BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17899 21. Wahlperiode 06.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 29.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Kryptowährungen auf dem Vormarsch – Wie bereitet sich Hamburg auf Blockchain-basierte Zahlungsmittel vor? Der Erfolg der digitalen Transformation der Hamburger Wirtschaft kann entscheidend durch Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien (BC/DLT) vorangebracht werden. Nachdem der Senat in Drs. 21/10214 keine produktreifen Einsatzfelder für DLT entdecken wollte und die Hamburger Bürgerschaft den CDU-Antrag (Drs. 21/14521) zur Nutzbarmachung der Blockchain- Technologie im Oktober letzten Jahres ablehnte, hat der Senat nun endlich in Drs. 21/17851 in einer Stellungnahme mögliche Anwendungsfelder für die Blockchain-Technologie benannt und sich kürzlich auch mit einer Pressemitteilung zur Technologie und deren Anwendung bekannt. Richtigerweise verweist der Senat in vorgenannter Drucksache darauf, dass Distributed-Ledger-Technologien weitaus mehr als Kryptowährungen umfassen . Dennoch spielten und spielen Kryptowährungen bei diesem Thema eine wichtige und prominente Rolle, nicht zuletzt durch die Ankündigung des Unternehmens Facebook Inc., mit „Libra“ eine eigene Blockchain-basierte Komplementärwährung zu schaffen. Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Kryptowährungen verwundert es, dass diese in der Stellungnahme des Senats nur am Rande behandelt werden . Ideen wie der „Hamburg Coin“ (siehe Drs. 21/14521) werden nicht aufgegriffen und auf mögliche Herausforderungen und Chancen für Hamburg im kommenden Zeitalter der Digitalwährungen wird nicht konkret eingegangen. Angesichts des mittlerweile vom Senat selbst erkannten großen Potenzials und der möglichen Auswirkungen auf die (Finanz-)Wirtschaft der Freien und Hansestadt Hamburg darf der Senat in dieser Angelegenheit kein Zuschauer sein, sondern muss aktiv mitgestalten und die Forschung in diesem Bereich ausbauen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: „Krypto-Tokens“ oder digitalisierte Werteinheiten auf Basis einer Blockchain- oder Distributed-Ledger-Technology sind keine Währung im Sinne eines gesetzlichen Zahlungsmittels . Gemeint sind mit „Kryptowährung“ in der Regel Zahlungstoken wie der Bitcoin. Sie erfüllen eine einfache, lineare Bezahlfunktion im digitalen Raum. Darüber hinaus besteht keine oder nur eine geringe weitere Funktionalität. Daneben gibt es wertpapierähnliche Token, bei denen Nutzerinnen und Nutzer ähnlich wie bei Aktien und Anleihen vermögenswerte, beteiligungsrechtliche oder schuldrechtliche Ansprüche haben. Ein aktueller Trend sind beispielsweise „Security Token Drucksache 21/17899 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Offerings“ (STO), bei denen Investoren prinzipiell die gleichen Rechte wie bei traditionellen Finanzmarktemissionen erhalten. Utility Token wiederum können im Netzwerk des Emittenten zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen genutzt werden und dienen damit als privater Zahlungsmittelersatz . Im Vergleich zu gesetzlichen Zahlungsmitteln (Währungen) sind die meisten Krypto- Token von starken Preisschwankungen, fehlenden Stabilitätsmechanismen durch den Emittenten und einer nicht Verankerung in der Realwirtschaft gekennzeichnet. Sie werden daher gegenwärtig weder in der Breite als Zahlungsmittel angewandt noch akzeptiert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Haben sich der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden beim Verfassen der Drs. 21/17851 mit konkreten Krypto- oder Komplementärwährungen auf Blockchain-Technologie Basis befasst? Wenn ja, mit welchen und mit was für einem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Die zuständige Behörde hat sich mit digitalisierten Werteinheiten auf Blockchain- Technologie Basis beschäftigt, unter anderem mit BLOCKBASTER („blockchain based settlement technology research“), einem Projekt zwischen Bundesbank und Deutsche Börse AG.1 Dabei wurde deutlich, dass die Handlungsbasis mindestens auf nationaler Ebene liegen muss und dass bei einfachen Abwicklungsaufgaben ohne bedeutsame Folgeprozesse im Zahlungsverkehr die bisherige Zahlungsarchitektur derzeit deutlich überlegen ist. Die Regulierung von Krypto-Tokens oder digitalisierten Werteinheiten richtet sich nach dem Prinzip, dass gleiche Geschäfte und gleiche Risiken in gleicher Weise beaufsichtigt werden sollen. Die Regeln müssen also die Stabilität des Finanzsystems, den Verbraucherschutz, die Geldwertstabilität und den stabilen Zahlungsverkehr berücksichtigen . Vor diesem Hintergrund werden derzeit intensive Debatten zwischen den zuständigen Behörden auf nationaler und internationaler Ebene geführt. Ein aktueller Bericht der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ES- MA) von Januar 2019 regt an, eine Risikoinformationspflicht gegenüber Investoren einzuführen.2 Auch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) kommt Anfang des Jahres 2019 zum Schluss, dass der unterschiedliche Umgang nationaler Behörden mit Krypto-Tokens zu überproportionalen Risiken für Verbraucher führen könnte.3 Dieses Problem besteht derzeit auch bei der Besteuerung von entstehenden Kapitalerträgnissen durch den Handel mit digitalisierten Werteinheiten. Transparenzanforderungen sind bei einer Technologie, die darauf ausgelegt ist, zentrale Intermediäre auszuschalten oder zu umgehen, kaum zu realisieren. Zusammengefasst sind europäische Regelungen notwendig, die derzeit auf Kommissionsebene in Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden und den Zentralbanken erarbeitet werden. 2. Welche Chancen und Herausforderungen sieht der Senat bezüglich Blockchain-basierten Währungen für den Finanzstandort Hamburg? Gibt es in der zuständigen Behörde Überlegungen zu Themen wie Besteuerung , Regulierung und Transparenz? Die zuständige Behörde legt – wie auch in der Drs. 21/17851 dargestellt – ihren strategischen Fokus bewusst auf Anwendungsfälle an der Schnittstelle zur Realwirtschaft, 1 https://www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/deutsche-bundesbank-und-deutscheboerse -schliessen-tests-fuer-blockchain-prototypen-erfolgreich-ab-764696. 2 https://www.esma.europa.eu/press-news/esma-news/crypto-assets-need-common-eu-wideapproach -ensure-investor-protection. 3 https://eba.europa.eu/-/eba-reports-on-crypto-assets. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17899 3 die durch den Einsatz der Blockchain-Technologie für mehr Sicherheit, Transparenz und Effizienz für Unternehmen, Behörden und Bürgerinnern und Bürger sorgen sollen. Die Entwicklung von digitalisierten Werteinheiten auf Blockchain-Basis findet dagegen global oder zumindest europäisch statt. Es werden keine besonderen Chancen für den Finanzstandort Hamburg sich hier zu profilieren gesehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Wie bewertet der Senat den Vorstoß privatwirtschaftlicher Unternehmen wie Facebook Inc., ein eigenes Zahlungsmittel als Alternative zur staatlichen Währung zu schaffen? Die zuständige Behörde gibt keine Stellungnahme zu Geschäftsideen von privaten Unternehmen ab. a. Hat sich der Senat mit der Frage befasst, derartige Währungen als Zahlungsmittel für (digitale) Verwaltungsleistungen und Gebühren zu akzeptieren? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? b. Ergibt sich für den Senat darüber hinaus konkreter Handlungsbedarf ? Nein, im Übrigen siehe Antworten zu 1. und zu 2. 4. Eine Hamburger Kryptowährung wie der „Hamburg Coin“ (siehe Drs. 21/14521) ist in ihrer Idee nicht nur als Zahlungsmittel konzipiert, sondern verfügte auch über einen Marketingcharakter. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Marketingaspekt für die Freie und Hansestadt Hamburg eine eigene Kryptowährung aufzulegen ? Die zuständige Behörde unterscheidet zwischen der Bereitstellung einer Blockchain als Infrastruktur für sinnvolle Services und dem Einsatz vorwiegend als Zahlungsmittel . Die Auflage einer eigenen digitalisierten Werteinheit als Zahlungsmittel ist nicht geplant. Die zuständige Behörde begrüßt grundsätzlich private Initiativen, die die Verbreitung der Blockchain-Technologie in Hamburg und die Förderung des Tourismus zum Ziel haben. Die zuständige Behörde sieht jedoch keinen ausreichenden und nachhaltigen positiven Effekt auf das Stadtmarketing durch die Entwicklung einer städtischen digitalisierten Werteinheit. Der Aufwand für die Einführung und Betreuung – einschließlich der Prüfung der datenschutzrechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen – dürfte nicht unerheblich sein und steht nach Ansicht der zuständigen Behörde in keinem vertretbaren Verhältnis zum erwarteten Nutzen. 5. Wie viele Professoren, Juniorprofessoren, Gastwissenschaftler, Privatdozenten , wissenschaftliche Mitarbeiter und Tenure-Track-Mitarbeiter an welchen Fakultäten beziehungsweise Instituten und Lehrstühlen forschen und lehren an den Hamburger Universitäten und Hochschulen im Sommersemester 2019 im Bereich Blockchain- und Distributed-Ledger- Technologien? Seit wie vielen Semestern ist dies jeweils der Fall? Welche Spezialisierung beziehungsweise welchen Schwerpunkt haben diese Wissenschaftler? Bitte differenziert nach Universität beziehungsweise Hochschule, Fakultät beziehungsweise Lehrstuhl und Spezialisierung beziehungsweise Schwerpunkt sowie nach befristeten und unbefristeten Stellen darstellen. An der Universität Hamburg (UHH) forschen und lehren aktuell mehrere Professorinnen und Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fachbereich Informatik der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und an der Fakultät für Betriebswirtschaft im Bereich Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien (BC/ Drucksache 21/17899 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 DLT). Für alle Informatik-Studiengänge an der UHH erfolgt eine kurze Einführung in BC/DLT in der Pflichtveranstaltung „Informatik im Kontext“. Es gibt zudem zahlreiche Masterarbeiten zur Anwendung von Blockchain im Bereich Versicherungen und Logistik im Rahmen der Kooperation „IT-Management und -Consulting“. In der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird im Verbundprojekt mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie „ETIBLOGG: Energy Trading via Blockchain-Technology in the Local Green grid“ über betriebs- und volkswirtschaftliche Potenziale Blockchain-basierter Energiemärkte geforscht (Drittmittelprojekt/ Laufzeit vom 01.04.2018 bis zum 31.03.2021). Im Projekt Cadeia (https://cadeia.org) forschen Professorinnen und Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fachbereich Informatik im Arbeitsbereich Verteilte Systeme und Informationssysteme zu Blockchain. An der Technischen Universität Hamburg (TUHH) ist das Thema „Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien“ in Forschung und Lehre am Institut für Sicherheit in verteilten Anwendungen unter der Leitung eines Professors beheimatet. Das Institut umfasst sieben wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen sechs befristet beschäftigt sind und sich in ihrer wissenschaftlichen Qualifizierungsphase befinden. Dazu kommt derzeit ein Gastforscher. Es wird seit 2014 in der Vorlesung „Anwendungssicherheit/Application Security“ im Master und seit 2017 in der Vorlesung „Einführung in die Informationssicherheit/Introduction to IT Security“ im Bachelor behandelt. Zu diesem Thema wurden bereits mehrere Bachelor- und Masterarbeiten verfasst. Der Schwerpunkt der Forschung in diesem Institut schließt nicht aus, dass an anderer Stelle der TUHH im Einzelfall auch in diesem Bereich gearbeitet wird. So gab es zum Beispiel im Jahr 2018 eine einschlägige Masterarbeit im Institut für technische Logistik. An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) bietet seit dem Wintersemester 2017/2018 an der Fakultät Technik und Informatik eine Professur unter der Spezialisierung Mobile Datalogging und E-Fahrtenbuch zu den Schwerpunkten „Anwendung in datenintensiven Systemen“ und „Datenschutz im Kontext der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)“ Lehre und Forschung an. An der Fakultät Life Sciences bestehen drei entsprechende Professuren mit insgesamt zehn befristeten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese bieten seit dem Sommersemester 2018 in Forschung und Lehre die Themen „Sicherheitsprotokolle und Sicherheitsarchitekturen für verteilte Systeme“, „Interoperabilität und Skalierbarkeit von BC/DLT-Strukturen“ und „Integration von Blockchain- Technologien in Echtweltsensorik und Echtweltdaten zum Beispiel in Logistik, Smart Cities, Wissensmanagement“ im Rahmen einer Mastervorlesung und im Rahmen des Aufbaus eines studentischen Projektcenters als Ausbildungsbasis an. An der Fakultät Wirtschaft und Soziales werden seit dem Sommersemester 2016 im Rahmen von zwei Professuren als Bestandteil von Studienmodulen Geschäftsmodelle von BC/DLT als Lehrthema angeboten. Blockchain- und Distributed-Ledger-Technology berühren eine Vielzahl von Disziplinen und beschäftigen viele Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilaspekten, auch wenn diese sich nicht im Schwerpunkt damit auseinandersetzen. Eine Abgrenzung ist daher schwierig. Kryptografische Verfahren werden beispielsweise nicht nur für Blockchain- und Distributed- Ledger-Technology eingesetzt, neue Verfahren können aber in die Weiterentwicklung dieser Technologien einfließen. Detailliertere Informationen konnten die Hochschulen in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erheben. 6. In Drs. 21/17851 betont der Senat bezüglich des Rechtsrahmens der Blockchain-Technologie, dass rechtliche Rahmenbedingungen für den Blockchain-Einsatz vorwiegend auf nationaler Ebene und EU-Ebene zu adressieren seien. Welche konkreten Schritte unternimmt der Senat, um auf die nationale sowie supranationale Entscheidungsfindung im Interesse der Freien und Hansestadt Hamburg Einfluss zu nehmen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17899 5 Die zuständige Behörde verfolgt derzeit keine eigene (Rechtsetzungs-)Agenda. Mit der Veröffentlichung der Blockchain-Strategie der Bundesregierung dürften zahlreiche Weichen neu gestellt werden. Darüber hinaus beteiligt sich die zuständige Behörde an einer Arbeitsgruppe des IT-Planungsrates zum Thema Blockchain. Auf EU-Ebene ist der Senat direkt mit dem Hanse-Office in Brüssel (Belgien) vertreten.