BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18036 21. Wahlperiode 10.09.19 Große Anfrage der Abgeordneten Norbert Hackbusch, Deniz Celik, Stephan Jersch, Sabine Boeddinghaus, Martin Dolzer, Dr. Carola Ensslen, Cansu Özdemir, Christiane Schneider, Heike Sudmann und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 14.08.19 und Antwort des Senats Betr.: Aufarbeitung Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte im Bundesland Hamburg Die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte, an denen sich offensichtlich etliche Banken in der deutschen Bankenlandschaft auf Kosten von Steuerzahlern bereichert haben, entwickeln sich zu einem der größten Steuerskandale in der Nachkriegsgeschichte. Der entstandene Schaden wird mittlerweile in einem hohen zweistelligen Milliardenbereich gesehen. Auch in Hamburg haben einiger Kreditinstitute ihren Dienstsitz, die immer wieder im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften in Zusammenhang gebracht werden. Hierzu fragen wir den Senat: In Hamburg wird eine strikte Beachtung der Steuergesetze erwartet. Mit großem Nachdruck sorgen alle hierfür zuständigen Behörden nachhaltig und erfolgreich für den konsequenten Vollzug der Steuergesetze und bekämpfen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unzulässige Steuergestaltungen. Bei den als sogenannte Cum-Ex-Geschäfte oder Cum-Cum-Geschäfte bezeichneten Geschäftsvorfällen im Bankenbereich handelt es sich regelmäßig um sehr komplexe, im Rahmen von steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungen festzustellende, Sachverhalte . Die fraglichen Geschäfte werden in der Regel OTC (over the counter) abgewickelt und umfassen größere Tranchen. Allerdings sind diese Tranchen nicht in den Konten von Clearstream Banking Frankfurt „offen“ enthalten, sondern es werden die Salden zum Tagesende ausgewiesen.1 Eine andere Vorgehensweise bei Clearstream Banking Frankfurt, nämlich die genaue Abbildung jeder Transaktion, ist aufgrund des Buchungsvolumens nicht möglich. Bereits bei der ausschließlichen Buchung der Salden beläuft sich das Volumen auf mehr als 2 000 Buchungen an den fünf Handelstagen rund um den Tag der Hauptversammlung. Aus dieser Vielzahl von Buchungen sind die relevanten herauszufiltern. Das Aufdecken der Geschäfte wird dabei auch erschwert, dass eine zunächst unbekannte Anzahl von Beteiligten daran mitwirkt, bei denen es sich teilweise um juristische Personen ohne Sitz in Deutschland handelt. 1 Sämtliche Banken und Sparkassen erwerben und veräußern untereinander Aktien, teilweise im Eigenhandel, aber auch im Auftrag ihrer Kunden. Wenn beispielsweise die Bank A an die Bank B im Eigenhandel 100 Aktien der XY AG veräußert und im Laufe des Handelstages die Kunden der Bank B an Kunden der Bank A 90 Aktien der XY AG veräußern, wird in den Konten der Clearstream Banking Frankfurt ausgewiesen werden, dass die Bank A an die Bank B zehn Aktien der XY AG übertragen hat. Drucksache 21/18036 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Aufdecken der Geschäfte vollzieht sich daher in vielen kleinen Schritten, in denen zunächst bei Clearstream Banking Frankfurt nach den Konten für bestimmte Handelstage gefragt wird. Die Konten werden nach den von der jeweiligen Bank vorgenommenen Buchungen gesichtet. Diese Buchungen werden anhand der vorliegenden Unterlagen geprüft. Verdächtig wirkende Geschäftsvorgänge werden hinterfragt. Diese Schritte werden für den so gefundenen Beteiligten erneut vorgenommen. Der gesamte Prozess ist extrem zeit- und arbeitsintensiv und erfordert ein besonderes Verständnis für das Bankwesen. Wegen der beteiligten juristischen Personen ohne Sitz in Deutschland sind zudem auch regelmäßig Auskünfte aus dem Ausland im Wege der internationalen Rechtshilfe anzufordern. Die Ermittlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten, wie sie hier regelmäßig vorliegen, ist sehr zeitaufwändig und führt nicht immer zu dem gewünschten Erfolg bei der Aufklärung des Sachverhalts. Wenn ausländische Banken und/oder Wertpapierhändler eingeschaltet sind, ist die Sachverhaltsaufklärung maßgebend von der Gewährung ausländischer Amts- und Rechtshilfe abhängig. Grundsätzlich gehen die Finanzbehörden in Hamburg jedem hier vorliegendem Hinweis auf mögliche Fallgestaltungen in diesem Bereich nach. Insbesondere das Finanzamt für Großunternehmen hat diese Hinweise im Rahmen der Prüfung von in Hamburg ansässigen Banken geprüft. Die dabei festgestellten Sachverhalte wurden dann – soweit strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen waren – über das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg der Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Würdigung zugeleitet. In den hier bekannten Fällen haben alle Stellen der Hamburger Finanzverwaltung eng zusammengearbeitet. Aufgrund der möglichen Schadenshöhe wäre in diesen Fällen, soweit ein strafrechtlicher Anfangsverdacht zu bejahen wäre, regelmäßig die Staatsanwaltschaft nach den einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und der Strafprozessordnung für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständig. Ob in anderen Ländern weitere Erkenntnisse vorliegen, die eine andere Beurteilung hinsichtlich der zu beurteilenden Sachverhalte ermöglichen würden, ist hier nicht bekannt. Soweit in anderen Ländern Informationen zu hiesigen Steuerfällen vorliegen, ist die Hamburger Steuerverwaltung darauf angewiesen, dass diese Länder ihre Informationen weiterleiten, so wie Hamburg dies umgekehrt selbstverständlich auch tut. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere bisher unbekannte Sachverhalte im Hamburger Zuständigkeitsbereich liegen. Eine Aussage über deren Anzahl und Relevanz kann naturgemäß nicht getroffen werden, eine Dunkelziffer ist nicht prognostizierbar. Insbesondere geht es dabei um Fälle, in denen im Rahmen der Außenprüfung keine Anhaltspunkte für Cum-Ex-Geschäfte beziehungsweise Cum- Cum-Transaktionen gefunden wurden, bei denen aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass Prüfungen anderer Unternehmen, auch außerhalb Hamburgs, zu neuen Erkenntnissen führen. Die Finanzbehörden in Hamburg unternehmen nach wie vor alle Anstrengungen, um Cum-Ex-Geschäfte und Cum-Cum-Transaktionen aufzudecken. Doch das ist ein langwieriger Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Im Interesse der konsequenten Rechtstaatlichkeit kommt es darauf an, bei entsprechenden Anhaltspunkten die äußerst komplexen Sachverhalte umfassend aufzuklären und sodann gründlich zu bewerten. Die Beweislast, dass Cum-Ex-Geschäfte oder Cum-Cum- Transaktionen durchgeführt wurden, liegt bei den Finanzbehörden. Solange einem Kreditinstitut nicht nachgewiesen werden kann, dass es Cum-Ex-Geschäfte oder Cum-Cum-Transaktionen getätigt hat, kommt eine Rückforderung von Kapitalertragsteuer rechtlich nicht in Betracht. Daher wird, solange ein entsprechender Verdacht besteht, alles daran gesetzt, derartige Geschäfte nachzuweisen. Im Übrigen ist der Senat im Hinblick auf das Steuergeheimnis nach § 30 Absatz 1 und 2 der AO daran gehindert, solche Auskünfte zu erteilen, die Rückschlüsse auf die jeweiligen Einzelfälle zulassen würden. Daher sind konkrete Angaben – und zwar weder in positiver noch in negativer Hinsicht – nicht möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18036 3 Allgemein: 1. Gegen wie viele Beteiligte wurden in unserem Bundesland steuer- und strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet? Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat in den ihr bekannt gewordenen Cum-Ex- Sachverhalten, in denen eine Hamburger Zuständigkeit gegeben war, rechtliche Prüfungen durchgeführt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Was ist unter dem Begriff des Fallkomplexes zu verstehen, der im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren verwendet wird? Das zuständige Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg verwendet den Begriff Fallkomplex nicht im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu „Cum- Ex“- und „Cum-Cum“- Geschäften. 3. Sind sämtliche Schadensfälle mit Bezug zu unserem Bundesland identifiziert oder ist mit einer weiteren Ausweitung von Ermittlungen zu rechnen ? Es ist nicht auszuschließen, dass weitere bisher unbekannte Sachverhalte im Hamburger Zuständigkeitsbereich identifiziert und weitere Ermittlungen nötig werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Wie hoch ist der bisher absehbare Steuerschaden? 5. Wie verteilt sich dieser Schaden auf die einzelnen Jahre ab 2002? Soweit Cum-Ex-Geschäfte eindeutig identifiziert werden konnten, wurde die mit diesen Geschäften in Zusammenhang stehende Kapitalertragsteuer zurückgefordert, soweit es verfahrensrechtlich möglich war. Hinsichtlich der nicht zurückgeforderten Kapitalertragsteuer kann aufgrund des Steuergeheimnisses nach § 30 der AO (eventuell Rückschluss auf Einzelfälle) nicht beantwortet werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Wurde auf Ebene der Finanzverwaltungen von Bund und Ländern die Möglichkeit in Erwägung gezogen, externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Bewältigung der Ermittlungsarbeit mit einzubeziehen? In Hamburg wurde auf die Hinzuziehung von externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verzichtet, weil ein solches Vorgehen sehr unüblich ist und angesichts der extrem schwierigen und langwierigen Sachverhaltsermittlung auch keineswegs gesichert war, dass trotz sehr hoher Kosten hinreichend qualifiziertes Personal hätte gewonnen werden können. Die Kosten hätten alleine den Hamburger Haushalt belastet , während eventuelle Steuereinnahmen nur zu einem kleinen Teil in Hamburg verblieben wären. Unter Wirtschaftlichkeitsaspekten wurde hiervon abgesehen und stattdessen auf übliche Ermittlungsverfahren gesetzt. Der Einsatz externer Kräfte führt auch hinsichtlich des Steuergeheimnisses nach § 30 der AO zu Problemen. Angesichts der Komplexität der Bankgeschäfte mit sehr hohen Kosten über einen längeren Zeitraum für den Steuerzahler konnte nicht mit Gewissheit , zumindest aber mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg ausgegangen werden. Ein eventueller Erfolg hätte sich nach § 30 der AO als rechtswidrig herausstellen und ein Verwertungsverbot zur Folge haben können. Zu eventuellen Erwägungen des Bundes kann keine Aussage getroffen werden. Darüber hinaus werden keine Auskünfte zu anderen Ländern oder dem Bund gegeben. 7. Wie erfolgen die Vernetzung und der Informationsaustausch zwischen den Ermittlungsteams und Staatsanwaltschaften der einzelnen Länder? Siehe Vorbemerkung. 8. In wie vielen Fällen erfolgt(e) eine Haftungsinanspruchnahme der inländischen Depotbank (vergleiche Abschlussbericht 4. (Bundestags-)Untersuchungsausschusses II Nummer 4, Seite 35)? Drucksache 21/18036 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das Finanzamt für Großunternehmen hat nach derzeitigem Stand keine Hamburgische Depotbank in Haftung genommen. Eingesetztes Personal: 9. Wie viele Ermittler und Staatsanwälte, Steuerprüfer und Steuerfahnder sind jeweils mit der Aufarbeitung der Cum-Ex-Fälle betraut? 10. Bitte stellen Sie die Entwicklung zur Anzahl der eingesetzten Ermittler und Staatsanwälte, Steuerprüfer und Steuerfahnder nach Jahren ab 2012 dar. Der Umfang des Einsatzes von Ermittlern, Staatsanwälten, Steuerprüfern und Steuerfahndern , die sich über die Jahre mit der Thematik befasst haben, kann mangels statistischer Erkenntnisse nicht verlässlich beantwortet werden kann. Da es sich um dienstinterne ermittlungstaktische Vorgänge handelt, aus denen Rückschlüsse auf den Umfang und die Art der Ermittlungen gezogen werden könnten, unterfallen derartige Angaben nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in allen Ermittlungsverfahren dem Dienstgeheimnis. Das Finanzamt für Großunternehmen setzt zusätzlich zu einer Reihe von Betriebsprüfern speziell fortgebildete Bankenfachprüfer zur Aufdeckung von Cum-Ex-Geschäften und Cum-Cum-Transaktionen ein, vier im Jahr 2013 bis 2015, fünf im Jahr 2016 und 2017 und drei seit dem Jahr 2018. Beim Finanzamt für Großunternehmen werden nur erfahrene Betriebsprüfer eingesetzt . Die Fortbildung dieser Betriebsprüfer zu Bankenfachprüfern erfolgt durch spezielle Fortbildungsmaßnahmen, die zeitlich gestreckt angeboten werden. Daher erfordert der Aufbau eines Bankenfachprüferteams Zeit. Die Absenkung der Anzahl resultiert aus Altersabgängen und Arbeitsplatzwechseln, beispielsweise aufgrund von Beförderung. 11. Bitte stellen Sie parallel die Anzahl der zu ermittelnden Fälle/Fallkomplexe in der Entwicklung ab 2012 dar. 12. Sind die jeweiligen Ermittler und Staatsanwälte, Steuerprüfer und Steuerfahnder nur mit einem Fall/Fallkomplex beschäftigt oder haben diese mehrere Fälle/Fallkomplexe parallel zu ermitteln? 13. Sind die jeweiligen Ermittler und Staatsanwälte, Steuerprüfer und Steuerfahnder nur mit Cum-Ex-Fällen beschäftigt oder haben diese parallel noch Fälle aus anderen Bereichen gleichzeitig zu bearbeiten? 14. Wie stellt sich der Personaleinsatz im Vergleich zu anderen Großfällen wie zum Beispiel „Panamapapers“ dar? 15. Ist der kurzfristige Einsatz weiterer Ermittler und Staatsanwälte, Steuerprüfer und Steuerfahnder geplant? Seit dem Jahr 2012 haben die Hamburger Finanzämter bisher in 18 Fällen ermittelt. Die Sachverhaltsermittlungen dauern in 15 Fällen noch an. Die Bankenfachprüfer des Finanzamts für Großunternehmen sind mit mehreren Prüfungen von Fällen aus der Finanzbranche parallel beschäftigt. Der Personaleinsatz in dem Finanzamt ist wegen des Einsatzes der Bankenfachprüfer im Vergleich zu anderen Großfällen, in denen keine speziell fortgebildeten Fachprüfer eingesetzt werden und von denen auch alle anderen Finanzämter in Hamburg betroffen sein können, erheblich höher. Statistisch werden diese Zahlen nicht erfasst. Auch eine seriöse Schätzung ist nicht möglich. Es gibt lediglich den Erfahrungswert des Finanzamts für Großunternehmen, wonach mehr Prüfer für eine längere Zeit mit dieser Thematik beschäftigt sind. Der kurzfristige Einsatz zusätzlicher Steuerprüfer/-innen beziehungsweise Steuerfahnder /-innen ist schon deshalb nicht möglich, weil hierfür aufgrund der Komplexität und des notwendigen branchenspezifischen Wissens kein Personal vorgehalten werden kann. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18036 5 Im Übrigen siehe Antwort zu 9. und 10. 16. Wie werden einzusetzende Ermittler und Staatsanwälte, Steuerprüfer und Steuerfahnder in der Materie Cum-Ex geschult? 17. Ist gewährleistet, dass eingesetzte und geschulte Ermittler und Staatsanwälte , Steuerprüfer und Steuerfahnder die Fälle/Fallkomplexe bis zum Ende bearbeiten oder besteht die Gefahr, dass diese für anderweitige Aufgaben abgezogen werden? Im Rahmen der Einführungsschulung für neue Bankenfachprüfer an der Bundesfinanzakademie wird die Thematik behandelt. Die Schulung von konkret eingesetzten Kräften erfolgt überregional im Rahmen von Erfahrungsaustauschen. Zudem haben Hamburger Prüfer die Möglichkeit, an Schulungen und Workshops des Bundeszentralamtes für Steuern teilzunehmen. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass die in Cum-Ex-Fällen eingesetzten steuerlichen Außenprüfer die ihnen anvertrauten Fälle bis zum Abschluss der jeweiligen Außenprüfung betreuen. Im Rahmen der beruflichen Weiterentwicklung der einzelnen Außenprüfer ist jedoch die Möglichkeit eines Funktionswechsels nicht auszuschließen. Die Steuerverwaltung bearbeitet alle ihre Fälle so, dass das eingesetzte Personal den größtmöglichen Nutzen erzielt. Hoch qualifizierte Spezialisten werden daher, wenn überhaupt, nur in Ausnahmefällen mit anderen, als noch vordringlicher eingestuften Aufgaben betraut. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. und 10. Verjährung: 18. Wie sind die steuerrechtlichen Verjährungsfristen? Festsetzungsverjährung tritt mit Ablauf der Festsetzungsfrist ein. Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre. Die Frist beginnt, wenn eine Steuererklärung (hier: für die Ertragsteuern) oder eine Steueranmeldung (hier: für die Kapitalertragsteuer) einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung beziehungsweise die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Liegt eine leichtfertige Steuerverkürzung oder ein Fall der Steuerhinterziehung vor, so beträgt die Festsetzungsfrist fünf beziehungsweise zehn Jahre. Die Zahlungsverjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in Fällen der Steuerhinterziehung zehn Jahre. Die verlängerte Zahlungsverjährungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung gilt für alle am 24. Juni 2017 noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 der AO wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt. Dies gilt auch für eine Steueranmeldung. 19. Wie erfolgt/erfolgte die Unterbrechung der steuerrechtlichen Verjährung? In § 171 der AO sind diverse Bestimmungen für eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist geregelt, die unter den im Gesetz jeweils vorgesehenen Voraussetzungen im Einzelfall zu einem weiteren Hinausschieben des Ablaufs der Festsetzungsfrist führen können. Für die in Rede stehenden Fälle können insbesondere die Ablaufhemmung wegen des Beginns einer Außenprüfung beziehungsweise die Ablaufhemmung wegen des Beginns einer Prüfung durch die Steuerfahndung einschlägig sein. Wird mit der Außen- beziehungsweise Fahndungsprüfung innerhalb der Festsetzungsfrist begonnen, läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung beziehungsweise die aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung wird durch unterschiedliche Maßnahmen bewirkt. Die hier vordergründig in Betracht kommende Maßnahme ist die schriftliche Drucksache 21/18036 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Geltendmachung des Anspruchs. In diesem Fall würde mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die schriftliche Geltendmachung erfolgt, eine neue Verjährungsfrist beginnen. Unabhängig von einer gegebenenfalls abgelaufenen Zahlungsverjährungsfrist bezüglich früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, ist bei einer Änderung der Steuerfestsetzung der Einkommensteuer beziehungsweise Körperschaftsteuer die bisherige Anrechnungsverfügung2 der geänderten Steuerfestsetzung anzupassen. Dies hat zur Folge, dass mit der Bekanntgabe des Steueränderungsbescheids die Zahlungsverjährungsfrist insoweit erneut in Lauf gesetzt wird. 20. Gibt es Haftungsschuldner für die entstandenen Schäden? Haftungsschuldner werden sachverhaltsbezogen nach den Grundsätzen der Abgabenordnung sowie der übrigen Steuergesetze ermittelt. 21. Wie sind die strafrechtlichen Verjährungsfristen? Die Steuerhinterziehung im Grundtatbestand (§ 370 Absatz 1 AO) verjährt nach fünf Jahren (§ 78 Absatz 1, 3 Nummer 4 StGB), die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall (§ 370 Absatz 3 AO) nach zehn Jahren (§ 376 Absatz 1 AO). Grundsätzlich tritt in jedem Strafverfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt die Verfolgungsverjährung ein, beeinflusst durch den Beginn sowie etwaige Unterbrechens- oder Ruhensgründe nach §§ 78 fortfolgende StGB, 376 AO, solange noch kein Urteil vorliegt . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 22. Wie viele Fälle drohen strafrechtlich und steuerrechtlich zu verjähren? Werden der zuständigen Fachbehörde steuerstrafrechtliche Anhaltspunkte bekannt, die eine Strafverfolgung erforderlich machen, so ergreift diese rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 23. Was wurde bisher unternommen, um die drohenden Verjährungen zu verhindern? Siehe Antwort zu 22. 24. Der Finanzminister NRW spricht laut Plenarprotokoll vom 10.4.2019 (17/55 – Landtag NRW) von identifizierten und nicht identifizierten Tätern. Wie wird sichergestellt, dass eine rechtzeitige Verjährungsunterbrechung gegen die noch nicht identifizierten Täter erfolgen kann? Die Strafprozessordnung sieht keine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung bei Ermittlungen gegen Unbekannt vor. 25. In welchem Umfang sind schon Verjährungen eingetreten und wie hoch ist der Schaden? Siehe Vorbemerkung. Fragen zu Cum-Cum: Vorbemerkung: Ein BMF-Schreiben von 17. Juli 2017 regelt die Behandlung von so genannten Cum-Cum-Transaktionen. Teilweise werden unterschiedliche Begrifflichkeiten für die Beschreibung der im Einzelnen durchaus unterschiedlichen Gestaltungen gewählt. Die folgenden Fragen beziehen sich auf den Themenkomplex, der in dem genannten BMF-Schreiben behandelt wird: Aufarbeitung Cum-Cum: 2 Der Anrechnungsteil eines Steuerbescheids benennt die festgesetzte Körperschaftsteuer, von der im weiteren Verlauf die geleisteten Körperschaftsteuervorauszahlungen sowie die anrechenbare Kapitalertragsteuer abgezogen werden, um so das Nachzahlungsvolumen beziehungsweise das Erstattungsguthaben zu berechnen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18036 7 26. Welche Anstrengungen hat der Senat unternommen, die Vorgaben im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 umzusetzen? Das BMF-Schreiben wurde allen Finanzämtern zeitgleich bekanntgegeben. Weiterhin war das BMF-Schreiben Gegenstand der Fortbildungsveranstaltung zu § 36a EStG und in den Schulungsunterlagen zu § 36a EStG als Anlage aufgenommen. Da potenziell in Betracht kommende Fälle überwiegend beim Finanzamt für Großunternehmen geführt werden, ist das BMF-Schreiben dort Gegenstand von Dienstbesprechungen und internen Qualifizierungs- beziehungsweise Einarbeitungsmaßnahmen gewesen. 27. Wie viele Sparkassen oder Banken sind in unserem Land ansässig und wie viele davon wurden auf die Durchführung von Cum-Cum-Geschäften im gesamten steuerlich noch nicht verjährten Zeitraum geprüft? In Hamburg werden 29 Banken und Sparkassen steuerlich geführt. Es gibt keine speziell auf die Durchführung von Cum-Cum-Geschäften gerichteten Prüfungen. Sofern Anhaltspunkte für Cum-Cum-Geschäfte vorlagen beziehungsweise zukünftig vorliegen , wurde beziehungsweise wird diese Thematik in die allgemeine steuerliche Außenprüfung einbezogen. 28. Wie viele Steuerprüfer und Steuerfahnder sind mit Prüfungen zu sogenannten Cum-Cum-Geschäften betraut? Sind diese ausschließlich mit diesen Fällen betraut oder bearbeiten sie nebenher auch noch andere Sachverhalte/Fälle? Liegen konkrete Dienstanweisungen vor, die eine Konzentration des Arbeitseinsatzes der Mitarbeiter auf diesen Bereich vorgeben? Bisher wurden der Steuerfahndung keine Fälle bekannt, die strafrechtliche Vorermittlungen oder Strafverfahren in sogenannten Cum-Cum-Geschäften notwendig gemacht hätten. Im Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg wird die Besteuerung der Banken in einem Sachgebiet zusammengefasst. Die dort eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind umfassend zuständig. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 29. Wurde auf Ebene der Finanzverwaltungen von Bund und Ländern die Möglichkeit in Erwägung gezogen, externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Bewältigung der Prüfungsarbeit mit einzubeziehen? Siehe Antwort zu 6. 30. Das BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 beschäftigt sich ausschließlich mit der Wertpapierverleihung von Aktien: Wurde die bei der Abarbeitung von Auslandskapitalanlegerfällen bekannt gewordene häufige Wertpapierverleihung von anderen Finanzprodukten, zum Beispiel festverzinslichen Wertpapieren, auch lending genannt, in die Prüfung von Banken und Sparkassen einbezogen? Die Thematik der Wertpapierleihe wurde in bisherige beziehungsweise wird in zukünftige steuerliche Außenprüfungen einbezogen, sofern sie im jeweiligen Einzelfall als Prüfungsschwerpunkt identifiziert wurde/wird. 31. Was wurde veranlasst, damit die Steuerfahndung in der Lage ist, die vielen komplexen Fälle von Steuergestaltungen am Finanzmarkt aufzuarbeiten ? Wurden besondere Teams gebildet, Fortbildungen und Schulungen organisiert, zusätzliche Stellen geschaffen oder besetzt? Die Prüfung von Steuergestaltungen am Finanzmarkt ist grundsätzlich Aufgabe der zuständigen Finanzämter. Sie ist erst dann Aufgabe der Steuerfahndung, sofern und sobald derartige Gestaltungen strafrechtlich relevant sind. Sofern Anhaltspunkte für Gestaltungen im Rahmen der laufenden Prüfungen bei Banken festgestellt werden, stellen diese Komplexe regelmäßig einen Prüfungsschwerpunkt dar. Im Zuge dessen wird dann eine steuerliche Bewertung vorgenommen. Im Rahmen dieser Bewertung wird auch geprüft, ob gegebenenfalls ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vorliegt. Nur wenn sich im Rahmen dieser steuerlichen Prüfungen Hinweise auf Drucksache 21/18036 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 8 ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben, wäre die Steuerfahndung oder Staatsanwaltschaft einzuschalten. Im Übrigen siehe Antwort zu 28. 32. Wurden bei den Prüfungshandlungen auch die für deutsche Anleger tätigen ausländischen Banken einbezogen? Siehe Vorbemerkung. 33. Wurden bei Feststellung von Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO die für die Ermittlung und Strafverfolgung bei Steuerhinterziehung zuständigen Landesbehörden einbezogen? Wenn ja, in wie vielen Fällen? Wurde dabei steuerlich die Festsetzungsfrist von zehn Jahren gemäß § 169 Absatz 2 Satz 2 AO und damit einhergehend den entsprechenden Prüfungszeitraum uneingeschränkt beachtet? Die Prüfung von Steuergestaltungen am Finanzmarkt ist grundsätzlich Aufgabe der zuständigen Finanzämter. Sie ist erst dann Aufgabe der Steuerfahndung, sofern und sobald derartige Gestaltungen strafrechtlich relevant sind. Im Übrigen siehe Antwort zu 28. Schadensvolumen 34. Wie viele Fälle sogenannter Cum-Cum-Gestaltungen sind im Rahmen dieser Prüfungen oder auf anderem Wege in unserem Bundesland entdeckt worden? Wie viele Banken oder Sparkassen sind hiervon betroffen ? Um welches Volumen an nicht gezahlten Steuern handelt es sich? In wie vielen Fällen mit welchem Gesamtvolumen sind Rückforderungsbescheide erlassen worden? Wie hoch sind die von Banken und Sparkassen gebildeten Rückstellungen für mögliche Steuernachzahlungen? 35. Sind sämtliche Schadensfälle mit Bezug zu unserem Bundesland identifiziert oder ist mit einer weiteren Ausweitung von Fallzahlen und Rückstellungsvolumen zu rechnen? 36. Wie verteilt sich dieser Schaden auf die einzelnen Jahre? Bisher sind lediglich außerhalb des Bereiches von Banken und Sparkassen Cum- Cum-Gestaltungen abschließend identifiziert worden, die über weitere Investmentvehikel durchgeführt wurden. Da die in Rede stehenden Gestaltungen nicht auf Ebene der Banken und Sparkassen vorgefunden wurden, sind bei diesen keine entsprechenden Steuerrückstellungen gebildet worden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Verjährung: 37. Wie sind hierbei die steuerrechtlichen Verjährungsfristen? 38. Wie erfolgt/erfolgte die Unterbrechung der steuerrechtlichen Verjährung? 39. Gibt es Haftungsschuldner für die entstandenen Schäden? 40. Wie sind die strafrechtlichen Verjährungsfristen? 41. Wie viele Fälle drohen strafrechtlich und steuerrechtlich wann zu verjähren ? 42. Was wurde bisher unternommen, um die drohenden Verjährungen zu verhindern? 43. In welchem Umfang sind schon Verjährungen eingetreten und wie hoch ist der Schaden? Siehe Antworten zu 18. bis 23. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18036 9 Weitergeleitete Wertpapierleihe: Die Cum-Cum-Gestaltung in Form der weitergeleiteten Wertpapierleihe führt neben der Anrechnung der KapESt beim (ersten) inländischen Entleiher auch zur missbräuchlichen Generierung von Betriebsausgaben bei den weiteren inländischen Entleihern in der Weiterleitungskette: 44. Wie hoch sind die steuermindernden Auswirkungen auf Ertragsteuerarten (KSt, GewSt) bei den Cum-Cum-Verdachtsfällen mit weitergeleiteter Wertpapierleihe (differenziert nach Steuerarten und Veranlagungsjahren für alle Verdachtsfälle)? Bei den beim Finanzamt für Großunternehmen geführten Banken und Sparkassen konnten bisher keine Cum-Cum-Gestaltungen in Form der weitergeleiteten Wertpapierleihe nachgewiesen werden. 45. In wie vielen Cum-Cum-Verdachtsfällen besteht ebenfalls der Verdacht auf eine fortgesetzte Gestaltung im Rahmen der weitergeleiteten Wertpapierleihe ? Bisher wurden der Steuerfahndung keine Fälle bekannt, die strafrechtliche Vorermittlungen oder Strafverfahren in sogenannten Cum-Cum-Geschäften notwendig gemacht hätten. Im Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg wird die Besteuerung der Banken in einem Sachgebiet zusammengefasst. Die dort eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind umfassend zuständig. Bei den beim Finanzamt für Großunternehmen geführten Banken und Sparkassen sind durch besonders geschulte Bankenfachprüfer bisher keine Cum-Cum-Gestaltungen in Form der weitergeleiteten Wertpapierleihe bekannt geworden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 46. Wie erfolgt die Prüfung, ob eine missbräuchliche Generierung von Betriebsausgaben im Rahmen einer weitergeleiteten Wertpapierleihe vorliegt? 47. Welche Erkenntnisse über typische Fallgestaltungen der weitergeleiteten Wertpapierleihe liegen vor? 48. Wie hoch ist die Anzahl der im Verdacht stehenden Beteiligten von Cum- Cum-Gestaltungen mit weitergeleiteter Wertpapierleihe (differenziert nach Anstalten des öffentlichen Rechts, Banken, Versicherungen, Unternehmen)? Bei den beim Finanzamt für Großunternehmen geführten Banken und Sparkassen sind bisher keine Cum-Cum-Gestaltungen in Form der weitergeleiteten Wertpapierleihe bekannt geworden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 49. Mit welchen Methoden wird der kurzzeitige Handel mit Cum-Aktien überwacht, der durch die Verfügbarmachung von Cum-Aktien die Grundlage für missbräuchliche Steuergestaltungsmodelle darstellt? Nicht jeder Handel mit „Cum-Aktien“ führt zu Cum-Ex-Geschäften oder Cum-Cum- Transaktionen. Angesichts der Vielzahl von Transaktionen um den Dividendenstichtag , von denen die weit überwiegende Anzahl nicht im Zusammenhang mit Steuergestaltungsmodellen steht, ist eine flächendeckende Überwachung weder sinnvoll noch leistbar.