BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17887 21. Wahlperiode 02.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 26.07.19 und Antwort des Senats Betr.: 359 Hamburger als eventuelle Anschlagsziele der rechten Szene Bei einer Anti-Terror-Razzia der „Prepper-Szene“ in Mecklenburg-Vorpommern wurde 2017 eine Liste mit 25 000 Namen bei der Gruppe „Nordkreuz “ sichergestellt. Diese auf 2015 datierte Liste stammt aus einer Datenbank eines vermeintlich linksorientierten Onlineversandhandels. Die mutmaßlich rechtextreme Gruppe „Nordkreuz“ gehört der „Prepper-Szene“ an. Die sogenannten Prepper bereiten sich durch verschiedene Maßnahmen auf den „Tag X“ vor, an welchem sie den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung erwarten und befürchten.1 So horten sie beispielsweise Lebensmittel, bauen Schutzunterkünfte und sammeln Waffen für einen potentiellen Bürgerkrieg. Experten zufolge sind die „Prepper“ zwar nicht zwangsläufig rechtsextrem ausgerichtet, der Übergang sei jedoch fließend.2 Die gefundene Liste wird in Medienkreisen auch als „Todesliste“, „Feindesliste “ oder als eine Liste potenzieller „Anschlagsziele“ betitelt. Der „Stuttgarter Zeitung“ zufolge geht aus Berichten des Bundeskriminalamtes hervor, dass die Gruppe „Nordkreuz“ die „linken Persönlichkeiten“ von der Liste „im Konfliktfall “ zu liquidieren plane.3 Auf der sichergestellten Liste befinden sich auch Namen von 359 Hamburgerinnen und Hamburgern. Bundesländer wie Hessen, Thüringen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern reagierten auf die Liste mit Transparenz und haben betroffene Bürgerinnen und Bürger postalisch über ihr Befinden auf besagter Liste informiert.4 5 In Brandenburg fanden darüber hinaus Sensibilisierungsgespräche mit Personen statt, welche politische Ämter auf Kreisebene innehatten, um diese zu schützen. Anschließend informierte auch die Brandenburger Polizei weitere Betroffene.6 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1 https://www.welt.de/regionales/nrw/article171630915/Vorsorge-fuer-den-Tag-X-Diedeutsche -Prepper-Szene-ruestet-sich-fuer-die-Katastrophe.html. 2 https://www.mopo.de/hamburg/daten-hack---rechte-horten-adressen-von-linken----359- hamburger-betroffen-32895766. 3 https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.25000-namen-und-adressen-bei-rechtsextremistenlka -wird-betroffene-nicht-informieren.0eb6d326-91f9-4420-86f2-3cc94ef55f8f.html. 4 https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Rechtsextreme-Feindeslisten-Hamburg-informiertnicht ,feindeslisten102.html. 5 https://www.mopo.de/hamburg/daten-hack---rechte-horten-adressen-von-linken----359- hamburger-betroffen-32895766. 6 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/07/todesliste-nordkreuz-brandenburger-lka.html. Drucksache 21/17887 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) werden häufig Informationen über den politischen Gegner gesammelt. Auch das sogenannte Outing, das heißt die Veröffentlichung, wer der politische Gegner ist, ist gängige Praxis. In der Vergangenheit fand es vorrangig nur zwischen den konträren Lagern der PMK -rechts- und PMK -links- Verwendung und zielte auf Szeneangehörige ab. Es werden aber immer wieder auch Daten von Personen festgestellt, die wenig oder keinerlei Bezüge zu politischen Aktivitäten haben. Im Zuge der propagandistischen Auseinandersetzung der rechten Szene mit der Flüchtlingsthematik wurden und werden aber auch zunehmend Personen des öffentlichen Lebens, Amtspersonen, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen , aber auch engagierte Privatpersonen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus sowie den handelnden Personen auseinandersetzen, Ziel der Agitation. Unter verschiedenen, zumeist dramatisierenden beziehungsweise irreführenden Begriffen sind in den letzten Tagen Personenlisten als Datenquellen öffentlich diskutiert worden, deren Relevanz für Hamburg vorliegend erfragt wird. Bei der als 25000er-Liste diskutierten Informationssammlung handelt es sich um eine Liste, die seit 2016 bekannt ist. Weitere Listen oder Informationssammlungen sind seither im Rahmen von Ermittlungsverfahren des BKA, zu denen auch das „Nordkreuz“-Verfahren gehört, bekannt geworden. Diese Informationssammlungen sind teilweise individuell zusammengestellt , sodass ein leitendes Interesse unterstellt werden muss, teilweise aber auch Teilmengen aus der oben genannten 25000er-Liste. Gleichwohl sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung gelisteter Einzelpersonen ersichtlich. Sofern die Informationssammlungen Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren sind, können Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Verfahren nur durch den Generalbundesanwalt (GBA) mitgeteilt werden. Das Bundeskriminalamt (BKA) ist für die zentrale Gefährdungsbewertung im Bereich der politisch motivierten Kriminalität zuständig. Das BKA stellt in einer Information an alle Länder aus Anlass der aktuellen öffentlichen Debatte fest: „Nach Sichtung und Bewertung dieser Informationssammlungen haben sich bisher grundsätzlich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffenen einer konkreten Gefährdung unterliegen . Eine Gefährdung der genannten Personen, Institutionen und Organisationen ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes aktuell auszuschließen. Es handelt sich insofern nicht um „Feindes-“ oder gar „Todeslisten“.“ Die im Bundeskriminalamt erstellten Gefährdungseinschätzungen wurden an die betroffenen Bundesländer übersandt und bildeten dort jeweils die Grundlage für eine durch das zuständige Land zu erstellende, eigene Gefährdungsbewertung unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und länderspezifischen Erkenntnisse. Lediglich in Fällen in denen dort gefährdungserhöhende Erkenntnisse vorliegen, werden nach konkreter Einzelfallprüfung individuelle Maßnahmen veranlasst um etwaige Gefahren abzuwenden (beispielsweise Unterrichtung der betroffenen Person bis hin zur Einleitung von Schutzmaßnahmen). Das BKA teilte hierzu weiter mit: „Die Nennung von Personen, Institutionen oder Organisationen in festgestellten Informationssammlungen alleine begründet in der Regel keine Notwendigkeit zur aktiven Unterrichtung der Betroffenen. Eine pauschale Benachrichtigung würde vielmehr der Intention der Täter Vorschub leisten.“ Insbesondere norddeutsche Länder wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben, wegen der örtlichen Nähe zum Nordkreuz-Verfahren, abweichend zur Empfehlung des BKA und in Abstimmung mit dem GBA, begonnen, alle in Informationssammlungen genannten Personen mit Meldeadresse im jeweiligen Land zu benachrichtigen. Die Unterrichtungen folgen dem oben genannten Tenor der Mitteilungen des BKA. Hamburg hat sich nach Überprüfung der in sämtlichen vorliegenden Informationssammlungen genannten Personen mit aktueller Hamburger Meldeadresse entschieden , derzeit weiter der Bewertung und Empfehlung des BKA zu folgen, weil über die Nennung von in Hamburg gemeldeten Personen hinaus keine weiteren Anzeichen für eine Gefährdung vorlagen beziehungsweise vorliegen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17887 3 1. Informiert auch die Freie und Hansestadt Hamburg die Betroffenen über mögliche Gefahren? Wenn ja, wie und in welchem Umfang wurden die Betroffenen informiert ? Wenn nein, warum werden Hamburger Betroffene nicht informiert? (Bitte ausführlich begründen!) a. Welche Gründe rechtfertigen das Vorenthalten dieser Informationen ? b. Wieso wurden die Informationen zwei Jahre lang vorenthalten? c. Wird eine Gefährdung ausgeschlossen, wenn ja, warum? Wie kann zweifelsfrei von der Sicherheit der betroffenen Bürgerinnen und Bürger ausgegangen werden? 2. Welche Maßnahmen hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ergriffen, um die Gefährdung Betroffener auszuschließen, zu minimieren beziehungsweise welche Maßnahmen sind für die nahe Zukunft geplant? Nach bisherigen fachlichen Prüfungen haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffenen einer konkreten Gefährdung unterliegen. Darüber hinaus betrifft die Fragestellung die Einsatztaktik der Polizei, zu der aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben gemacht werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/14032. 3. In Brandenburg wurden Sensibilisierungsgespräche mit ausgewählten Personen geführt, welche politische Ämter innehatten, um deren Sicherheit zu garantieren. Gab beziehungsweise gibt es vergleichbare Fälle in Hamburg beziehungsweise sind solche Gespräche in Planung? Die Polizei führt Gespräche mit Personen zu der individuellen Sicherheitssituation, wenn aufgrund polizeilicher Erkenntnisse Gefahrensituationen bestehen können. Dies gilt auch für Inhaber politischer Ämter. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Deutschlandfunk zufolge sind viele Mitglieder der Gruppe „Nordkreuz“ für Bundeswehr und Polizei tätig.7 Ähnliches bestätigte auch ein Bericht der „Hamburger Morgenpost“ über einen Rostocker Rechtsanwalt und einen suspendierten Polizeibeamten aus einem Dorf nahe Schwerin.8 Sind dem Senat ähnliche Fälle aus Hamburg bekannt, in welchen Mitglieder der entsprechenden Gruppierung Ämter bei Bundeswehr, Polizei und Ähnlichen wahrnehmen? Nein. 7 https://www.deutschlandfunk.de/mecklenburg-vorpommern-informationspolitik-zunordkreuz .1769.de.html?dram:article_id=454708. 8 https://www.mopo.de/hamburg/rechtsextreme--feindesliste--hunderte-betroffene-hamburgerwerden -nicht-informiert-32895766.