BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17896 21. Wahlperiode 06.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 29.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Aktivitäten von Scientology in Hamburg – Die Sekte und die Datingfalle Wie die „Welt am Sonntag“ am 28.07.2019 berichtet hat, versucht Scientology , über Dating-Plattformen unter falschem Vorwand neue Mitglieder zu gewinnen. Ahnungslose Singles würden von Scientologen über eine Beziehung an die sektenartige Organisation herangeführt werden. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, inwieweit derartige Bestrebungen auch den hamburgischen Sicherheitsbehörden bekannt sind und wie sich die Lage rund um Scientology entwickelt hat. Die „Scientology Kirche e.V.“ wird seit 1997 auch vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie haben sich die Aktivitäten der Scientology Kirche e.V. in Hamburg unter Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz seit 2017 jährlich entwickelt? Bitte insbesondere auf öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie Infostände eingehen. Die Aktivitäten der Scientology-Organisation (SO) Hamburg sind nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg seit 2017 konstant geblieben. In unregelmäßigen Abständen werden Informationsstände in verschiedenen Hamburger Stadtteilen veranstaltet, um insbesondere für die Kampagne und die gleichnamige SO-Tarnorganisation „Sag Nein zu Drogen – Sag Ja zum Leben“ zu werben. Das Ziel des vorgeblich sozialen Engagements im Bereich der Drogenhilfe ist indes, über ein gesellschaftlich breit akzeptiertes Thema Kontakt zu engagierten Menschen, Einrichtungen und Initiativen zu knüpfen, um letztendlich gesellschaftlichen Einfluss zu erhalten und neue Mitglieder zu rekrutieren. Zu weiteren Aktivitäten zählen auch der Einwurf von Flyern zur oben genannten Kampagne in private Briefkästen und die Einladung in den SO-Hauptsitz am Domplatz zu öffentlichen Vorträgen. Im Übrigen siehe Verfassungsschutzberichte 2017 und 2018 (https://www.hamburg.de/contentblob/ 11448332/ffb33a5af30a49a6547d5f5470477e85/data/vsb-2017-pressefassung.pdf, https://www.hamburg.de/contentblob/12760318/52e09181a885bb7f568634b5430ae2b 7/data/vsb-2018.pdf). 2. Wie hat sich die Mitgliederzahl seit 2017 jährlich entwickelt? Der SO Hamburg werden nach Erkenntnissen des LfV Hamburg derzeit rund 300 Anhänger zugerechnet (Stand: 30.06.2019). Im Übrigen siehe Verfassungsschutzbericht 2018 (https://www.hamburg.de/contentblob/12760318/52e09181a885bb7f56863 4b5430ae2b7/data/vsb-2018.pdf). 3. Wie viele Personen haben sich 2017 bis 2019 (bis zum 30.06.2019) jährlich an die Scientology-Beratungsstelle hilfesuchend gewandt? Drucksache 21/17896 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aufgrund personeller und organisatorischer Veränderungen innerhalb des LfV Hamburg wird die Zahl der Beratungsfälle seit Mitte des Jahres 2018 nicht mehr statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Drs. 21/12167. 4. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind beim Landesamt für Verfassungsschutz speziell mit Scientology befasst? Bitte Wertigkeit der Stellen und in Vollzeitäquivalenten angeben. Angaben im Sinne der Fragestellung könnten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zulassen. Eine künftige Beobachtung würde dadurch unverhältnismäßig erschwert werden. Detaillierte Angaben können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschusses (PKA) gemacht werden. 5. Wie viele Anzeigen wegen möglicher Straftaten im Zusammenhang mit Scientology sind bei den zuständigen Behörden seit 2017 jährlich eingegangen und wie wurde mit diesen umgegangen? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung der Straftaten erfolgt unabhängig von der Tatzeit nach Abschluss aller polizeilichen Ermittlungen bei Abgabe eines Vorganges an die Staatsanwaltschaft. Das Merkmal „Scientology“ wird in der PKS nicht erfasst und kann daher nicht ausgewertet werden. Darüber hinaus werden Statistiken im Sinne der Frage bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung mehrerer Hunderttausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Ob eine Straftat im Zusammenhang mit Scientology steht, wird im Vorgangsverwaltungs - und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht erfasst. Zur Beantwortung der Frage müssten daher alle Verfahren, die seit dem 1. Januar 2017 bei den Staatsanwaltschaften Hamburg eingegangen sind, händisch ausgewertet werden. Dies ist innerhalb der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Inwieweit ist den zuständigen Behörden bekannt, dass für Scientology in Hamburg Spenden eingeworben wurden und in welchen Größenordnungen waren diese? Hierzu liegen dem LfV Hamburg keine Erkenntnisse vor. 7. Inwieweit sind dem Landesamt für Verfassungsschutz Anwerbeversuche wie in der „Welt am Sonntag“ geschildert bekannt, bei denen Personen über Dating-Plattformen an Scientology herangeführt werden? Neue Mitglieder über Online-Partnerschaftsvermittlungen zu werben ist nach derzeitigen Erkenntnissen kein Schwerpunkt der Hamburger Scientologen. Diese verdeckte Methode der Mitgliedergewinnung fügt sich jedoch in die praktizierten Versuche der SO ein, über verschiedene gesellschaftliche Themen neue Mitglieder zu gewinnen, zum Beispiel über vorgebliche Lebenshilfe zu verschiedenen Fragestellungen. 8. Wie bewerteten die zuständige Behörde und der Senat derartige Anwerbeversuche ? Das Anwerben neuer Mitglieder auf emotionaler Ebene bewertet das LfV Hamburg als gefährliche Taktik der SO. Das Ausnutzen von Vertrauen und die damit einhergehende Bindung von Personen an die extremistische Organisation könnten im Extremfall negative finanzielle und psychische Folgen für das Opfer nach sich ziehen. 9. Welche Maßnahmen werden hiergegen ergriffen? Die extremistische Scientology-Organisation wird vom Verfassungsschutz nach § 4 Absatz 1 HmbVerfSchG seit 1997 beobachtet. Zur Aufklärung der Bevölkerung über die SO und ihre häufig verdeckten Mittel zur Mitgliedergewinnung unterrichtet der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17896 3 Verfassungsschutz die Öffentlichkeit mit dem jährlichen Verfassungsschutzbericht sowie durch eine regelmäßige, offensive Öffentlichkeitsarbeit mit zahlreichen Internetbeiträgen , Medienstatements, -interviews und Vorträgen. 10. Für wie gefährlich hält das Landesamt für Verfassungsschutz die Bestrebungen von Scientology in Hamburg vor dem Hintergrund der obigen Berichterstattung? Siehe Antwort zu 1. und zu 8. sowie die ausführliche Darlegung im aktuellen Verfassungsschutzbericht und in den Berichten der vergangenen Jahre (https://www.hamburg.de/innenbehoerde/publikationen-verfassungsschutz/231572/ verfassungsschutzberichte-pdf/).