BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17880 21. Wahlperiode 02.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf und Dirk Nockemann (AfD) vom 25.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz Im Rahmen der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2018 verkündete Innensenator Andy Grote den Aufbau einer Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). Auf der Pressekonferenz am 8. Juli 2019 führte er dazu aus: „Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung, mit der wir es aktuell zu tun haben. Und wir müssen den Rechtsextremismus als Staat und als Gesellschaft mit aller Energie, aller Klarheit, aller Härte bekämpfen. Wir müssen diejenigen schützen und unterstützen, die für unser demokratisches System eintreten, für Freiheit, Demokratie, für Offenheit, für Mitmenschlichkeit, für eine vielfältige, für eine tolerante Gesellschaft. Wir sind in Hamburg, auch von Seiten der Sicherheitsbehörden immer sehr klar und sehr konsequent Rechtsextremisten entgegengetreten, ob seiner Zeit im Kontext des Verbotes der Weiße Wölfe Terror Crew oder jetzt auch zuletzt bei den Organisatoren der „Merkel-Muss-Weg“-Demo. Die rechtsextremistische Szene ist in Hamburg eher schwach. Wir haben auch keine Wahrnehmungen, dass sich dort auffällige Veränderungen vollziehen. Aber: Das ist kein Grund, sich jetzt zurückzulehnen, sondern wir haben auch in Hamburg Bedrohungen und wir können nicht davon ausgehen, dass die Dinge immer nur irgendwo anders passieren. Wir werden deshalb auch in Hamburg unsere Anstrengungen im Kampf gegen Rechtsextremismus noch weiter verstärken. Wir wollen tiefer einsteigen in den Bereich der rechtsextremistischen Strukturen, der Vernetzung , der Aktivitäten im Internet. Wir werden dazu beim Landesamt für Verfassungsschutz eine kleine Spezialeinheit aufbauen, werden dazu das Amt auch personell zunächst um fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verstärken, die wir neu einstellen. Wenn wir feststellen, dass wir mehr brauchen, werden wir das auch noch erhöhen. Üblicherweise ist das eher ein Schwerpunkt des Bundesamtes für Verfassungsschutz, weil natürlich das Internet nicht so regional organisiert ist. Wir wollen trotzdem hier auch als Land mehr tun, weil wir noch mehr wissen wollen auch über die Rolle Hamburger Akteure.“ Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: I. Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus 1. Welche Anhaltspunkte oder Kenntnisse hat das LfV über Verbindungen Hamburger rechtsextremistischer Akteure zum mutmaßlichen Täter des Mordes an Walter Lübcke? Bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt handelt es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts (GBA). Auskünfte dazu und zu für die dor- Drucksache 21/17880 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tigen Ermittlungen gegebenenfalls relevanten Erkenntnissen obliegen dem sachleitenden GBA, mithin dem Zuständigkeitsbereich des Bundes. Andere Gebietskörperschaften betreffende Angaben liegen außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats und der parlamentarischen Kontrolle der Bürgerschaft und werden daher vom parlamentarischen Fragerecht nicht erfasst. Informationen zum Ermittlungsverfahren sind unter https://www.generalbundesanwalt.de/de/aktuell.php einsehbar. 2. Welche Kenntnisse hat das LfV über rechtsextremistische Strukturen, Vernetzungen und Aktivitäten Hamburger Akteure im Internet, die eine Beteiligung oder Ausführung an Gewalthandlungen gegenüber Vertretern des Staates bestätigen oder nahelegen? Gemäß § 4 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dieser Beobachtungsauftrag beschränkt sich nicht auf Gewalthandlungen gegenüber Vertretern des Staates. Als Frühwarnsystem agiert das LfV Hamburg im Vorfeld strafbarer Handlungen. Im Übrigen siehe Drucksache 21/17783. 3. Gibt es zum angekündigten Aufbau der Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus eine Senatsdrucksache oder ist diese geplant? Wann ist damit zu rechnen? 4. Auf welcher Rechtsgrundlage wird die Einstellung von mindestens fünf neuen Mitarbeitern beim LfV legitimiert und welches Gremium hat darüber wann entschieden? 5. Wann sollen die Stellen ausgeschrieben werden? 6. Mit welcher Gehalts- beziehungsweise Besoldungsgruppe werden die Stellen ausgeschrieben und welchen Status sollen die Mitarbeiter erhalten (Beamtenstatus, Tarifangestellte et cetera)? 7. Werden die Stellen befristet oder unbefristet ausgeschrieben? 8. Welche jährlichen Kosten werden a) für die fünf Mitarbeiter und b) für die Erstausstattung (Büros, Computer et cetera) der Spezialeinheit anfallen? Sofern das noch nicht exakt bestimmt werden kann, bitte eine grobe Finanzschätzung vornehmen. Siehe Drs. 21/17783. 9. Welche spezifischen Erkenntnisse erhofft sich das LfV von der Spezialeinheit und nach welchen Kriterien soll der Erfolg der Spezialeinheit bemessen werden? 10. Was passiert mit der Spezialeinheit und den Mitarbeitern, wenn sie zu der Erkenntnis gelangen sollten, dass es keine rechtsextremistischen Strukturen, Vernetzungen und Aktivitäten Hamburger Akteure im Internet gibt, die eine Beteiligung oder Ausführung an Gewalthandlungen gegenüber Vertretern des Staates belegen? Unter anderem soll eine verbesserte Einblickstiefe in rechtsextremistische Strukturen mit lokalen Bezügen im Internet erzielt werden, um Senat, andere Stellen und Öffentlichkeit im Sinne von § 4 Absatz 1 HmbVerfSchG über rechtsextremistische Bestrebungen und ihre Verbindungen zu informieren. Damit wird ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Menschen in Hamburg erzielt. Das LfV Hamburg arbeitet nach den Kriterien des HmbVerSchG. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. bis 8. Eine Beschränkung auf eine Gewaltorientierung ist damit nicht verbunden. 11. Ist geplant, die Öffentlichkeit zukünftig über den Aufbau der Spezialeinheit und ihre Erkenntnisse zu informieren? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17880 3 Siehe Drs. 21/17783 sowie Antwort zu 9. und 10. II. Aktivitäten im Kampf gegen Linksextremismus Im Bereich des Linksextremismus kommt es in Hamburg leider regelmäßig zu besonders schwerwiegenden Gewalttaten wie Mord- und Totschlagsversuchen gegenüber Vertretern des Staates, konkret gegenüber Hamburger Polizeibeamten. Drei markante Fälle sollen kurz dargelegt werden: (1) Während eines Aufzuges unter dem Motto „Das Proletariat hat kein Vaterland“ am 01.05.2014 wurde ein Polizeifahrzeug mit zwei Insassen von unbekannten Tätern mit zwei „Molotowcocktails“ angegriffen. Ein Brandsatz durchschlug dabei die Heckscheibe des Fahrzeugs, zündete zum Glück für die Polizeibeamten aber nicht. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen versuchten Mordes auf.1 (2) Während der „Squatting Days“ besetzten mehrere Personen am 27.08.2014 ein leer stehendes Mehrfamilienhaus an der Breiten Straße. Polizisten, die das Gebäude räumen sollten, wurden unter anderem mit einer Nachtspeicherheizung, einer Tür und weiteren schweren Gegenständen aus den Obergeschossen beworfen. Gegen drei Beschuldigte wurde ein Hauptverfahren wegen versuchten Totschlags eröffnet.2 (3) Am 28.12.2013 wurden bei einem Angriff von 30 bis 40 Vermummten auf die Davidwache im Hamburger Stadtteil St. Pauli mehrere Polizeibeamte schwer verletzt. Ein 45-jähriger Polizist erlitt einen Kiefer- und Nasenbruch sowie eine Schnittverletzung im Gesicht, als ihm einer der Täter aus nächster Nähe einen Stein ins Gesicht schlug. Die Deutsche Polizeigewerkschaft kommentierte den Fall mit den Worten: „Wer aus kürzester Distanz Flaschen und Steine auf Polizisten wirft, nimmt billigend in Kauf, dass Menschen getötet werden.“3 12. Welche Kenntnisse hat das LfV über linksextremistische Strukturen, Vernetzungen und Aktivitäten Hamburger Akteure im Internet, die eine Beteiligung an schweren Gewalthandlungen beziehungsweise deren Ausführung gegenüber Vertretern des Staates bestätigen oder nahelegen ? 13. Gibt es bereits eine Spezialeinheit, die sich mit linksextremistischen Strukturen, Vernetzungen und Aktivitäten Hamburger Akteure im Internet befasst? Wenn nein, warum nicht? Durch personelle Rekrutierungen – zum Teil mit wissenschaftlicher Ausbildung – wurde die Analysekompetenz des LfV Hamburg gestärkt. Für die Arbeit des LfV Hamburg ist das Thema „Linksextremismus“, inklusive der Information über Entwicklung, Strukturen und die verschiedenen Gruppierungen, eine wichtige Aufgabe. Die Öffentlichkeit sowie Behörden, Institutionen und Einrichtungen wurden durch Internetbeiträge, Interviews , Medienstatements und Vorträge informiert. Auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht und auf der Pressekonferenz im Juli 2019 anlässlich seiner Vorstellung bildete das Arbeitsfeld „Linksextremismus“ einen Schwerpunkt. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. bis 8., den Verfassungsschutzbericht 2018 und der vergangenen Jahre (https://www.hamburg.de/innenbehoerde/publikationen-verfassungsschutz/231572/ 1 Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg: „Verfassungsschutzbericht 2014, unter: http://www.hamburg.de/contentblob/4509404/870370bd5c211c719ddbe52c23e61866/data/ verfassungsschutzbericht-2014-bericht-lfv.pdf (abgerufen am 02.06.2016), Seite 77. 2 Ebenda, Seite 82. 3 Ebenda. Drucksache 21/17880 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 verfassungsschutzberichte-pdf/) sowie die LfV-Homepage (https://www.hamburg.de/ verfassungsschutz/). 14. Gab es nach dem G20-Gipfel in Hamburg eine Drucksache zur Bekämpfung des (gewaltorientierten) Linksextremismus oder ist diese in Planung? Wenn ja, in welcher Behörde wird die Drucksache vorbereitet und wie ist der aktuelle Stand der Bearbeitung? Siehe Drs. 21/15498. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. III. Islamismus Seit Jahren wächst die Anzahl extremistischer Personen im Phänomenbereich „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten “ in der Hansestadt Hamburg kontinuierlich. 15. Wie hat sich das Personal des Fachreferats „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten“ entwickelt? Bitte umfassend für den Zeitraum ab 2001 darlegen. 16. Gibt es eine Spezialeinheit in diesem Fachreferat, welche die Strukturen, Netzwerke und Aktivitäten von Islamisten überwacht? Wenn ja, wie viele Stellen und mit welchen Gehalts- beziehungsweise Besoldungsgruppen sind diese besetzt? Wenn nein, warum nicht? Angaben im Sinne der Fragestellungen könnten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zulassen und eine künftige Beobachtung würde dadurch unverhältnismäßig erschwert werden. Detaillierte Angaben können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 HmbVerfSchG für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschusses gemacht werden. Im Übrigen siehe Drs. 21/5039 sowie Drs. 21/3031.