BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17828 21. Wahlperiode 26.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 18.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Erhalten alle Frauen ohne Einschränkungen Schutz in Hamburger Frauenhäusern ? Aus Drs. 21/17237 ergeben sich Nachfragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) verpflichtet die Vertragsparteien in Artikel 23, Schutzunterkünfte einzurichten. Die Erläuterungen der Istanbul-Konvention zu Artikel 23 sehen unter anderem vor, dass sich die Anzahl der Schutzunterkünfte auf den tatsächlichen Bedarf ausrichten sollte, siehe https://rm.coe.int/1680462535. Der Senat hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass der Schutz sowie die bestmögliche Unterstützung aller von Gewalt bedrohten und betroffenen Frauen sowie ihrer Kinder höchste Priorität hat. Hierzu wurden entsprechende Unterstützungsmaßnahmen – wie die Einrichtung der Service-und Koordinierungsstelle 24/7 – umgesetzt, siehe Drs. 21/17237 und Drs. 21/14176. Zur Inbetriebnahme eines neuen sechsten Hamburger Frauenhauses und der Prüfung von geeigneten Standorten siehe Drs. 21/17237. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Der Europarat hat in der sogenannten Istanbul-Konvention ein Bett je 7 500 Einwohner in einem Frauenhaus beziehungsweise ein Familienzimmer je 10 000 Einwohner als angemessen erachtet. a) Wird diese Quote in Hamburg erreicht? Wie ist die Quote aktuell in Hamburg? b) Wenn diese Quote in Hamburg nicht erreicht wird, wie gedenkt der Senat sich durch welche Maßnahmen und zu wann diesem Ziel zu nähern? c) Wie beurteilt der Senat die Vorgaben der Istanbul-Konvention in Bezug auf Hamburg? Siehe Vorbemerkung. 2. In Drs. 21/17237 heißt es, dass zwei Standorte auf ihre Funktionalität und Geeignetheit für ein weiteres Frauenhaus geprüft werden. Handelt es sich hierbei um bereits vorhandene Gebäude zur Anmietung oder um Grundstücke, die noch bebaut werden müssten? Wie ist der aktuelle Stand der Prüfung? Bei dem derzeit favorisierten Objekt handelt es sich um ein Grundstück mit einer vorhandenen Immobilie. Es werden derzeit Vertragsverhandlungen mit dem Eigentümer Drucksache 21/17828 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 geführt. Im Übrigen sind die Planungen und Überlegungen hierzu noch nicht abgeschlossen . 3. Drs. 21/17237 stellt dar, wie oft Frauen von anderen Bundesländern nach Hamburg oder von Hamburg in andere Bundesländer verlegt wurden . Kooperiert Hamburg hier mit allen Bundesländern? Wenn nein, mit welchen nicht und warum? Wie erfolgt durch welche Stelle der Informationsaustausch über freie Plätze? Hamburg kooperiert mit anderen Ländern. Der Informationsaustausch über freie Plätze und die Vermittlung laufen über die gemeinsame Service- und Koordinierungsstelle 24/7, siehe Drs. 21/13850 und Drs. 21/13481. 4. Wie ist die Kinderbetreuung in den Frauenhäusern aktuell geregelt? Die Konzepte der Kinderbetreuung sind in den Frauenhäusern unterschiedlich. In jedem Frauenhaus und in der gemeinsamen Service- und Koordinierungsstelle 24/7 gibt es ausgebildete Fachkräfte, die die Mädchen und Jungen betreuen. 5. Erhalten die Kinder der Bewohnerinnen der Frauenhäuser psychologische Unterstützung? Wenn ja, welcher Art ist diese und welche Voraussetzungen müssen für die Inanspruchnahme erfüllt sein? Wie wird die Hilfe fortgeführt beziehungsweise gewährleistet, wenn die Frauen mit ihren Kindern das Frauenhaus verlassen haben? Wenn keine psychologische Hilfe für Kinder vorgesehen ist, warum ist das so? Bei Bedarf wird gemeinsam mit den Müttern und den Fachkräften in den Frauenhäusern nach therapeutischen Unterstützungsangeboten im Regelsystem des Gesundheitswesens gesucht. Die zuständige Abteilung Soziale Dienste Frauenhäuser (SFH) prüft einzelfallbezogen alle Hilfsangebote und Maßnahmen auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Darüber hinaus kooperieren die Frauenhäuser einzelfallbezogen mit dem Kinderschutzzentrum (http://www.kinderschutzzentrum-hh.de/). Diese Unterstützungsmöglichkeiten können bedarfsbezogen auch nach dem Auszug aus dem Frauenhaus fortgesetzt werden. 6. Erhalten alle Frauen, die in Frauenhäusern Schutz suchen, diesen Schutz? Wenn nein, welche Einschränkungen gibt es und was geschieht mit den Frauen, die keinen Schutz bekommen sollten? Werden sie weitervermittelt ? Wenn ja, wohin? Wie wird in diesen Fällen der Schutz vor den Männern gewährleistet? 7. Wurden von dem Jahr 2015 bis heute Frauen abgewiesen oder nach kurzer Zeit bereits wieder entlassen, weil sie nicht anspruchsberechtigt waren? Wenn ja, wie viele waren es und was geschah dann jeweils mit ihnen? Bitte nach Jahren aufschlüsseln und erläutern, warum jeweils kein Anspruch bestand? Alle von Gewalt betroffenen oder bedrohten Frauen und deren Kinder finden zeitnah und zu jeder Tages- und Nachtzeit unbürokratisch Schutz. Die Service- und Koordinierungsstelle 24/7 nimmt zunächst alle gewaltbedrohten und betroffenen Frauen auf und vermittelt diese weiter. Es werden keine schutzsuchenden Frauen abgewiesen. Im Übrigen siehe Drs. 21/17237, Drs. 21/13850 und Drs. 21/13481. 8. Wie viele der Frauen in Frauenhäusern gehen in etwa anteilig einer geregelten Arbeit nach? Wird diese zumeist während der Zeit im Frauenhaus weiter ausgeführt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17828 3 Wenn ja, welche Vorsichtsmaßnahmen gibt es hier zum Beispiel in Bezug auf ihnen auflauernde Ex-Partner? 9. Welche Vorsichtsmaßnahmen gibt es diesbezüglich bei Kitas oder Schulen besuchenden Kindern der Frauenhausbewohnerinnen? Die Schutzmaßnahmen werden in Abstimmung mit den Betroffenen getroffen und sind sehr individuell. Sollten Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz bestehen, gelingt es häufig in Abstimmung mit dem Arbeitsgeber, den Einsatzort zu wechseln. In Einzelfällen müssen die Frauen den Arbeitsplatz aus Sicherheitsgründen wechseln oder aufgeben. Hierbei werden die Betroffenen zudem über die Möglichkeiten, Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen, informiert. Im Übrigen werden die für die Beantwortung benötigten Daten statistisch nicht erfasst. Der Schutzaspekt bei Frauen und Kindern, die in einem Frauenhaus Schutz suchen, steht immer an erster Stelle. Die Beratungsprozesse und alle unterstützenden Maßnahmen werden durch die zuständige Abteilung Soziale Dienste Frauenhäuser (SFH) durchgeführt und orientieren sich in besonderem Maße an den erhöhten Risikofaktoren und Risikosituationen der Frauen und ihrer Kinder. Vor diesem Hintergrund werden als Vorsichtsmaßnahme regelhaft keine Daten an Dritte weitergegeben. Es kann aus Sicherheitsgründen in Einzelfällen auch zu einem Kita- oder Schulwechsel kommen . Zudem gilt, dass Kitas in ihrer pädagogischen Arbeit immer die ihnen bekannte Familiensituation des Kindes in den Blick nehmen und auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes eingehen. Bei besonderen Gefährdungssituationen kann es zur Erarbeitung von individuellen Vorsichtsmaßnahmen zwischen der betroffenen Frau und den Fachkräften der Kinderund Jugendhilfe kommen. Soweit Schülerinnen und Schüler besonders gefährdet sind, veranlasst das zuständige Landeskriminalamt die entsprechenden Maßnahmen in Abstimmung mit den Schulen und der für Bildung zuständigen Behörde. In Einzelfällen erfolgt auch eine Kontaktaufnahme der Frauenhäuser mit den betroffenen Schulen. Diese können sich an das zuständige Regionale Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ), die Schulaufsicht oder an die Beratungsstelle Gewaltprävention der zuständigen Behörde wenden. Wenn Unterstützung erbeten wird, kommt es zu einer Beratung im Einzelfall unter Einbindung der zu beteiligenden Stellen. Die Polizei prüft bei jedem ihr zur Kenntnis gelangten Sachverhalt, welche täter- und opferbezogenen gefahrenabwehrenden Maßnahmen zu treffen sind, um für das Opfer inklusive deren Kinder einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Je nach Einzelfall können dies zum Beispiel hinsichtlich des Täters eine Wegweisung inklusive Rückkehrverbot , ein Kontakt- und Näherungsverbot, eine Aufenthaltsverbotsverfügung und/ oder eine längerfristige Ingewahrsamnahme sein. Die zuständigen Dienststellen der Polizei erhalten bei Bedarf im Rahmen der Prüfung der zu treffenden Maßnahmen Unterstützung durch die Fachdienststellen Risikoeinschätzung und Kriminalpsychologie im Landeskriminalamt. Im Zuge eines Strafverfahrens wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bei der Justiz ein Haftbefehl angeregt; gegebenenfalls wird ein Beschuldigter zu diesem Zweck auf direktem Weg der Untersuchungshaftanstalt zugeführt. 10. In Drs. 20/6541 heißt es, „die Frauenhäuser müssen keine Zahlungsverläufe veranlassen oder Zahlungen entgegennehmen. Der bürokratische Aufwand wird damit für sie weiterhin so gering wie möglich gehalten“. Gilt die Aussage aus dem Jahr 2013 in Bezug auf die Platzkosten je Bewohner immer noch? Wenn nein, inwiefern und aus welchen Gründen nicht mehr? Ja. 11. Drs. 20/6541 informiert darüber, dass „die Ausgestaltung der Finanzierung der Frauenhäuser im gesamten Bundesgebiet sehr heterogen“ sei. In den meisten Bundesländern bestünde für Frauenhäuser eine Mischfinanzierung aus Tagessätzen und Zuwendungen aus Haushaltsmitteln Drucksache 21/17828 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 des Landes und/oder der Kommune. Bei einer Tagessatzfinanzierung werden diese für die meisten Nutzerinnen der Frauenhäuser auf der Basis individueller Leistungsansprüche nach SGB II, SGB XII oder AsylbLG von den jeweils zuständigen Verwaltungsebenen übernommen. Bestünden keine solchen Ansprüche, müssten die Nutzerinnen die Kosten selber tragen. Was bedeutet das für die Abrechnung vonseiten der Freien und Hansestadt Hamburg? Rechnet Hamburg beispielsweise bei Frauen aus anderen Bundesländern niedrigschwellig mit den Bundesländern beziehungsweise Kommunen ab oder geschieht dies direkt über die Frauen? Bitte das Verfahren erläutern. Der Schutz der Frau (und eventuell ihrer Kinder) durch die Aufnahme in einem Frauenhaus steht an erster Stelle und soll nicht mit Kosten für die Schutzsuchenden verbunden sein. Daher sind die Kosten für Unterkunft und Betreuung in Hamburg, sofern keine Leistungsberechtigung gemäß Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) besteht, durch die gewährte Zuwendung an das Frauenhaus gedeckt. Sofern eine Leistungsberechtigung gemäß SGB II vorliegt, ist das Verfahren (sowohl für den Kostenträger Freie und Hansestadt Hamburg als auch auswärtige Kostenträger) in der Fachanweisung zu § 36 SGB II detailliert geregelt. Hamburg rechnet direkt mit den zuständigen Bundesländern, Kommunen und Sozialleistungsträgern ab. Im Übrigen siehe http://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/ kostenerstattung-frauenhaeuser? und https://www.hamburg.de/basfi/fa-sgbii-kap03- 36a/.