eng mit den zuständigen Behörden sowohl landesweit als auch länderübergreifend zusammen. Auf diese Entwicklungen und Tendenzen wird bei Erkennen sofort mit den entsprechenden präventiven und repressiven Maßnahmen reagiert, um die Tat- und Täterstrukturen aufzudecken und die bestehenden Netzwerke aufzulösen. Die Bekanntgabe konkreter Maßnahmen zur Bekämpfung der OK würde jedoch den Ermittlungserfolg gefährden, weshalb im Interesse der Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen keine polizeilichen Strategien mitgeteilt werden können. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17817 5 Die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Hamburg zur Entwicklung und Gestaltung der Ermittlungskonzeption erfolgen in Zusammenarbeit mit den Fachdienststellen der Polizei jeweils individuell während eines konkreten Ermittlungsverfahrens. 12. Durch welche Kriterien werden Straftaten im Bereich der OK durch den Senat oder die zuständige Behörde konkret erfasst? Sofern keine Kriterien festgelegt sind, plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde eine Festlegung entsprechender Erfassungskriterien und bis wann ist mit einer Umsetzung zu rechnen? Es findet die in der Vorbemerkung des Fragestellers wiedergegebene bundeseinheitliche Definition von organisierter Kriminalität Anwendung. Die Bearbeitung der entsprechenden Verfahren erfolgt in den jeweils für das jeweilige Kriminalitätsfeld zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung V und VI der Staatsanwaltschaft Hamburg. Seitens des LKA 6 werden die OK-Ermittlungsverfahren nach der genannten bundeseinheitlichen OK-Definition erhoben. 13. Welche Rolle spielen nach Einschätzung des Senats familiäre Strukturen im Bereich der OK? (Sogenannte Clankriminalität – LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen.) Siehe Drs. 21/16905. 14. Welche Maßnahmen ergreift der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, um der Entstehung von Familienclans, die „unter Missachtung der vorherrschenden staatlichen Strukturen, deren Werteverständnis und Rechtsordnung eine eigene, streng hierarchische, delinquente Subkultur “ bilden, entgegenzuwirken? (Bundeslagebild OK 2017, BKA: 17 – ohne LKA 68 Straßendeal.) Sollten im Rahmen der Betrachtung des in Rede stehenden Phänomenbereichs Entwicklungen und Tendenzen erkennbar werden, wird mit den entsprechenden präventiven und repressiven Maßnahmen reagiert. Von der Beschreibung möglicher konkreter Maßnahmen muss jedoch abgesehen werden, da sonst die Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen gefährdet wäre. 15. In wie vielen Fällen und mit welchen monetären und rechtlichen Ergebnissen kam nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde das am 01. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zur Anwendung? (LKA 68 sowie Vorgängerdienststellen des Straßendeals bitte gesondert erfassen .) Vermögensabschöpfungsmaßnahmen werden intensiv betrieben. Dies gilt insbesondere für Verfahren aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Eine statistische Erhebung zur Anzahl nach neuer Rechtslage behandelter Fälle findet dabei bei der Staatsanwaltschaft nicht statt. Es wird nicht erfasst, welche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität getroffen werden. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden auch bei der Polizei nicht geführt. Im Übrigen siehe Drs. 21/17695. 16. Bestehen nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde Schwierigkeiten bei der Anwendung des Gesetzes (siehe Frage 15.), insbesondere im Rahmen der Urteilsvollstreckung? Wenn ja, welche? Es treten keine gravierenden Probleme im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung auf. Allerdings sind in einigen Bereichen bestimmte rechtliche Fragen durch die Gerichte noch nicht abschließend geklärt. In praktischer Hinsicht ist festzustellen, dass ohne einen frühzeitigen Zugriff auf Vermögenswerte bereits im Ermittlungsverfahren die spätere Vollstreckung von rechts- Drucksache 21/17817 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 kräftigen Einziehungsentscheidungen regelmäßig deutlich erschwert ist oder sie vollends ins Leere geht. 17. Inwiefern ist der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde der Auffassung, dass es sich bei der Vermögensabschöpfung um ein wirksames Mittel im Bereich der OK handelt? Eine nachhaltige Kriminalitätsbekämpfung erfordert eine wirksame strafrechtliche Vermögensabschöpfung. Dabei hat der Staat alles rechtsstaatlich Mögliche zu unternehmen , um die Nutznießung von Gewinnen aus Straftaten zu unterbinden (vergleiche BT.-Drs. 18/9525). Die Abschöpfung der unrechtmäßig erlangten Gewinne ist daher neben der Verhängung von Strafen ein vordringliches Ziel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, um Geldflüsse innerhalb krimineller Strukturen zu unterbinden . 18. Ist bandenmäßiger Sozialleistungsmissbrauch (Hartz IV, Kindergeld, Hilfe zur Pflege et cetera) aus Sicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden dem Bereich der OK zuzurechnen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Es handelt sich um eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die auch unter Zugrundelegung der in der Vorbemerkung des Fragestellers wiedergegebenen Definition von organisierter Kriminalität nicht generell beantwortet werden kann. Im Übrigen siehe Antwort zu 11. 19. Welche Maßnahmen erachtet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde für sinnvoll, um bandenmäßigen Sozialleistungsmissbrauch zu bekämpfen? Die Polizei trifft im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags alle erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung und steht dabei im Austausch mit anderen Behörden. Im Übrigen siehe Antwort zu 11. Da Fälle von organisiertem Sozialleistungsmissbrauch vielfach mit prekären Arbeits-, Wohn- und sonstigen Lebensverhältnissen verbunden sind, sind auch auf operativer Ebene eine behörden- und ämterübergreifende Betrachtung dieser Thematik und ein konzertiertes Vorgehen erforderlich. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) hat eine koordinierende Funktion bei der Bekämpfung des organisierten Sozialleistungsmissbrauchs und von ausbeuterischen Strukturen übernommen . Bisher wurden fünf „Aktionstage“ unter der Beteiligung diverser Dienststellen durchgeführt. Darüber hinaus bringt sich Hamburg auch in übergeordneten Arbeitszusammenhängen in die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Bekämpfung organisierten Leistungsmissbrauchs ein, etwa im Zusammenhang dahingehender Erörterungen zur Zuwanderung aus insbesondere osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten . Im Übrigen siehe hierzu Drs. 21/11357, Drs. 21/12780, Drs. 21/13267, Drs. 21/14220, Drs. 21/14433, Drs. 21/14948, Drs. 21/16863 und Drs. 21/17063. Das Jobcenter verfügt weitergehend über eine EU-Kompetenzgruppe, die zur Vermeidung und Aufklärung rechtswidriger Leistungszahlungen tätig wird und zudem Tatmustern und Erkennungsmerkmalen von organisiertem Leistungsmissbrauch nachgeht . Ferner verfügen die für die jeweiligen Sozialleistungen zuständigen Behörden über entsprechende Prüfrechte und über Instrumente des Ordnungswidrigkeitenrechts beziehungsweise die Möglichkeit der Erstattung einer Strafanzeige sowie die verwaltungsrechtlichen Instrumente zur Aufhebung von Sozialleistungsbewilligungen und Rückforderung überzahlter Leistungen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17817 7 Durch die Pflegestärkungsgesetze 2 und 3 sowie durch das Bundesteilhabegesetz wurden Regelungen zur Bekämpfung von Abrechnungsbetrug in der Pflege geschaffen . Zur Ergänzung hält es die zuständige Behörde bezogen auf die Hilfe zur Pflege generell für sinnvoll, die Zusammenarbeit der Prüfinstitutionen zu stärken und dabei insbesondere die Prüf- und Informationsaustauschrechte für die Kommunen als Träger der Sozialhilfe zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wurde auf Initiative Hamburgs von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz ein entsprechender Beschluss gefasst (TOP 5.11 der 94. ASMK 2017). Gesetzgeberisch umgesetzt wird dies ab dem 1. Januar 2020 mit der Neuregelung des § 76 a SGB XII („Gesetz zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Union zur Bereitstellung von Produkten auf dem Markt und zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“, Bundesgesetzblatt Teil I, 2019, Nummer 13, S. 473-478), die dem Träger der Sozialhilfe bei nach dem Recht des SGB XI (Pflegeversicherung) zugelassenen Pflegeeinrichtungen ein eigenes gesetzliches Prüfrecht aus besonderem Anlass entsprechend dem neuen gesetzlichen Prüfrecht für Vereinbarungen nach dem Zehnten Kapitel des SGB XII einräumt (§ 78 SGB XII). Soweit Anhaltspunkte bestehen, dass eine zugelassene Pflegeeinrichtung ihre vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt, hat der Sozialhilfeträger ein eigenes Initiativrecht zur Prüfung. Zu den Verpflichtungen zählen insbesondere die Verpflichtungen nach dem Pflegeversicherungsrecht (SGB XI). Darüber hinaus hat der Träger der Sozialhilfe auch in diesen Fällen mit den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden sowie mit dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung , dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. oder den von den Landesverbänden der Pflegekasse bestellten Sachverständigen zusammenzuarbeiten (https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2018/ 0401-0500/426-18.pdf?__blob=publicationFile&v=1, Gesetzesbegründung, BR.-Drs. 426/18, Seite 25). Die Generalzolldirektion teilt hierzu mit: Mit dem am 18. Juli 2019 in Kraft getretenen Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialmissbrauch wurden die Prüfungs- und Ermittlungsbefugnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) erweitert. So wurde der Prüfauftrag auf vorgetäuschte Arbeitsverhältnisse und vorgetäuschte selbständige Tätigkeit, auf deren Basis Sozialleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch zu Unrecht bezogen werden oder wurden, erweitert. In diesem Kontext soll zunächst der Datenaustausch zwischen der FKS und den übrigen beteiligten Behörden, insbesondere den Jobcentern und Familienkassen, den Finanzämtern sowie den Strafverfolgungsbehörden und Polizeivollzugsbehörden ausgebaut und verbessert werden. Weitere konkrete Maßnahmen werden verifiziert, sobald erste Erfahrungen bei der Umsetzung des Gesetzes gewonnen werden konnten. Ziel des Gesetzes ist es, die Bekämpfung von illegaler Beschäftigung, Sozialleistungsmissbrauch und Schwarzarbeit im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen wirkungsvoller und effektiver auszugestalten, um Fairness am Arbeitsmarkt, das Funktionieren der Sozialsysteme und gleiche Bedingungen für alle Unternehmen zu gewährleisten. 20. Wie gestalten sich der europäische beziehungsweise internationale Informationsaustausch sowie die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung im Bereich der OK? Mit welchen Ländern bestehen gemeinsame Ermittlungsgruppen oder ähnliche Kooperationen? Die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen – insbesondere über Eurojust und das Bundeskriminalamt – verläuft im Bereich der organisierten Kriminalität regelmäßig gut und wird angesichts zunehmender grenzüberschreitender Kriminalität weiter intensiviert. Gegenwärtig bestehen konkret verfahrensbezogene Kooperationen mit Polen und Bulgarien sowie mit Großbritannien, Belgien, Dänemark und den USA. Der europäische beziehungsweise internationale Informationsaustausch erfolgt für die Polizei Hamburg grundsätzlich über das LKA 232 (Rechtshilfe) und das Bundeskriminalamt mit dem Ausland. Des Weiteren kommt auch das spezielle Ermittlungsinstrument des Joint Investigation Teams (JIT) zum Tragen. Hierbei handelt es sich um eine auf Zeit für einen bestimmten Fall eingerichtete Ermittlungsgruppe unter Beteiligung von Behörden aus zwei oder mehr EU-Mitgliedstaaten. Hier ist allerdings anzumerken, dass die Vertragserstellung Zeit in Anspruch nimmt und es somit zu Verzögerungen Drucksache 21/17817 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 8 bei den Ermittlungen kommen kann. Aus Sicht der Polizei ist es jedoch ein wichtiges Instrument zur länderübergreifenden Zusammenarbeit. 21. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung im Bereich der OK auf nationaler, europäischer beziehungsweise internationaler Ebene? Sieht der Senat hier Verbesserungspotenzial? Wenn ja, welches? Der Informationsaustausch auf europäischer und internationaler Ebene wird positiv bewertet, auch wenn es im Einzelfall zu Problemen mit einzelnen Staaten kommt. Dies liegt häufig an unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen beziehungsweise unterschiedlichen Organisationsstrukturen in den betreffenden Ländern. Die vorhandenen Kommunikationskanäle sind seit Jahren etabliert. Darüber hinaus gewinnt die Zusammenarbeit über Europol auf europäischer Ebene immer mehr an Bedeutung und Akzeptanz. Die Zusammenarbeit untereinander verbessert sich stetig. Als problematisch haben sich insbesondere im Bereich der Vermögensabschöpfung die unterschiedlichen Regelungen in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen erwiesen. Zudem ist beim LKA 6 die Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift, bestehend aus Mitarbeitern des LKA 61 und des Zollfahndungsamts Hamburg, eingerichtet worden. Dadurch sind regelmäßige Kontakte mit den Verbindungsbeamten des BKA und des Zolls sowie ein gegenseitiger Informationsaustausch gewährleistet. Im Übrigen siehe Antwort zu 20. 22. Wie lassen sich Feststellungen zu Organisationen und Personen im OK- Bereich datenschutzrechtlich feststellen und speichern, die nicht direkt in den Begehungen von Straftaten beteiligt, aber dennoch Bestandteile der Organisationen sind? (Mittelsmänner/Hintermänner wie beispielsweise: Anwälte, Banken, Steuerberater, Beamte et cetera.) Die Formulierung „Organisationen und Personen im OK-Bereich datenschutzrechtlich feststellen“ wird so verstanden, dass damit die Erhebung personenbezogener Daten gemeint ist. Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) und die Strafprozessordnung (StPO) eröffnen der Polizei umfangreiche Möglichkeiten der Datenerhebung und Erkenntnisgewinnung. Voraussetzung ist ein Gefahrenverdacht oder der Anfangsverdacht einer Straftat. Die Speichermöglichkeiten unterscheiden sich je nach Fallgestaltung: Liegt der Anfangsverdacht einer Straftat (zum Beispiel Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB) vor, können die zur Erforschung dieses Verdachts erforderlichen personenbezogenen Daten für Zwecke des Strafverfahrens gespeichert werden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der § 129 StGB aufgrund der von organisierter Kriminalität ausgehenden erhöhten Gefahren bereits eine Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes bedeutet. Zur Erfüllung des Tatbestandes müssen neben der Gründung einer Vereinigung keine weiteren Taten begangen oder auch nur ins Versuchsstadium gelangt sein. Weiterhin genügt für die Strafbarkeit bereits die Unterstützung einer solchen Vereinigung oder das Werben um Mitglieder oder Unterstützer. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist die weitere Speicherung in einer Datei zur Gefahrenabwehr möglich, wenn wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen die Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten besteht. • Kann der Anfangsverdacht einer Straftat nicht begründet oder nach ersten Ermittlungen nicht aufrecht erhalten werden, ist die Speicherung der Person als „potentieller Täter“ in einer Datei zur Gefahrenabwehr möglich, wenn die Polizei der Person in Zukunft die Begehung von Straften im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität zutraut und für diese Annahme zumindest tatsächliche Anhaltspunkte hat. Dazu kann auch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gehören. Die Speicherdauer bemisst sich an der Erforderlichkeit zur Gefahrenabwehr, eine Höchstspeicherfrist für „potentielle Täter“ schreibt das PolDVG nicht vor. Es muss lediglich eine angemessene Prüffrist (diese darf für erwachsene Personen zehn Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17817 9 Jahre nicht überschreiten) festgelegt werden. Nach Ablauf der Prüffrist muss die weitere Erforderlichkeit der Speicherung begründet werden. • Personen aus dem Umfeld einer kriminellen Vereinigung können gegebenenfalls gemäß § 16 Absatz 3 PolDVG als Kontakt- und Begleitpersonen oder auch als Auskunftspersonen gespeichert werden. Voraussetzung ist jeweils, dass die Speicherung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung unerlässlich sein muss. Die maximale Speicherdauer beträgt drei Jahre. Die Anforderung der Unerlässlichkeit stellt hier aktuell eine sehr große Hürde dar.