BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/17958 21. Wahlperiode 06.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 31.07.19 und Antwort des Senats Betr.: Diebstahl von Digitalfunkgeräten der Hamburger Polizei Wie Ende Februar 2019 bekannt wurde1, sind mehrere der neuen Digitalfunkgeräte der Hamburger Polizei und im offensichtlichen Kontext dazu auch mehrere BOS-Sicherheitskarten2 zur Nutzung von Behördenfrequenzen aus solchen an sich frei verkehrsfähigen Geräten aus verschiedenen Polizeidienststellen entwendet und anschließend im Internet zum Verkauf angeboten worden.3 Im Rahmen einer Durchsuchung in NRW konnten nach medialer Berichterstattung weder die auf Veranlassung von Hamburger Behörden sichergestellten Digitalfunkgeräte den der Hamburger Polizei abhanden gekommenen Geräten zuordnet werden, noch wurden BSO-Sicherheitskarten sichergestellt. Bisher ist nicht öffentlich bekannt, ob und inwiefern dienstliche Digitalfunkgeräte und/oder BSO-Sicherheitskarten wieder aufgetaucht oder gehandelt worden sind oder anderweitig genutzt wurden. Dies ist aus haushälterischer Sicht und ganz besonders aus Sicherheitsaspekten hoch problematisch. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bei der Hamburger Polizei sind mehrere Tausend Digitalfunkgeräte in der täglichen Nutzung. Wie für andere sensible Ausrüstungsgegenstände sind interne Maßnahmen zur Vermeidung von Verlust und Diebstahl getroffen. Dennoch lässt sich dies nicht gänzlich ausschließen. Bei Verlust oder Diebstahl werden Digitalfunkgeräte für die weitere Teilnahme am BOS-Funkverkehr gesperrt. Das Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) und die Staatsanwaltschaft Hamburg führen zu dem dieser Parlamentarischen Anfrage zugrunde liegenden Sachverhalt mehrere Ermittlungsverfahren. Diese umfassen insgesamt 22 Digitalfunkgeräte und 22 Sicherheitskarten von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), davon jeweils 13 Digitalfunkgeräte und Sicherheitskarten der Polizei Hamburg. Des Weiteren umfassen die Ermittlungen weitere Digitalfunkgeräte ohne BOS-Standard. Die Ermittlungen dauern an. Die Antwort basiert auf dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen in Bezug auf die bei der Polizei Hamburg entwendeten Digitalfunkgeräte und Sicherheitskarten . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1 https://www.focus.de/regional/hamburg/hamburg-funkgeraete-geklaut-und-verhoekertstaatsanwalt -ermittelt-gegen-hamburger-polizisten_id_10386974.html. 2 https://www.bdbos.bund.de/DE/Fachthemen/Endgeraete/Sicherheitskarten/ sicherheitskarten_node.html. 3 https://www.zeit.de/hamburg/2019-06/youtube-polizei-videoblogger-marvin-funkgeraete. Drucksache 21/17958 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Ist dem Senat oder der zuständigen Behörde bekannt, wie viele Digitalfunkgeräte und wie viele BSO-Sicherheitskarten abhandengekommen sind? Wenn ja, wie viele sind es und auf welche Zeiträume kann dieses Abhandenkommen eingegrenzt werden? Wenn nein, warum ist dies nicht bekannt? Das Ermittlungsverfahren beim DIE umfasst jeweils 13 Digitalfunkgeräte und Sicherheitskarten der Polizei Hamburg, die nach derzeitigem Ermittlungsstand im Zeitraum von November 2018 bis Februar 2019 entwendet wurden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 2. Wann beziehungsweise nach welchem Zeitablauf wurde das Abhandenkommen der Geräte und/oder der BSO-Sicherheitskarten jeweils festgestellt ? Welche Maßnahmen hinsichtlich der Gefahren durch unbefugte Nutzungen der BSO-Sicherheitskarten wurden daraufhin wann ergriffen? Das Abhandenkommen von Funkgeräten ist gemäß Polizeilicher Dienstvorschrift (PDV 350) unverzüglich der vorhaltenden Stelle Digitalfunk der Abteilung Informationstechnik zu melden. Insoweit ist grundsätzlich von einem relativ kurzen Zeitraum zwischen dem tatsächlichen Abhandenkommen und der Verlustmeldung auszugehen, auch wenn dieser Zeitraum zwischen tatsächlichem Verlust und der Feststellung des Verlustes nicht in jedem Einzelfall exakt verifiziert werden kann. Im vorliegenden Fall variieren die Zeiträume zwischen dem Abhandenkommen und der Feststellung des Verlusts der Geräte und Sicherheitskarten und liegen zwischen drei Tagen bis mehreren Wochen. 3. Hat die Freie und Hansestadt Hamburg bis dato verlustige Digitalfunkgeräte und/oder BSO-Sicherheitskarten lokalisiert? Wenn ja, wurden diese mittlerweile wiedererlangt beziehungsweise wurden Geräte oder BSO-Sicherheitskarten als Hehlerware sichergestellt? Fall ja, wie viele und wo? Im Rahmen der Ermittlungen wurden elf Digitalfunkgeräte und zwölf Sicherheitskarten der Polizei Hamburg als Hehlerware in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sichergestellt. Die Ermittlungen dauern an. 4. Welcher Sachschaden ist der Freien und Hansestadt Hamburg durch den Verlust der Digitalfunkgeräte entstanden beziehungsweise könnte maximal entstehen, wenn die Geräte nicht wiedererlangt werden beziehungsweise nicht mehr in einem für den Dienstbetrieb verwendbaren Zustand sein sollten? Die Neubeschaffungskosten für ein Digitalfunkgerät betragen, je nach Modell, zwischen 334 Euro und 639 Euro (netto). Die Neubeschaffungskosten für eine BOS- Sicherheitskarte betragen derzeit 11 Euro (netto). Die Sachschadenshöhe hängt neben dem Gerätealter und -zustand unter anderem davon ab, ob und welche Geräte in welchem Zustand wiedererlangt werden können und ist deshalb derzeit nicht genau verifizierbar. 5. Ist bekannt, ob bei der Hamburger Polizei abhanden gekommene Digitalfunkgeräte und/oder BSO-Sicherheitskarten im Onlinehandel weiterveräußert wurden? Wenn ja, um wie viele Fälle handelt es sich und wurden Maßnahmen ergriffen, um die Geräte zurückzuerlangen? Jeweils sieben Digitalfunkgeräte und Sicherheitskarten wurden über eine Verkaufsplattform online veräußert. Bei jeweils drei weiteren Fällen erfolgte der Verkauf aufgrund persönlicher Beziehungen direkt, in drei Fällen ist die Weitergabe bislang ungeklärt . Im Übrigen siehe Antwort zu 3. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/17958 3 6. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um den Gefahren, die aus einer unbefugten Teilnahme am digitalen Behördenfunkverkehr unter Verwendung der abhanden gekommenen BSO-Sicherheitskarten erwachsen, wirksam entgegenzuwirken? Welche Maßnahmen sind gegebenenfalls noch geplant und bis wann? Nach dem Bekanntwerden des Verlustes eines Digitalfunkgerätes wird umgehend die für jeden „Teilnehmer“ vorhandene individuelle Teilnehmernummer im System gesperrt, sodass die Nutzung des Digitalfunks mit diesem Gerät nicht mehr möglich ist. 7. Ist dem Senat bekannt, ob entwendete BSO-Sicherheitskarten zum unbefugten Nutzen des Polizeifunks verwendet wurden? Wenn ja, wie viele Fälle sind bekannt und wurden diese Karten in Geräten verwendet, die aus dem Hamburger Dienstbetrieb abhandenkamen? Wenn nein, wäre eine solche unbefugte Nutzung in Echtzeit oder nachgelagert detektierbar? Könnten Erkenntnisse über Zeit und/oder Ort der unbefugten Nutzung von BSO-Sicherheitskarten aus der Nutzung dieser Karten generierten Daten ermittelt oder erzeugt werden? In zwei kurz hintereinander folgenden Fällen wurden mit demselben entwendeten Digitalfunkgerät der Hamburger Polizei Daten auf einem Funkkanal der Polizei Hamburg abgefragt. Darüber hinaus wurde von mindestens zwei Beschuldigten Polizeifunk abgehört. Die über dies hinausgehende weitere Beantwortung der Frage stellt eine Gefährdung der laufenden Ermittlungen dar, von der der Senat daher absieht. 8. Welche finanziellen Risiken durch drohende Entschädigungsforderungen aufgrund von Sicherstellungs- oder Beschlagnahmefolgeschäden sind bis dato bei Geräten entstanden, die auf Veranlassung von Hamburger Behörden durch andere Bundesländer sichergestellt oder gegebenenfalls auch beschlagnahmt wurden? Derartige Risiken sind derzeit nicht bekannt. 9. Sind dem Senat die Tätergruppen bekannt, welche die Geräte entwendeten beziehungsweise welche sie dann online gehandelt haben oder zu handeln versucht oder erworben haben oder zu erwerben versucht haben? 10. Wurden hinsichtlich der abhandengekommenen Geräte Strafverfahren und disziplinarrechtliche Verfahren gegen Bedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg eingeleitet? Wenn ja, gegen wie viele Personen und hinsichtlich welcher Tatbestände ? Wie viele dieser Verfahren laufen noch und/oder wie viele wurden eingestellt und welche Dienstelle führt diese Ermittlungen? Die Ermittlungen richten sich bezüglich der bei der Polizei Hamburg entwendeten Digitalfunkgeräte und Sicherheitskarten gegen zwei Polizeivollzugsbeamte der Polizei Hamburg wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls mit Waffen gemäß §§ 242, 244 StGB und gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259, 260 StGB sowie gegen weitere acht Personen (keine Amtsträger) wegen des Verdachts der Hehlerei gemäß § 259 StGB beziehungsweise gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß §§ 259, 260 StGB. Der Tatvorwurf der Hehlerei umfasst sowohl das An- als auch Verkaufen der entwendeten Digitalfunkgeräte und Sicherheitskarten. Die Ermittlungen dauern an. Disziplinarrechtliche Ermittlungen werden in der Beschwerde- und Disziplinarabteilung der Polizei geführt. Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorwürfe wurden gegen zwei Beamte Disziplinarverfahren eingeleitet und jeweils bis zum Abschluss der Strafverfahren ausgesetzt. 11. Welche konkreten Maßnahmen wurden vom Senat ergriffen, um einem zukünftigen Abhandenkommen von Digitalfunkgeräten und von BSO- Sicherheitskarten und deren anschließender Weitergabe beziehungsweise dem Handel präventiv entgegenzuwirken? Drucksache 21/17958 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Alle Polizeibediensteten werden im Rahmen der Einstellung für den Umgang mit Führungs - und Einsatzmitteln (FEM) dienstverpflichtet. Die Verpflichtung bezüglich des Umgangs mit FEM und insbesondere zur unverzüglichen Meldung beim Verlust eines Funkgerätes ist in der PDV 350 eindeutig und abschließend geregelt. An den Polizei- und Wasserschutzpolizeikommissariaten gibt es täglich mehrfache Bestandskontrollen im Rahmen der Schichtwechsel, die ebenfalls in der PDV 350 umfassend geregelt sind. Auf diese Regelungen ist anlässlich des erfragten Sachverhalts noch einmal besonders hingewiesen worden, insbesondere auch in Hinsicht auf Geräte, die nicht in der täglichen Benutzung sind. Darüber hinaus erfolgt grundsätzlich jährlich ein Software-Update für alle Digitalfunkgeräte . Dadurch findet automatisch eine Prüfung auf das Vorhandensein der vorgesehenen Digitalfunkgeräte und BOS-Sicherheitskarten statt, da ein Update ohne vorhandene BOS-Sicherheitskarte nicht möglich ist. 12. Wirkt sich beziehungsweise hat sich das Abhandenkommen der Digitalfunkgeräte und/oder der BSO-Sicherheitskarten negativ auf die Einsatzfähigkeit der Hamburger Behörden ausgewirkt oder waren ausreichende Redundanzen vorhanden beziehungsweise konnten diese jeweils kurzfristig verfügbar gemacht werden? Das Abhandenkommen der Digitalfunkgeräte und/oder der BOS-Sicherheitskarten hat sich erkennbar nicht negativ auf die Einsatzfähigkeit der Polizei ausgewirkt. Es sind ausreichend Redundanzen vorhanden. Eine festgestellte, unbefugte Nutzung eines Digitalfunkgerätes kann zudem jederzeit sofort unterbunden werden.