BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17870 21. Wahlperiode 30.07.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 24.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Missbrauch von Kirchenasyl in Hamburg, 2. Quartal 2019 (II) Das „Hamburger Abendblatt“ berichtete in einem Artikel vom 02.04.2018 von 611 ausreisepflichtigen Ausländern, denen trotz negativen Asylgesuchs Kirchenasyl gewährt wurde. Die evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland , auch Nordkirche genannt, sticht hier mit einem besonders hohen Anteil von 153 Personen, was circa ein Viertel der Gesamtfälle ausmacht, heraus. Auf die Stadt Hamburg entfallen davon laut Drs. 21/13959, Drs. 21/14122, Drs. 21/15569 und Drs. 21/17761 48 Personen (Stand 16.07.2019). Von den 48 Personen befinden sich 36 Personen im Dublin-III-Verfahren. Zwölf Personen haben ein Asylverfahren durchlaufen und bei allen ist der Asylantrag gemäß § 30 Asylgesetz als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Trotz negativen Asylverfahrens sind noch 13 Fälle in einem Verwaltungsgerichtsverfahren anhängig. Auch bestätigt sich der Verdacht, dass das Kirchenasyl genutzt werden sollte , um die sechsmonatige Überstellungsfrist der Dublin-III-Verordnung außer Kraft zu setzen, denn immer mehr Personen gehen aus dem Kirchenasyl in ein nationales Verfahren über. Der Senat schreibt, dass mit dem Eintritt in das Kirchenasyl nach § 8 Absatz 1 S. 1 AsylbLG Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr gewährt werden. Die Sozialbehörde verlangt bei Eintritt ins Kirchenasyl keine Verpflichtungserklärung beziehungsweise Kostenübernahmeerklärung von der Kirchengemeinde, weil es so einen Wortlaut im Gesetz nicht gebe. Trotzdem kann auch im Falle der Inanspruchnahme von Kirchenasyl im Einzelfall ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bestehen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Mit dem Eintritt in das Kirchenasyl werden nach § 8 Absatz 1 S. 1 AsylbLG Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr gewährt, wenn die Versorgung anderweitig erfolgt. Da die Kirchen keine Krankenversorgung für Personen im Kirchenasyl übernehmen, bleibt der Anspruch auf Krankenhilfe nach § 4 AsylbLG auch während des Kirchenasyls bestehen, weil die Personen im Kirchenasyl auch dann einen Leistungsanspruch haben, wenn sie vollziehbar ausreisepflichtig sind (§ 1 Absatz 1 Nummer 5 AsylbLG). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/17870 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Kann ausgeschlossen werden, dass Leistungsbehörden in Hamburg Leistungen in Kirchenasylfällen leisten, wenn der Antrag nicht von den Antragstellern persönlich bei der Behörde beantragt wird? Grundsätzlich besteht im AsylbLG der Kenntnisgrundsatz gemäß § 6 b AsylbLG in Verbindung mit § 18 SGB XII (erst mit Bekanntwerden des Bedarfs entsteht der Anspruch) und keine Antragspflicht. Im Übrigen siehe Drs. 21/14166. 2. Gilt dies auch für Leistungen im Krankheitsfall, das heißt, übernehmen die Kirchengemeinden in jedem Fall auch Krankheitskosten? Siehe Drs. 21/14166. 3. Wenn nein, in wie vielen Fällen fortwährenden Kirchenasyls wurden Leistungen welcher Art nach AsylbLG aufgrund Anspruch gewährt und in wie vielen Fällen wurden Leistungen welcher Art ohne Anspruch freiwillig durch die Behörde gewährt? Von den aktuell 48 Fällen des Kirchenasyls werden in 18 Fällen Leistungen nach § 4 AsylbLG aufgrund eines Leistungsanspruchs gewährt. Leistungen ohne Anspruch werden nicht gewährt. 4. In Drs. 21/14166 vom 31.08.2018 schreibt der Senat, dass „eine Auswertung , in wie vielen Fällen Personen, die sich zurzeit im Kirchenasyl befinden, tatsächlich Leistungen gemäß § 4 AsylbLG gewährt wurden, nicht erfolgen kann, weil die Abrechnungen der ärztlichen Behandlungen und verordneten Arzneien durch die Kassenärztliche Vereinigung beziehungsweise durch das Apothekenrechenzentrum mit der betreuenden Krankenkasse erst mit mindestens einem halben Jahr Verzögerung erfolgen.“ In wie vielen der 58 Fälle in Drs. 21/14166 hat die Sozialbehörde den Untergekommenen nur Leistungen für Kranken- und Schwangerenhilfe gewährt? (Bitte nach Kirchgemeinde, Anzahl der in Obhut der Kirche befindlichen Personen mit Angabe von Staatsangehörigkeit, Einreisedatum , Grund und Datum des negativen Verfahrensbescheids und dem für das Dublin-III-Verfahren zuständige Land aufschlüsseln.) Siehe Anlage. Datum BAMF- Katholische Kirchengemeinde HH- Bergedorf 1 Eritrea 22.10.2017 09.11.2017 unzulässig Norwegen Ja ja 4 Kosovo 03.07.2014 11.03.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja Kosovo 03.07.2014 03.03.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja Kosovo 03.07.2014 11.03.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja Kosovo 03.07.2014 18.03.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja 2 offensichtlich unbegründet offensichtlich unbegründet Bosnien/ Herzegowina 03.02.2015 20.06.2016 offensichtlich unbegründet - Nein ja 5 Mazedonien 16.07.2015 21.09.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja Mazedonien 04.11.2015 06.06.2016 offensichtlich unbegründet - Nein ja Mazedonien 16.07.2015 21.09.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja Mazedonien 16.07.2015 21.09.2015 offensichtlich unbegründet - Nein ja Mazedonien 16.07.2015 21.09.2015 - Nein ja Eritrea 22.02.2017 10.04.2017 unzulässig Dänemark Ja ja Evangl.-Luther. Kirchenkreis HH Ost 1 Eritrea 15.05.2017 24.07.2017 unzulässig Italien Ja ja noch nicht bekannt (über BAMF) Katholische Kirchengemeinde HH Bergedorf 1 Eritrea 21.07.2016 08.09.2016 unzulässig Italien Nein ja Ev.-Luth. Kirchengemeinde Bad Doberan 1 Eritrea 10.10.2016 15.02.2017 unzulässig Italien Nein ja Ev.-Luth. Kirche Norddeutschland 1 Eritrea 25.10.2016 13.01.2017 unzulässig Italien Ja ja Ev.-Luth. Kirche Norddeutschland 1 Eritrea 15.12.2016 27.02.2017 unzulässig Norwegen Ja ja Ev.-Freikirche Pfingstgemeinde 1 Afghanistan 23.01.2017 06.03.2017 unzulässig Schweden Ja ja Dompfarrei St.Marien 1 Eritrea 23.01.2017 12.06.2017 unzulässig Italien Ja, bis April 2019 ja Katholische Kirchengemeinde HH- Bergedorf 1 Somalia 29.01.2017 16.11.2017 unzulässig Schweden Ja ja Afghanistan 25.05.2017 06.07.2017 unzulässig Dänemark Ja ja Afghanistan 25.05.2017 06.07.2017 unzulässig Dänemark Nein ja Ev.-Luth. Kirchenkreis HH Ost 1 Eritrea 17.07.2017 21.08.2017 unzulässig Norwegen Ja ja Ev.-Luth. Paulus Kirchengemeinde Altona 1 Afghanistan 245.07.2017 27.09.2017 unzulässig Österreich Ja ja Irak 23.08.2017 27.09.2017 unzulässig Rumänien Ja ja Irak 11.08.2017 27.09.2017 unzulässig Rumänien Ja ja Kirchengemeinde 2 2 unzulässig Ablehnungsgrund Bescheid Staatsangehörigkeit Anzahl Ja Ja Bosnien/ Herzegowina Ev.-Luth. Kirchengemeinde Kirchdorf Evangl.-Luther. Kirchenkreis HH Ost Äthiopien 2 weitere Hilfen nach AsylbLG Ev.-Luth. Kirchengemeinde Gross Flottbek Johannes- Kirche der Christengemeinschaft Dresden 1 Somalia Evangl.-Luther. Kirche Eimsbüttel Evangl.-Luther. Kirchenkreis HH Ost Krankenhilfe geleistet ja ja ja Einreisedatum DÜ-Land 03.02.2015 20.06.2016 - 22.02.2017 kein Asylantrag - 06.09.2017 02.11.2017 Österreich Nein Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17870 3 Anlage Datum BAMF-Kirchengemeinde Ablehnungsgrund Bescheid Staatsangehörigkeit Anzahl weitere Hilfen nach AsylbLG Krankenhilfe geleistet Einreisedatum DÜ-Land Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schnelsen 1 Somalia 31.08.2017 07.11.2017 unzulässig Schweden Ja ja Afghanistan 07.09.2017 29.09.2017 unzulässig Schweden Nein ja Afghanistan 07.09.2017 29.09.2017 unzulässig Schweden Nein ja noch nicht bekannt unzulässig (über BAMF) unzulässig Ev.-Luth. Dreieinigskeits- Gemeinde Berlin 1 Iran 15.09.2017 19.10.2017 unzulässig Schweden Ja ja Irak 27.09.2017 20.11.2017 unzulässig Spanien Ja ja Irak 27.09.2017 20.11.2017 unzulässig Spanien Ja ja Irak 27.09.2017 20.11.2017 unzulässig Spanien Ja ja Irak 11.01.2017 29.11.2017 unzulässig Finnland Ja ja Irak 11.01.2017 29.11.2017 unzulässig Finnland Ja ja Irak 11.01.2017 29.11.2017 unzulässig Finnland Ja ja Irak 11.01.2017 29.11.2017 unzulässig Finnland Ja ja Ev.-Luth. Kirche Norddeutschland 1 Iran 08.01.2018 02.02.2018 unzulässig Norwegen Nein nein Christen Gemeinde Immanuel 1 Afghanistan 19.05.2017 20.06.2017 unzulässig Bulgarien Ja ja Ev.-Luth. Kirchengemeinde Kirchdorf 1 Somalia 02.10.2017 21.11.2017 unzulässig Schweden Nein ja Eritrea 29.09.2017 02.11.2017 unzulässig Norwegen Nein ja Äthiopien 29.09.2017 02.11.2017 unzulässig Norwegen Ja ja Kath. Kirchengemeinde St. Marien Bergedorf 1 Eritrea 17.10.2017 16.11.2017 unzulässig Schweiz Nein ja Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schnelsen Niendorf 1 Somalia 15.08.2015 18.09.2017 unzulässig Schweden Nein ja Afghanistan 28.05.2017 22.08.2017 unzulässig Schweden Ja ja Afghanistan 28.05.2017 22.08.2017 unzulässig Schweden Ja ja Afghanistan 28.05.2017 22.08.2017 unzulässig Schweden Ja ja Afghanistan 02.06.2017 22.08.2017 unzulässig Schweden Ja ja Deutsche Provinz der Jesuiten HH 1 Afghanistan 08.10.2017 02.11.2017 unzulässig Österreich Nein ja Gesamt: 58 4 2 1 Albanien jaJa ja 4 3 09.06.2015 03.01.2017 unzulässig - NeinKath. Gemeinde Herz Jesu HH Kath. Kirchengemeinde St. Marien Bergedorf 2 Ev.-Luth. Kirchengemeinde HH Bahrenfeld Somalia 06.09.2017 02.11.2017 Schweden Benediktiner Kloster Nütschau Kath. Pfarramt St. Bonifatius Ev.-Freikirchliche Gemeinde Wittstock 1 Drucksache 21/17870 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 17870ska_Text 17870ska_Anlage Tabelle1